RS OGH 2001/9/25 14Os73/01, 13Os178/03, 13Os135/03, 11Os115/05d, 11Os52/05i, 13Os42/06k, 12Os52/06y,

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 25.09.2001
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Norm

StPO §120 A
StPO §126
StPO §127 Abs3
StPO §248
StPO §281 Abs1 Z4

Rechtssatz

Die - außer dem Fall des § 252 Abs 1 StPO - in dessen Abhörung bestehende Beiziehung eines Sachverständigen zur Hauptverhandlung kann durch das Vorbringen erheblicher Einwendungen verhindert werden, auch wenn dieser bereits ein schriftliches Gutachten abgegeben hat (EvBl 1997/82). Nach § 248 Abs 1 erster Satz StPO hat das Gericht bei der Beurteilung solcher Einwendungen auf ihre rechtliche Erheblichkeit die für den Untersuchungsrichter in der Voruntersuchung erteilten Vorschriften zu beobachten, soweit sie nicht ihrer Natur nach als in der Hauptverhandlung unausführbar erscheinen. Auf den Anschein der Befangenheit gestützte Einwendungen sind dabei von solchen zu scheiden, die mit mangelnder Sachkenntnis der als Sachverständiger abzuhörenden Person begründet werden.

Ob sich die als Sachverständiger beizuziehende Person schon vor der Hauptverhandlung eine Meinung über den Fall gebildet hat, ist für die Beurteilung des Anscheins der Befangenheit schon deshalb ohne Bedeutung, weil eine vorläufige Meinungsbildung spätestens mit Abgabe des schriftlichen Gutachtens füglich nicht mehr zu bestreiten ist und solcherart ansonsten kein mit der Abgabe eines schriftlichen Gutachtens beauftragter Gutachter in der Hauptverhandlung abgehört werden dürfte - ein Ergebnis das offen den Verfahrensgesetzen widerspricht und den Grundsatz indirekt als zutreffend erweist. Abhörung oder Verlesung des abgegebenen schriftlichen Gutachtens sind infolge Anscheins von Befangenheit vielmehr nur dann unzulässig, wenn zu erkennen ist, dass der Sachverständige sein Gutachten auch dann zu ändern nicht gewillt sein werde oder würde, wenn Verfahrensergebnisse dessen Unrichtigkeit aufzeigen. Allein aus einer vom Gutachtensauftrag nicht erfassten und daher unangebrachten rechtlichen Beurteilung zur Stellungnahme übermittelter Texte kann eine solche Befürchtung jedoch nicht abgeleitet werden. Von vornherein unbedenklich sind Aussagen wissenschaftlicher Publikationen aus dem Sachbereich des Gutachtensauftrages. Sie indizieren Befähigung, nicht Befangenheit.

Wurde das schriftliche Gutachten bereits abgegeben, bedarf es zur Beiziehung eines weiteren Sachverständigen wegen fehlender Sachkenntnis des Beauftragten eines an den Kriterien der §§ 125 f StPO ausgerichteten Antragsvorbringens. Denn auch der Untersuchungsrichter hätte sich daran auszurichten (§ 248 Abs 1 erster Satz StPO).

Entscheidungstexte

  • 14 Os 73/01
    Entscheidungstext OGH 25.09.2001 14 Os 73/01
  • 13 Os 178/03
    Entscheidungstext OGH 14.07.2004 13 Os 178/03
    Vgl auch; nur: Abhörung oder Verlesung des abgegebenen schriftlichen Gutachtens sind infolge Anscheins von Befangenheit nur dann unzulässig, wenn zu erkennen ist, dass der Sachverständige sein Gutachten auch dann zu ändern nicht gewillt sein werde oder würde, wenn Verfahrensergebnisse dessen Unrichtigkeit aufzeigen. (T1)
  • 13 Os 135/03
    Entscheidungstext OGH 06.10.2004 13 Os 135/03
    Vgl
  • 11 Os 115/05d
    Entscheidungstext OGH 28.03.2006 11 Os 115/05d
    nur: Die Beiziehung eines Sachverständigen zur Hauptverhandlung kann durch das Vorbringen erheblicher Einwendungen verhindert werden, auch wenn dieser bereits ein schriftliches Gutachten abgegeben hat (EvBl 1997/82). Nach § 248 Abs 1 erster Satz StPO hat das Gericht bei der Beurteilung solcher Einwendungen auf ihre rechtliche Erheblichkeit die für den Untersuchungsrichter in der Voruntersuchung erteilten Vorschriften zu beobachten, soweit sie nicht ihrer Natur nach als in der Hauptverhandlung unausführbar erscheinen. Wurde das schriftliche Gutachten bereits abgegeben, bedarf es zur Beiziehung eines weiteren Sachverständigen wegen fehlender Sachkenntnis des Beauftragten eines an den Kriterien der §§ 125 f StPO ausgerichteten Antragsvorbringens. (T2)
  • 11 Os 52/05i
    Entscheidungstext OGH 13.06.2006 11 Os 52/05i
    Auch; nur: Allein aus einer vom Gutachtensauftrag nicht erfassten und daher unangebrachten rechtlichen Beurteilung zur Stellungnahme übermittelter Texte kann eine solche Befürchtung nicht abgeleitet werden. (T3)
    Beisatz: Hier: Dass dem betriebswirtschaftlichen Experten aus seiner Sicht das Verhalten der Angeklagten „kridaträchtig scheint", ist für sich allein (vgl WK-StPO § 281 Rz 371, WK-StPO § 120 Rz 6 aE) nicht geeignet, auch nur den Anschein einer Befangenheit zu begründen. (T4)
  • 13 Os 42/06k
    Entscheidungstext OGH 23.08.2006 13 Os 42/06k
    Auch; Beisatz: Befangenheit eines Sachverständigen liegt nur vor, wenn zu erkennen ist, dass dieser sein Gutachten auch dann zu ändern nicht gewillt sein werde oder würde, wenn Verfahrensergebnisse dessen Unrichtigkeit aufzeigen. Selbst wenn im schriftlichen Gutachten überflüssigerweise zu Rechtsfragen Stellung genommen worden wäre, wäre allein daraus kein Anhaltspunkt für Befangenheit abzuleiten. (T5)
  • 12 Os 52/06y
    Entscheidungstext OGH 21.09.2006 12 Os 52/06y
    Vgl auch; Beisatz: Der StPO ist ein Recht der Parteien, die vom Gericht ausgewählten Sachverständigen formell abzulehnen, fremd. Eine Überprüfung gutachterlicher Expertisen kann vielmehr prozessordnungskonform nur mittels erheblicher Einwendungen (§ 120 StPO) erwirkt werden. Beziehen sich diese auf die Sachkenntnis des Gutachters, ist die Kritik an den Kriterien der §§ 125f StPO auszurichten. Auf den Anschein der Befangenheit gegründete Einwendungen sind nur dann beachtlich, wenn zu erkennen ist, dass der Sachverständige sein Gutachten auch dann zu ändern nicht gewillt sein werde oder würde, wenn Verfahrensergebnisse dessen Unrichtigkeit aufzeigen. (T6)
  • 13 Os 85/06h
    Entscheidungstext OGH 11.10.2006 13 Os 85/06h
    Auch; nur: Die - außer dem Fall des § 252 Abs 1 StPO - in dessen Abhörung bestehende Beiziehung eines Sachverständigen zur Hauptverhandlung kann durch das Vorbringen erheblicher Einwendungen verhindert werden, auch wenn dieser bereits ein schriftliches Gutachten abgegeben hat (EvBl 1997/82). Auf den Anschein der Befangenheit gestützte Einwendungen sind dabei von solchen zu scheiden, die mit mangelnder Sachkenntnis der als Sachverständiger abzuhörenden Person begründet werden. Abhörung oder Verlesung des abgegebenen schriftlichen Gutachtens sind infolge Anscheins von Befangenheit nur dann unzulässig, wenn zu erkennen ist, dass der Sachverständige sein Gutachten auch dann zu ändern nicht gewillt sein werde oder würde, wenn Verfahrensergebnisse dessen Unrichtigkeit aufzeigen. (T7)
  • 11 Os 104/04
    Entscheidungstext OGH 23.01.2007 11 Os 104/04
    Auch; nur T2
  • 12 Os 7/06f
    Entscheidungstext OGH 15.02.2007 12 Os 7/06f
    Auch; nur: Nach § 248 Abs 1 erster Satz StPO hat das Gericht bei der Beurteilung solcher Einwendungen auf ihre rechtliche Erheblichkeit die für den Untersuchungsrichter in der Voruntersuchung erteilten Vorschriften zu beobachten, soweit sie nicht ihrer Natur nach als in der Hauptverhandlung unausführbar erscheinen. (T8)
  • 11 Os 154/07t
    Entscheidungstext OGH 29.01.2008 11 Os 154/07t
    Vgl auch
  • 13 Os 67/09s
    Entscheidungstext OGH 19.11.2009 13 Os 67/09s
    Auch; nur T1
  • 13 Os 12/10d
    Entscheidungstext OGH 17.02.2011 13 Os 12/10d
    Auch; nur T1; nur T3; Beis ähnlich wie T4; Beisatz: Ob sich die als Sachverständiger beizuziehende Person schon vor der Hauptverhandlung eine Meinung über den Fall gebildet hat, ist für die Beurteilung des Anscheins der Befangenheit schon deshalb ohne Bedeutung, weil eine vorläufige Meinungsbildung spätestens mit Abgabe des schriftlichen Gutachtens abgeschlossen ist. (T9)
  • 14 Os 63/11p
    Entscheidungstext OGH 28.08.2012 14 Os 63/11p
    Vgl; Beisatz: Liegt ein für den Beschwerdeführer nachteiliges Gutachten bereits vor, kann bei (in dessen Vernehmung bestehender) Beiziehung dieses Sachverständigen zur Hauptverhandlung nur durch Aufzeigen von nach Durchführung eines Verbesserungsverfahrens bestehen gebliebenen Mängeln im Sinn des § 127 Abs 3 erster Satz StPO das Gutachten eines weiteren Sachverständigen unter der Sanktion der Z 4 erwirkt werden. Auf mangelnde Sachkunde des Sachverständigen gegründete Einwendungen sind nach Erstattung von Befund und Gutachten nicht mehr zulässig. (T10)
  • 14 Os 79/12t
    Entscheidungstext OGH 05.03.2013 14 Os 79/12t
    Vgl; Ähnlich Beis wie T10
  • 15 Os 1/13f
    Entscheidungstext OGH 22.05.2013 15 Os 1/13f
    Vgl; Beis wie T10
  • 14 Os 119/14b
    Entscheidungstext OGH 16.12.2014 14 Os 119/14b
    Auch; Beis wie T10
  • 15 Os 52/14g
    Entscheidungstext OGH 14.01.2015 15 Os 52/14g
    Auch
  • 11 Os 5/15t
    Entscheidungstext OGH 28.04.2015 11 Os 5/15t
    Auch; nur T7
  • 11 Os 53/15a
    Entscheidungstext OGH 12.04.2016 11 Os 53/15a
    Auch; Beis wie T10
  • 15 Os 26/16m
    Entscheidungstext OGH 27.06.2016 15 Os 26/16m
    Auch
  • 11 Os 26/16g
    Entscheidungstext OGH 14.06.2017 11 Os 26/16g
    Auch; Beis wie T10
  • 11 Os 10/16d
    Entscheidungstext OGH 28.02.2016 11 Os 10/16d
    Auch; Beis wie T10
  • 14 Os 29/17x
    Entscheidungstext OGH 05.09.2017 14 Os 29/17x
    Vgl
  • 13 Os 80/17i
    Entscheidungstext OGH 06.09.2017 13 Os 80/17i
    Auch; Beis wie T10
  • 13 Os 67/18d
    Entscheidungstext OGH 27.06.2018 13 Os 67/18d
    nur ähnlich wie T10
  • 13 Os 80/18s
    Entscheidungstext OGH 19.12.2018 13 Os 80/18s
    Auch; Beis wie T10
  • 12 Os 34/18v
    Entscheidungstext OGH 12.09.2019 12 Os 34/18v
    Vgl; Beis wie T10
  • 13 Os 92/19g
    Entscheidungstext OGH 11.12.2019 13 Os 92/19g
    Vgl; Beis ähnlich T10
  • 13 Os 19/20y
    Entscheidungstext OGH 07.04.2020 13 Os 19/20y
    Vgl; Beis wie T10
  • 15 Os 16/20x
    Entscheidungstext OGH 18.05.2020 15 Os 16/20x
    Vgl; Beis wie T10
  • 15 Os 81/20f
    Entscheidungstext OGH 30.09.2020 15 Os 81/20f
    Vgl; Beis wie T10
  • 13 Os 66/21m
    Entscheidungstext OGH 14.07.2021 13 Os 66/21m
    Vgl; Beis nur wie T10
  • 15 Os 74/21b
    Entscheidungstext OGH 15.09.2021 15 Os 74/21b
    Vgl
  • 15 Os 100/21a
    Entscheidungstext OGH 20.10.2021 15 Os 100/21a
    Vgl
  • 12 Os 23/22g
    Entscheidungstext OGH 02.06.2022 12 Os 23/22g
    Vgl; Beis wie T10

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2001:RS0115712

Im RIS seit

25.10.2001

Zuletzt aktualisiert am

01.08.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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