TE Vwgh Erkenntnis 2004/11/9 2002/05/0079

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Veröffentlicht am 09.11.2004
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Index

L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Wien;
L80009 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Wien;
L80409 Altstadterhaltung Ortsbildschutz Wien;
L82009 Bauordnung Wien;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §8;
BauO Wr §70;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Waldstätten und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. König, über die Beschwerde 1. des Ing. Eduard Möslinger, 2. der Friederike Möslinger, 3. des Mag. Herbert Kühberger, 4. der Dr. Susanne Kühberger, 5. der Mag. Renate Strommer, 6. des Dkfm. Helmuth Tautermann, 7. der Maria Tautermann, 8. des Ing. Walter Drucker, alle in Wien, alle vertreten durch Mag. Florian Zeh, Rechtsanwalt in 1110 Wien, Gasometer A, Guglgasse 6/1/6/3, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 29. August 2001, Zl. MD-VfR-B XIV- 11/01, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (Mitbeteiligte Partei: BOE Bauobjekt-Entwicklung GmbH & Co KG in Innsbruck, vertreten durch Fiebinger, Polak, Leon & Partner, Rechtsanwälte in 1060 Wien, Am Getreidemarkt 1), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 und der Mitbeteiligten in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Unter dem Projekttitel "Wohnen am Kolbeterberg" stellte die Mitbeteiligte am 3. März 1998 das Ansuchen nach § 70a BauO für Wien betreffend die Errichtung von 67 Wohnungen in 6 Häusern auf dem Grundstück Nr. 34/49, EZ 510, Grundbuch Hadersdorf (1140 Wien, Viktor-Haglgasse/Salzwiesengasse). Die Beschwerdeführer sind als Miteigentümer der Liegenschaft Viktor-Haglgasse 19- 21/Hüttergasse 23-25c Nachbarn. Mit Aktenvermerk vom 19. August 1998 stellte der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, fest, dass die Einreichung im Sinne der Bestimmungen des § 70a Abs. 1 und 3 BauO für Wien geprüft wurde und kein Untersagungsgrund vorliege. Der Bauführer zeigte mit Schreiben vom 27. Oktober 1998 den Baubeginn an diesem Tag an.

Mit einem am 26. Jänner 1999 bei der Baubehörde eingelangten Schreiben erhoben die Beschwerdeführer Einwendungen. Die Ab- bzw. Zurückweisung dieser Einwendungen durch den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 64, vom 25. Februar 1999 wurde von der belangten Behörde zunächst mit Bescheid vom 15. Juni 1999 bestätigt. Diesen Bescheid hat der Verfassungsgerichtshof, nachdem mit Erkenntnis vom 20. Juni 2001, G 25/01, § 70a BauO für Wien in der Fassung LGBl. Nr. 61/1998 als verfassungswidrig aufgehoben worden war, mit Erkenntnis vom 27. Juni 2001, B 1296/99, aufgehoben.

Darauf erließ die belangte Behörde den hier angefochtenen Bescheid, mit welchem der Bescheid der Magistratsabteilung 64 gemäß § 66 Abs. 4 aufgehoben wurde.

In der Begründung verwies die belangte Behörde auf ihre Verpflichtung aufgrund des Art. 140 Abs. 7 B-VG, § 70a BO in der genannten Fassung nicht mehr anzuwenden. Dem bekämpften Bescheid der Baubehörde erster Instanz, mit dem die Anrainereinwendungen als unbegründet ab- bzw. als unzulässig zurückgewiesen worden seien, fehle die Rechtsgrundlage, weshalb dieser "ersatzlos zu beheben" sei. Wörtlich wurde in der Begründung ausgeführt:

"In weiterer Folge bedeutet dies, dass die Baueinreichung der (Mitbeteiligte) vom 3. März 1998 betreffend die Errichtung einer Wohnhausanlage (...) nicht mehr nach § 70a BO in der Fassung der Novelle LGBl. für Wien Nr. 61/1998 abgehandelt werden kann. Es wird vielmehr Aufgabe der Baubehörde erster Instanz sein, die Einreichung als Bauansuchen um Erteilung einer Baubewilligung gemäß § 70 BO zu werten und ein entsprechendes Baubewilligungsverfahren durchzuführen."

In ihrer zunächst an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde machten die Beschwerdeführer u.a. geltend, eine Verletzung des Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter sei nach der Rechtsprechung auch dann gegeben, wenn ein antragsbedürftiger Verwaltungsakt, also etwa eine Baubewilligung, ohne Antrag bzw. ohne rechtswirksamen Antrag erlassen wurde.

Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom 26. November 2001, B 1402/01, die Behandlung dieser Beschwerde ab. Wenn die Beschwerdeführer davon ausgingen, dass der angefochtene Bescheid eine Sachentscheidung über ein Baubewilligungsansuchen darstelle, verkannten sie den Inhalt des angefochtenen Bescheides grundlegend und wendeten sich gegen den Inhalt des Bescheides, den dieser nicht habe.

In der vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzten Beschwerde erachten sich die Beschwerdeführer in ihrem Recht verletzt, dass kein Verwaltungsverfahren ohne entsprechenden Antrag durchgeführt werde.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete, wie die Mitbeteiligte, eine Gegenschrift. Mit Schriftsatz vom 9. Februar 2004 teilte die Mitbeteiligte mit, dass inzwischen eine Baubewilligung ergangen sei und legte dazu den Berufungsbescheid der belangten Behörde vom 10. Dezember 2003 vor (eine dagegen von den Beschwerdeführern erhobene Beschwerde ist zur Zl. 2004/05/0176 protokolliert).

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Eine Rechtsverletzung durch den Spruch des angefochtenen Bescheides machen die Beschwerdeführer nicht geltend. Verletzt erachten sie sich durch die Begründung, soweit ausgeführt wurde, dass es Aufgabe der Baubehörde erster Instanz sei, die Einreichung als Bauansuchen um Erteilung einer Baubewilligung gemäß § 70 BauO für Wien zu werten und ein entsprechendes Baubewilligungsverfahren durchzuführen.

Richtig zitierten die Beschwerdeführer Belegstellen aus der Judikatur und Literatur, wonach eine Baubewilligung ohne Antrag nicht erteilt werden dürfe. Sie leiten daraus aber das im Beschwerdepunkt konkretisierte Recht des Nachbarn ab, dass ein Baubewilligungsverfahren nicht ohne Antrag durchgeführt werden dürfe. Dabei verkennen sie grundsätzlich, dass im Falle einer Zurückweisung oder Abweisung des Antrages des Bauwerbers nach Abschluss einer Vorprüfung der Nachbar dem Baubewilligungsverfahren nicht beigezogen werden muss, weil er ja nur im Falle der Erteilung der Baubewilligung in seinen Rechten verletzt werden könnte (Hauer, Der Nachbar im Baurecht5, 73). Daher kann allein durch die Durchführung eines Verfahrens, sollte dem tatsächlich kein Antrag zu Grunde liegen, in Nachbarrechte nicht eingegriffen werden.

Darüber hinaus verletzt der angefochtene Bescheid die Beschwerdeführer nicht in dem behaupteten (im Übrigen gar nicht bestehenden) Nachbarrecht. Der bekämpften Passage der Begründung, wonach der vorliegende Antrag als Antrag nach § 70 BauO für Wien zu werten sei, kommt nämlich keinerlei Bindungswirkung zu.

Nicht nachvollziehbar sind die Beschwerdeausführungen, wonach durch den angefochtenen Bescheid eine Baubewilligung "produziert" werde, zumal dort ja nur eine Rechtsanschauung bezüglich der Qualifikation eines Antrages kundgetan wurde. Dass hier keine Baubewilligung vorliegt, hat der Verfassungsgerichtshof in seinem Ablehnungsbeschluss hinreichend deutlich gemacht.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, sodass sie gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003, insbesondere deren § 3 Abs. 2.

Wien, am 9. November 2004

Schlagworte

Baurecht Nachbar Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Besondere Rechtsgebiete Baurecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2002050079.X00

Im RIS seit

08.12.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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