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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AsylG 1997 §28;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Stieger, über die Beschwerde des S in Wien, geboren 1978, vertreten durch Dr. Andreas Ladstätter, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Jasomirgottstraße 6, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 26. Juni 2003, Zl. 230.996/0-VIII/23/02, betreffend §§ 7 und 8 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein der albanischen Volksgruppe angehörender Staatsangehöriger von Mazedonien, reiste gemäß seinen Behauptungen am 25. Februar 2002 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 27. Februar 2002 die Gewährung von Asyl. Diesen Antrag begründete er im Wesentlichen damit, dass er es nach seiner Demobilisierung als UCK-Kämpfer am 28. Juli 2001 nicht gewagt hätte, nach Hause zurückzukehren, da seine Freunde - die ebenfalls bei der UCK gekämpft hätten - nach ihrer Rückkehr festgenommen worden wären. Er sei einfacher Soldat bei der UCK gewesen und habe "die Dörfer verteidigt". Von April bis Juli 2001 sei er in näher bezeichneten Gebieten eingesetzt gewesen. Nach seiner Demobilisierung als UCK-Kämpfer habe er sich bis zu seiner Flucht nach Österreich im Kosovo aufgehalten. Auf Vorhalt, dass am 8. März 2002 ein Amnestiegesetz in Kraft getreten sei, auf Grund dessen er in Mazedonien Straffreiheit genieße, gab der Beschwerdeführer an, nach wie vor Angst zu haben.
Mit Bescheid vom 26. August 2002 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG ab (Spruchpunkt I). Außerdem sprach es aus, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Mazedonien gemäß § 8 AsylG zulässig sei (Spruchpunkt II).
Das Bundesasylamt legte dem Bescheid zugrunde, dass sich die Lage in Mazedonien beruhigt habe und der Großteil der geflüchteten ethnischen Albaner in ihre Heimat zurückgekehrt wäre. Das am 8. März 2002 in Kraft getretene Amnestiegesetz gewähre ehemaligen UCK-Kämpfern Straffreiheit. Selbst wenn man davon ausgehe, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt seiner Ausreise aus Mazedonien mit Verfolgungen auf Grund seiner UCK-Tätigkeit zu rechnen gehabt hätte, sei festzuhalten, dass gegenwärtig - auf Grund der geänderten politischen und militärischen Lage in Mazedonien und insbesondere im Hinblick auf das am 8. März 2002 in Kraft getretene Amnestiegesetz - sowohl "eine direkte als auch indirekte staatliche Verfolgung" des Beschwerdeführers mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden könne. Es komme daher weder die Gewährung von Asyl noch die Einräumung von Refoulement-Schutz in Betracht.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung, in der er die Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung beantragte, machte der Beschwerdeführer ua. geltend, dass das Bundesasylamt nicht überprüft habe, ob das im Bescheid angeführte Amnestiegesetz "auch tatsächlich ernst genommen" werde. Insofern könne nicht mit der geforderten Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, ihm (dem Beschwerdeführer) drohe keine Verfolgung.
Mit Bescheid vom 26. Juni 2003 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers - ohne Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung - gemäß §§ 7 und 8 AsylG ab. Es werde sowohl hinsichtlich Sachverhalt als auch hinsichtlich rechtlicher Beurteilung vollinhaltlich auf den erstinstanzlichen Bescheid verwiesen, zumal der Berufung keine Neuerungen zu entnehmen seien, welche geeignet wären, den vom Bundesasylamt festgestellten Sachverhalt in Frage zu stellen. Es sei davon auszugehen, dass das im erstinstanzlichen Bescheid "ausführlich genannte" Amnestiegesetz betreffend frühere UCK-Kämpfer auf den Beschwerdeführer Anwendung finden würde, weshalb seine Furcht objektiv nicht nachvollziehbar sei.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Die belangte Behörde beruft sich - dem erstinstanzlichen Bescheid folgend und der Sache nach den Endigungsgrund nach
Artikel 1 Abschnitt C Ziffer 5 FlKonv zur Anwendung bringend - bei ihrer Entscheidung auf das mazedonische Amnestiegesetz vom 8. März 2002. Weder das Bundesasylamt noch die belangte Behörde haben jedoch erkennbare Ermittlungen dahingehend gepflogen, ob dieses Gesetz auch tatsächlich von den mazedonischen Strafverfolgungsbehörden angewendet wird. Derartige Ermittlungen wären jedoch deshalb geboten gewesen, weil die Existenz eines Gesetzes (mag es auch abstrakt den Fall des Beschwerdeführers erfassen) noch nichts über dessen praktische Umsetzung aussagt. Darauf hat der Beschwerdeführer zutreffend schon in seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid hingewiesen, weshalb sich überdies nicht sagen lässt, die Berufung habe "nichts Neues" enthalten. Insbesondere im Hinblick auf dieses Berufungsvorbringen wäre die belangte Behörde zu näheren Überlegungen bezüglich der faktischen Effizienz des besagten Amnestiegesetzes - im Rahmen der beantragten Berufungsverhandlung -
verpflichtet gewesen. Da sie dies unterlassen hat, ist der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften behaftet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und lit. c VwGG aufzuheben war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Im Hinblick darauf, dass für Schriftsatzaufwand lediglich ein Betrag von EUR 908,-- verzeichnet worden ist, konnte auch nur dieser Betrag zugesprochen werden. Wien, am 9. November 2004
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2003010458.X00Im RIS seit
08.12.2004