Index
L34009 Abgabenordnung Wien;Norm
LAO Wr 1962 §89;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Höfinger und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Siegl, über die Beschwerde der N GmbH in Wien, vertreten durch Dr. Robert Mahr, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Spiegelgasse 19, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom 30. Juni 2004, Zl. ABK-479/04, betreffend Getränkesteuer für die Jahre 1996 bis 2000, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin betreibt in Wien ein Cafe.
In ihrer Eingabe vom 7. April 2000 beantragte sie, vertreten durch ihren Steuerberater, einen Bescheid über die Getränkesteuer betreffend die Jahre 1997 bis einschließlich 1999 auszustellen, worauf der Magistrat der Stadt Wien am 15. März 2001 im Betrieb der Beschwerdeführerin eine Getränkesteuer-Revision (Nachschau) über den "Revisionszeitraum 1/96 - 12/00" durchführte. In der hierüber aufgenommenen Niederschrift wurde u.a. festgehalten, dass die ausgewiesene Losung neben Getränkesteuer "kein Bedienungsgeld bezw. 10,5 % Bedienungsgeld" beinhalte. Das Revisionsergebnis werde hinsichtlich der Getränkesteuerpflicht für alkoholfreie Getränke und Speiseeis anerkannt, die Getränkesteuerpflicht für alkoholhältige Getränke "wg. EU-Widrigkeit ab 1/95" jedoch nicht.
Mit Bescheid vom 26. Juni 2001 schrieb der Magistrat der Stadt Wien der Beschwerdeführerin Getränkesteuer betreffend den Zeitraum 1996 bis 2000 in der Höhe von S 145.389,-- vor, wogegen die durch ihren Steuerberater vertretene Beschwerdeführerin Berufung erhob.
Mit Berufungsvorentscheidung vom 8. Mai 2003 behob die Erstbehörde ihren Bescheid vom 26. Juni 2001 (Spruchabschnitt I.); weiters setzte sie mit einem erstinstanzlichen Ersatzbescheid für die Jahre 1996 bis einschließlich 2000 jeweils die Bemessungsgrundlage für alkoholische und alkoholfreie Getränke sowie für Speiseeis fest und schrieb Getränkesteuer in der Höhe von insgesamt EUR 94.182,54 vor; zudem hielt sie fest, dass die Abgabe bereits fällig gewesen sei (Spruchabschnitt II.). Begründend führte sie zu Spruchabschnitt II. im Wesentlichen aus, bei der Getränkesteuer handle es sich um eine Selbstbemessungsabgabe nach § 149 WAO. Daraus ergebe sich, dass sich der Steuerpflichtige über die gesetzlichen Bestimmungen und allfällige, wie in diesem Fall, notwendige Schritte zur Wahrung seiner Rechtsansprüche informiere und diese von sich aus erfülle. Der Begriff "Rechtsbehelf" sei möglichst weit zu verstehen und falle darunter nicht nur das ordentliche Rechtsmittel der Berufung. Ein tauglicher Rechtsbehelf wäre somit u.a. eine "Nullerklärung" oder ein sonstiger entsprechender Verfahrensschritt in Form eines Rückzahlungsantrages gewesen. Aus der zeitlichen Begrenzung der Wirkung des Urteiles des EuGH vom 9. März 2000 in der Rechtssache C-437/97 ergebe sich, dass eine Abgabenvorschreibung für bis 9. März 2000 noch nicht fällige Getränkesteuer auf alkoholische Getränke nicht in Betracht komme, weshalb der Bemessungszeitraum für das Jahr 2000 hinsichtlich der alkoholischen Getränke nur den Monat Jänner 2000 betreffe.
In ihrem Vorlageantrag brachte die - durch ihren Steuerberater vertretene - Beschwerdeführerin zusammengefasst vor, dass ihr seitens des Magistrates der Stadt Wien nie ein Hinweis auf die Möglichkeit einer "Nullerklärung" oder auf einen Rückzahlungsantrag zuteil geworden sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid behob die belangte Behörde den Erstbescheid vom 26. Juni 2001 und wies die Berufung gegen den Bescheid vom 8. Mai 2003 als unbegründet ab.
Nach Wiedergabe des § 149 Abs. 2 WAO sowie von Teilen des Urteils des EuGH vom 9. März 2000 in der Rechtssache C-437/97 führte sie begründend aus, wie sich aus dem zitierten Urteil ergebe, betreffe der Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts nicht die Getränkesteuer für alkoholische Getränke, die vor dem 9. März 2000 entrichtet worden oder fällig geworden sei. Diese Beschränkung des Anwendungsvorranges falle lediglich dann weg, wenn vor dem 9. März 2000 Klage erhoben und ein entsprechender Rechtsbehelf eingelegt worden sei. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sei der im genannten Urteil des EuGH verwendete Begriff "Rechtsbehelf" möglichst weit zu verstehen. So seien insbesondere eine Berichtigung bzw. ein Rückzahlungsantrag, aber auch eine "Nullerklärung" ein solcher Rechtsbehelf. Die Beschwerdeführerin habe vor dem 9. März 2000 auch nach dem weiten Verständnis des Begriffes "Rechtsbehelf" keinen entsprechenden Verfahrensschritt gesetzt, weil sie vor diesem Zeitpunkt weder eine Nullerklärung erstattet noch einen Rückerstattungsantrag noch sonst einen tauglichen Schritt zur Durchsetzung diesbezüglicher Rechte gesetzt habe. Daran vermöge auch der Umstand, dass der Erstbescheid erst nach dem 9. März 2000 erlassen worden sei, nichts zu ändern. Die Wiener Abgabenordnung sehe keine Pflicht zur Parteienbelehrung (Manuduktion) vor, weshalb der Einwand, wonach die Abgabenbehörde nötige Anleitungen verabsäumt hätte, ins Leere gehe. Unabhängig davon habe die Abgabenbehörde bis zum Urteil des EuGH vom 9. März 2000 darauf vertrauen dürfen, dass die Besteuerung alkoholischer Getränke mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sei, weshalb keine Notwendigkeit bestanden habe, die von der Beschwerdeführerin geforderten Informationen z.B. im Zuge der Übermittlung der Getränkesteuererklärungsformulare zu erteilen. Die Vorschreibung der vor dem 9. März 2000 fälligen Getränkesteuer für alkoholische Getränke sei daher auch vor dem Hintergrund des zitierten Urteiles des EuGH zulässig. In seinem Ablehnungsbeschluss vom 15. März 1999, B 1360/99 und B 1361/99, habe der Verfassungsgerichtshof weiters ausgesprochen, dass er keinen verfassungsrechtlichen Grund zu erkennen vermöge, der es verbieten würde, eine mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbare Steuer auf die Veräußerung von alkoholfreien Getränken an Letztverbraucher im Ausmaß von 5 % zu erheben. Die Höhe der festgesetzten Getränkesteuer stehe auf Grund des ziffernmäßig nicht bestrittenen Ergebnisses der Revision fest. Im Übrigen seien die der Besteuerung zu Grunde liegenden Bemessungsgrundlagen getrennt nach Sparte und Steuerzeitraum im Spruch des Erstbescheides vom 8. Mai 2003 ausgewiesen worden, womit auch dem Erfordernis der inhaltlichen Bestimmtheit und ausreichenden Konkretisierung des Leistungsgebotes Rechnung getragen worden sei. Gemäß § 5 Abs. 1 GStV habe der Steuerpflichtige bis zum 15. Tag eines jeden Monats die Steuer für den Vormonat zu entrichten, weshalb die vorgeschriebenen Abgabenbeträge bereits fällig gewesen seien. Da im vorliegenden Fall die Frage der Überwälzung der Getränkesteuer auf Grund des verspätet eingebrachten Rechtsbehelfes nicht von Relevanz sei, habe die mit Bescheid vom 26. Juni 2001 nach § 185 Abs. 3 WAO erfolgte gesonderte Vorschreibung der Getränkesteuer zu entfallen.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften relevierenden Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Nichtvorschreibung der Getränkesteuer bzw. auf Nichtentrichtung bereits festgesetzter Abgabenbeträge verletzt.
Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet und die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die Beschwerde behauptet eine Verletzung des § 89 WAO - wonach die Behörde alles, was für die Bemessung der Abgaben wichtig sei, sorgfältig zu ermitteln und die Nachrichten darüber zu sammeln sowie diese fortlaufend zu ergänzen habe - "angesichts der dargestellten Informationslage", weil die "Europarechtskonformität der Getränkesteuer ... schon bald nach dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union in der Literatur in Frage gestellt" worden sei. Die Behörde wäre daher spätestens mit der Einleitung des Verfahrens beim EuGH verpflichtet gewesen, Maßnahmen zu ergreifen, um das Gleichheitsgebot nach § 89 WAO sicherzustellen. Sie habe die Verfahrensvorschrift des § 90 Abs. 3 WAO außer Acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.
Damit übersieht die Beschwerde allerdings, dass die Wiener Abgabenordnung weder in ihren §§ 89 und 90 noch an anderer Stelle eine Pflicht zur Parteienbelehrung vorsieht (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 30. September 1993, Zl. 93/17/0188, sowie vom 18. März 1994, Zl. 92/17/0003, je mwN). Welche anderweitigen "Maßnahmen" die Behörde zu ergreifen gehabt hätte, legt die Beschwerde nicht dar. Schließlich war die Beschwerdeführerin sowohl im Rahmen einer Getränkesteuer-Revision im Jahre 1996 als auch im vorliegenden Abgabenverfahren durch einen Steuerberater vertreten.
Soweit sich die Beschwerdeführerin durch die mangelnde Aussicht auf Erfolg von der Erhebung eines "Rechtsbehelfes" zu einem früheren Zeitpunkt abhalten ließ, genügt es, bezüglich dieser Bedenken gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf das hg. Erkenntnis vom 30. September 2004, Zl. 2004/16/0090, zu verweisen. Gleiches gilt für das Beschwerdevorbringen, wonach es im konkreten Fall (vorerst) an einer "bekämpfbaren Entscheidung" und damit an der Möglichkeit der Einbringung eines Rechtsbehelfes gefehlt habe: diesbezüglich wird zur Vermeidung weiterer Wiederholungen ebenfalls auf das zitierte hg. Erkenntnis vom 30. September 2004 verwiesen.
Soweit die Beschwerdeführerin eine inhaltliche Rechtswidrigkeit darin sieht, dass im angefochtenen Bescheid die Frage der "EU-Konformität der festgesetzten Getränkesteuer für alkoholfreie Getränke und Speiseeis" nicht weiter behandelt worden sei, sei zur Vermeidung von Weitläufigkeiten wiederum gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf das hg. Erkenntnis vom 17. Mai 2001, Zl. 2000/16/0664, verwiesen.
Schließlich moniert die Beschwerde, dass sich die belangte Behörde nicht mit der Frage, ob ein Bedienungsentgelt von der Bemessungsgrundlage der Getränkesteuer in Abzug gebracht werden könne, auseinander gesetzt habe. Der angefochtene Bescheid lasse vollkommen offen, ob an das Bedienungspersonal ein Fixlohn ausbezahlt werde. Tatsächlich sei im Fall der Beschwerdeführerin in den Speise- und Getränkekarten das Bedienungsentgelt als gesonderter Bestandteil ausgewiesen gewesen. Mit dieser Behauptung verstößt die Beschwerdeführerin allerdings gegen das Neuerungsverbot, hat sie es doch im Abgabenverfahren unterlassen, eine dahingehende Behauptung zu erheben, dass das vom Gast zu leistende Entgelt einen von vornherein für das in einem Dienstverhältnis zum Unternehmer stehende Bedienungspersonal bestimmten Anteil enthalten habe (vgl. hiezu im Näheren etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1996, Zl. 94/16/0243), wovon sie insbesondere nicht durch die eingangs wiedergegebenen Feststellungen in der Niederschrift vom 15. März 2001 entbunden war.
Nach dem Gesagten war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 11. November 2004
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2004160177.X00Im RIS seit
13.12.2004