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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §59 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Gall und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des A in N, vertreten durch DDr. Karl Robert Hiebl, Rechtsanwalt in 5280 Braunau am Inn, Stadtplatz 50/2, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 11. Oktober 2002, Zl. VwSen-240441/2/GF/An, betreffend Übertretung des Fleischuntersuchungsgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Im Verwaltungsstrafakt findet sich ein mit "Vet" übertitelter Aktenvermerk vom 29. September 2000, worin festgehalten wurde, dass im Rahmen einer Importkontrolle an diesem Tag im "Geschäft" (Schweinemastbetrieb) des Beschwerdeführers unter anderem Arzneimittel unbekannter Zusammensetzung und Herkunft vorgefunden worden seien und weiters keinerlei "Arzneimittelaufzeichnungen" gemäß Rückstandskontrollverordnung hätten vorgelegt werden können.
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 25. September 2002 wurde dem Beschwerdeführer folgendes angelastet:
"Anlässlich einer Importkontrolle am 29.9.2000 wurde festgestellt, dass nicht zugelassene Medikamente und zwar Impfstoff zur Impfung von Ferkeln vorgefunden wurden. Im Zuge der Untersuchung wurde festgestellt, dass es sich um Antibiotika handelt. Bei Überprüfung des Betriebes wurde ferner festgestellt, dass keine Aufzeichnungen gemäß der Bestimmungen des Fleischuntersuchungsgesetzes und der Rückstandskontrollverordnung vorgefunden wurde. Mit Ladungsbescheid vom 28.2.2001 wurden Sie als Beschuldigter zur Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vorgeladen, nachdem ursprünglich Ihr Vater in der Meinung, er sei Betriebsführer, geladen war.
Zur festgesetzten Verhandlung erschien in Ihrer Vertretung
Ihr Vater AA.... und Ihre Schwester A.... Diese wurden begleitet
von Herrn R...., Gendarmeriebeamter aus M.... Sie erklärten, dass
Herr R.... als Ihr Rechtsbeistand fungiere.
Es wurde ferner erklärt, dass AA.... und A.... im
Vollmachtsnamen ihres Bruders an der Verhandlung teilnehmen. Es
wurde ferner durch die Genannten festgestellt, dass A....jun.
Betriebsführer und damit für den Betrieb voll verantwortlich ist.
In der Sache selbst wurde erklärt, dass Frau K.... für die
Betreuung der Ferkel innerbetrieblich zuständig sei.
Aufgrund einer Anzeige des Vereins gegen Tierfabriken und der
Aussage der Vertreter des A....jun. wurde ferner versucht, den Geschäftsführer dieses Vereins oder die beteiligten Personen zu einer Aussage zu laden. Lt. telef. Mitteilung des Geschäftsführers war jedoch niemand vom Verein bereit, persönlich eine Aussage vor der Behörde zu machen.
Im Nachhinein vorgelegt wurden Belege über Behandlungen durch Tierärzte, die jedoch keinerlei Aufzeichnungen über eingehaltene Wartefristen enthalten. Nicht enthalten sind in diesen Belegaufzeichnungen die beschlagnahmten und untersuchten, vorerst unbekannten, Antibiotika. Wie aus der Niederschrift vom 8.3.2001 hervorgeht, wurden diese Medikamente tatsächlich ohne Abgabebelege erworben. Es wurde im Zuge des Verfahrens die Vermutung geäußert, dass möglicherweise ein Vertreter des Vereins gegen Tierfabriken
als Agent Provocateur auftrat und Frau K.... zum Erwerb dieser
Medikamente unter Falschangaben, es handle sich um keine Antibiotika, überredete.
Das Verfahren gemäß § 15 LMG wurde nicht weiterverfolgt, da Untersuchungen von getöteten Schweinen die Unbedenklichkeit ergab und diese Verfahren bei Gericht anhängig waren.
Nach Durchführung eines Verfahrens beim Landesgericht Ried
i. I. gegen A.... wurden telef. Erkundigungen bei Gericht
eingezogen und festgestellt, dass das Verfahren wegen der
unbekannten Medikamente bei Gericht nie eingeleitet wurde und auch
nicht Gegenstand des Verfahrens gegen AA.... (das mit einem
Freispruch endete) nicht einbezogen war.
Sie haben durch diese Handlungen folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:
§ 1 Abs. 8 und 10 Fleischuntersuchungsgesetz, BGBl. Nr. 552/1982, i.d.g.F. im Zusammenhang mit §§ 10 und 11 Rückstandskontrollverordnung, BGBl. Nr. 426/1997, i.d.g.F."
Über den Beschwerdeführer wurde deshalb eine Geldstrafe in der Höhe von 726 Euro (und eine Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.
In der dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer unter anderem vor, dass seine Mutter den Impfstoff gutgläubig von einer Person, die sich als Tierschützer ausgegeben und veterinärmedizinische Kenntnisse vorgetäuscht habe, als ein angeblich rein homöopathisches Mittel erworben habe, wobei sie den Beschwerdeführer bis zur Importkontrolle von diesem Vorgang nicht unterrichtet habe. Außerdem habe eine nachfolgende Untersuchung an geschlachteten Tieren keinerlei Nachweis der Verwendung von Antibiotika erbracht.
Mit dem nun angefochtenen Berufungsbescheid vom 11. Oktober 2002 wurde der Berufung insoweit stattgegeben, als die Geldstrafe mit 300 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe mit 23 Stunden festgesetzt wurde; im Übrigen wurde die Berufung abgewiesen und das erstinstanzliche Straferkenntnis bestätigt.
Die belangte Behörde führte zur Begründung ihrer Entscheidung - nach Bezugnahme auf § 50 Z 1 Fleischuntersuchungsgesetz in Verbindung mit § 11 Abs. 1 der Rückstandskontrollverordnung - im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe nicht bestritten, dass er hinsichtlich des vorgefundenen Impfstoffes die erforderlichen Aufzeichnungen nicht geführt habe. Er habe in seinem Berufungsschriftsatz selbst vorgebracht, dass ihm seine Mutter den Ankauf des Mittels bis zur Betriebskontrolle gar nicht mitgeteilt habe. Als Betriebsinhaber treffe ihn die Verpflichtung, entsprechende Vorkehrungen dafür zu treffen, dass "von" seinem Unternehmen die einschlägigen Verwaltungsvorschriften verlässlich eingehalten würden. Indem es aber faktisch geschehen habe können, dass in seinem Betrieb ein nach Herkunft und Zusammensetzung unbekannter antibiotischer Impfstoff vorgefunden worden sei, würde sich zeigen, dass die dementsprechenden Vorkehrungen offenkundig nicht ausreichend gewesen seien. Die von der erstinstanzlichen Behörde verhängte Strafe habe herabgesetzt werden können, weil die Tat keine gravierenden nachteiligen Folgen nach sich gezogen habe, zumal in den geschlachteten Tieren keine antibiotischen Rückstände vorgefunden worden seien, ebenso sei zu berücksichtigen, dass der Ankauf des Impfstoffes nicht durch ihn selbst, sondern durch einen Dritten erfolgt sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die Ablehnung in eventu die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die belangte Behörde ist - in der Begründung ihres Bescheides - offensichtlich davon ausgegangen, der Beschwerdeführer habe eine Verwaltungsübertretung "gemäß § 50 Z 1 FlUG i.V.m. § 11 Abs. 1 RKV" begangen.
Gemäß § 50 Z 1 des Fleischuntersuchungsgesetzes in der Fassung BGBl. I Nr. 66/1998 macht sich strafbar, wer gegen Gebote oder Verbote einer auf Grund des § 1 Abs. 4, 5, 6, 7, 8 oder 9 erlassenen Verordnung verstößt.
§ 11 Abs. 1 der - auf Grund des § 1 Abs. 5, 7 und 9 des Fleischuntersuchungsgesetzes ergangenen - Rückstandskontrollverordnung BGBl. II Nr. 426/1997 hat folgenden Wortlaut:
"§ 11. (1) Der Verfügungsberechtigte hat durch Aufzeichnungen in einem betriebseigenen Register sowie durch geeignete Untersuchungen und Vorsichtsmaßnahmen für die Einhaltung der Bestimmungen gemäß § 10 zu sorgen.
..."
In § 10 der genannten Verordnung sind die betrieblichen Bestimmungen und Eigenkontrollen von einschlägigen Betrieben geregelt. In Abs. 2 dieser Vorschrift finden sich nähere Regelungen über die Haltung, das In-Verkehr-Bringen und die Schlachtung von Tieren für Betriebe, die Nutztiere, die der Fleischgewinnung dienen, in Verkehr bringen; in Abs. 3 finden sich Regelungen über die Übernahme von Tieren und von Fleisch und das In-Verkehr-Bringen von Fleisch durch Schlacht-, Fleischbearbeitungs- und Fleischverarbeitungsbetriebe.
Gemäß § 44a Z 1 VStG hat der Spruch des Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten, wobei dieser Vorschrift nur dann entsprochen wird, wenn die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen wird, dass der Beschwerdeführer in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um den Tatvorwurf zu widerlegen, und der Spruch geeignet ist, den Beschwerdeführer rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden; die Tat ist somit entsprechend den Gegebenheiten des jeweiligen Falles zu individualisieren, eine (genauere) Umschreibung der Tatbestandsmerkmale lediglich in der Begründung reicht nicht aus (vgl. hiezu die in Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. Aufl., in Anm. 2 ff. zu § 44a VStG angeführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes).
Die belangte Behörde hat den Spruch des von ihr - lediglich im Strafausmaß abgeänderten - erstinstanzlichen Straferkenntnisses ohne jede Veränderung hinsichtlich des Tatvorwurfes übernommen und sich daher die darin enthaltene "Tatumschreibung", die die erstinstanzliche Behörde als Grundlage für die Bestrafung des Beschwerdeführers herangezogen hat, zu eigen gemacht. Diese Tatumschreibung wird jedoch dem Erfordernis des § 44a Z 1 VStG nicht gerecht, geht daraus doch nicht einwandfrei hervor, welche Tathandlung dem Beschwerdeführer konkret zur Last gelegt wird. Der Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses enthält ein Gemenge von Handlungen und Unterlassungen, darunter insbesondere das Erwerben "unbekannter Antibiotika" und deren Besitz sowie das Nichtvorlegen von Aufzeichnungen (das damit umschrieben wurde, dass derartige Aufzeichnungen nicht vorgefunden worden seien). Es ist aus dem Spruch - wobei auch die Begründung des angefochtenen Bescheides, wie schon die Begründung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses, mangels Eindeutigkeit nicht zur Auslegung des Spruchs herangezogen werden kann -, nicht ersichtlich, welches strafbare Verhalten dem Beschwerdeführer konkret vorgeworfen wird.
Da somit der Spruch des Straferkenntnisses gegen § 44a Z 1 VStG verstößt, hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, sodass er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufgehoben werden musste.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft die bereits im Pauschalsatz für Schriftsatzaufwand enthaltene Umsatzsteuer.
Wien, am 16. November 2004
Schlagworte
Spruch und BegründungBesondere Rechtsgebiete"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatzeit Mängel bei Beschreibung Divergenzen Spruch BegründungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2003110016.X00Im RIS seit
15.12.2004Zuletzt aktualisiert am
11.07.2010