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90/02 Führerscheingesetz;Norm
FSG 1997 §3 Abs1 Z3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Pallitsch, Dr. Schick und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des Ing. R in K, vertreten durch Dr. Engelhart & Partner, Rechtsanwälte OEG in 1030 Wien, Esteplatz 4, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 24. August 2004, Zl. Senat-AB-04-0119, betreffend Erteilung (Verlängerung) einer Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus dem angefochtenen Bescheid sowie der Beschwerde ergibt sich folgender Ablauf des Verwaltungsgeschehens:
Mit Bescheid vom 6. April 2004 wies die Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung einen Antrag des Beschwerdeführers vom 6. April 2004 "auf Erteilung der Lenkberechtigungen" für die Klassen C1 + E und C + E ab. Die dagegen erhobene Berufung wurde vom Unabhängigen Verwaltungssenat im Land Niederösterreich (UVS) mit Bescheid vom 24. August 2004 gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen. Begründend wurde nach Wiedergabe des Ablaufes des Verwaltungsverfahrens ausgeführt, eine Lenkberechtigung dürfe nur an Personen erteilt werden, die gesundheitlich geeignet sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken. Die Behörde habe vor Weiterbefristung bzw. vor Erteilung der Lenkberechtigung ein ärztliches Gutachten einzuholen, ob die betreffende Person zum Lenken von Kraftfahrzeugen gesundheitlich geeignet sei. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers handle es sich im vorliegenden Fall nicht um eine Aberkennung eines wohlerworbenen Rechtes, sondern um eine neue Erteilung der Lenkberechtigung betreffend die Klassen C1 + E und C + E. Hier seien aufgrund der zwingenden Bestimmung des § 8 FSG-GV Lenker der Gruppe 2 bei praktischer bzw. funktioneller Einäugigkeit zum Lenken von Kraftfahrzeugen für die Klassen C1 + E und C + E nicht geeignet.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
1.1. Im Beschwerdefall ist das Führerscheingesetz (FSG) in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 129/2002 maßgeblich. Die einschlägigen Bestimmungen lauten (auszugsweise):
"Umfang der Lenkberechtigung
§ 2.
...
(2) Das Ziehen eines Anhängers ist unter Einhaltung der kraftfahrrechtlichen Bestimmungen abhängig vom Zugfahrzeug in folgendem Umfang gestattet:
...
5.
Klassen C + E und D + E: alle Anhänger;
6.
Unterklasse C1 + E: unbeschadet des Artikels 5 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 des Rates vom 20. Dezember 1985 über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr, ABl. Nr. L 370 vom 31. Dezember 1985, S 1 ff, andere als leichte Anhänger, sofern die höchste zulässige Gesamtmasse des Anhängers die Eigenmasse des Zugfahrzeuges nicht übersteigt, wobei die Summe der höchsten zulässigen Gesamtmassen 12 000 kg nicht übersteigen darf;
...
Allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung
§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:
...
3. gesundheitlich geeignet sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken (§§ 8 und 9),
...
Verfahren bei der Erteilung einer Lenkberechtigung
§ 5. (1) Ein Antrag auf Erteilung einer Lenkberechtigung darf nur gestellt werden, wenn der Antragsteller, unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 3, seinen Hauptwohnsitz ... in Österreich hat und noch keine Lenkberechtigung für die jeweils angestrebte Klasse oder Unterklasse besitzt.
...
(4) Die Lenkberechtigung ist zu erteilen, wenn das in den §§ 6 bis 11 angeführte Verfahren ergibt, dass die Voraussetzungen für die Erteilung vorliegen. ... .
...
Gesundheitliche Eignung
§ 8.
...
(5) Eine Person, deren Lenkberechtigung durch den Ablauf einer Befristung erloschen ist und die den Antrag auf Verlängerung der Lenkberechtigung vor Ablauf der Befristung gestellt hat, ist berechtigt, für längstens drei weitere Monate nach Ablauf der Befristung im Bundesgebiet Kraftfahrzeuge der entsprechenden Klasse oder Unterklasse zu lenken, wenn die rechtzeitige Verlängerung der Lenkberechtigung ohne Verschulden der betreffenden Person nicht möglich war. Über die rechtzeitige Einbringung des Antrages ist von der Behörde eine Bestätigung auszustellen, die der Lenker gemäß § 14 Abs. 1 mit sich zu führen hat. Auf die im ersten Satz genannte Berechtigung sind die Bestimmungen gemäß §§ 24 ff über die Entziehung der Lenkberechtigung sinngemäß anzuwenden. Die Berechtigung erlischt jedenfalls mit Erlassung eines abweisenden Bescheides über den Antrag auf Verlängerung der Lenkberechtigung.
..."
1.2. Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen der FSG-GV lauten (auszugsweise):
"Begriffsbestimmungen
§ 1. (1) Im Sinne dieser Verordnung bedeutet:
...
8.
Gruppe 1: Kraftfahrzeuge der Klassen A, B, B + E und F,
9.
Gruppe 2: Kraftfahrzeuge der Unterklassen C1 und C1 + E sowie der Klassen C, D, C + E, D + E und G.
Allgemeine Bestimmungen über die Gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen
§ 3. Als zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer bestimmten Fahrzeugklasse im Sinne des § 8 FSG gesundheitlich geeignet gilt, wer für das sichere Beherrschen dieser Kraftfahrzeuge und das Einhalten der für das Lenken dieser Kraftfahrzeuge geltenden Vorschriften
...
3. ausreichend frei von Behinderungen ist und
...
Kraftfahrzeuglenker müssen die für ihre Gruppe erforderlichen gesundheitlichen Voraussetzungen gemäß den nachfolgenden Bestimmungen erfüllen. ... .
...
Behinderungen
§ 6. (1) Als zum Lenken von Kraftfahrzeugen hinreichend frei von Behinderungen gilt eine Person, bei der keine der folgenden Behinderungen vorliegt:
...
6. mangelhaftes Sehvermögen oder
...
Mängel des Sehvermögen
§ 8.
...
(5) Fehlt ein Auge oder ist es praktisch blind oder ist eine funktionelle Einäugigkeit gegeben, so kann eine Lenkberechtigung der Gruppe 1 für einen Zeitraum von höchstens fünf Jahren erteilt werden, wenn durch eine fachärztliche Stellungnahme bestätigt wird, dass beim normal sehenden Auge ein normales Gesichtsfeld und eine Sehschärfe von mindestens 0,8 ohne oder mit Korrektur vorhanden ist. Eventuelle Anzeichen bei beginnender Erkrankung des sehenden Auges müssen dahingehend beurteilt werden, in welchem Zeitraum eine augenärztliche Kontrolluntersuchung erforderlich ist; die Eignung kann nur für diesen Zeitraum angenommen werden. Bei der Festsetzung des Zeitraumes ist auch auf die Ursache und den Zeitpunkt des Verlustes oder der Blindheit des einen Auges Bedacht zu nehmen. Erforderlichenfalls muss durch eine Beobachtungsfahrt oder eine Überprüfung der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit festgestellt werden, ob der Verlust eines Auges ausreichend kompensiert werden kann. Bei der Erteilung der Lenkberechtigung für das Lenken von Kraftfahrzeugen ohne Windschutzscheiben oder mit Windschutzscheiben, deren oberer Rand nicht höher liegt als die Augen des Lenkers beim Lenken, ist als Auflage die Benützung eines Augenschutzes vorzuschreiben.
...
Übergangsbestimmungen
§ 24.
...
(3) Personen, die gemäß § 65 KFG 1967
1. vor dem 1. November 1997 eine Lenkerberechtigung für die Gruppe C erteilt bekommen haben und bei denen bei Erteilung der Lenkerberechtigung bereits eine tatsächliche oder funktionelle Einäugigkeit bestand, oder
2. seit mehr als zehn Jahren im Besitz einer Lenkerberechtigung für die Gruppe C sind und bei denen die Einäugigkeit nach Erteilung der Lenkerberechtigung eingetreten ist,
darf entgegen den Bestimmungen des § 8 Abs. 5 die Lenkberechtigung für die Klasse C verlängert werden, wenn beim sehenden Auge keine weiteren Beeinträchtigungen entstanden sind und sie nachweislich in den letzten zwei Jahren vor der Wiederholungsuntersuchung Kraftfahrzeuge der Klasse C gelenkt haben."
2. Unstrittig ist im Beschwerdefall, dass der Beschwerdeführer auf dem rechten Auge faktisch erblindet ist. Darauf beruhend erweist sich die Beschwerde als unbegründet.
2.1. Das aufgrund eines rechtzeitigen Antrages auf Verlängerung der befristeten Lenkberechtigung (vgl. § 8 Abs. 5 FSG) eingeleitete Verfahren ist ein selbständiges (neues) Verwaltungsverfahren (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 11. April 2000, Zl. 2000/11/0081). In diesem Verfahren ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen vorliegen, die auch für die Erteilung einer Lenkberechtigung maßgeblich sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 2001, Zl. 2000/11/0254). Der Umstand, dass der Beschwerdeführer nach seinem Vorbringen noch vor Ablauf der Befristung seiner zuletzt erteilten Lenkberechtigungen, somit rechtzeitig, einen Antrag auf Verlängerung derselben eingebracht hat, wäre zwar nach § 8 Abs. 5 FSG für die Berechtigung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der entsprechenden Klassen/Unterklassen für eine Dauer von drei Monaten nach Erlöschen der Lenkberechtigung durch Ablauf der Befristung von Bedeutung, er ändert jedoch nichts daran, dass das Verfahren als solches zur (Wieder)Erteilung einer Lenkberechtigung zu führen war. Die Behörde hatte bei der gegebenen Sach- und Rechtslage - ungeachtet der bisher erfolgten befristeten Erteilung der Lenkberechtigungen - zu beurteilen, ob im Zeitpunkt ihrer Entscheidung sämtliche Voraussetzungen - und damit auch diejenige der gesundheitlichen Eignung nach § 3 Abs. 1 Z. 3 FSG - für die Erteilung der Lenkberechtigung für die beantragten Klassen/Unterklassen vorlagen.
2.2. Nach der Systematik des die Behinderung der sog. "funktionellen Einäugigkeit" regelnden § 8 Abs. 5 FSG-GV ist davon auszugehen, dass praktische Blindheit auf einem Auge unter bestimmten näher umschriebenen Voraussetzungen, allenfalls nach Durchführung einer Beobachtungsfahrt, zwar einer Erteilung einer Lenkberechtigung der Gruppe 1 für höchstens fünf Jahre nicht entgegensteht, eine Erteilung einer Lenkberechtigung der Gruppe 2 aber - jedenfalls - ausgeschlossen ist (vgl. hiezu bereits das hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 1999, Zl. 99/11/0272).
Die Nichtdurchführung einer Beobachtungsfahrt mit dem Beschwerdeführer kann aus diesen Erwägungen ebenso wenig als rechtswidrig erkannt werden wie die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende Rechtsauffassung, die Erteilung der beantragten Lenkberechtigungen der Gruppe 2 an den auf einem Auge unstrittig praktisch blinden Beschwerdeführer sei gemäß § 8 Abs. 5 FSG-GV unzulässig.
2.3. Anders als der Beschwerdeführer hegt der Verwaltungsgerichtshof auch keine Bedenken dahin, dass der Verordnungsgeber bei der Nichtaufnahme der Lenkberechtigungen der auf Anhänger bezogenen Klassen bzw. Unterklassen C + E bzw. C1 + E in die begünstigende Übergangsbestimmung des § 24 Abs. 3 FSG-GV den ihm durch das FSG eröffneten Regelungsfreiraum überschritten oder in einer das Sachlichkeitsgebot verletzenden Weise ausgeschöpft hätte.
2.4. Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in dem von ihm geltend gemachten Rechten nicht verletzt wurde, war die Beschwerde ohne weiteres
Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 16. November 2004
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2004110203.X00Im RIS seit
10.12.2004