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60/03 Kollektives Arbeitsrecht;Norm
ArbVG §3 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Strohmayer, Dr. Köller und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des Dr. B, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 10. Dezember 2001, Zl. MA 15-II-K 68/2001, betreffend Beitragsnachverrechnung (mitbeteiligte Partei: Wiener Gebietskrankenkasse, 1101 Wien, Wienerbergstraße 15-19), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer als Dienstgeber verpflichtet sei, für seine Dienstnehmerin, Kristina K., für die Zeit vom 1. Oktober 1999 bis zum 30. September 2000 Beiträge, Sonderbeiträge und Umlagen in der Gesamthöhe von EUR 1.138,13 an die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse zu bezahlen. Der unbestritten anzuwendende Kollektivvertrag für Rechtsanwaltsangestellte setze die Mindestlohnsätze in Geldbeträgen fest. Kristina K. habe im ersten Berufsjahr bei einer Arbeitszeit von zwölf Stunden in der Woche im Zeitraum vom 1. Oktober 1999 bis zum 31. Mai 2000 einen Anspruch auf einen kollektivvertraglichen Mindestlohn in Höhe von EUR 247,02 und vom 1. Juni 2000 bis zum 30. September 2000 in Höhe von EUR 258,35 gehabt. Sie habe vom Beschwerdeführer als Entgelt im genannten Zeitraum vereinbarungsgemäß eine Dienstwohnung und zusätzlich EUR 14,53 monatlich bar ausbezahlt erhalten. "Der wirtschaftliche Wert der Wohnung" betrage EUR 370,63.
Es habe dem Willen der Vertragsparteien entsprochen, den Geldlohn im Hinblick auf den Sachbezug von vornherein niedriger anzusetzen. Im vorliegenden Fall sei jedoch im anzuwendenden Kollektivvertrag der Mindestlohn in Geldbeträgen festgesetzt und daher zwingend in voller Höhe in Geld auszubezahlen. Daneben bleibe auf Grund der Vereinbarung der Anspruch der Dienstnehmerin auf den Sachbezug bestehen. Der Wert des Sachbezuges betrage gemäß § 50 ASVG EUR 278,34. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse habe somit die Beiträge und Sonderbeiträge richtig aus dem kollektivvertraglichen Mindestlohn zuzüglich des Wertes des Sachbezuges errechnet.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Es ist ausschließlich die Frage strittig, ob im Bereich kollektivvertraglicher Mindestentgelte der Lohn von Dienstnehmern zwingend in Geld auszubezahlen ist. Der Beschwerdeführer verneint dies. Die Wohnung sei der Dienstnehmerin vereinbarungsgemäß bzw. über ihren ausdrücklichen Wunsch zur Verfügung gestellt worden. Eine Naturalwohnung mit einem Marktwert von S 5.100,-- pro Monat sei für den Arbeitnehmer wesentlich günstiger als das kollektivvertragliche Mindestentgelt. Die Bemessung der Sozialversicherungsbeiträge habe daher ausschließlich vom Wert des Sachbezuges zuzüglich des Barentgeltes von EUR 14,53 auszugehen.
Damit ist der Beschwerdeführer nicht im Recht.
Für die Bemessung der allgemeinen Beiträge iSd §§ 44 iVm 49 Abs. 1 ASVG ist nicht lediglich das im Beitragszeitraum an den pflichtversicherten Dienstnehmer (Lehrling) tatsächlich gezahlte Entgelt (die Geld- und Sachbezüge) maßgeblich, sondern, wenn es das tatsächlich gezahlte Entgelt übersteigt, jenes Entgelt, auf dessen Bezahlung bei Fälligkeit des Beitrages ein Rechtsanspruch des pflichtversicherten Dienstnehmers (Lehrling) bestand. Ob ein Anspruch auf einen Geld- oder Sachbezug besteht, ist nach zivilrechtlichen (arbeitsrechtlichen) Grundsätzen zu beurteilen.
In jenen Fällen, in denen kollektivvertragliche Vereinbarungen in Betracht kommen, bildet zumindest das dem pflichtversicherten Dienstnehmer nach diesen Regelungen zustehende Entgelt die Beitragsgrundlage für die Sozialversicherungsbeiträge. Dies unabhängig davon, ob der Dienstnehmer das ihm zustehende Entgelt vom Dienstgeber fordert bzw. ob ihm das zustehende Entgelt tatsächlich bezahlt wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 2002, Zl. 2001/08/0225).
Im Geltungsbereich eines Kollektivvertrages sind vertragliche Dispositionen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer in Ansehung der dort geregelten Mindestentgelte nicht zulässig. Diese Mindestentgelte sind in der Regel in Geldbeträgen festgelegt und insoweit daher auch zwingend in Geld zu entrichten. Das im Bereich kollektivvertraglicher Mindestentgelte geltende Geldzahlungsgebot schließt - ungeachtet aller Günstigkeitsüberlegungen - in diesem Bereich abweichende Sondervereinbarungen (§ 3 Abs. 1 zweiter Satz ArbVG) aus. Ob der Marktwert der vom Arbeitgeber tatsächlich gewährten Naturalbezüge im Ergebnis höher ist als jener Teil des Barentgeltes, an dessen Stelle die Sachbezüge geleistet werden sollten, ist nicht erheblich (vgl. hiezu die auch von den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zitierten hg. Erkenntnisse vom 22. März 1994, Zl. 92/08/0150, und vom 27. Juli 2001, Zl. 95/08/0037).
Die in der Beschwerde vorgebrachten Argumente geben keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzuweichen.
Auf sich beruhen können die Fragen, ob dem österreichischen Recht ein allgemeines Gebot, Arbeitsentgelt in Geld zu bezahlen, fremd ist und ob (bzw. inwieweit) sich aus § 78 Abs. 1 GewO 1859 ("Truckverbot") ein solches Gebot ableiten lässt. Im Geltungsbereich eines Kollektivvertrages ist ein dort vereinbartes Mindestentgelt (Mindestgehalt, Mindestlohn) dahin aufzufassen, dass der Dienstgeber im Sinne eines "Geldzahlungsgebotes" gezwungen ist, die genannten Mindestentgelte in Geld zu entrichten, soll doch mit der Festlegung der Bezahlung eines Mindestentgeltes in Geld die uneingeschränkte Verwendbarkeit dieses Entgeltes für den Arbeitnehmer gesichert werden. Die Hingabe von Naturalien statt Geld würde dem Wesensgehalt des kollektivvertraglichen Mindestentgelts zuwiderlaufen und dem Dienstnehmer eine bestimmte Einkommensverwendung aufdrängen. Aus diesem Grund ist in diesem Bereich die Substitution von Barlohn durch Naturallohn im Wege einer Sondervereinbarung (§ 3 Abs. 1 zweiter Satz ArbVG) - ungeachtet aller Günstigkeitsüberlegungen - ausgeschlossen (vgl. die Entscheidungsbesprechung Löschniggs zum genannten Erkenntnis Zl. 95/08/0037, RdA 2003/31 Punkt 3 und 5).
Wenn der Beschwerdeführer auf eine im zitierten Erkenntnis Zl. 92/08/0150 vorgenommene Differenzierung verweist (wonach die Vereinbarung, die Miete für eine vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellte Wohnung im Abzugswege vom Barentgelt einzubehalten, einem Günstigkeitsvergleich zugänglich wäre), so ist ihm zu entgegnen, dass eine solche Vereinbarung nichts an der Beitragspflicht für das volle Arbeitsentgelt ändern würde und der Arbeitnehmer in einer derartigen Fallkonstellation in seinen Möglichkeiten, das Arbeitsentgelt auch für etwas anderes als für die vom Dienstgeber zur Verfügung gestellte Wohnung zu verwenden, nicht beeinträchtigt, der Schutzzweck sohin gewahrt wäre.
Es wurden daher im Beschwerdefall zu Recht der Mindestlohn nach dem Kollektivvertrag entsprechend der Tätigkeit der Dienstnehmerin als Bruttolohn angesetzt, der Wert des Sachbezuges (§ 50 ASVG) hinzugerechnet und von diesem Betrag die Sozialversicherungsbeiträge bemessen.
Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 17. November 2004
Schlagworte
Entgelt Begriff AnspruchslohnKollektivvertragSondervereinbarungEntgelt Begriff SachbezugEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2002080089.X00Im RIS seit
18.01.2005Zuletzt aktualisiert am
17.05.2009