TE Vwgh Erkenntnis 2004/11/17 2003/08/0226

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Veröffentlicht am 17.11.2004
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Index

66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §35 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des T in S, vertreten durch Rechtsanwaltspartnerschaft Föger Pall & Schallhart in 6300 Wörgl, Josef-Speckbacher Straße 8, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 13. Juni 2003, Zlen. uvs- 2002/K8/013-5 und uvs-2002/16/078-5, betreffend Verstoß gegen die Meldepflicht gemäß § 111 ASVG, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich des Spruchpunktes 2, soweit dieser die Unterlassung der Anmeldung des ungarischen Staatsangehörigen B bei der zuständigen Sozialversicherungsanstalt betrifft, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben; im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Verwaltungsgerichtshof hat die gegen den angefochtenen Bescheid erhobene Beschwerde, soweit der Beschwerdeführer zweier Verwaltungsübertretungen nach dem AuslBG für schuldig erkannt wurde, mit Erkenntnis vom 24. März 2004, Zl. 2003/09/0146, als unbegründet abgewiesen.

Mit Spruchpunkt 2 des - nach Durchführung öffentlicher mündlicher Verhandlungen - im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheides wurde der Beschwerdeführer zweier Verwaltungsübertretungen gemäß § 111 i.V.m. § 33 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) für schuldig befunden. Er habe es unterlassen, den in der Zeit vom 12. Dezember 2001 bis 20. März 2002 in seinem Hotel "H." beschäftigten ungarischen Staatsangehörigen B. und die in der Zeit vom 15. Jänner 2002 bis 20. März 2002 im selben Hotel beschäftigte kroatische Staatsangehörige F. binnen sieben Tagen ab Arbeitsaufnahme bei der zuständigen Sozialversicherungsanstalt anzumelden. Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wurden über den Beschwerdeführer Geldstrafen in der Höhe von jeweils EUR 2.180,-- (Ersatzfreiheitsstrafen jeweils sechs Tage) verhängt.

Die belangte Behörde hat ihrer Entscheidung folgenden Sachverhalt zu Grunde gelegt:

"Der (Beschwerdeführer) hat in der Zeit vor dem 14.1.2002 über eine kroatische Zeitung Arbeitskräfte für den Hotelbetrieb '(H)' ... gesucht. Frau (F.), die am 15.01.2002 in diesem Betrieb die Beschäftigung als Zimmermädchen aufgenommen hat, hat den (Beschwerdeführer) auf Grund des angeführten Zeitungsinserates angerufen und hat mit ihm telefonisch einen Monatslohn von ca. ATS 12.000,-- zuzüglich freier Kost und Logis vereinbart. Im Zuge dieses Telefongespräches hat der (Beschwerdeführer) auch mitgeteilt, dass er für Frau (F.) keine arbeitsrechtlichen Papiere bekommen könne. Frau (F.) reiste mit dem Zug an, der (Beschwerdeführer) hat sie ... persönlich abgeholt (Frau (F.) anlässlich ihrer Einvernahme im fremdenpolizeilichen Verfahren bei der Bezirkshauptmannschaft Imst am 20.03.2002). Frau (F.) hat vom 15.01.2002 bis zum 20.03.2002 im Hotel '(H.)' gearbeitet (Frau (F.), Verhängung des Aufenthaltsverbotes am 20.03.2002 durch die Erstbehörde). Frau (F.) wurde als Zimmermädchen für Euro 870,-- monatlich, Kost und Logis frei, beschäftigt ((Beschwerdeführer) aus Anlass der Kontrolle des Hauptzollamtes am 20.03.2002). Eine Beschäftigungsbewilligung lag nicht vor (Anzeige des Arbeitsinspektorates Innsbruck vom 21.03.2002). Ebenso wurde der ungarische Staatsangehörige (B.) ... im Hotel '(H.)' in der Zeit vom 12.12.2001 bis 20.03.2002 als Küchenhilfe, Entlohnung Euro 950,-- monatlich, zuzüglich freie Kost und Logis, beschäftigt (Anzeige des Arbeitsinspektorates Innsbruck vom 21.03.2002, Angaben des (Beschwerdeführers) im Zuge der Kontrolle am 20.03.2002 sowie Angaben des Beschäftigten (B.) im Zuge des fremdenpolizeilichen Verfahrens bei der Bezirkshauptmannschaft Imst am 20.03.2002). Der (Beschwerdeführer) hat die angeführten ausländischen Staatsangehörigen bei der Sozialversicherung nicht angemeldet; ihm war bekannt, dass er für ausländische Arbeitskräfte eine entsprechende Bewilligung benötigt und dass diese bei der Sozialversicherung zu melden gewesen wären (Rechtfertigung des (Beschwerdeführers) ... vom 04.07.2001".

Über die gegen Spruchpunkt 2 dieses Bescheides erhobene Beschwerde - also soweit sich diese gegen die Bestrafung nach dem ASVG richtet und daher in die Zuständigkeit des Senates 08 fällt - hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten durch die belangte Behörde erwogen:

§ 33 Abs. 1 ASVG lautet:

"Die Dienstgeber haben jeden von ihnen beschäftigten, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung Pflichtversicherten (Vollversicherte und Teilversicherte) bei Beginn der Pflichtversicherung (§ 10) unverzüglich beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden. Die An- sowie die Abmeldung des Dienstgebers wirkt auch für den Bereich der Unfall- und Pensionsversicherung, soweit der Beschäftigte in diesen Versicherungen pflichtversichert ist. Durch die Satzung des Trägers der Krankenversicherung kann die Meldefrist im Allgemeinen bis zu sieben Tagen oder für einzelne Gruppen von Pflichtversicherten bis zu einem Monat erstreckt werden."

Gemäß § 35 Abs. 1 ASVG gilt als Dienstgeber im Sinne dieses Bundesgesetzes derjenige, für dessen Rechnung der Betrieb geführt wird, in dem der Dienstnehmer in einem Beschäftigungsverhältnis steht, auch wenn der Dienstgeber den Dienstnehmer durch Mittelspersonen in Dienst genommen hat oder ihn ganz oder teilweise auf Leistungen Dritter an Stelle des Entgeltes verweist.

Im Beschwerdefall wurden die beiden im angefochtenen Bescheid genannten Dienstnehmer unstrittig nicht gemäß § 33 Abs. 1 ASVG beim zuständigen Krankenversicherungsträger angemeldet. Der Beschwerdeführer bestreitet jedoch, dass er Dienstgeber im Sinne des § 35 ASVG und damit zur Meldung verpflichtet gewesen wäre. Die belangte Behörde lasse außer Acht, dass gegenüber der Tiroler Gebietskrankenkasse der Betrieb "H." bis zumindest 18. Februar 2002 ausschließlich unter einem auf die Namen der Eltern des Beschwerdeführers lautenden Sozialversicherungskonto geführt worden sei. Ein rechtlicher oder tatsächlicher Zusammenhang zwischen dem Beschwerdeführer, welcher bei der Tiroler Gebietskrankenkasse eigenständig als Dienstgeber mit einem anderen Standort geführt werde, und der Melde-, Anzeige- und Auskunftspflicht nach dem ASVG hinsichtlich der beschäftigten Dienstnehmer im Hotel "H." habe zum damaligen Zeitpunkt nicht bestanden. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes komme es für die Dienstgebereigenschaft einer Person nicht nur darauf an, wer letztlich aus den im Betrieb getätigten Geschäften unmittelbar berechtigt und verpflichtet wird, sondern überdies darauf, dass der in Betracht kommenden Person, wenn schon nicht das Recht zur Geschäftsführung, so doch eine so weit reichende Einflussmöglichkeit auf die Betriebsführung zukommen muss, dass sie die Erfüllung der dem Dienstgeber nach dem ASVG auferlegten Verpflichtungen in Bezug auf das an das Beschäftigungsverhältnis anknüpfende Versicherungsverhältnis und Leistungsverhältnis entweder selbst oder durch dritte Personen möglich ist. Dies liege beim Beschwerdeführer hinsichtlich des Hotels "H." nicht vor. An der Dienstgebereigenschaft einer Person, die das Risiko des Betriebes im Gesamten unmittelbar treffe, ändere sich nichts dadurch, dass ein (mit ihrem Wissen und Willen den Betrieb führender) Dritter bei einzelnen betrieblichen Geschäften nach außen hin in eigenem Namen auftrete. Sämtliche Kriterien der Rechtsprechung würden für den inkriminierten Zeitraum allein und ausschließlich auf Frau Paula A. (die Mutter des Beschwerdeführers) zutreffen, welche "bücherliche Alleineigentümerin der Liegenschaft und damit des Betriebes Hotel (H.), kontoführende Person hinsichtlich dieses Betriebs bei der Tiroler Gebietskrankenkasse, zeichnungsbefugte Geschäftsführerin und persönliche Steuerschuldnerin hinsichtlich des Betriebs Hotel (H.)" gewesen sei. Paula A. sei daher als alleinige Dienstgeberin im inkriminierten Zeitraum zu betrachten.

Diesem Vorbringen kommt im Hinblick auf die vom 15. Jänner 2002 bis zum 20. März 2002 beschäftigte Arbeitnehmerin F. keine Berechtigung zu. Die belangte Behörde hat in vom Verwaltungsgerichtshof nicht zu beanstandender Beweiswürdigung (vgl dazu auch das Erkenntnis vom 24. März 2004, Zl. 2003/09/0146, bezüglich Spruchpunkt 1 des angefochtenen Bescheides) festgestellt, dass der Beschwerdeführer den Hotelbetrieb tatsächlich geleitet und die Ausländer als Arbeitgeber beschäftigt hat. Im Hinblick auf die für den Dienstgeberbegriff des § 35 ASVG maßgebliche Frage, auf wessen Rechnung der Betrieb geführt wurde, hat die belangte Behörde ihrer Entscheidung unter anderem den Schenkungsvertrag vom 15. Februar 2002, abgeschlossen zwischen Paula A. als Geschenkgeberin und dem Beschwerdeführer als Geschenknehmer zu Grunde gelegt, in dessen Punkt III. heißt es wörtlich:

"Die tatsächliche Übergabe und Übernahme des Vertragsgegenstandes (einschließlich des Betriebes (H.)) ist durch gemeinsames Abgehen und Feststellen der Grenzen, sowie durch gemeinsame Einsichtnahme und Überlassung aller den Vertragsgegenstand betreffenden Urkunden an die Übernehmerin bereits am 01.01.2002 erfolgt, und sind mit diesem Zeitpunkt auch Besitz und Genuss, Wag und Gefahr am Vertragsgegenstand auf den Übernehmer übergegangen, welcher ab diesem Zeitpunkt auch alle damit verbundenen Steuern und öffentlichen Abgaben allein zu tragen hat."

Gegenstand des Schenkungsvertrages ist nach dessen Punkt II. (unter anderem) die mit der Einlagezahl bezeichnete Liegenschaft mitsamt dem auf dieser Liegenschaft errichteten Betrieb H. samt allem rechtlichen und tatsächlichen Zubehör.

Nach diesem Schenkungsvertrag kam demnach dem Beschwerdeführer seit dem 1. Jänner 2002 das volle Verfügungsrecht über den Betrieb H. zu und dieser Betrieb wurde (jedenfalls) seit diesem Zeitpunkt auf seine Rechnung und Gefahr geführt. Das zum Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme der Arbeitnehmerin F. noch bestehende bücherliche Eigentum der Mutter des Beschwerdeführers vermag daran nichts zu ändern. Zwar ist das Eigentum bzw. Miteigentum am Betrieb die für die Beantwortung der Frage, auf wessen Rechnung und Gefahr ein Betrieb geführt wird, in erster Linie maßgebliche rechtliche Gegebenheit (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. November 2002, Zl. 98/08/0017); im vorliegenden Fall ist jedoch durch die (spätestens) zum 1. Jänner 2002 erfolgte, im nachfolgend errichteten Schenkungsvertrag dokumentierte Übernahme des Betriebes durch den Beschwerdeführer eine vom bücherlichen Eigentum an der Liegenschaft abweichende Zurechnung von Rechten und Pflichten aus der Betriebsführung belegt. Dass die im Schenkungsvertrag dokumentierte, mit dem Gefahrübergang auf den Beschwerdeführer verbundene Übernahme bzw. Übergabe zum 1. Jänner 2002 nicht erfolgt wäre, hat der Beschwerdeführer nicht behauptet.

Der belangten Behörde kann daher nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, soweit sie für den Zeitraum ab dem 1. Jänner 2002 davon ausgeht, dass der Betrieb H. auf Rechnung des Beschwerdeführers geführt wurde und dieser sohin als Dienstgeber im Sinne des § 35 ASVG anzusehen war, dem auch die Meldepflicht hinsichtlich der vom 15. Jänner 2002 bis zum 20. März 2002 beschäftigten Dienstnehmerin F. oblag.

Weshalb dieses Ergebnis, wie der Beschwerdeführer vermeint, "insbesondere mit Punkt V des Schenkungsvertrages" unvereinbar sei, vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht nachzuvollziehen. In Punkt V des angeführten Schenkungsvertrages ist vorgesehen, dass der Übernehmer die Darlehen und Kreditverbindlichkeiten, welche den Pfandrechtseintragungen auf der vertragsgegenständlichen Liegenschaft zu Grunde lagen, in seine alleinige Haftung und Rückzahlungsverpflichtung übernahm, so wie diese am 31. Dezember 2001 unberichtigt aushafteten. Auch aus dieser Regelung lässt sich sohin ableiten, dass der Betrieb (jedenfalls) ab 1. Jänner 2002 auf Rechnung des Beschwerdeführers geführt wurde.

Die Beschwerde ist jedoch im Recht, soweit sie sich gegen die für die Unterlassung der Anmeldung des vom 12. Dezember 2001 bis zum 30. März 2002 beschäftigten ungarischen Staatsangehörigen B. erfolgte Bestrafung wendet. Eine ausdrückliche Begründung für die Annahme, der Betrieb "H." sei auch vor dem 1. Jänner 2002 bereits auf Rechnung des Beschwerdeführers geführt worden, ist dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen. Der bereits zitierte Schenkungsvertrag vermag die von der belangten Behörde getroffene Beurteilung, der Beschwerdeführer sei auch vor dem 1. Jänner 2002 nicht nur Arbeitgeber im Sinne des AuslBG, sondern auch Dienstgeber im Sinne des § 35 ASVG gewesen, nicht zu decken, und die weiteren Beweismittel beziehen sich lediglich auf die Arbeitgebereigenschaft im Sinne des AuslBG, nicht jedoch auf die entscheidungswesentliche Frage, auf wessen Rechnung und Gefahr der Betrieb im Zeitpunkt der dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Verwaltungsübertretung - Nichtanmeldung des ab 12. Dezember 2001 beschäftigten Arbeitnehmers B. - geführt worden war.

Der angefochtene Bescheid erweist sich somit als in diesem Punkt nicht ausreichend begründet, sodass er in diesem Umfang - Bestrafung wegen Verletzung der Meldepflicht betreffend den Arbeitnehmer B. - gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war. Im Übrigen jedoch war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Von der beantragten Durchführung einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Stempelgebührenersatz war nicht zuzusprechen, weil die Beschwerde - soweit sie erfolgreich war - nicht gebührenpflichtig war (§ 110 ASVG).

Wien, am 17. November 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2003080226.X00

Im RIS seit

15.12.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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