RS OGH 2002/5/23 12Os14/01, Bsw38830/97, 12Os182/10x (12Ns91/10v), 11Os80/11s, 11Os67/11d, Bsw18353/

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 23.05.2002
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Norm

MRK Art6 Abs1 II5c
MRK Art6 Abs3 litc IV3b
StPO §41 Abs3

Rechtssatz

Dass der Staat nach Art 6 Abs 3 lit c MRK verpflichtet ist, einen wirksamen Beistand zu gewährleisten, bedeutet keineswegs, dass die - nach § 45 Abs 4 RAO dafür zuständige - Rechtsanwaltskammer jedes Handeln oder Unterlassen des Amtsverteidigers in einem Strafverfahren auf seine rechtliche Fundiertheit und Zweckmäßigkeit zu überprüfen und bei einem Verhalten, das gegebenenfalls dem Ziel der bestmöglichen Verteidigung nicht entspricht, mit der Enthebung des Amtsverteidigers vorzugehen hätte (VwGH 2000/10/0019). Eine die Effektivität der Verteidigung in Frage stellende Situation und damit ein Grund zum Einschreiten der Rechtsanwaltskammer durch Umbestellung des Amtsverteidigers liegt vielmehr erst dann vor, wenn Verhaltensweisen offenkundig werden, die einen Schluss auf eine habituelle Untüchtigkeit oder eine solche Inaktivität des Amtsverteidigers zulassen, dass von wirksamer Vertretung nicht mehr gesprochen werden kann. Nur bei Kenntnis derartiger Mängel ist auch das Gericht zur Manuduktion verpflichtet.

Entscheidungstexte

  • 12 Os 14/01
    Entscheidungstext OGH 23.05.2002 12 Os 14/01
  • Bsw 38830/97
    Entscheidungstext AUSL EGMR 10.10.2002 Bsw 38830/97
    Vgl, Beisatz: Aus der Unabhängigkeit des Anwaltsstandes gegenüber dem Staat ist zu schließen, dass die Führung der Verteidigung im Wesentlichen eine Angelegenheit zwischen dem Angeklagten und seinem Rechtsbeistand ist, mag sie im Wege der Verfahrenshilfe oder im Rahmen der privaten Kostentragung erfolgen. Art 6 Abs 3 MRK verpflichtet die nationalen Behörden nur dann einzugreifen, wenn Versäumnisse des Pflichtverteidigers bei der Vertretung seines Klienten offensichtlich sind oder in hinreichender Weise anderweitig bekannt werden. Eine unzulängliche oder irrtümliche Verteidigungsführung durch einen Pflichtverteidiger, etwa von der Art, dass ein eingebrachtes Rechtsmittel nicht die gesetzlichen Formalkriterien erfüllt, vermag die Verantwortung des Staates hierfür nicht auszulösen. Unter gewissen Umständen kann die Nichtbeachtung einer reinen Formvorschrift aus Nachlässigkeit jedoch nicht mit einem Irrtum des Verteidigers oder mit Argumentationsmängeln gleichgesetzt werden, nämlich wenn dadurch einem Verurteilten der Rechtsmittelweg abgeschnitten wird, ohne dass diese Situation von der höheren Instanz bereinigt würde. Besondere Sorgfalt ist anzuwenden, wenn der Angeklagte als Ausländer nicht der Verfahrenssprache mächtig ist. Das offenkundige Versäumnis der Nichtbeachtung einer Formvorschrift muss ein positives Handeln der Behörden in Form eines Verbesserungsauftrages nach sich ziehen. Czekalla gegen Portugal. (T1)
    Veröff: NL 2002,209
  • 12 Os 182/10x
    Entscheidungstext OGH 25.01.2011 12 Os 182/10x
    Vgl
  • 11 Os 80/11s
    Entscheidungstext OGH 14.07.2011 11 Os 80/11s
    Vgl; Beisatz: Das Gericht ist grundsätzlich nicht berechtigt, die Tätigkeit eines bestellten Verteidigers dahingehend zu überwachen, ob er sein Amt richtig und zweckmäßig ausübt. Ein Einschreiten des Staates iSd Art 6 Abs 3 lit c MRK ist nach der Rechtsprechung des EGMR nur dann geboten, wenn das Fehlen einer ordnungsgemäßen Pflichtverteidigung offensichtlich ist oder sonst Kenntnis von einer Nachlässigkeit des Pflichtverteidigers erlangt wurde. (T2)
    Beisatz: Sofern keine habituelle Untüchtigkeit vorliegt, hat das Gericht die Qualität des Verteidigers weder zu prüfen noch zu kontrollieren und auch nicht einzuschreiten. (T3)
  • 11 Os 67/11d
    Entscheidungstext OGH 30.11.2011 11 Os 67/11d
    Vgl; Beis wie T3
  • Bsw 18353/03
    Entscheidungstext AUSL EGMR 19.05.2009 Bsw 18353/03
    Auch; Beis wie T1; Veröff: NL 2009,135
  • 11 Os 114/14w
    Entscheidungstext OGH 25.11.2014 11 Os 114/14w
    Auch; Beisatz: In solch einem Fall kann der Oberste Gerichtshof bei erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Urteil zu Grunde liegenden Tatsachenfeststellungen von Amts wegen auf außerordentlichem Weg die Wiederaufnahme des Strafverfahrens verfügen und dadurch Abhilfe gegen allfällige grobe Versäumnisse des beigegebenen Verteidigers bei der Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde schaffen. (T4)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2002:RS0116665

Im RIS seit

22.06.2002

Zuletzt aktualisiert am

26.01.2015
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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