TE Vwgh Beschluss 2004/11/17 99/14/0254

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Veröffentlicht am 17.11.2004
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
21/01 Handelsrecht;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §19 Abs1;
BAO §22 Abs1;
BAO §22 Abs2;
BAO §79;
B-VG Art131 Abs1;
HGB §142;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde der als SgesmbH & Co KG in N, bezeichneten Beschwerdeführerin (Universalsukzessor: SgesmbH), vertreten durch Dr. Christoph Rogler, Rechtsanwalt in 4402 Steyr, Stelzhamerstraße 9, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (Berufungssenat I) vom 28. Juni 1999, Zl. RV 225/1-6/1998, betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für 1996, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Rechtsnachfolgerin der SgesmbH & Co KG, die SgesmbH, hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die als Beschwerdeführerin bezeichnete GmbH & Co KG (in der Folge nur KG) war am 1. April 1993 gegründet worden. Am 1. Juni 1994 wurde über das Vermögen der KG das Konkursverfahren eröffnet. Am 28. November 1995 wurde ein Beschluss über den Abschluss eines Zwangsausgleiches gefasst, welcher am 4. Dezember 1995 bestätigt wurde. Die Aufhebung des Konkurses erfolgte am 12. Jänner 1996.

Mit Vertrag vom 24. Jänner 1996 vereinbarten die beiden Kommanditisten Wolfgang S und Roland B sowie die Komplementär GmbH die Einbringung der Beteiligungsrechte der Kommanditisten in die verbleibende einzige Gesellschafterin, die Komplementär GmbH gemäß § 142 HGB. Festgehalten wurde überdies, dass für diese Einbringung die umgründungssteuerrechtlichen Begünstigungen des Art. III Umgründungssteuergesetz in Anspruch genommen würden.

Am 29. Jänner 1996 wurde der Einbringungsvertrag beim Firmenbuch angemeldet. Mit Beschluss vom 7. Februar 1996 wurde die Eintragung der Firmenlöschung sowie die Vermögensübernahme gemäß § 142 HGB durch die GmbH bewilligt.

Mit einer an die KG gerichteten Erledigung des Finanzamtes stellte dieses im April 1998 Einkünfte der KG gemäß § 188 BAO fest.

In der durch einen Wirtschaftstreuhänder namens der KG erhobenen Berufung wurde ausgeführt, dass die KG im Hinblick auf die erfolgte Löschung im Firmenbuch kein Rechtssubjekt mehr sei.

Mit der an die KG gerichteten angefochtenen Erledigung wurde die Berufung abgewiesen. Aus näher angeführten Gründen ging die belangte Behörde davon aus, dass die Einbringung der Kommanditanteile als Missbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts gemäß § 22 BAO zu beurteilen sei. Auf Grund dieses Missbrauchs trete anders als bei rechtsgültiger Einbringung der Kommanditanteile - diesfalls wäre die GmbH Rechtsnachfolgerin der KG geworden - diese Rechtsnachfolge nicht ein. Es sei daher zu prüfen, inwieweit die KG noch rechtsfähig sei. Zur Beantwortung dieser Frage sei auf das Handelsrecht zurückzugreifen, weil nach § 79 BAO "für die Rechtsfähigkeit die Bestimmungen des bürgerlichen Rechts gelten". Nach ständiger Rechtsprechung des OGH sei eine Personengesellschaft des Handelsrechts (OHG, KG) mit der Auflösung noch nicht beendet. Eine derartige Gesellschaft erlösche erst mit der Beendigung der Liquidation. Solange noch Rechte bzw. Verpflichtungen der Gesellschaft behauptet würden, könne die Liquidation nicht beendet sein. Die Auflösung einer Personenhandelsgesellschaft und die Löschung ihrer Firma im Handelsregister beeinträchtige demnach ihre Parteifähigkeit solange nicht, als ihre Rechtsverhältnisse zu Dritten noch nicht abgewickelt seien. Im Beschwerdefall seien im Zeitpunkt der Erlassung des strittigen Bescheides die Rechtsverhältnisse der KG gegenüber der Finanzverwaltung noch nicht abgewickelt. § 19 Abs. 2 BAO sei noch nicht anwendbar, da diese Bestimmung die Beendigung der Gesellschaft nach dem Zivilrecht voraussetze. Beendigung sei die Abwicklung des Liquidationsverfahrens bzw. der Rechtsverhältnisse gegenüber Dritten. Eine Zustellung an die KG (nicht an die Gesellschafter) entspreche der bestehenden Rechtslage.

Zutreffend hat die belangte Behörde darauf hingewiesen, dass nach ständiger Rechtsprechung die Auflösung einer Personenhandelsgesellschaft und ihrer Löschung im Firmenbuch so lange ihre Parteifähigkeit nicht beeinträchtigt, als ihre Rechtsverhältnisse zu Dritten, also auch zum Bund als Abgabengläubiger noch nicht abgewickelt sind. Andererseits hat die belangte Behörde zutreffend auch erkannt, dass eine Anwachsung nach § 142 HGB eine zivilrechtliche Gesamtrechtsnachfolge darstellt (vgl. dazu Koppensteiner in Straube, HGB I3 Rz 10 zu § 142 HGB). § 19 BAO normiert, dass bei Gesamtrechtsnachfolge die sich aus Abgabenvorschriften ergebenden Rechte und Pflichten des Rechtsvorgängers auf den Rechtsnachfolger übergeht. Die belangte Behörde vertrat allerdings vor dem Hintergrund, dass sie hinsichtlich der gegenständlichen Einbringung, für welche auch die Begünstigungen des Umgründungssteuergesetzes beantragt worden waren, einen Missbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts angenommen hatte, die Ansicht, dass in Konsequenz dazu von einer Einbringung nicht ausgegangen werden könne. Damit übersieht die belangte Behörde jedoch, dass die Frage nach der Rechts- und Handlungsfähigkeit keine solche ist, welche nach § 22 Abs. 2 BAO zu beantworten ist. Die belangte Behörde verweist zutreffend selbst auch auf § 79 BAO, wonach für die Rechts- und Handlungsfähigkeit die Bestimmungen des bürgerlichen Rechts gelten.

Die Konsequenz einer Beurteilung der Einbringung als Missbrauch im Sinne des § 22 Abs. 1 BAO besteht gemäß § 22 Abs. 2 BAO nur darin, dass die Abgaben so zu erheben sind, wie sie bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen, Tatsachen und Verhältnissen angemessenen rechtlichen Gestaltung zu erheben wären. Für die aber gemäß § 79 BAO nach bürgerlichem Recht zu beurteilende Frage der Rechts- und Handlungsfähigkeit (bei welcher es sich nicht um die Erhebung von Abgaben handelt) hat die Beurteilung des Sachverhaltes als Missbrauch im Sinne des § 22 Abs. 1 BAO keine Bedeutung. Der dem Beschwerdefall zu Grunde liegende Vorgang gemäß § 142 HGB bietet keinen Anhaltspunkt dafür, dass die zivilrechtliche Gesamtrechtsnachfolge und damit die Parteifähigkeit der GmbH in Frage gestellt werden könnte.

Dem zufolge hätten die sich aus § 22 Abs. 2 BAO ergebenden Konsequenzen in einem nicht an die nicht mehr existierende KG gerichteten Bescheid ihren Niederschlag finden müssen.

Die Beschwerde war daher - abgesehen davon, dass auch die Erledigung des Finanzamtes mangels Anführung eines geeigneten Bescheidadressaten keine Bescheidqualität erlangt hatte - weil gegen eine als Bescheid nicht wirksam ergangene Erledigung gerichtet, wegen offenbarer Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen. Prozessvoraussetzung für die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes mit Bescheidbeschwerde ist unter anderem das Vorliegen eines rechtswirksam erlassenen Bescheides (Art 131 Abs. 1 B-VG).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 17. November 2004

Schlagworte

Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Mangelnder Bescheidcharakter Bescheidbegriff AllgemeinIndividuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:1999140254.X00

Im RIS seit

23.02.2005

Zuletzt aktualisiert am

21.05.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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