Norm
ABGB §16Rechtssatz
Der Konflikt zwischen widerstreitenden Persönlichkeitsrechten stellt sich aus der Warte der Grundrechte betrachtet regelmäßig auch als Grundrechtskonflikt mit Drittwirkungseffekten dar. In solchen Fällen geht die Rechtsprechung von einer grundrechtlich verankerten Pflicht zur umfassenden Interessenabwägung aus. Steht das in Art 5 StGG normierte Grundrecht der Unverletzlichkeit des Eigentums des Arbeitgebers den Persönlichkeitsrechten des Arbeitnehmers auf Achtung seines Privatbereichs und seiner Geheimsphäre gegenüber, so ist in die vorzunehmende Interessenabwägung der bestehende Arbeitsvertrag einzubeziehen, der einerseits Fürsorgepflichten des Arbeitgebers, andererseits aber auch Treuepflichten des Arbeitnehmers nach sich zieht. Kontrolle an sich verstößt gegen kein Persönlichkeitsgut des Arbeitnehmers. Es gehört vielmehr zum Wesen des Arbeitsverhältnisses, dass sich der Arbeitnehmer der Kontrolle durch den Arbeitgeber unterwirft. Während die Treuepflicht des Dienstnehmers diesen zum Einbekennen von Privatgesprächen verhält, verpflichtet die Grundrechtsbindung sowie die Fürsorgepflicht den Dienstgeber, Eingriffe in Persönlichkeitsrechte auf die schonendste noch zielführende Art vorzunehmen. Die Persönlichkeitsrechte wirken, wenngleich durch den Arbeitsvertrag abgeschwächt und modifiziert, auch im dienstlichen Bereich fort und schützen dort den Arbeitnehmer insbesondere vor Erniedrigung, Ungleichbehandlung und Willkür. Durch zu große, über das für die Erreichung des Kontrollzwecks erforderliche Ausmaß hinausgehende Kontrolldichte bei der Arbeit kann jedenfalls die Menschenwürde im Sinne des § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG berührt werden.
Entscheidungstexte
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2002:RS0116695Im RIS seit
13.07.2002Zuletzt aktualisiert am
14.02.2022