RS OGH 2002/6/13 8ObA288/01p, 9ObA109/06d, 10Ob21/19i, 9ObA120/19s, 8Ob121/21h

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 13.06.2002
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Norm

ABGB §16
ABGB §879 Abs1 BI
ABGB §879 Abs1 BIIo
ArbVG §96 Abs1 Z3
DSG §1
MRK Art8 IV3a
StGG Art5
StGG Art10a
1.ZPMRK Art1 I1

Rechtssatz

Der Konflikt zwischen widerstreitenden Persönlichkeitsrechten stellt sich aus der Warte der Grundrechte betrachtet regelmäßig auch als Grundrechtskonflikt mit Drittwirkungseffekten dar. In solchen Fällen geht die Rechtsprechung von einer grundrechtlich verankerten Pflicht zur umfassenden Interessenabwägung aus. Steht das in Art 5 StGG normierte Grundrecht der Unverletzlichkeit des Eigentums des Arbeitgebers den Persönlichkeitsrechten des Arbeitnehmers auf Achtung seines Privatbereichs und seiner Geheimsphäre gegenüber, so ist in die vorzunehmende Interessenabwägung der bestehende Arbeitsvertrag einzubeziehen, der einerseits Fürsorgepflichten des Arbeitgebers, andererseits aber auch Treuepflichten des Arbeitnehmers nach sich zieht. Kontrolle an sich verstößt gegen kein Persönlichkeitsgut des Arbeitnehmers. Es gehört vielmehr zum Wesen des Arbeitsverhältnisses, dass sich der Arbeitnehmer der Kontrolle durch den Arbeitgeber unterwirft. Während die Treuepflicht des Dienstnehmers diesen zum Einbekennen von Privatgesprächen verhält, verpflichtet die Grundrechtsbindung sowie die Fürsorgepflicht den Dienstgeber, Eingriffe in Persönlichkeitsrechte auf die schonendste noch zielführende Art vorzunehmen. Die Persönlichkeitsrechte wirken, wenngleich durch den Arbeitsvertrag abgeschwächt und modifiziert, auch im dienstlichen Bereich fort und schützen dort den Arbeitnehmer insbesondere vor Erniedrigung, Ungleichbehandlung und Willkür. Durch zu große, über das für die Erreichung des Kontrollzwecks erforderliche Ausmaß hinausgehende Kontrolldichte bei der Arbeit kann jedenfalls die Menschenwürde im Sinne des § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG berührt werden.

Entscheidungstexte

  • 8 ObA 288/01p
    Entscheidungstext OGH 13.06.2002 8 ObA 288/01p
    Veröff: SZ 2002/83
  • 9 ObA 109/06d
    Entscheidungstext OGH 20.12.2006 9 ObA 109/06d
    Vgl auch; nur: Jeder Mensch hat auch während der Zeit, in der er zur Arbeitsleistung in einem Arbeitsverhältnis verpflichtet ist, ua das Recht auf Unversehrtheit der Intimsphäre, auf Freiheit von unbefugter Abbildung und auf Achtung seines Wertes als menschliches Wesen. Kontrolle an sich verstößt noch nicht gegen die Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers. Es gehört vielmehr zum Wesen des Arbeitsverhältnisses, dass sich der Arbeitnehmer der Kontrolle des Arbeitgebers unterwirft. (T1); Veröff: SZ 2006/191
  • 10 Ob 21/19i
    Entscheidungstext OGH 15.10.2019 10 Ob 21/19i
    Vgl; nur: Der Konflikt zwischen widerstreitenden Persönlichkeitsrechten stellt sich aus der Warte der Grundrechte betrachtet regelmäßig auch als Grundrechtskonflikt mit Drittwirkungseffekten dar. In solchen Fällen geht die Rechtsprechung von einer grundrechtlich verankerten Pflicht zur umfassenden Interessenabwägung aus. (T2)
  • 9 ObA 120/19s
    Entscheidungstext OGH 22.01.2020 9 ObA 120/19s
  • 8 Ob 121/21h
    Entscheidungstext OGH 29.11.2021 8 Ob 121/21h
    Vgl

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2002:RS0116695

Im RIS seit

13.07.2002

Zuletzt aktualisiert am

14.02.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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