TE Vfgh Erkenntnis 2001/3/8 G114/00

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Veröffentlicht am 08.03.2001
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Index

L7 Wirtschaftsrecht
L7400 Fremdenverkehr

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
Sbg FremdenverkehrsG §35 Abs1

Leitsatz

Verfassungswidrigkeit einer Bestimmung des Sbg Fremdenverkehrsgesetzes hinsichtlich der unterschiedlichen Behandlung von Reisebüros und Reiseveranstaltern bei der Erhebung von Fremdenverkehrsbeiträgen nach dem Kriterium der Leistungserbringung an Unternehmer oder Nichtunternehmer; Präjudizialität der gesamten eine untrennbare Einheit bildenden Norm

Spruch

§35 Abs1 des Salzburger Fremdenverkehrsgesetzes, LGBl. für Salzburg Nr. 94/1985, in der Fassung LGBl. Nr. 16/1998, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2001 in Kraft.

Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.

Der Landeshauptmann von Salzburg ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Nach §30 Abs1 des Salzburger Fremdenverkehrsgesetzes, LGBl. 94/1985 (künftig SFVG), haben die Pflichtmitglieder eines Fremdenverkehrsverbandes an diesen für jedes Kalenderjahr Verbandsbeiträge zu entrichten. Zur Berechnung der Verbandsbeiträge werden die Berufsgruppen der Pflichtmitglieder durch Verordnung der Landesregierung in 7 Beitragsgruppen eingeteilt (§32 Abs1 SFVG). Für die Einreihung in die Beitragsgruppen ist gemäß §32 Abs2 SFVG "das Verhältnis des von der einzelnen Berufsgruppe nach allgemeinen wirtschaftlichen Erfahrungen aus dem Fremdenverkehr mittelbar oder unmittelbar erzielten Erfolges zum entsprechenden Gesamterfolg aller Berufsgruppen unter Beachtung der branchentypischen Umsatzstruktur (eigene Wertschöpfung) maßgebend". Die Höhe des zu leistenden Verbandsbeitrages beträgt - je nach Beitragsgruppe - zwischen 0,3 und 3,6 Promille des "beitragspflichtigen Umsatzes" (§39 Abs1 SFVG). Dieser Begriff wird in §35 Abs1 SFVG - der in Prüfung gezogenen Bestimmung - folgendermaßen umschrieben:

"(1) Der beitragspflichtige Umsatz ist, soweit nachstehend nicht anderes bestimmt ist, die Summe der im zweitvorangegangenen Jahr erzielten steuerbaren Umsätze im Sinne des §1 Abs1 Z1 und 2 UStG. Ausgenommen sind jedoch:

a)

die gemäß §6 UStG 1994 steuerfreien Umsätze und die nach Art6 des Anhanges des UStG 1994 steuerbefreiten innergemeinschaftlichen Lieferungen; beitragspflichtig bleiben jedoch:

-

die Umsätze aus Seeschiffahrt und Luftverkehr im Land Salzburg (§6 Abs1 Z2 UStG 1994);

-

die Bankumsätze von Kreditunternehmungen einschließlich der Österreichischen Postsparkasse und der Bausparkassen (§6 Abs1 Z8 UStG 1994);

-

die Umsätze aus Versicherungsverhältnissen einschließlich Pensionskassengeschäften im Sinne des Pensionskassengesetzes (§6 Abs1 Z9 litc UStG 1994);

-

die Umsätze aus dem Betrieb von Spielbanken (§6 Abs1 Z9 litd sublit. dd UStG 1994);

-

die Umsätze aus der Tätigkeit als Bausparkassenvertreter und Versicherungsvertreter (§6 Abs1 Z13 UStG 1994);

-

die wahlweise von der Umsatzsteuer befreiten Umsätze aus der Vermietung und Verpachtung von Geschäftsräumlichkeiten und Geschäftsgrundstücken (§6 Abs1 Z16 UStG 1994) sowie die im §6 Abs1 Z17 UStG 1994 angeführten Leistungen;

-

die Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt, Dentist, Psychotherapeut, Hebamme sowie freiberuflich Tätige im Sinne des §52 Abs4 des Krankenpflegegesetzes einschließlich deren Gemeinschaften (§6 Abs1 Z19 UStG 1994);

-

die sonstigen Leistungen, die Zahntechniker im Rahmen ihrer Berufsausbildung erbringen, sowie die Lieferungen von Zahnersatz durch Zahnärzte und Zahntechniker (§6 Abs1 Z20 UStG 1994);

-

die Lieferungen von menschlichen Organen, menschlichem Blut und Frauenmilch (§6 Abs1 Z21 UStG 1994);

-

die Umsätze aus Tätigkeiten, die in die Beitragsgruppen 1 und 2 fallen, auch wenn sie im jeweiligen Veranlagungszeitraum 300.000 S nicht übersteigen (Kleinunternehmer);

b)

Umsätze aus der Dauervermietung von Wohnungen oder Teilen von Wohnungen, soweit es sich nicht um Ferienwohnungen handelt, sowie Umsätze aus der Verwaltung von geförderten Wohnungen;

eine Dauervermietung liegt vor, wenn die Vermietung an dieselbe Person mindestens durch drei Monate erfolgt und beim Mieter ein ständiger Wohnbedarf gedeckt wird;

c)

Umsätze aus der Entnahme und der Veräußerung eines Unternehmens oder eines in der Gliederung des Unternehmens gesondert geführten Betriebes im ganzen (§4 Abs7 UStG 1994);

d)

Umsätze eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes betreffend das land- und forstwirtschaftliche Vermögen gemäß §29 Z1 und 2 des Bewertungsgesetzes 1955 sowie Umsätze aus der Ausübung von Einforstungsrechten;

e)

Umsätze aus Leistungen der Krankenanstalten, Pflegeanstalten, Altenheime, Behindertenheime, Kindergärten und allgemeinen Wohlfahrtseinrichtungen;

f)

Umsätze von Betrieben, die der Wasserversorgung, der Abwasserentsorgung, der Müll- oder der Tierkörperbeseitigung dienen;

g)

Umsätze aus Tätigkeiten, die in die Beitragsgruppe 3 bis 7 fallen, wenn sie im jeweiligen Veranlagungszeitraum 300.000 S nicht übersteigen (Kleinunternehmer)."

2. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B1871/99 eine auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde gegen einen im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Salzburger Landesregierung anhängig, mit welchem die Fremdenverkehrsbeiträge der beschwerdeführenden Gesellschaft für die Jahre 1995 bis 1997 in bestimmter Höhe festgesetzt wurden. Als Bemessungsgrundlage wurde dabei gemäß §37 Abs4 SFVG jeweils der gesamte steuerpflichtige Umsatz laut Umsatzsteuerbescheid des zweitvorangegangenen Jahres herangezogen. Die beschwerdeführende Gesellschaft mit Sitz in der Landeshauptstadt Salzburg ist Inhaberin einer Reisebürokonzession; der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit liegt darin, im eigenen Namen Zimmerkontingente in einzelnen Hotels unabhängig von konkreten Reservierungen oder Buchungen im vorhinein anzumieten ("Kontingentenkauf"). Die einzelnen Zimmer werden sodann Reiseveranstaltern angeboten und von den Kunden (Letztverbrauchern) über Reisebüros bei Reiseveranstaltern gebucht.

II. 1. Bei der Behandlung der Beschwerde sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des die Bemessungsgrundlage des Verbandsbeitrages regelnden §35 Abs1 SFVG entstanden. Der Gerichtshof hat daher das Beschwerdeverfahren mit Beschluß vom 4. Oktober 2000 unterbrochen und von Amts wegen ein Gesetzesprüfungsverfahren hinsichtlich der eben genannten Bestimmung eingeleitet.

2. Die Erwägungen, die den Gerichtshof zur Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens veranlaßt hatten, legte er in seinem Prüfungsbeschluß wie folgt dar:

"2.1. Pflichtmitglieder von Fremdenverkehrsverbänden sind nach §2 Abs1 SFVG jene Unternehmer, die am Fremdenverkehr unmittelbar oder mittelbar interessiert sind. Die Pflichtmitglieder werden nach dem Kriterium des aus dem Fremdenverkehr mittelbar oder unmittelbar erzielten Erfolges in die einzelnen Beitragsgruppen eingereiht (vgl. die bereits zitierte Vorschrift des §32 Abs2 SFVG). Bemessungsgrundlage für die Verbandsbeiträge ist ab dem Jahr 1997 die Summe der steuerbaren Umsätze im Sinne des §1 Abs1 Z1 und 2 UStG 1994 (§35 Abs1 iVm §53a litd SFVG, idF LGBl. 14/1996), für die Jahre 1995 und 1996 gilt für die Beitragsbemessung das UStG 1972 (§62 Abs3 SFVG, idF LGBl. 14/1996).

Den Verbandsbeiträgen scheint somit dieselbe Konzeption zugrundezuliegen wie den in Form von Interessentenbeiträgen erhobenen Fremdenverkehrsabgaben, die von Erwerbsunternehmen erhoben werden, die aus dem Fremdenverkehr Vorteile ziehen. Der Verfassungsgerichtshof hat in diesen Fällen angenommen, daß Besteuerungsobjekt der vom Gesetzgeber angenommene spezielle Fremdenverkehrsnutzen ist (vgl. etwa VfSlg. 4398/1963, 4945/1965, 5146/1965, 5723/1968, 5995/1969). Er hat gegen solche Abgabenbelastungen weder an sich noch hinsichtlich der Anknüpfung an die Umsätze grundsätzliche Bedenken gehabt (vgl. z.B. VfSlg. 3221/1957, 5811/1968, 6205/1970, 7082/1973, 11.025/1986, 12.419/1990). Er hat allerdings auch die Auffassung vertreten, daß die Verknüpfung der Abgabepflicht mit dem aus dem Fremdenverkehr gezogenen Nutzen nur dann sachlich gerechtfertigt ist, wenn sich die Abgabenbelastung verhältnismäßig an diesem aus dem Fremdenverkehr gezogenen Nutzen orientiert (VfSlg. 5995/1969, S. 441).

2.2. Es scheint dem Verfassungsgerichtshof daher auch unbedenklich, wenn die Finanzierung von Fremdenverkehrsverbänden durch Pflichtbeiträge der Mitglieder nach dem Kriterium des aus dem Fremdenverkehr gezogenen Nutzens erfolgt und dieser Nutzen typisierend an Hand des (steuerbaren, gebietsbezogenen) Umsatzes des Unternehmens im Sinn des UStG 1994 ermittelt wird. Hingegen hält der Gerichtshof auch bei solchen Pflichtbeiträgen vorläufig eine Regelung für bedenklich, die zum Ergebnis führt, daß Unternehmen, die aus dem Fremdenverkehr im wesentlichen gleichen Nutzen ziehen, Pflichtbeiträge von gravierend unterschiedlichen Bemessungsgrundlagen zu entrichten haben, weil in diesem Fall die Verhältnismäßigkeit zwischen Beitragsbelastung und Nutzen nicht mehr gegeben wäre. Zu einem solchen Ergebnis dürfte es aber durch die Regelung des §35 Abs1 SFVG deswegen kommen, weil sie seit der Novellierung der Verweisungsnorm des §53a durch LGBl. 14/1996 und den Entfall des Abs3 in §36 SFVG unterschiedslos an die steuerbaren Umsätze nach §1 Abs1 Z1 und 2 UStG 1994 anknüpft.

2.3. Im Zusammenhang mit den im Beschwerdefall maßgebenden Leistungen, deren umsatzsteuerliche Behandlung sich hinsichtlich des Beitragsjahres 1997 nach §23 UStG 1994 richtet, scheint diese Anknüpfung nämlich zu bewirken, daß Unternehmen, deren Geschäftsgegenstand die Besorgung von sog. Reiseleistungen im Sinn des §23 UStG 1994 ist (somit vor allem Reisebüros und Reiseveranstalter), für den Bereich der Fremdenverkehrsbeiträge unterschiedlich behandelt werden je nachdem, ob sie die Reiseleistungen an Letztverbraucher oder aber an Unternehmer erbringen. Nach §23 UStG 1994 haben nämlich Unternehmer, die Reiseleistungen nicht für andere Unternehmer (sondern für Letztverbraucher) besorgen, lediglich die "Marge", das heißt praktisch nur die Provision, zu versteuern (§23 Abs7 iVm Abs1 UStG 1994), während Unternehmer, die solche Leistungen für andere Unternehmer - also etwa für andere Reisebüros oder Reiseveranstalter - besorgen, den vollen Betrag des Entgeltes (Leistungspreis zuzüglich Provision) versteuern müssen. Es ist augenscheinlich, daß dadurch Unternehmer, die Reiseleistungen an Letztverbraucher erbringen und daher von §23 UStG 1994 betroffen sind (somit nur ihre Provisionen zu versteuern haben), einen steuerbaren Umsatz ausweisen, der nur einen Bruchteil dessen ausmacht, den die nicht von dieser Bestimmung erfaßten Reisebüros und Reiseveranstalter ausweisen (müssen). Umsatzsteuerrechtlich ist diese Differenzierung durch das Gemeinschaftsrecht (Art26 der Sechsten Mehrwertsteuer-Richtlinie) geboten; sie führt in diesem Rechtsbereich wegen der Regelungen zum Vorsteuerabzug im Ergebnis auch zu keinen ins Gewicht fallenden Belastungsunterschieden zwischen den beiden Gruppen von Unternehmen. Im Bereich der an die steuerbaren Umsätze anknüpfenden Fremdenverkehrsbeiträge dürfte diese unterschiedliche Behandlung aber zu der Konsequenz führen, daß Reisebüros und Reiseveranstalter je nachdem, ob sie ihre Leistungen an Letztverbraucher oder an Unternehmer erbringen, Fremdenverkehrsbeiträge in ganz unterschiedlicher Höhe zu entrichten haben. Diese Konsequenz dürfte - so nimmt der Gerichtshof vorläufig an - durch einen unterschiedlichen Fremdenverkehrsnutzen nicht zu rechtfertigen sein, ist doch vorläufig nicht zu erkennen, daß der von einem Reisebüro oder Reiseveranstalter aus dem Fremdenverkehr gezogene Nutzen davon abhinge, ob er seine Leistungen gegenüber Letztverbrauchern oder gegenüber Unternehmern erbringt.

3. Die vom Verfassungsgerichtshof vorläufig angenommene Verfassungswidrigkeit besteht somit darin, daß das SFVG durch die unterschiedslose Anknüpfung an die steuerbaren Umsätze aus Lieferungen und sonstigen Leistungen im Sinn des §1 UStG 1994 der in §23 UStG 1994 getroffenen unterschiedlichen Behandlung von Reisebüros und Reiseveranstaltern, die umsatzsteuerrechtlich unproblematisch (und gemeinschaftsrechtlich geboten) sein mag, nicht in der für einen Fremdenverkehrsbeitrag gebotenen Weise Rechnung trägt. Im Ergebnis scheint es dadurch ab dem Beitragsjahr 1997 (für das gemäß §35 Abs1 iVm §53a litd SFVG, idF LGBl. 14/1996, erstmals die Regelungen des UStG 1994, und damit auch dessen §23, maßgebend sind) zu einer wesentlich unterschiedlichen Behandlung von Unternehmen zu kommen, die aus dem Fremdenverkehr anscheinend in gleichem Maße Nutzen ziehen. Da diese Differenzierung Ausfluß der Anknüpfungstechnik des §35 Abs1 SFVG sein dürfte, der für diesen Fall anscheinend auch keine Sonderregelung vorsieht (etwa derart, daß die Vorschrift des §23 UStG 1994 bei der Bemessung der Beiträge nach dem SFVG nicht zur Anwendung zu kommen hat), ist die ganze Vorschrift in Prüfung zu ziehen."

3. Die Salzburger Landesregierung erstattete im Gesetzesprüfungsverfahren - nach Ablauf der ihr gesetzten Frist - eine Äußerung, in der sie den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes gegen §35 Abs1 SFVG entgegentritt.

3.1. Zur Frage der Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Bestimmung führt sie wörtlich folgendes aus:

"Die Bestimmung besteht aus zwei Sätzen. Im 1. Satz wird bestimmt, was der beitragspflichtige Umsatz ist, der der Berechnung des Verbandsbeitrages zu Grunde zu legen ist, nämlich die Summe der im zweitvorangegangenen Jahr erzielten steuerbaren Umsätze im Sinn des §1 Abs1 Z1 und 2 UStG 1994; der 2. Satz enthält Ausnahmen von der allgemeinen Bestimmung. Keine dieser Ausnahmen kommt im Beschwerdefall zur Anwendung, sondern nur der 1. Satz."

3.2. Zur Begründung der Verfassungsmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Bestimmung führt die Salzburger Landesregierung - nach Wiedergabe des hg. Beschlusses vom 4. Oktober 2000, B1871/99, - wörtlich folgendes aus:

"In seiner Schlussfolgerung kann dem Verfassungsgerichtshof nicht entgegengetreten werden. Sie wird durch die umsatzsteuerrechtliche unterschiedliche Behandlung von Reisebüros und Reiseveranstaltern bewirkt, je nachdem, ob sie ihre Leistungen an Nichtunternehmer (mit der Folge der Anwendbarkeit des §23 VStG (richtig UStG) 1994 = nur Margenbesteuerung) oder an Unternehmer (mit der Folge des Vorsteuerabzuges) erbringen. Der aus dem (geschehenen) Fremdenverkehr vom Reisebüro oder Reiseveranstalter gezogene Nutzen ist in beiden Fällen wohl der Gleiche."

Eine ausgleichende Reduzierung des Umsatzes um den Betrag für die Reisevorleistungen sei im SFVG derzeit ebenso wenig vorgesehen wie die Nichtanwendung des §23 UStG. Eine Regelung im ersteren Sinn - beschränkt auf Reiseleistungen - wäre verfassungsrechtlich bedenklich, weil die Situation vergleichbar mit den im Fremdenverkehr zunehmenden Pauschalarrangements sei. Die dafür von anderen Unternehmern (Bädern, Liftgesellschaften etc.) angekauften Leistungen würden dem Gast als Eigenleistung verrechnet. Auch in diesem Fall werde - so die Salzburger Landesregierung - der gesamte Umsatz des Gastwirtes (Nächtigung, Verpflegung, Liftkarte) zur Beitragsberechnung herangezogen, obwohl jener Teil des Umsatzes, welcher den Liftkarten bzw. den zugekauften Leistungen entspreche, nur als "Durchläufer- bzw. Verrechnungsposten" bewertet werden könne. Zur Gleichbehandlung aller Beitragspflichtigen müßte im Gesetz eine Abzugsmöglichkeit für "Durchläuferposten" geschaffen werden. Die Schaffung von zusätzlichen Sonderbestimmungen würde aber im Ergebnis dazu führen, daß nicht nur die Selbstbemessung durch den Beitragspflichtigen, sondern auch die Kontrollmöglichkeit des Landesabgabenamtes erheblich erschwert werde. Sonderregelungen brächten überdies immer die Gefahr mit sich, daß das Prinzip, daß der Umsatzsteuerbescheid die Grundlage für die Beitragsberechnung darstellt, immer mehr verlassen werde.

"Anzumerken bleibt nur noch, dass sich die beitragspflichtigen Umsätze der Reisebüros wegen des hohen Anteils an steuerfreien Umsätzen großteils im 'Kleinunternehmerbereich' (somit unter 300.000 S) bewegen. Die Höhe der Beitragsleistung von Reisebüros, welche zweifelsohne zu den größten Nutznießern am Fremdenverkehr zählen, ist somit im Gegensatz zu anderen Unternehmern auf Grund der steuerlichen Bestimmungen verschwindend. Zusätzliche begünstigende Sonderregelungen erschienen somit als im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz überaus problematisch."

3.3. Für den Fall der Aufhebung des (ersten Satzes des) §35 Abs1 SFVG stellt die Salzburger Landesregierung den Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge für das Außerkrafttreten eine Frist von einem Jahr bestimmen, um legistische Vorkehrungen treffen zu können.

III. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zur Zulässigkeit:

In von Amts wegen eingeleiteten Gesetzesprüfungsverfahren hat der Verfassungsgerichtshof den Standpunkt eingenommen, er habe den Umfang der zu prüfenden und allenfalls aufzuhebenden Bestimmungen derart abzugrenzen, daß einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird, als Voraussetzung für den Anlaßfall ist, daß aber andererseits der verbleibende Teil keine Veränderung seiner Bedeutung erfährt; da beide Ziele gleichzeitig niemals vollständig erreicht werden können, ist in jedem Einzelfall abzuwägen, ob und inwieweit diesem oder jenem Ziel der Vorrang vor dem anderen gebührt (VfSlg. 15.367/1998 mwN). Die Grenzen der Aufhebung müssen so gezogen werden, daß einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und daß andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle in untrennbarem Zusammenhang stehenden Bestimmungen auch erfaßt werden; dies treffe sowohl auf von Amts wegen als auch auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren zu (vgl. wiederum VfSlg. 15.367/1998).

Nun vermag der Gerichtshof der Auffassung der Salzburger Landesregierung, daß die im zweiten Satz des §35 Abs1 SFVG enthaltenen Ausnahmen im Beschwerdefall nicht zur Anwendung gelangt seien, woraus der Schluß zu ziehen sei, daß lediglich der erste Satz des §35 Abs1 SFVG präjudiziell sei, grundsätzlich zu folgen. Da aber der erste Satz des §35 Abs1 SFVG mit dem zweiten Satz dieser Bestimmung eine untrennbare Einheit bildet (arg.: "Der beitragspflichtige Umsatz ist, soweit nachstehend nicht anderes bestimmt ist, die Summe der im zweitvorangegangenen Jahr erzielten steuerbaren Umsätze im Sinne des §1 Abs1 Z1 und 2 UStG. Ausgenommen sind jedoch: ..."), bleibt der Gerichtshof - weil nach der oben wiedergegebenen Rechtsprechung von einer Aufhebung eben auch die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle in untrennbarem Zusammenhang stehenden Bestimmungen zu erfassen sind - bei seiner im Prüfungsbeschluß vertretenen Auffassung, daß der gesamte Abs1 des §35 SFVG präjudiziell ist.

Da auch sonst keine Prozeßhindernisse hervorgekommen sind, ist das Gesetzesprüfungsverfahren zulässig.

2. Auch die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes gegen §35 Abs1 SFVG haben sich als zutreffend erwiesen und konnten von den Argumenten der Salzburger Landesregierung nicht zerstreut werden:

Die Salzburger Landesregierung bestreitet selbst nicht, daß Reisebüros und Reiseveranstalter umsatzsteuerlich und daher auch für Zwecke der Erhebung der Fremdenverkehrsbeiträge nach dem SFVG unterschiedlich behandelt werden, je nachdem, ob sie ihre Leistungen an Nichtunternehmer oder an Unternehmer erbringen, obwohl der aus dem Fremdenverkehr gezogene Nutzen in beiden Fällen "wohl der Gleiche" sei. Nur diese von der Salzburger Landesregierung somit selbst zugestandene Differenzierung war es aber, die die verfassungsrechtlichen Bedenken des Gerichtshofes ausgelöst hat. Auf welchem Wege der Landesgesetzgeber diese unsachliche Differenzierung beseitigt, ist ihm überlassen. Daß es hiebei nur Lösungen gibt, die ihrerseits verfassungsrechtlich bedenklich sind, ist nicht plausibel.

Der Gerichtshof hat auch keine Bedenken dagegen, daß für die Erhebung von Fremdenverkehrsbeiträgen an die gängige umsatzsteuerliche Unterscheidung von Vermittlungs-, Besorgungs- und Eigengeschäften angeknüpft wird. Bedenklich erschien ihm vielmehr, daß Unternehmen, die durchwegs Besorgungsleistungen erbringen, unterschiedlich besteuert werden, je nachdem, ob sie ihre Leistungen an Unternehmer oder an private Konsumenten erbringen. Daß eine Behebung dieser unsachlichen Differenzierung das Gesetz komplizierter macht und daher die Selbstbemessung und die Kontrolle erschwert, mag sein, kann aber die Beibehaltung einer verfassungswidrigen Differenzierung nicht rechtfertigen. Im übrigen dürfte eine allfällige Sonderregelung für Reisebüros (die bis zur Novelle 1996 ohnehin im Gesetz enthalten war), angesichts der schon jetzt zahlreichen Sonderregelungen in §35 Abs1 SFVG nicht ins Gewicht fallen.

Der Verfassungsgerichtshof ist auch nicht der Meinung, daß die Behebung des als verfassungswidrig erkannten Zustandes nur durch eine (weitere) begünstigende Sonderregelung erfolgen könnte. Sollte es tatsächlich zutreffen, daß - wie die Salzburger Landesregierung ausführt - die Beitragsleistung der Reisebüros, "welche zweifelsohne zu den größten Nutznießern am Fremdenverkehr zählen", wegen des hohen Anteils an steuerfreien Umsätzen "verschwindend" ist, so wird der Gesetzgeber vielmehr zu prüfen haben, ob die Regelungen des (§35 Abs1) SFVG überhaupt geeignet sind, den dieser Branche zuzurechnenden Fremdenverkehrsnutzen in adäquater, sachlicher Weise zum Ausdruck zu bringen.

3. Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes haben sich daher als zutreffend erwiesen, weshalb §35 Abs1 SFVG, LGBl. 94/1985, idF LGBl. 16/1998, als verfassungswidrig aufzuheben war.

4. Die Setzung einer Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Bestimmung beruht auf Art140 Abs5 dritter Satz B-VG. Die Fristsetzung soll legistische Vorkehrungen ermöglichen.

5. Der Ausspruch, daß frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder im Wirksamkeit treten, beruht auf Art140 Abs6 erster Satz

B-VG.

6. Die Verpflichtung des Landeshauptmannes von Salzburg zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung im Landesgesetzblatt erfließt aus Art140 Abs5 erster Satz B-VG iVm §§64 f. VerfGG.

IV. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Fremdenverkehr, Abgaben, Fremdenverkehr, VfGH / Präjudizialität, VfGH / Prüfungsumfang

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2001:G114.2000

Dokumentnummer

JFT_09989692_00G00114_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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