TE Vwgh Erkenntnis 2004/11/17 2002/08/0283

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.11.2004
beobachten
merken

Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ABGB §1151 Abs1;
ASVG §4 Abs1 Z1;
ASVG §4 Abs2;
ASVG §4 Abs4;
ASVG §410 Abs1 Z1;
AVG §66 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Strohmayer, Dr. Köller und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde 1. der Wake Forest University in North Carolina (USA) und 2. des Prof. G in W, beide vertreten durch Dr. Max Josef Allmayer-Beck, Rechtsanwalt in 1011 Wien, Parkring 2, gegen den Bescheid des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen vom 14. November 2002, Zl. 129.979/1-6/02, betreffend Versicherungspflicht nach ASVG und AlVG (mitbeteiligte Parteien: 1. Wiener Gebietskrankenkasse, 1103 Wien, Wienerbergstraße 15-19,

2. Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeiststraße 1, 3. Landesgeschäftsstelle Wien des Arbeitsmarktservice, 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 55-57,

4. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Wien, Adalbert-Stifter-Straße 65), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die erstbeschwerdeführende Partei ist in den Vereinigten Staaten ansässig; sie ist eine nach dem Recht des Staates North Carolina, USA, eingerichtete Kapitalgesellschaft und genießt nach dem danach anzuwendenden Recht Rechtspersönlichkeit. Sie besitzt in Wien eine Betriebsstätte, in welcher der Zweitbeschwerdeführer - dessen Versicherungspflicht im Verfahren strittig ist - beschäftigt ist. Das Grundstück, auf welchem sich diese Betriebsstätte befindet, steht im grundbücherlichen Eigentum der Erstbeschwerdeführerin.

Mit Schreiben vom 4. November 1999 teilte der Beschwerdevertreter der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse mit, dass seine Kanzlei "den Filialbetrieb (der Erstbeschwerdeführerin)" vertrete. Für die Erstbeschwerdeführerin werde rückwirkend ab 1. Juli 1999 der Zweitbeschwerdeführer als "Housemanager" mit einem monatlichen Honorar in der Höhe von S 13.000,-- zuzüglich 20 % USt angemeldet. Weiters werde der Zweitbeschwerdeführer ebenfalls rückwirkend ab 1. Juli 1999 als Lehrbeauftragter der Erstbeschwerdeführerin mit einem Honorar mit monatlich S 21.666,68 zuzüglich 20 % USt angemeldet. Die jeweiligen Auftraggeberanteile würden von der Kanzlei namens und auftrags der Erstbeschwerdeführerin zusätzlich getragen und zusammen mit dem jeweiligen in seiner Höhe gesetzlich festgelegten Dienstnehmeranteil an die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse abgeführt werden.

Nach Klärung der Frage der Rechtspersönlichkeit der Erstbeschwerdeführerin sowie des Umstandes, dass diese nicht entsprechend den Bestimmungen des Universitäts-Akkreditierungsgesetzes in Österreich als Privatuniversität anerkannt ist, erließ die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse den Bescheid vom 10. Juli 2001, in welchem sie feststellte, dass der Zweitbeschwerdeführer "auf Grund seiner Beschäftigung als Lehrbeauftragter" bei der Erstbeschwerdeführerin ab 1. Juli 1999 der Voll-(Kranken-, Unfall-, Pensions-)Versicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 in Verbindung mit Abs. 2 ASVG und der Arbeitslosenversicherungspflicht gemäß § 1 Abs. 1 lit. a AlVG unterliege. Gleichzeitig stellte die Gebietskrankenkasse in diesem Bescheid fest, dass der Zweitbeschwerdeführer auf Grund dieser Tätigkeit ab 1. Juli 1999 nicht der Vollversicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z. 14 ASVG auf Grund eines freien Dienstvertrages gemäß § 4 Abs. 4 ASVG unterliege. In der Begründung dieses Bescheides vertrat die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse - nach ausführlicher Darstellung des Verwaltungsgeschehens und gestützt auf eine vom Beschwerdevertreter verfasste Darstellung der Tätigkeiten des Zweitbeschwerdeführers - die Auffassung, dass - wie insbesondere ein Vergleich mit Lehrbeauftragten an Österreichischen Universitäten ergebe - ein Dienstverhältnis vorliege. Dies hätten auch "die Höchstgerichte seit Jahrzehnten eindeutig festgehalten". Der Umstand, dass der Zweitbeschwerdeführer als Lehrbeauftragter eingestellt worden sei, weil er "einen ausgezeichneten internationalen Ruf" habe, sei für die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse ein Indiz dafür, dass es das - vertraglich vereinbarte - Vertretungsrecht "an sich nicht gibt". Es sei nämlich davon auszugehen, dass eben aus diesem Grunde der Zweitbeschwerdeführer gegenüber den Studierenden angekündigt werde und es faktisch unvorstellbar sei, dass die Studierenden irgend jemand anderen akzeptieren würden. Auch werde in widersprüchlicher Weise vorgebracht, dass es keinen Lehrplan gebe, jedoch eingeräumt, dass bestimmte Themen zu behandeln seien. Es sei daher davon auszugehen, dass inhaltliche Vorgaben existierten. Es gebe auch eine Kontrolle der Lehrauftragstätigkeit, weil die Studenten mittels eines Beurteilungsblattes den Lehrbeauftragten bzw. dessen Kurse beurteilen müssten. Auch die Honorierung erfolge weitgehend so wie bei Lehrbeauftragten an inländischen Universitäten, nämlich immer in sechs gleichen Monatsraten pro Semester. Die Beschäftigung des Zweitbeschwerdeführers erfolge daher in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit. Dass der Zweitbeschwerdeführer "beim gleichen Dienstgeber auf Grund eines freien Dienstvertrages eine andere Tätigkeit ausübt und dass er auch für andere Dienstgeber tätig ist", sei unmaßgeblich. Die beschwerdeführenden Parteien erhoben Einspruch.

Die Einspruchsbehörde führte im Rahmen einer mündlichen Verhandlung eine Einvernahme des Zweitbeschwerdeführers durch, in der dieser im Wesentlichen angab, seit 1978 für das Institut für Europäische Studien gearbeitet zu haben. Er halte dort auch derzeit noch Kurse ab. Ende 1998 sei der Direktor des "Wiener Zweiges" der Erstbeschwerdeführerin an ihn herangetreten und habe ihm angeboten, im Rahmen eines neuen Programms Kurse zu übernehmen. Nach der mit der Universität abgeschlossenen Lehrvereinbarung sollte die Tätigkeit als Lehrbeauftragter am 1. Juli 1999 beginnen. Zum selben Zeitpunkt sei mit ihm ein Vertrag als Housemanager abgeschlossen und diesbezüglich mit Bescheid der Wiener Gebietskrankenkasse vom 5. Juli 2001 festgestellt worden, dass der Zweitbeschwerdeführer ab 1. Juli 1999 der Vollversicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z. 14 ASVG bzw. § 4 Abs. 4 ASVG unterliege. Dieser Bescheid sei in Rechtskraft erwachsen. Inhalt der Tätigkeit des Zweitbeschwerdeführers als Lehrbeauftragter sei die Abhaltung von Kursen, jeweils in der Zeit vom Jänner bis Mai und August bis Dezember. Der Zweck der Kurse sei die Vermittlung von Kenntnissen der deutschen Sprache, auf Basis der deutschsprachigen Literatur und österreichischen Kultur. Es bestehe ein Lehrsaal in den Räumlichkeiten der Universität in der G-Gasse. Er benütze jedoch immer einen Raum seiner Wahl im Gebäude der Universität. Der Unterricht spiele sich so ab, dass der Zweitbeschwerdeführer deutschsprachige Texte bzw. Tonaufnahmen, Fernsehaufnahmen oder Filme vorbereite, die von den Schülern gelesen und diskutiert würden. Die Studenten seien in Gebäuden der Universität auch untergebracht und versorgten sich selbst. Etwa die Hälfte der Zeit verbringe der Zweitbeschwerdeführer im Haus der Universität, die andere Hälfte würden für kulturelle Aktivitäten außer Haus verwendet. Es würden auch Kaffeehäuser und Gasthäuser zum Zwecke der Gewährung eines Einblickes in die österreichische Lebensart besucht. Ebenso besuche er mit den Studenten Märkte "und Greißler". Diese Aktivitäten würden jedoch auf die Interessen der Studenten abgestimmt. Eine Vorgabe der Universität gebe es nicht. Er führe jeweils zwei Kurse in jedem Semester, wobei er Studierende zusammenfasse, die etwa die gleichen deutschen Sprachkenntnisse besäßen. Insgesamt würden von der Universität fünf Kurse im Semester geführt, davon führe er zwei selbst. Zwei Kurse würden von amerikanischen Professoren geführt, welche die Studenten begleiteten. Darüber hinaus gebe es noch einen "Wiener Kollegen", der jedes Semester einen weiteren Kurs führe. Ihm obliege die zeitliche Abstimmung der verschiedenen Kurse. Jedes Semester werde im vorhinein ein Stundenplan erstellt, der jene Zeiten betreffe, zu denen sich die Studenten im Gebäude der Universität aufhielten. Einen "Benützungsplan für die Lehrräumlichkeiten" gebe es jedoch nicht. Bezüglich des Arbeitsablaufes erhalte der Zweitbeschwerdeführer keine Weisungen. Den Lehrinhalt bestimme er selbst anhand "der Interessenslage und der Qualifikation der Studenten". Der Direktor des Wiener Programms der Universität halte sich dauernd in den USA auf; an seiner Stelle organisiere der Zweitbeschwerdeführer den Betrieb in der Zweigstelle der Universität in Wien. Er trete mit ihm nur nach Bedarf im Wege von E-Mails in Kontakt, im Schnitt ca. einmal wöchentlich. Besprochen würden z.B. Probleme mit Studenten bzw. in neuerer Zeit Sicherheitsfragen. Anweisungen, die der Zweitbeschwerdeführer durch den genannten Direktor des Wiener Programms erhalte, beträfen im Wesentlichen das Management, insbesondere auch die Finanzgebarung, wobei jedoch die wesentlichen rechtlichen Belange durch die Kanzlei des Beschwerdevertreters erledigt würden. Eine Einflussnahme auf seine Lehrtätigkeit erfolge jedoch nicht. Der Direktor vertraue ihm auf Grund seiner mehr als 20-jährigen Lehrpraxis. Laut Vertrag sei er berechtigt, sich vertreten zu lassen, würde dies jedoch nicht tun, weil er sich dann nicht sicher sein könnte, ob sein Vertrag nicht gekündigt würde. Er habe sich auch noch nicht vertreten lassen. Er könne sich aber "2 Personen vorstellen", denen er auf Grund ihrer Qualifikation zutrauen würde, ihn zu vertreten, ohne dass er seinen Job verlieren würde. Er erhalte für seine Tätigkeit ein Kurshonorar auf Dollarbasis, welches ihm in monatlichen Teilbeträgen ausbezahlt werde. Die Höhe des Entgelts einschließlich der Umrechnung des Dollarbetrages in Schillingwährung werde am Anfang des Schuljahres im Juli durch die Kanzlei des Beschwerdevertreters neu geregelt. Auf Nachfrage gab der Zweitbeschwerdeführer noch an, dass es auch schon vorgekommen sei, dass mehr als zwei Kurse stattgefunden hätten, er aber nur für zweieinhalb Kurse bezahlt worden sei. Auch sei es vorgekommen, dass der Zeitaufwand für die Kurse höher gewesen sei, als ursprünglich gedacht (47 statt 42 Unterrichtseinheiten). Die Differenz habe er "ohne zusätzliches Entgelt erbracht". Er sei auch abends (Theater, Kino, Gastronomie) und am Wochenende tätig. Die Inhalte für die Lehrtätigkeit stelle er selbst bei, die notwendige technische Ausrüstung (Projektor, DVD-Player, Videorecorder, Kopierer etc.) stelle die Universität zur Verfügung. Er selbst verfüge auf Grund seiner Tätigkeit am Institut für Europäische Studien über eine umfangreiche Sammlung von Videos, DVDs und CD-ROMs sowie von Büchern, die er für seine Tätigkeit einsetze. Diese würden ihm nicht von der Universität bezahlt.

Mit Bescheid vom 22. Oktober 2001 gab der Landeshauptmann von Wien den Einsprüchen der beiden beschwerdeführenden Parteien gegen den erstinstanzlichen Bescheid der Gebietskrankenkasse Folge und stellte fest, dass der Zweitbeschwerdeführer auf Grund seiner Beschäftigung als Lehrbeauftragter bei der Erstbeschwerdeführerin ab 1. Juli 1999 der Vollversicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z. 14 in Verbindung mit § 4 Abs. 4 ASVG unterliege. Gleichzeit stellte die Einspruchsbehörde fest, dass der Zweitbeschwerdeführer auf Grund der genannten Beschäftigung am 1. Juli 1999 nicht der Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 in Verbindung mit Abs. 2 ASVG und § 1 Abs. 1 lit. a AlVG 1977 unterliege. Nach einer ausführlichen Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens, der angewendeten Rechtsvorschriften und allgemeiner Rechtsausführungen zur Abgrenzung von Dienstvertrag, freiem Dienstvertrag und Werkvertrag, gestützt auf die Angaben des Zweitbeschwerdeführers (welche sie augenscheinlich als Tatsachenfeststellungen ihrer Entscheidung zu Grunde legte), vertrat die Einspruchsbehörde die Auffassung, dass der Zweitbeschwerdeführer ohne Bindung an einen bestimmten Arbeitsort Sprachkurse für Studenten der Erstbeschwerdeführerin abhalte, wobei er bezüglich des Arbeitsablaufes keine Weisungen erhalte und keine Einflussnahme auf seine Lehrtätigkeit erfolge. Dem Zweitbeschwerdeführer obliege selbst die zeitliche Abstimmung der verschiedenen Kurse. Laut der mit ihm abgeschlossenen Lehrvereinbarung sei er darüber hinaus berechtigt, Vortragsreihen auch durch Dritte abhalten zu lassen. Da nach Auffassung der Einspruchsbehörde die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit nicht überwögen und kein in sich abgeschlossenes Werk, sondern auf unbestimmte Zeit gattungsmäßig bestimmte Leistungen geschuldet würden, liege im gegenständlichen Fall ein Beschäftigungsverhältnis im Rahmen eines freien Dienstvertrages vor, welches der Vollversicherungspflicht nach § 4 Abs. 4 ASVG unterliege.

Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse erhob Berufung.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid gab die belangte Behörde dieser Berufung Folge und stellte fest, dass der Zweitbeschwerdeführer auf Grund seiner Beschäftigung als Lehrbeauftragter der Erstbeschwerdeführerin ab 1. Juli 1999 der Pflichtversicherung gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 ASVG und der Arbeitslosenversicherung gemäß § 1 Abs. 1 lit. a AlVG unterliege. Auch die belangte Behörde stützte sich auf die oben wiedergegebenen Angaben des Zweitbeschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vom 19. Oktober 2001. Sie erwähnte in der Begründung ihres Bescheides auch, dass der Zweitbeschwerdeführer als "Housemanager" des Wiener Studienzentrums der Erstbeschwerdeführerin beschäftigt sei. Er fungiere dabei "als Kontaktperson zwischen Hausverwaltung und den Bewohnern des Hauses".

Im Rahmen ihrer Beweiswürdigung vertrat die belangte Behörde allerdings die Auffassung, dass das "Vertretungsrecht", welches auf Betreiben der Kanzlei des Beschwerdevertreters in den Vertrag aufgenommen worden sei, von den Parteien in Wahrheit nicht gewollt gewesen sei, sondern nur dazu gedient habe, die Sozialversicherungspflicht zu vermeiden. Diese Vertragsbestimmung werde als Scheinvereinbarung qualifiziert und der Sachverhaltsfeststellung nicht zu Grunde gelegt.

Darüber hinaus setzte sich die belangte Behörde mit der Abgrenzung des Dienstvertrages vom freien Dienstvertrag auseinander und verwies insbesondere auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Dienstnehmereigenschaft eines Musikschullehrers (Hinweis auf das Erkenntnis vom 21. Februar 2001, Zl. 96/08/0028) und auf die Erkenntnisse über die Versicherungspflicht von Lehrenden und Bildungseinrichtungen (Hinweis auf das Erkenntnis vom 4. Dezember 1957, Slg. Nr. 4495/A, sowie auf das Erkenntnis vom 19. März 1984, Zl. 81/08/0061, betreffend die Versicherungspflicht eines Kursleiters an einer Volkshochschule).

Entsprechend den von dieser Rechtsprechung entwickelten Kriterien sei der Zweitbeschwerdeführer in den organisatorischen Ablauf des Betriebes eingebunden, auch wenn diese Organisation etwa hinsichtlich der Arbeitszeit von ihm selbst geschaffen werde. Den Stundenplan lege der Zweitbeschwerdeführer zu Beginn des Semesters fest. Er müsse seine Kurse zeitlich mit den Sprachkursen der anderen Lehrenden abstimmen und die Termine, die er für Exkursionen festlege, einhalten. Er sei auch als Ansprechpartner für die Studenten rund um die Uhr über ein von der Erstbeschwerdeführerin zur Verfügung gestelltes Mobiltelefon erreichbar. Die Tätigkeit als Lehrbeauftragter, die sich jeweils über ein ganzes Semester erstrecke, nehme die Zeit des Zweitbeschwerdeführers derart in Anspruch, dass er über sie auf längere Zeit nicht frei verfügen könne. Die Lehrveranstaltungen würden zu einem beträchtlichen Teil in den Räumlichkeiten der Universität abgehalten; insoweit bestehe keine "freie Arbeitsplatzwahl". Auch wenn diese teilweise außer Haus stattfänden, ändere dies nichts "an der prinzipiellen Einordnung in die Betriebsorganisation". Dass der Zweitbeschwerdeführer "faktisch keine Weisungen vom Dienstgeber" erhalte, ergebe sich aus seiner hohen Qualifikation und seiner Vertrauensposition. Nach Wiedergabe der bereits von der Einspruchsbehörde festgestellten Aufgaben des Zweitbeschwerdeführers als Lehrbeauftragten und seiner Qualifikationen vertritt die belangte Behörde die Auffassung, dass es seiner Eigenschaft als "echter Dienstnehmer" nicht schadet, wenn der Zweitbeschwerdeführer weitgehende Freiheit hinsichtlich der inhaltlichen Gestaltung seiner Kurse genieße. Er unterliege dennoch der "stillen Autorität" des Dienstgebers und erbringe seine Arbeitsleistung in persönlicher Abhängigkeit. Auch ein Werkvertrag liege nicht vor, da der Zweitbeschwerdeführer die Erbringung von Dienstleistungen, nicht aber die Herstellung eines Werkes schulde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Die mitbeteiligte Pensionsversicherungsanstalt hat in einer als "Gegenschrift der mitbeteiligten Partei" bezeichneten Äußerung erklärt, sich der Rechtsauffassung der belangten Behörde "vollinhaltlich anzuschließen", und beantragt, der Beschwerde keine Folge zu geben. Die mitbeteiligte Unfallversicherungsanstalt hat erklärt, auf die Erstattung einer Gegenschrift zu verzichten. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse und das Arbeitsmarktservice haben sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der angefochtene Bescheid ist schon aus folgenden, in der Beschwerde zwar nicht geltend gemachten, im Rahmen des Beschwerdepunktes vom Verwaltungsgerichtshof aber von Amts wegen aufzugreifenden Gründen rechtswidrig:

Nach dem Vorbringen des Zweitbeschwerdeführers (das von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse in ihrem Vorlagebericht an den Landeshauptmann bestätigt wird) ist mit dem in Rechtskraft erwachsenen Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 5. Juli 2001 festgestellt worden, dass der Zweitbeschwerdeführer in seinem Beschäftigungsverhältnis zur Erstbeschwerdeführerin als Housemanager ab 1. Juli 1999 der Vollversicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z. 14 iVm § 4 Abs. 4 ASVG unterliegt.

Dieser Bescheid findet sich nicht in den Verwaltungsakten und ist dem Verwaltungsgerichtshof auch nicht vorgelegt worden. Die belangte Behörde hätte dazu aber - bei richtiger rechtlicher Beurteilung - die erforderlichen Feststellungen zu treffen gehabt:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Nebeneinanderbestehen eines abhängigen Arbeitsverhältnisses und eines freien Dienstverhältnisses bzw. eines Werkvertragsverhältnisses - vor dem Hintergrund der rechtlichen Zulässigkeit und der Voraussetzungen einer Vertragsverbindung - zu einem Dienstgeber nicht ausgeschlossen; für die Bejahung einer rechtswirksamen Trennung solcher Rechtsverhältnisse kommt es entscheidend auf den Parteiwillen, die objektive Trennbarkeit und auf Überlegungen unter dem Gesichtspunkt arbeitsrechtlicher Schutzprinzipien an. Besteht aber eine solche zeitliche und sachliche Verschränkung der beiden Tätigkeitsbereiche, die es im Zweifel ausschließt, zwei jeweils zeitgleich bestehende, jedoch getrennte Beschäftigungsverhältnisse zum selben Dienstgeber nebeneinander anzunehmen, dann kommt es bei der Beurteilung der Ausübung dieser beiden Tätigkeiten durch denselben Dienstnehmer darauf an, ob in seinem rechtlichen Verhältnis zum Dienstgeber insgesamt die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG überwiegen (vgl. das Erkenntnis vom 17. Dezember 2002, Zl. 99/08/0047, mit zahlreichen Hinweisen auf die Vorjudikatur).

Auch nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes kann im Rahmen eines einheitlichen Beschäftigungsverhältnisses je nach dem Überwiegen der einzelnen Elemente entweder ein abhängiges oder ein freies Dienstverhältnis vorliegen, nicht aber eine Aufteilung in einen selbständigen und einen abhängigen Teil erfolgen (OGH 19. Dezember 2002, 8 ObA 135/02i, und zuletzt 26. August 2004, 8 ObA 85/04i).

Trifft es zu, dass für den Zeitraum ab 1. Juli 1999 ein durchgehendes versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis des Zweitbeschwerdeführers zur Erstbeschwerdeführerin im Sinne des § 4 Abs. 4 ASVG rechtskräftig festgestellt ist, dann kommt einem solchen Bescheid auch für die jeweilige Dauer einer zeitlichen Verschränkung der Tätigkeit als "Housemanager" mit der eines Lehrbeauftragten eine zu beachtende Rechtskraftwirkung zu. Diese tritt unabhängig davon ein, ob bei Feststellung der Versicherungspflicht auf Grund eines freien Dienstvertrages in diesem Zeitraum die zumindest während bestimmter Zeitabschnitte damit zeitlich verschränkte andere Tätigkeit, wie die eines Lehrbeauftragten, nicht beachtet und in die Abwägung, ob insgesamt ein Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit vorliegt oder nicht, nicht einbezogen worden sein sollte. Dies begründete zwar eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens in Ansehung der Zeiträume der Beschäftigung als Lehrbeauftragter, vermöchte aber nicht die Rechtskraftwirkung des Bescheides einzuschränken.

Steht daher fest, dass der Zweitbeschwerdeführer zur Erstbeschwerdeführerin seit 1. Juli 1999 in einem gemäß § 4 Abs. 4 ASVG und nicht in einem gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 iVm Abs. 2 ASVG versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis steht, so wirkt die Rechtskraft dieses Bescheides - solange und insoweit dieser nicht im nachhinein ganz oder teilweise rechtskräftig aus dem Rechtsbestand entfernt wird - über den Zeitpunkt seiner Erlassung hinaus bis zu einer Änderung der Sach- oder Rechtslage (zur Rechtskraftwirkung eines offenen Abspruchs vgl. u.a. das Erkenntnis vom 4. Juli 1985, 83/08/0070, und aus jüngerer Zeit jenes vom 3. Oktober 2002, Zl. 98/08/0124).

Da die belangte Behörde dies nicht beachtet hat, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes; dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das auf die Erstattung der Beschwerdegebühr gerichtete Mehrbegehren war im Hinblick auf die auch vor dem Verwaltungsgerichtshof geltende sachliche Gebührenfreiheit gemäß § 110 ASVG abzuweisen.

Wien, am 17. November 2004

Schlagworte

Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere RechtsproblemeDienstnehmer Begriff Wirtschaftliche AbhängigkeitDienstnehmer Begriff Persönliche AbhängigkeitBeschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Bindung an den Gegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens Allgemein

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2002080283.X00

Im RIS seit

30.12.2004

Zuletzt aktualisiert am

13.10.2015
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten