Index
62 Arbeitsmarktverwaltung;Norm
AlVG 1977 §12 Abs2 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Strohmayer, Dr. Köller und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des Dr. C in A, vertreten durch Dr. Heinz Kalss, Rechtsanwalt in 8990 Bad Aussee, Bahnhofstraße 103, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitmarktservice Steiermark vom 10. Juni 2002, Zl. LGS600/ALV/1218/2002-Mag.Fl/S, betreffend Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Am 17. Jänner 1995 teilte die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Liezen dem Beschwerdeführer gemäß § 47 Abs. 1 AlVG mit, dass sein Anspruch auf Arbeitslosengeld ab dem 3. Jänner 1995 (mit einem voraussichtlichen Ende am 31. März 1995) anerkannt werde. Dem Beschwerdeführer wurde das Arbeitslosengeld bis zum 31. März 1995 ausbezahlt.
Nachdem der Verein "Regionale Wirtschafts- und Beschäftigungsinitiative Bezirk Liezen" (WBL) in einem am 29. Mai 1995 verfassten "Beiblatt zum Antrag auf Arbeitslosengeld gemäß § 18 Abs. 5 AlVG (Arbeitsstiftung)" der regionalen Geschäftsstelle mitgeteilt hatte, dass der Beschwerdeführer die genehmigte Schulungsmaßnahme "Praktikum Rechtsanwalt Dr. M." in der Zeit vom 1. April 1995 bis 30. Juni 1995 besuche, bezahlte die regionale Geschäftsstelle (wie sich auch aus dem zugehörigen "Zahlungs- und Verrechnungsauftrag" vom 27. Juni 1995 und aus der Mitteilung an den Beschwerdeführer gemäß § 47 Abs. 1 AlVG vom 29. Juni 1995 ergibt) in Kenntnis der Umstände dieser Tätigkeit Arbeitslosengeld für die weitere Zeit vom 1. April 1995 bis zum 30. Juni 1995.
Einer Mitteilung der regionalen Geschäftsstelle an den Beschwerdeführer vom 17. Juli 1995 zufolge würden die Zahlungen für die Zeit vom 3. Jänner 1995 bis zum 18. Mai 1995 eine Leistung aus der Arbeitslosenversicherung als "Vorschuss auf die Kündigungsentschädigung" und für die Zeit vom 19. Mai 1995 bis 30. Juni 1995 das Arbeitslosengeld darstellen.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 23. Mai 1997 wurde der "Anspruch auf Schulungsarbeitslosengeld ... für die Zeit vom 01.04. bis 30.06.1995 gem. § 24 Abs. 2 in Verbindung mit § 12 Abs. 3 lit. a Arbeitslosenversicherungsgesetz ... widerrufen". Auf Grund einer dagegen erhobenen Beschwerde sprach der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 20. Dezember 2001, Zl. 97/08/0424, aus, dass der regionalen Geschäftsstelle im Zeitpunkt der Mitteilung über die Zuerkennung und im Zeitpunkt der Auszahlung des Arbeitslosengeldes an den Beschwerdeführer (27. Juni 1995 bzw. 29. Juni 1995) die wesentlichen Umstände seiner Tätigkeit als Rechtsanwaltsanwärter im (dort) gegenständlichen Zeitraum vom 1. April bis 30. Juni 1995 nach der Aktenlage bereits bekannt gewesen seien. Von einem im Sinne des § 24 Abs. 2 AlVG "sich nachträglichen Herausstellen" von Umständen, die der Gewährung des Arbeitslosengeldes entgegengestanden seien, könne keine Rede sein. Eine nachträgliche Änderung von (rechtlichen) Umständen könne nicht darin erblickt werden, dass die belangte Behörde mit Bescheid vom 18. April 1997 die mit ihrem Bescheid vom 21. Juni 1995 genehmigte Maßnahme "Praktikum RA Dr. M. (Dauer ca. 3 Monate)" gestrichen habe, denn die Änderung oder Aufhebung eines Bescheides nach § 68 Abs. 2 AVG wirke - ungeachtet der Frage ihrer Rechtmäßigkeit - nicht zurück, sondern ex nunc. Die belangte Behörde habe bei der Beurteilung des Anspruches des Beschwerdeführers auf eine Leistung aus der Arbeitslosenversicherung betreffend den gegenständlichen, vor dem 18. April 1997 liegenden Zeitraum daher nach wie vor davon auszugehen, dass sich die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes um Zeiten, in denen der Beschwerdeführer an einer Maßnahme im Sinne des § 18 Abs. 6 AlVG teilgenommen habe, gemäß § 18 Abs. 5 AlVG verlängere. Die Voraussetzungen für einen Widerruf der Leistung (für den Zeitraum vom 1. April bis zum 30. Juni 1995) gemäß § 24 Abs. 2 AlVG seien daher nicht erfüllt.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde gemäß § 24 Abs. 1 iVm § 7 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 sowie § 12 AlVG das Arbeitslosengeld des Beschwerdeführers ab dem 1. Juli 1995 "eingestellt". Der Beschwerdeführer habe ab Anfang April 1995 eine ihn voll auslastende Tätigkeit als Rechtsanwaltsanwärter aufgenommen. Die Oberösterreichische Rechtsanwaltskammer habe bekannt gegeben, dass Rechtsanwaltsanwärter im Jahr 1995 mit S 20.000,-- bis S 30.000,-- monatlich entlohnt worden wären. Die wöchentliche Arbeitszeit eines Konzipienten müsse 40 Stunden betragen, "um als Rechtsanwaltsanwärter anerkannt zu werden". Durch diese zeitliche Inanspruchnahme, die Entlohnung sowie die Einbindung in die Kanzlei des ausbildenden Rechtsanwaltes seien die Merkmale eines Dienstverhältnisses bei Rechtsanwaltsanwärtern so stark ausgeprägt, dass diese Tätigkeit, unabhängig von der Ausnahme von der Vollversicherung gemäß § 5 ASVG, "einem solchen gleichzuhalten ist". Arbeitslosigkeit liege nicht vor, weshalb das Arbeitslosengeld einzustellen gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, den angefochtenen Bescheid kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer kann durch den angefochtenen Bescheid nur dann in einem Recht verletzt sein, wenn durch ihn entweder in einen Anspruch auf Arbeitslosengeld, der ihm mit Mitteilung im Sinne des § 47 Abs. 1 AlVG zuerkannt worden wäre, eingegriffen würde oder wenn - diesfalls freilich unter Vergreifen im Ausdruck -
mit der "Einstellung" in Wahrheit ein noch unerledigter Antrag des Beschwerdeführers abgewiesen werden sollte.
Ob das eine oder das andere der Fall ist, vermag der Verwaltungsgerichtshof derzeit nicht zu beurteilen, weil dazu weder Feststellungen aus den - möglicherweise nicht vollständig vorgelegten - Verwaltungsakten getroffen werden können noch eine ausreichende Sachverhaltsdarstellung vorliegt. Sollte die belangte Behörde davon ausgegangen sein, dass ein Anspruch des Beschwerdeführers auf eine Geldleistung nach dem AlVG mit dem angefochtenen Bescheid beseitigt werden sollte, so hätte sie sich im Übrigen mit den Rechtsgrundlagen der zunächst gewährten Leistung zu befassen und darzutun gehabt, auf Grund welcher Sachverhaltsänderung sie sich zur Einstellung der Leistung gemäß § 24 Abs. 1 AlVG für berechtigt erachtete. Völlig unklar ist auch, aus welchen Gründen die belangte Behörde von "üblicherweise" bezahlten Konzipientengehältern ausgegangen ist und nicht vom konkreten Arbeitsverdienst des Beschwerdeführers, auf den es im Zusammenhang mit § 12 Abs. 2 Z. 1 AlVG allein ankommt und von dem - zumindest angesichts des aktenkundigen Volontariatsvertrages, der sich wieder auf die Arbeitsstiftung zu beziehen scheint - überhaupt unklar ist, ob der Beschwerdeführer darauf Anspruch hat.
Da es nicht Aufgabe des Verwaltungsgerichtshofes ist, fehlende Darlegungen der belangten Behörde, die zum Verständnis des eigentlichen Verfahrensgegenstandes (und damit zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheides) unerlässlich sind, zu ersetzen, war der angefochtene Bescheid wegen der ihm anhaftenden Begründungslücken gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 17. November 2004
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2002080187.X00Im RIS seit
18.01.2005