TE Vwgh Erkenntnis 2004/11/19 2000/02/0245

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Veröffentlicht am 19.11.2004
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §10;
AlVG 1977 §36 Abs3 litB sublitb;
AlVG 1977 §9;
NotstandshilfeV §6 Abs5;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Beck und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel-Lanz, über die Beschwerde des JK in I, vertreten durch Dr. Jörg Hobmeier, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Maximilianstraße 9/II, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Tirol vom 4. August 2000, Zl. LGSTi/V/1216/4724 22 05 41-702/2000, betreffend Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vermeidung von Wiederholungen wird hinsichtlich der Feststellung des Sachverhaltes auf die Entscheidungsgründe des hg. Erkenntnisses vom 26. April 2000, Zl. 98/08/0120, verwiesen, mit welchem der im ersten Rechtsgang erlassene Bescheid der belangten Behörde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben wurde.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid vom 4. August 2000 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers vom 6. Jänner 1998 gemäß §§ 56 und 58 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1997 (AlVG) (neuerlich) ab. Dies mit der Begründung, dass dem Beschwerdeführer von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice mehrere Stellen als Außendienstmitarbeiter zugewiesen worden seien. Konkret seien ihm am 7. Jänner 1998 Beschäftigungen als Außendienstmitarbeiter bei der Firma M und bei der Firma L zugewiesen worden. Am 3. Februar 1998 habe man ihm drei Beschäftigungen (ebenfalls als Außendienstmitarbeiter) bei den Firmen C, T und S, sowie am 17. Februar 1998 bei den Firmen W, D und P zugewiesen. Zudem habe man ihm am 25. Februar 1998 Außendienstmitarbeiter-Stellen bei den Firmen W und A angeboten. Bezüglich des Bewerberalters sei beispielsweise von der Firma D darauf hingewiesen worden, dass auch gerne Personen "ab 40 Jahren" eingestellt werden würden. Ebenso habe die Firma T betont, dass das Bewerberalter ohne Bedeutung sei. In ihrer Stellungnahme vom 3. Februar 1998 habe die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Innsbruck bestätigt, dass dem Beschwerdeführer unter Einsatz von Förderungsmaßnahmen im Sinne des § 19 Arbeitsmarktservicegesetzes sehr wohl geeignete zumutbare Beschäftigungen vermittelt werden könnten. Diese Stellungnahme sei vom Regionalbeirat am 19. Februar 1998 angehört und nachträglich gemäß § 76 Abs. 1 AlVG genehmigt worden. Nach Ansicht der belangten Behörde sei diese positive Stellungnahme zu Recht abgegeben worden, weil dem Beschwerdeführer auch Stellen zugewiesen worden seien, bei denen seitens der Firmenleitung ausdrücklich darauf hingewiesen worden sei, dass das Alter der Bewerber ohne Bedeutung wäre beziehungsweise auch gerne Personen "ab 40 Jahren" eingestellt werden würden. Objektiv gesehen seien somit am Arbeitsmarkt zum Zeitpunkt der Antragstellung auch für ältere Bewerber zahlreiche Außendienstmitarbeiterstellen vorhanden gewesen. Ausgehend davon, dass der Beschwerdeführer zuletzt 12 Jahre als Außendienstmitarbeiter bei einer Versicherungsanstalt tätig gewesen sei, hätte er auf Grund seiner mehrjährigen Praxis gute Chancen gehabt, eine Beschäftigung zu finden. Im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer vom 1. Juni 1998 bis zum 6. September 1998 und nunmehr seit 24. September 1998 laufend eine vorzeitige Alterspension beziehe, wies die belangte Behörde schließlich darauf hin, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Antragstellung 56 Jahre alt gewesen sei und somit nicht mit seinem unmittelbar bevorstehenden Pensionsantritt hätte gerechnet werden müssen. Zudem habe der Beschwerdeführer die auf dem Antragformular vorgedruckte Frage, ob er einen Antrag auf Gewährung einer Pension gestellt habe, verneint. Es habe daher unter Bedachtnahme auf die zahlreichen offenen Stellen und auf das Alter des Beschwerdeführers mit seiner Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt gerechnet werden können, weshalb auch die Anspruchsbeurteilung gemäß § 6 Abs. 1 und Abs. 2 Notstandshilfeverordnung (NHVO) vorzunehmen gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Bezüglich der Rechtslage genügt der Hinweis auf das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 26. April 2000.

In diesem Erkenntnis legte der Verwaltungsgerichtshof dar, dass die Frage, ob die Voraussetzungen für die Freigrenzenerhöhung bei einem älteren Arbeitslosen vorlägen, vom Arbeitsmarktservice (wohl auch unter Berücksichtigung der Kenntnisse und Fähigkeiten des älteren Arbeitslosen) anhand der konkreten Nachfragesituation nach derartigen Tätigkeiten auf dem Arbeitsmarkt einerseits und der Erfolgschance der ihr zu Gebote stehenden Maßnahmen andererseits (unter Anhörung des Regionalbeirates) beurteilt werden solle. Das individuelle Verhalten des Arbeitslosen in der Vergangenheit stehe dabei nicht zur Debatte. Es sei dabei auf generalisierbare Umstände des Arbeitsmarktes abzustellen, nicht aber auf das (notwendigerweise nur individuell beurteilbare) Verhalten einzelner Arbeitsloser im Vermittlungsfalle.

Auch die Bestimmungen der §§ 9 und 10 AlVG - so im zitierten hg. Erkenntnis vom 26. April 2000 weiter -, welche die (zeitlich stets befristeten) Sanktionen im Falle der Arbeitsunwilligkeit anscheinend abschließend regelten, sprächen dagegen, dass eine weitere Sanktion für Arbeitsunwilligkeit ohne zeitliche Begrenzung in unterschiedlichen Freigrenzen bei der Einkommensanrechnung bestehe, sodass von dieser Sanktion von vornherein nur ein Kreis älterer Arbeitsloser mit Ehepartnern oder Lebensgefährten, nicht aber allein stehende Arbeitslose betroffen sein könnten.

Das Arbeitsmarktservice habe in Fällen wie dem vorliegenden daher nur zu beurteilen, ob es sich vor dem Hintergrund der konkreten Arbeitsmarktlage um einen Fall handle, bei dem wegen des Alters und des Wissens- beziehungsweise des Ausbildungsstandes des Arbeitslosen auch unter Bedachtnahme auf die dem Arbeitsmarktservice zu Gebote stehenden Förderungsmaßnahmen eine erfolgreiche Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt bis zum Zeitpunkt der Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen für eine Pension aus dem Versicherungsfall des Alters (§ 22 Abs. 1 AlVG) nicht zu erwarten sei. Sofern also das Arbeitsmarktservice einen Anlass zur Gewährung von Beihilfen nicht als gegeben erachte, sei eine Freigrenzenerhöhung zu gewähren. Die Zuerkennung der höheren Freigrenze gelte jeweils für die Periode eines Anspruchs; sie schließe weitere Vermittlungsversuche im Sinne des § 9 AlVG, beziehungsweise im Falle der Vereitelung oder Weigerung des Arbeitslosen eine zumutbare Beschäftigung anzunehmen, die Verhängung von Sperrfristen im Sinne des § 10 AlVG weiterhin nicht aus, werde davon aber - über die Sanktionen des § 10 AlVG hinaus - nicht weiter betroffen.

Wie der Beschwerdeführer zutreffend ausführt, hat sich die belangte Behörde im zweiten Rechtsgang abermals nicht hinreichend mit der sich auf Grund des Alters des Beschwerdeführers ergebenden Vermittlungsmöglichkeiten am Arbeitsmarkt auseinander gesetzt. Mit dem Hinweis, dass ein potenzieller Arbeitgeber auch gerne Mitarbeiter "ab 40 Jahren" aufnehme und für einen weiteren das Alter der Bewerber nicht ausschlaggebend sei, genügt die belangte Behörde ihrer diesbezüglichen Begründungsverpflichtung nicht. Es hätte vielmehr - im Hinblick auf die oben wiedergegebenen Ausführungen des zitierten hg. Erkenntnisses vom 26. April 2000 - konkreter Ausführungen bedurft, wie sich die Arbeitsmarktlage für 56-jährige Arbeitnehmer mit den Kenntnissen und Fähigkeiten des Beschwerdeführers einerseits dargestellt hat und wie die Erfolgschancen der dem AMS zu Gebote stehenden Maßnahmen andererseits zu beurteilen waren. Auf Grund dieser Ermittlungsergebnisse hätte die belangte Behörde den Anspruch des Beschwerdeführers und die Festsetzung der ihm zu gewährenden Freibeträge vornehmen müssen. Hätte sich in der Folge ein allenfalls unter dem Gesichtspunkt der §§ 9 und 10 AlVG zu beurteilender Sachverhalt ergeben, so wäre es der belangten Behörde oblegen, die in den zitierten Bestimmungen vorgesehenen rechtlichen Konsequenzen zu ziehen.

Da die von der belangten Behörde auf Grund einer offenbar unzutreffenden Rechtsansicht getroffenen mangelhaften Feststellungen eine Beurteilung der - insbesondere wegen des Alters des Beschwerdeführers - möglicherweise kritischen Arbeitsmarktsituation beziehungsweise der Erfolgschancen der der Behörde zu Gebote stehenden (Förderungs-)Maßnahmen nicht ermöglichen, war der angefochtene Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 19. November 2004

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2000020245.X00

Im RIS seit

10.12.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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