Index
37 Geld-, Währungs-und KreditrechtNorm
B-VG Art140 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Keine Stattgabe für Anträge von Kreditinstituten auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung auf Aussetzung der Vollziehbarkeit der im Investmentfondsgesetz normierten Verpflichtung zum Einbehalt von Kapitalertragsteuer auch für Depots ausländischer Wertpapiere bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes über die von den Antragstellern eingebrachten Individualanträge; keine aus dem Verfassungs- oder Gemeinschaftsrecht abzuleitende diesbezügliche VerpflichtungSpruch
Den Anträgen auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung wird keine Folge gegeben.
Begründung
Begründung:
I. 1. Mit ihren auf Art140 B-VG gestützten (Individual-) Anträgen begehren die antragstellenden Kreditinstitute, §42 Abs4 des Investmentfondsgesetzes 1993, BGBl. 532, idF des Kapitalmarktoffensive-Gesetzes - KMOG, BGBl. I 2/2001, im folgenden InvFG, als verfassungswidrig aufzuheben; in eventu wird der Antrag gestellt, verschiedene näher bezeichnete Wortfolgen in §42 Abs4 InvFG als verfassungswidrig aufzuheben. Gleichzeitig wird der Antrag gestellt, der Verfassungsgerichtshof möge "einstweilen anordnen, §42 Abs4 InvFG 1993, BGBl. 532/1993 idF BGBl. I 2/2001, bis zur Zustellung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes über diesen Individualantrag nicht zu vollziehen".
2. §42 InvFG, idF BGBl. I 2/2001, hat folgenden Wortlaut:
"§42 (1) Die Bestimmungen des §40 sind auch für ausländische Kapitalanlagefonds anzuwenden. Als solches gilt, ungeachtet der Rechtsform, jedes einem ausländischen Recht unterstehende Vermögen, das nach dem Gesetz, der Satzung oder der tatsächlichen Übung nach den Grundsätzen der Risikostreuung angelegt ist.
Veranlagungsgemeinschaften in Immobilien im Sinne des §14 des Kapitalmarktgesetzes sind ausgenommen.
(2) Unterbleibt für ausländische Kapitalanlagefonds ein Nachweis, so wird der ausschüttungsgleiche Ertrag mit 90 % des Unterschiedsbetrages zwischen dem ersten und letzten im Kalenderjahr festgesetzten Rücknahmepreis, mindestens aber mit 10 % des letzten im Kalenderjahr festgesetzten Rücknahmepreises angenommen. Bei Veräußerung eines Anteilrechtes ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem bei der Veräußerung und dem letzten im abgeschlossenen Kalenderjahr festgesetzten Rücknahmepreis, mindestens aber 0,8 % des bei der Veräußerung festgesetzten Rücknahmepreises für jeden angefangenen Monat des im Zeitpunkt der Veräußerung laufenden Kalenderjahres anzusetzen. Dies gilt sinngemäß auch beim Erwerb eines Anteilsrechtes. Anstelle des Rücknahmepreises kann auch der veröffentlichte Rechenwert sowie bei börsenotierten Anteilen der Börsenkurs herangezogen werden.
(3) Substanzgewinne ausländischer Kapitalanlagefonds gelten als Einkünfte im Sinne des §30 des Einkommensteuergesetzes 1988. §40 Abs1 zweiter Satz ist nur bei Nachweis sowie bei Zulassung und der tatsächlichen Auflage zur öffentlichen Zeichnung anzuwenden. Bei in einem Betriebsvermögen gehaltenen Anteilen gelten Substanzgewinne als sonstige Erträge im Sinne des §40 Abs2 Z1. Soweit bei Substanzgewinnen aus inländischen Kapitalanlagefonds die Kapitalertragsteuer zur Steuerabgeltung nach §97 des Einkommensteuergesetzes 1988 führen würde, sind vergleichbare Substanzgewinne ausländischer Kapitalanlagefonds als Sondereinkunft mit einem Einkommensteuersatz von 25 % zu versteuern. §37 Abs8 des Einkommensteuergesetzes 1988 ist sinngemäß anzuwenden. Es kann dabei ein Antrag in analoger Anwendung des §97 Abs4 des Einkommensteuergesetzes 1988 gestellt werden.
(4) Tritt ein Kreditinstitut im Sinn des Depotgesetzes als Verwalter oder Verwahrer von Anteilen an ausländischen Kapitalanlagefonds auf, gilt für Zwecke der Kapitalertragsteuer Folgendes: Als Kapitalertrag gilt zugeflossen, wenn
-
der Anteil dem Steuerpflichtigen das gesamte Jahr zuzurechnen ist, zum 31. Dezember eines jeden Jahres ein Betrag von 10 % des letzten im Kalenderjahr festgesetzten Rücknahmepreises;
-
wenn der Anteil während des Jahres veräußert oder ins Ausland verbracht wird, zum Zeitpunkt der Veräußerung oder der Verbringung ein Betrag von 0,8 % des vor Veräußerung oder Verbringung zuletzt festgesetzten Rücknahmepreises für jeden angefangenen Monat des im Veräußerungszeitpunkt laufenden Kalenderjahres.
Abs2 letzter Satz gilt sinngemäß. Der Abzug unterbleibt, wenn der Steuerpflichtige dem Kreditinstitut eine Bestätigung der Abgabenbehörde vorlegt, dass er seiner Offenlegungspflicht in Bezug auf den Anteil nachgekommen ist."
3.1. Zur Begründung ihrer Anträge wird von den Antragstellerinnen - im wesentlichen - folgendes dargelegt:
Sie besäßen die Konzession, Bankgeschäfte zu betreiben, und seien u.a. dazu berechtigt, die Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren für andere gewerblich durchzuführen. Bei Vollziehung der angefochtenen Bestimmung rechneten die antragstellenden Kreditinstitute (offenbar wegen der zu erwartenden "Abwanderung" der ausländischen Fondsanteile) mit einem Ertragsausfall in Millionenhöhe.
Die Antragstellerinnen legen sodann - mit ausführlicher Begründung - dar, daß sie durch die angefochtene Bestimmung aus zwei Gründen aktuell betroffen seien: Zum einen würden sie zum Steuereinbehalt (Einbehalt des Sicherungsabzuges) verpflichtet, womit ihnen - ebenso wie bei der Spekulationsertragsteuer - die Haftung für die Steuer des Kunden auferlegt werde, zum anderen mache die Erfüllung des angefochtenen §42 Abs4 InvFG Aufwendungen administrativer und technischer Art notwendig. Da im vorliegenden Fall die Bestimmungen über die Kapitalertragsteuer, der "Sicherungseinbehalt", nicht erst in Kraft gesetzt würden, sondern bereits in Kraft seien und die Kreditinstitute insgesamt (und somit auch die antragstellenden Kreditinstitute) sofort zu entsprechenden Maßnahmen verpflichtet seien, sei die Betroffenheit insofern noch aktueller als in jenem Sachverhalt, der dem Spekulationsertragsteuererkenntnis (VfGH 15. März 2000, G141-150/99) zugrunde lag.
Im weiteren wird - mit näherer Begründung - die Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Bestimmung dargelegt.
3.2.1. Zur Begründung des Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung führen die Antragstellerinnen aus, daß die angefochtene Bestimmung nicht nur verfassungswidrig, sondern auch in hohem Maße europarechtlich bedenklich sei, weshalb ihnen im vorliegenden Fall auch ein Provisorialrechtsschutz zustehe:
Das Rechtssystem der Europäischen Gemeinschaft sei vom Prinzip der Effektivität gekennzeichnet. Der EuGH habe sich in seiner Rechtsprechung wiederholt auf den "effet utile" berufen und damit u. a. den Anwendungsvorrang, die unmittelbare Anwendbarkeit auch von Richtlinien und die Staatshaftung begründet. Auch im Bereich des Rechtsschutzes sei der Grundsatz der Effektivität des Gemeinschaftsrechts von besonderer Bedeutung. Wesentlich dabei sei der vorläufige Rechtsschutz, denn nur so könne beispielsweise bei behördlichen Maßnahmen verhindert werden, daß diese vorschnell vollzogen und auf diese Weise "vollendete Tatsachen" geschaffen würden. Nach der Rechtsprechung des EuGH könne sich die Verpflichtung zur Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz für Gerichte unmittelbar aus dem Gemeinschaftsrecht ergeben.
Wörtlich wird (von der Erstantragstellerin) sodann folgendes dargelegt:
"In der Rechtssache Factortame, Rs. C-213/89, Slg. 1990, I-2433, hielt der Europäische Gerichtshof in Rz. 21 fest:
'Die volle Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts würde auch dann abgeschwächt, wenn ein mit einem nach Gemeinschaftsrecht zu beurteilenden Rechtsstreit befasstes Gericht durch eine Vorschrift des nationalen Rechts daran gehindert werden könnte, einstweilige Anordnungen zu erlassen, um die volle Wirksamkeit der späteren Gerichtsentscheidung über das Bestehen der aus dem Gemeinschaftsrecht hergeleiteten Rechte sicherzustellen. Ein Gericht, das unter diesen Umständen einstweilige Anordnungen erlassen würde, wenn dem nicht eine Vorschrift des nationalen Rechts entgegenstünde, darf diese Vorschrift somit nicht anwenden.'
In der Rechtssache Zuckerfabrik Süderdithmarschen, C-143/88 und C-92/89, Slg. 1991 I 415, setzte sich der Europäische Gerichtshof näher mit den Voraussetzungen für eine 'vorläufige Aussetzung der Vollziehung' (Rz. 24) auseinander. Da eine einheitliche Rechtsanwendung ein Grunderfordernis der gemeinschaftlichen Rechtsordnung ist und auch den vorläufigen Rechtsschutz betrifft, sprach der Europäische Gerichtshof aus, dass das nationale Gericht die Vollziehung nur unter den Voraussetzungen aussetzen darf, die für den Erlass einer einstweiligen Anordnung durch den Europäischen Gerichtshof gelten (vgl. Rz. 26 f)."
Weil alle staatlichen Organe um eine möglichst weitgehende Effektivität des Gemeinschaftsrechts bemüht sein müßten, habe "auch der Verfassungsgerichtshof - im Rahmen seiner Kompetenzen - dieser Maxime zu folgen und - mangels nationaler Regelung direkt aus dem Gemeinschaftsrecht abgeleitet - einstweilige Anordnungen zu treffen". Vorläufiger Rechtsschutz käme sowohl dann in Betracht, wenn - wie in der Rechtssache Zuckerfabrik Süderdithmarschen - die Gültigkeit von Gemeinschaftsrecht in Frage stehe, aber auch dann, wenn die Gemeinschaftsrechtmäßigkeit und letztlich die Anwendbarkeit einer innerstaatlichen Vorschrift zweifelhaft sei.
Der Verfassungsgerichtshof habe - so die antragstellenden Kreditinstitute weiter - in seinem Beschluß VfSlg. 15.057/1997 bereits angedeutet, daß er sich zur Erlassung einer einstweiligen Anordnung aus europarechtlichen Gründen befugt und auch verpflichtet fühle, obwohl eine gesetzliche Ermächtigung zum Setzen entsprechender Akte eines Provisorialrechtsschutzes nicht vorhanden sei. "Ausdrücklich hat der Verfassungsgerichtshof in diesem Verfahren ausgesprochen:
'Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (vgl. insbesondere EuGH in Rs. Zuckerfabrik Süderdithmarschen und Soest, Rz. 23, 27 ff.) kommt die Erlassung einer einstweiligen Anordnung nur in Betracht, sofern bestimmte Voraussetzungen, wie eine besondere Dringlichkeit im Hinblick auf die zu schützende Rechtsposition (periculum in mora) gegeben sind und erhebliche Zweifel an der Gültigkeit von Gemeinschaftsrechtsvorschriften oder deren Auslegung obwalten, wenn also der von der Partei eingenommene Rechtsstandpunkt nach vorläufiger Beurteilung einige Erfolgswahrscheinlichkeit für sich hat (fumus boni iuris). Dies wird im Regelfall die Erlassung einer einstweiligen Anordnung nur im Zusammenhang mit einer vor Entscheidung in der Hauptsache erforderlichen Befassung des Europäischen Gerichtshofes nach Art177 EGV (nun: Art234 EG) erlauben; eine solche Fallkonstellation betreffen etwa die oben zitierten Entscheidungen in den Rs. Zuckerfabriken Süderdithmarschen und Soest einerseits sowie Atlanta andererseits.'"
In seinem Beschluß vom 6. April 2000, B508/00, habe der Verfassungsgerichtshof erneut die Frage der Berufung zur Erlassung einstweiliger Anordnungen zur Sicherung von gemeinschaftsrechtlich begründeten Rechtspositionen auch ohne innerstaatliche gesetzliche Kompetenzzuweisung allein kraft Gemeinschaftsrechtes unter Hinweis auf den oben zitierten Beschluß angeschnitten, letztlich aber nicht entschieden.
Unter Verweis auf Hoehl, Vorläufiger Rechtsschutz im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unter besonderer Berücksichtigung des Europarechts, in Thienel (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsbarkeit im Wandel (1999) 247 (285 f.), wird sodann dargelegt, daß das Erfordernis "erheblicher Zweifel" nicht passe, wenn es - wie im vorliegenden Fall und anders als in den zitierten Urteilen des EuGH - nicht um die Gültigkeit von Gemeinschaftsrecht, sondern um die Vereinbarkeit nationalen Rechts mit Gemeinschaftsrecht gehe. "Durch dieses qualifizierte Erfordernis für das Gewähren von Provisorialrechtsschutz würde die praktische Wirksamkeit des Art234 EGV eingeschränkt. Schon bloße 'Zweifel' müssten als Voraussetzung für das Gewähren von Provisorialrechtsschutz genügen. Gleiches gelte auch für das Merkmal 'Schwere des Schadens' (bzw. nach der Terminologie des Verfassungsgerichtshofes: 'besondere Dringlichkeit')."
3.2.2. Zu den Voraussetzungen für die Erlassung einer einstweilige Anordnung durch den Verfassungsgerichtshof zählten - so die antragstellenden Kreditinstitute unter Verweis auf VfSlg. 15.057/1997 weiter - neben der Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofs, die sich aus der herangetragenen innerstaatlichen Rechtsfrage ergebe: erstens die besondere Dringlichkeit und zweitens das Vorhandensein einer europarechtlichen Zweifelsfrage.
All diese Anforderungen seien im gegebenen Fall erfüllt:
a) Zur Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofs führt die Erstantragstellerin wörtlich folgendes aus:
"Im vorliegenden Fall geht es gleichzeitig um die europarechtliche Zweifelsfrage, ob §42 Abs4 InvFG idF BGBl. I 2/2001 gemeinschaftsrechtskonform ist, und um die Verfassungswidrigkeit einer generellen Norm, nämlich die Frage, ob §42 Abs4 InvFG gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz, das Eigentumsrecht oder die Erwerbsfreiheit der Antragstellerin verstößt. Die zweite Frage begründet die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofs für den Individualantrag, die erste Frage berechtigt und verpflichtet den Gerichtshof zur Erlassung einer einstweiligen Anordnung."
Damit sei der vorliegende Fall etwas anders gelagert als in VfSlg. 15.057/1997: Dort sei es um die Rechtswidrigkeit eines Bescheides gegangen, gleichzeitig sei auch die Europarechtswidrigkeit behauptet worden. Zu Recht habe der Verfassungsgerichtshof dort erkannt, daß bloß Fragen aufgeworfen worden wären, die dem Verwaltungsgerichtshof zur Klärung übertragen seien. "Da der Verfassungsgerichtshof eine allfällige bloße Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzugreifen hat, kam eine verfassungsrechtliche Kontrolle und daher auch ein provisorialer Rechtsschutz durch den Verfassungsgerichtshof nicht in Betracht."
Im vorliegenden Fall bestehe hingegen eine verfassungsgerichtliche Kontrolle, gehe es doch um die Frage, ob §42 Abs4 InvFG verfassungsrechtlich gewährleistete Rechte der Antragstellerinnen verletze bzw. ob diese Bestimmung verfassungskonform sei. Gleichzeitig gehe es aber auch um die Sicherung von Rechten, die im Europarecht wurzelten. Der Verfassungsgerichtshof habe - wie jedes innerstaatliche Organ - dem Europarecht zum Durchbruch zu verhelfen und bestmöglich zu dessen Effektivität beizutragen.
Während bei Bescheidbeschwerden vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts schon nach nationalem Recht eine aufschiebende Wirkung zuerkannt werden könne, womit den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen an den vorläufigen Rechtsschutz Rechnung getragen werde, habe der Verfassungsgerichtshof hingegen bei Individualanträgen bisher keine aufschiebende Wirkung zuerkannt.
Der Verfassungsgerichtshof habe daher im vorliegenden Fall - in Entsprechung der Judikatur des EuGH - zur Sicherstellung der Wirksamkeit der späteren Entscheidung eine einstweilige Anordnung zu treffen. Die Entscheidung der europarechtlichen Frage selbst werde wohl vom EuGH im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens zu treffen sein; in seiner Entscheidung VfSlg. 15.057/1997 habe der Verfassungsgerichtshof darauf hingewiesen, daß die Erlassung einer einstweiligen Anordnung im Regelfall nur im Zusammenhang mit einer vor Entscheidung in der Hauptsache erforderlichen Befassung des EuGH nach Art177 EGV (nun: Art234 EG) erlaubt sei. Denkbar sei freilich auch der Fall, daß provisorialer Rechtsschutz in einem Fall erforderlich sei, in dem die europarechtliche Frage (etwa durch eine Entscheidung des EuGH) bereits klargelegt worden sei oder in einem anderen Verfahren zur Klärung anstehe, sodaß der Verfassungsgerichtshof zwar eine einstweilige Anordnung zu erlassen habe, auf die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens aber verzichten könne. Die Unzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zur Entscheidung strittiger Europarechtsfragen führe also nicht zu seiner Unzuständigkeit zur Erlassung einer einstweiligen Anordnung, vielmehr führe gerade das Vorliegen einer europarechtlichen Zweifelsfrage zur Notwendigkeit des vorläufigen Rechtsschutzes durch ein nationales Organ. Der wegen der beanstandeten Verfassungswidrigkeit zuständige Verfassungsgerichtshof sei deshalb zum Treffen einer direkt aus dem Europarecht abgeleiteten einstweiligen Anordnung berechtigt und auch verpflichtet.
b) Zur Dringlichkeit des Antrages wird folgendes ausgeführt:
Die "besondere Dringlichkeit im Hinblick auf die zu schützende Rechtsposition (periculum in mora)", auf die in VfSlg. 15.057/1997 hingewiesen worden sei, umschreibe der EuGH - so die Erstantragstellerin - regelmäßig folgendermaßen:
"... wenn die Entscheidung dringlich in dem Sinne ist, dass die einstweiligen Anordnungen erforderlich sind, um zu vermeiden, dass die sie beantragende Partei einen schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden erleidet, (...)' (Rechtssache Atlanta Fruchthandelsgesellschaft, C-465/93, Slg. 1995 I-3761, Rz. 51; Rechtssache Krüger, C-334/95, Slg. 1997 I-4517, Rz. 47)."
Im vorliegenden Fall, in dem es nicht um die Gültigkeit von Gemeinschaftsrecht, sondern um die Vereinbarkeit nationalen Rechts mit Gemeinschaftsrecht gehe, dürften an das Merkmal "besondere Dringlichkeit" keine zu hohen Ansprüche gestellt werden, weil andernfalls die Effektivität des Gemeinschaftsrechts leiden würde und die praktische Wirksamkeit des Art234 EG eingeschränkt wäre.
Aus diesem Grund könne es nicht Voraussetzung für den Provisorialrechtsschutz sein, daß ein irreversibler Schaden drohe. Auch ein reiner Geldschaden könne die Effektivität des Europarechts beeinträchtigen und daher das Erlassen einer einstweiligen Anordnung notwendig machen. Das erstantragstellende Kreditinstitut führt hiezu wörtlich folgendes aus:
"Die Vollziehung der angefochtenen verfassungswidrigen und auch gemeinschaftsrechtswidrigen Bestimmungen würden einen außerordentlich hohen organisatorischen, technischen und finanziellen Aufwand bei der Antragstellerin verursachen und sie mit einem unzumutbaren Regressrisiko belasten. Der nun anstehende unverhältnismäßige Aufwand, der erforderlich ist, um sich nicht finanzstrafrechtlichen und haftungsrechtlichen Konsequenzen auszusetzen, könnte durch ein stattgebendes Urteil des Verfassungsgerichtshofs nicht mehr beseitigt werden. Zudem würde nur durch eine vorläufige Anordnung das Interesse der Gemeinschaft angemessen berücksichtigt, wie es der Europäische Gerichtshof regelmäßig verlangt (Atlanta Rz. 51, und Krüger. Rz. 51; vgl. Borchhardt in Lenz, EG-Vertrag² Art234 Rz. 14). Im vorliegenden Fall besteht sowohl ein erhebliches Interesse der Gemeinschaft, die wohl diskriminierenden, europarechtlich jedenfalls äußerst fragwürdigen Bestimmungen erst gar nicht in das Stadium der Vollziehung gelangen zu lassen. Nur mit einer einstweiligen Anordnung könnte de facto erreicht werden, dass die Zulässigkeit der neuen Regelung zuerst geprüft und diese erst danach vollzogen wird (falls ihre verfassungsrechtliche und europarechtliche Zulässigkeit bejaht wird).
Das ganz besondere Interesse der Antragstellerin, das seine Dringlichkeit im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs begründet, hat der Verfassungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 15.03.2000 zu §30 Abs8 EStG (Spekulationssteuererkenntnis) anerkannt: Der erhebliche Aufwand, den die Antragsteller auf Grund der angefochtenen Bestimmung zu tätigen gehabt hätten, der jedenfalls alternative Aktivitäten und alternative Mittelverwendungen ausgeschlossen hätte, rechtfertigte dort die Zulässigkeit der Individualanträge bereits vor Inkrafttreten der angefochtenen Bestimmungen. Der Verfassungsgerichtshof erinnerte daran, dass zur Vermeidung von Haftungsfolgen und finanzstrafrechtlichen Risiken es für die Antragstellerin unvermeidlich sei, bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes mit ins Gewicht fallenden Aufwendungen administrative, technische oder sonstige Vorkehrungen zu treffen, um ab dem Inkrafttreten die Pflichten gesetzeskonform erfüllen zu können. Es war also die besondere Dringlichkeit, die den Verfassungsgerichtshof zum Zuerkennen der Individualantragslegitimation bewegte.
Durch die nun angefochtenen Bestimmungen würden der Antragstellerin ganz ähnliche Verpflichtungen auferlegt werden. Auch im gegenständlichen Fall müsste die Antragstellerin erheblich ins Gewicht fallende Aufwendungen administrativer und technischer Art tätigen ..., die eine alternative Mittelverwendung ausschließen würden. Hinzu kommt die Belastung durch die der Antragstellerin auferlegte Haftung. Die Antragstellerin wird auf den zivilrechtlichen Regressanspruch verwiesen und mit dem Verfolgungsrisiko belastet."
Bei Vollziehung des §42 Abs4 InvFG müßten die antragstellenden Kreditinstitute mit einem Ertragsausfall in Millionenhöhe rechnen; diese Dringlichkeit spreche im gegebenen Fall für das Zuerkennen der einstweiligen Anordnung.
3.3. Die antragstellenden Kreditinstitute legen sodann - mit ausführlicher Begründung - dar, warum die in §§40-42 InvFG festgelegte unterschiedliche Besteuerung von inländischen und ausländischen Investmentfonds europarechtlich bedenklich sei.
4.1. Die Bundesregierung erstattete innerhalb der ihr gesetzten Frist eine Äußerung, in der sie zur Zulässigkeit einstweiliger Verfügungen nach der österreichischen Verfassungsrechtslage wörtlich folgendes ausführt:
"Der Verfassungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung (vgl. zB VfSlg. 7915/1976, 13.171/1992 und 13.706/1994) dargetan, dass in Normenprüfungsverfahren die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung weder gegenüber dem Antragsteller noch gegenüber der Allgemeinheit vorgesehen ist und eine analoge Anwendung des §85 VerfGG in solchen Verfahren nicht in Betracht kommt. In VfSlg. 13.706/1994 sprach der Verfassungsgerichtshof ausdrücklich aus, dass es bei generellen Normen 'mit Rücksicht auf ihre generelle Adresse ohne ausdrückliche Anordnung nicht zu vertreten (sei), lediglich den kraft Individualantrag ... Rechtsschutzsuchenden während des Rechtsschutzverfahrens mit einer Suspensivwirkung seines Rechtsbehelfes zu begünstigen'."
In VfSlg. 13.706/1994 habe der Verfassungsgerichtshof - so die Bundesregierung weiter - ausgesprochen, daß ihm in Normenprüfungsverfahren auch eine Entscheidung nach Art einer einstweiligen Verfügung - bei der es sich um ein Rechtsinstrument handelt, dessen Wirkungen noch weit über die Zuerkennung einer nur im Bescheidbeschwerdeverfahren vorgesehenen aufschiebenden Wirkung hinausgehen würden - versagt sei.
Die dieser Rechtsprechung zugrundeliegende innerstaatliche Rechtslage habe sich auch in den vergangenen Jahren nicht geändert.
Die Bundesregierung vertritt die Auffassung, daß die Möglichkeit, einstweiligen Rechtsschutz gegen parlamentarisch beschlossene Gesetze - sei es in Form einer aufschiebenden Wirkung oder in Gestalt einer einstweiligen Verfügung - zu gewähren, eine bedeutsame Ausweitung der dem Verfassungsgerichtshof im Rahmen seiner Gesetzesprüfungskompetenzen zugewiesenen Befugnisse darstellen würde; eine solche Ausweitung sei aber weder durch die geltende Fassung des Art140 B-VG noch durch eine andere bundesverfassungsrechtliche Bestimmung gedeckt und könne nur durch einen entsprechenden Akt des Bundesverfassungsgesetzgebers erfolgen.
Es sei offenkundig, daß der vorliegende Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung im gegenständlichen Verfahren im Ergebnis dazu führen würde, daß die Wirkung der angefochtenen Norm für die Dauer des Verfahrens suspendiert wäre. Eben dies käme auf der Grundlage des innerstaatlichen Rechts aber nicht in Betracht.
4.2. Zur Frage der Zulässigkeit einer einstweiligen Anordnung nach dem Gemeinschaftsrecht führt die Bundesregierung wörtlich folgendes aus:
"Den in Rede stehenden Anträgen könnte nur dann stattgegeben werden, wenn sich eine derartige Verpflichtung unmittelbar aus dem Gemeinschaftsrecht ableiten ließe. Die Antragstellerin führt zur Begründung ihres Antrags aus, dass sich nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs die Verpflichtung zur Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz für innerstaatliche Gerichte unmittelbar aus dem Gemeinschaftsrecht ergeben würde. Insbesondere bezieht sich die Antragstellerin in diesem Zusammenhang auf die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes in den Rechtssachen Zuckerfabrik Süderdithmarschen und Factortame.
Im Urteil Zuckerfabrik Süderdithmarschen, verb. Rs. C-143/88 und C-92/89, Slg. 1991, I-0415, befasste sich der Europäische Gerichtshof mit der Befugnis nationaler Gerichte, die Vollziehung eines auf einer EG-Verordnung beruhenden Bescheides vorläufig auszusetzen. Zumal dieser Entscheidung jedoch die Frage der Gültigkeit einer abgeleiteten Gemeinschaftsrechtsnorm und nicht die Frage der Vereinbarkeit eines nationalen Gesetzes mit dem Gemeinschaftsrecht zugrunde lag (was im Übrigen offenbar auch von der Antragstellerin gemäß ihren Ausführungen unter Punkt V.2.2 ihres Antrags so gesehen wird), ist die Süderdithmarschen-Judikatur des Europäischen Gerichtshofes einschließlich der diesbezüglichen Folgejudikatur für den gegenständlichen Fall nicht einschlägig. Eine weitergehende Auseinandersetzung mit der diesbezüglichen Judikatur des Europäischen Gerichtshofes bzw. mit den diesbezüglichen Ausführungen der Antragstellerin erübrigt sich daher aus der Sicht der Bundesregierung.
In der Rechtssache Factortame, Rs. C-213/89, Slg. 1990, I-2433, befasste sich der Europäische Gerichtshof mit der Frage der Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz bei Zweifeln eines nationalen Gerichts an der Vereinbarkeit einer innerstaatlichen Bestimmung mit dem Gemeinschaftsrecht. Gegenstand des Verfahrens war ein britisches Gesetz, dessen Gemeinschaftsrechtskonformität wegen Anknüpfungen an Staatsangehörigkeitserfordernisse im Hinblick auf die Grundfreiheiten zweifelhaft war. Die Gewährung eines innerstaatlichen vorläufigen Rechtsschutzes im Rahmen eines Antrags auf gerichtliche Überprüfung wurde im konkreten Fall für unzulässig erachtet, da nach einem alten Grundsatz des Common Law gegen die Krone, d.h. gegen die Regierung, keine einstweiligen Anordnungen ergehen dürfen.
Der Europäische Gerichtshof erkannte in der an ihn gerichteten Vorlage zu Recht, dass 'ein nationales Gericht, das in einem bei ihm anhängigen, das Gemeinschaftsrecht betreffenden Rechtsstreit zu der Auffassung gelangt, dem Erlass einstweiliger Anordnungen stehe nur eine Vorschrift des nationalen Rechts entgegen, diese Vorschrift nicht anwenden darf' (Rz. 23). Dem gegenständlichen Urteil liegt somit der Ausgangsfall zu Grunde, dass in einem Mitgliedstaat das Rechtsinstrument des einstweiligen Rechtsschutzes innerstaatlich grundsätzlich besteht, die Anwendung aber aufgrund einer eigenen Bestimmung für einen konkreten Fall ausgeschlossen wird. Diese die Anwendung im Einzelfall ausschließende nationale Bestimmung dürfe demnach nicht zur Anwendung gebracht werden."
Die Bundesregierung geht davon aus, daß dieses Urteil im Ergebnis nur "zur Nichtanwendung von Einzelbeschränkungen vor dem Hintergrund eines innerstaatlich grundsätzlich vorhandenen Systems des einstweiligen Rechtsschutzes" führe; daraus könne aber keine Verpflichtung zur völligen Neuschaffung eines derartigen Rechtsinstruments des Provisorialrechtsschutzes abgeleitet werden, wenn ein solcher innerstaatlich in dieser Form überhaupt nicht bestehe. Da der österreichischen Rechtsordnung ein einstweiliger Rechtsschutz gegen generelle Rechtsakte grundsätzlich unbekannt sei und es daher nicht um die Nichtanwendung einer Ausnahmebestimmung gehe, vertritt die Bundesregierung die Auffassung, daß das von den Antragstellerinnen zitierte Urteil des EuGH nicht einschlägig sei. Eine Entscheidung des EuGH, wonach die Mitgliedstaaten verpflichtet wären, innerstaatlich ein System des einstweiligen Rechtsschutzes bei Nichtvorliegen dieses Rechtsinstruments von Grund auf neu zu schaffen, sei nicht ersichtlich.
Die Bundesregierung verweist sodann auf den hg. Beschluß vom 6. April 2000, B508/00, in dem der Verfassungsgerichtshof die Auffassung vertreten habe, daß es das Urteil in der Rechtssache Factortame letztlich offen lasse, "ob aus den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen an die Effektivität des Schutzes von Rechten, die sich aus dem Gemeinschaftsrecht ergeben, eine Verpflichtung des Verfassungsgerichtshofes zur Erlassung einstweiliger Anordnungen abzuleiten ist, obwohl eine gesetzliche Ermächtigung zur Setzung entsprechender Akte eines Provisorialrechtsschutzes nicht vorhanden ist".
Wörtlich führt die Bundesregierung überdies folgendes aus:
"Im Hinblick auf die Bezugnahme der Antragstellerin auf das Vertragsverletzungsverfahren betreffend die Vereinbarkeit der §§40 bis 42 InvFG mit den Artikeln 49 und 56 EG-Vertrag kann die Bundesregierung zwar die Anhängigkeit dieses Verfahrens gemäß Art226 EG-Vertrag bestätigen, weist aber darauf hin, dass sich das genannte Verfahren nicht auf die streitgegenständliche Bestimmung des §42 Abs4 InvFG bezieht. Dies schon deshalb, weil das gegenständliche Vertragsverletzungsverfahren bereits im Jahr 1999 eingeleitet wurde und sich (im Mahnschreiben der Europäischen Kommission) ausdrücklich auf das InvFG 1993 idF der Novelle BGBl. I Nr. 28/1999 bezieht. Einen §42 Abs4 gab es in dieser Fassung jedoch gar nicht, weil dieser erst durch das BGBl. I Nr. 106/1999 eingefügt wurde. Die Argumentation der Antragstellerin geht somit diesbezüglich ins Leere. Es bleibt daher festzuhalten, dass derzeit keinerlei Verfahren auf Europäischer Ebene anhängig sind, die Zweifel an der Gemeinschaftsrechtskonformität der streitgegenständlichen Bestimmung zum Ausdruck bringen würden.
Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen erübrigt sich nach Ansicht der Bundesregierung eine weitere Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der Einschreiterin. Es wird nur der Vollständigkeit halber darauf hingewiesen, dass auch bei einer Aussetzung das Vollzuges der streitgegenständlichen Bestimmung das von den Antragstellern behauptete gemeinschaftsrechtliche Problem keineswegs gelöst wäre. Die angefochtene Bestimmung enthält nämlich - wie bereits oben unter I.3.1. erwähnt - lediglich eine Ausschüttungsfiktion für Zwecke der Kapitalbesteuerung. Würde der Vollzug dieser Bestimmung ausgesetzt werden, bliebe immer noch die Erklärungspflicht der Anleger, und damit auch die (nach Ansicht der Bundesregierung durchaus zu Recht bestehende) gesetzliche Grundlage für die Besteuerung."
Die Bundesregierung beantragt, die Anträge auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
Sollte - so die Bundesregierung weiter - der Verfassungsgerichtshof zur Auffassung gelangen, daß dem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung stattzugeben sei, so gehe sie - in Übereinstimmung mit Potacs, Die Europäische Union und die Gerichtsbarkeit öffentlichen Rechts, 14. ÖJT, Bd. I/1 (2000) 81 ff. - davon aus, daß eine allfällige einstweilige Anordnung nicht zur generellen Nichtanwendung der angefochtenen Bestimmungen des InvFG führen, sondern nur Wirkungen "inter partes" entfalten könne.
II. Den (in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm §35 VerfGG zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung verbundenen) Anträgen auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung war aus folgenden Gründen keine Folge zu geben:
1. Das VerfGG 1953, idF BGBl. 311/1976, hat bei Regelung des Verfahrens über die Anfechtung der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen einem Antrag iSd Art140 Abs1 letzter Satz B-VG eine aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt und in diesem Fall auch die Erlassung einer einstweiligen Anordnung - wie sie von den antragstellenden Kreditinstituten begehrt wird - durch den Verfassungsgerichtshof nicht vorgesehen. Dies ist, wie die Regelung des §62 Abs3 VerfGG, welche den Antrag eines Gerichts iSd Art140 Abs1 erster Satz B-VG betrifft, zeigt und wie auch die gleichzeitige Neuregelung der aufschiebenden Wirkung von Beschwerden durch §85 VerfGG erkennen läßt, keine Gesetzeslücke, sondern eine beabsichtigte, sich aus den Besonderheiten des Art140 B-VG erklärende Regelung (vgl. hiezu schon den - Art139 B-VG betreffenden - hg. Beschluß VfSlg. 13.706/1994 unter Hinweis auf die Vorjudikatur).
Auch eine Entscheidung nach Art einer in der EO vorgesehenen einstweiligen Verfügung ist dem Verfassungsgerichtshof im allgemeinen, im besonderen aber auch im Rahmen seiner Zuständigkeit nach Art140 B-VG versagt. Über §35 Abs1 VerfGG, der die Bestimmungen der ZPO und des EinführungsG hiezu für sinngemäß anwendbar erklärt, soweit das VerfGG keine anderen Bestimmungen enthält, läßt sich eine sinngemäße Anwendung der Vorschriften der EO (insbesondere auch über einstweilige Verfügungen) nicht begründen (vgl. hiezu wiederum VfSlg. 13.706/1994 unter Hinweis auf Vorjudikatur).
Im innerstaatlichen Recht ist somit für das Verfahren nach Art140 B-VG die Erlassung einer einstweiligen Anordnung weder gegenüber den Antragstellern nach Art140 Abs1 letzter Satz B-VG noch gegenüber der Allgemeinheit vorgesehen; die Befugnis dazu läßt sich auch nicht im Wege einer analogen Anwendung des §85 VerfGG herleiten.
2. Primär begründen die antragstellenden Kreditinstitute ihren Antrag aber damit, daß die von ihnen bekämpfte Regelung dem Verfassungsrecht und dem Gemeinschaftsrecht widerspreche und der Verfassungsgerichtshof daher, weil alle staatlichen Organe um eine möglichst weitgehende Effektivität des Gemeinschaftsrechtes bemüht sein müßten, im Rahmen seiner Kompetenzen dieser Maxime zu folgen und einstweilige Anordnungen zu treffen habe.
2.1. Nach dem von der Judikatur des EuGH entwickelten Prinzip des Anwendungsvorranges des Gemeinschaftsrechtes hat jedes innerstaatliche Organ, das über eine Rechtssache abzusprechen oder die Rechtmäßigkeit eines behördlichen Vorgehens zu beurteilen hat, den Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechtes im Rahmen seiner Zuständigkeit zu beachten und gegebenenfalls die Anwendung der innerstaatlichen Norm zu unterlassen (EuGH 9. März 1978, Rs. 106/77, Simmenthal II, Slg. 1978, 629 ff., Rn. 21). Der Verfassungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung betont, daß auch er den Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechtes zu beachten habe (z.B. VfSlg. 14.805/1997; 14.951/1997; 15.036/1997; 15.215/1998). Er hat aber auch - unter Hinweis auf das oben zitierte Urteil des EuGH - festgehalten, daß er über die Frage, ob eine österreichische Rechtsvorschrift infolge des Anwendungsvorranges unmittelbar anwendbaren Gemeinschaftsrechtes unangewendet zu bleiben habe, nur dann selbst zu entscheiden habe, wenn die Frage für seine Entscheidung relevant sei, was für sich nach innerstaatlichem Recht zu beurteilen sei (VfSlg. 15.215/1998 unter Verweis auf VfSlg. 14.886/1997).
Nach der Judikatur des EuGH zum Provisorialrechtsschutz "haben die innerstaatlichen Gerichte ... den Rechtsschutz zu gewährleisten, der sich für die einzelnen aus der unmittelbaren Wirkung des Gemeinschaftsrechtes ergibt" (Urteil vom 19. Juni 1990, Rs. C-213/89, Factortame, Slg. 1990, I-2433 (2466 ff.), Rn. 19 unter Verweis auf zwei Urteile aus 1980). In der jüngeren, das Problem des Provisorialrechtsschutzes betreffenden Rechtsprechung des EuGH wird diese grundsätzliche Verpflichtung der nationalen Gerichte folgendermaßen umschrieben: "Im übrigen hat das nationale Gericht, das im Rahmen seiner Zuständigkeit Gemeinschaftsrecht anzuwenden hat, dessen volle Wirkung sicherzustellen." (EuGH 21. Februar 1991, Rs. C-143/88 und C-92/89, Zuckerfabrik Süderdithmarschen, Slg. 1991, I-415 (I-534 ff.), Rn. 30; EuGH 9. November 1995, Rs. C-465/93, Atlanta Fruchthandelsgesellschaft mbH, Slg. 1995, I-3761 (I-3781 ff.), Rn. 42). Im Urteil Factortame heißt es dazu in Rn. 21 wörtlich: "Die volle Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechtes würde auch dann abgeschwächt, wenn ein mit einem nach Gemeinschaftsrecht zu beurteilenden Rechtsstreit befaßtes Gericht durch eine Vorschrift des nationalen Rechts daran gehindert werden könnte, einstweilige Anordnungen zu erlassen, um die volle Wirksamkeit der späteren Gerichtsentscheidung über das Bestehen der aus dem Gemeinschaftsrecht hergeleiteten Rechte sicherzustellen."
2.2. Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner Judikatur zu Individualanträgen nach Art140 B-VG festgehalten, daß ein solcher Antrag im Hinblick auf den auch vom Gerichtshof wahrzunehmenden Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechtes u.a. dann unzulässig wäre, wenn der bekämpften Norm unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht entgegenstünde, weil in diesem Fall auszuschließen wäre, daß der Antragsteller durch die bekämpfte Norm in seinen Rechten verletzt sein könnte. Anders als bei der Entscheidung der Präjudizialitätsfrage in von Amts wegen eingeleiteten Normenprüfungsverfahren könne ein Individualantrag nur dann als zulässig angesehen werden, wenn feststehe, daß der Anwendung der bekämpften Norm nicht unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht entgegenstehe (siehe hiezu das hg. Erkenntnis vom 15. März 2000, G46/98 mit Hinweisen auf Literatur). Nur im Rahmen der Prüfung dieser Prozeßvoraussetzung für ein Verfahren, das - wie die antragstellenden Kreditinstitute selbst einräumen - der Sache nach Fragen des innerstaatlichen Verfassungsrechtes betrifft, kann somit die Frage der Gemeinschaftsrechtskonformität bzw. -widrigkeit eine Rolle spielen.
Im Zusammenhang mit der Klärung dieser Frage kann aber aus dem Gemeinschaftsrecht für die Gewährung von Provisorialrechtsschutz, der seinem Wesen nach dazu bestimmt ist, die Wirkungen einer Endentscheidung in der Sache vorab zu sichern, nicht jedoch das endgültige Prozeßziel vorwegzunehmen, weder eine Berechtigung noch gar eine Verpflichtung hergeleitet werden: Müßte nämlich zur Klärung der Frage, ob die antragstellenden Kreditinstitute von der bekämpften Norm betroffen sind, ein Vorabentscheidungsverfahren nach Art234 EG beantragt und durchgeführt werden und käme der EuGH schließlich zum Ergebnis, daß der von den antragstellenden Kreditinstituten bekämpften Norm unmittelbar anwendbare gemeinschaftsrechtliche Vorschriften entgegenstehen, dann würde aus der Sicht der vorliegenden Anträge (lediglich) feststehen, daß die bekämpften innerstaatlichen Vorschriften nicht anzuwenden und die Anträge daher mangels Betroffenheit der antragstellenden Kreditinstitute zurückzuweisen sind. Käme der EuGH hingegen zum gegenteiligen Ergebnis, so hätte der Verfassungsgerichtshof ebenfalls in der Sache selbst keine gemeinschaftsrechtliche Frage, sondern lediglich die in seine Zuständigkeit fallenden verfassungsrechtlichen Fragen zu prüfen.
Da somit im Hinblick auf die vom Verfassungsgerichtshof im Rahmen seiner Zuständigkeit wahrzunehmenden Rechtswidrigkeiten die Gewährung von Provisorialrechtsschutz im vorliegenden Fall bei keiner denkbaren Konstellation der Durchsetzung von Gemeinschaftsrecht im Rahmen einer dem Gerichtshof obliegenden Sachentscheidung dient, erweisen sich die darauf gerichteten Anträge als unzulässig.
3. Bei diesem Ergebnis braucht weder darüber abgesprochen werden, ob aus dem Gemeinschaftsrecht überhaupt eine Verpflichtung des Verfassungsgerichtshofes zur Erlassung einstweiliger Anordnungen abzuleiten ist, obwohl im innerstaatlichen Recht eine gesetzliche Ermächtigung zur Setzung entsprechender Akte eines Provisorialrechtsschutzes nicht vorhanden ist, noch muß entschieden werden, ob im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für die Gewährung von Provisorialrechtsschutz im einzelnen gegeben sind.
4. Da somit die Voraussetzungen für die Erlassung einer einstweiligen Anordnung durch den Verfassungsgerichtshof nicht vorliegen, war den darauf abzielenden Anträgen keine Folge zu geben, was gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG in nicht öffentlicher Sitzung beschlossen werden konnte.
Schlagworte
EU-Recht, Kreditwesen, Rechtsschutz, VfGH / Individualantrag, VfGH / Verfahren, VfGH / Verfügung einstweilige, VfGH / Wirkung aufschiebende, AnalogieEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2001:G69.2001Dokumentnummer
JFT_09989690_01G00069_00