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L66107 Einforstung Wald- und Weideservituten Felddienstbarkeit Tirol;Norm
AVG §58 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde des F in W, vertreten durch Dr. Bernhard Hämmerle und Dr. Robert Felderer, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Andreas-Hofer-Straße 2-4, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, vom 24. September 2001, Zl. 18.327/02-IA8/01, betreffend Rodungsbewilligung (mitbeteiligte Partei: Schützengilde W, vertreten durch Dr. Bernhard Heitzmann, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Müllerstraße 3), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 291,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kufstein (BH) vom 11. Februar 2000 wurde der mitbeteiligten Partei die Rodungsbewilligung für eine Teilfläche des Grundstückes Nr. 618/2 der KG W. im Ausmaß von ca. 4.800 m2 zum Zwecke der Errichtung einer Schießstandanlage nach Maßgabe des einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides bildenden Lageplanes und eines Übersichtsplanes unter Vorschreibung verschiedener Nebenbestimmungen gemäß den §§ 17 Abs. 2, 18 und 19 des Forstgesetzes 1975, BGBl. Nr. 440 (ForstG), erteilt.
Nach der Begründung sei die mitbeteiligte Partei Eigentümerin des genannten Grundstückes. Sie habe mit Schreiben vom 9. April 1999 den Antrag auf Erteilung der Rodungsbewilligung für eine Teilfläche dieses Grundstückes im Ausmaß von 5.508 m2 für die Errichtung eines Schießstandes gestellt. Dieser Antrag sei bei der mündlichen Verhandlung am 11. Mai 1999 im Sinne des Spruches abgeändert worden. Zur Frage des öffentlichen Interesses an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche habe der forstfachliche Amtssachverständige ausgeführt, dass es sich bei der mitbeteiligten Partei um einen Sportschützenverein handle, der in der Bezirks- und Landesliga engagiert sei. In den Reihen der mitbeteiligten Partei gebe es Olympia- und Weltcupteilnehmer. Das gegenständliche Grundstück weise eine Flächenwidmung als "Sonderfläche Schießstand" auf, wodurch bereits ein öffentliches Interesse an der beantragten Rodung dokumentiert werde. Ein im Sport begründetes öffentliches Interesse werde in der Aufzählung des § 17 Abs. 3 ForstG zwar nicht ausdrücklich erwähnt, es handle sich dabei aber um eine bloß demonstrative Aufzählung. Ein im Sport begründetes Interesse könne daher auch als öffentliches Interesse im Sinne des Forstgesetzes gewertet werden. Da eine Beeinträchtigung des Erholungswertes bzw. der Erholungsfunktion des Waldes in einem nennenswerten Ausmaß durch eine ordnungsgemäße Schießsportanlage nicht gegeben sei, sei davon auszugehen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Rodungsbewilligung gemäß § 17 Abs. 2 ForstG vorlägen. Hinsichtlich der Einwendungen des Beschwerdeführers, wonach es durch die Verwendung des Grundstückes der mitbeteiligten Partei zu waldfremden Zwecken zu einer Beeinträchtigung seiner Weideberechtigungen auf der umliegenden Liegenschaft kommen würde, habe der forstfachliche Amtssachverständige in seinem schriftlichen Gutachten dargelegt, dass die Weiderechte auf dem Grundstück Nr. 618/1 seit Jahrzehnten nicht mehr ausgeübt würden. Eine Ausübung dieser Rechte im südlichen Bereich dieses Grundstückes sei auf Grund der Geländesteilheit und des Felsanteiles schon geländebedingt nicht mehr möglich. Der westlich an das Grundstück 618/2 im ebenen Talboden angrenzende Teil des Grundstückes 618/1 sei durch einen 40 bis 50-jährigen ungleichaltrigen Laubmischwald dicht bestockt. Ebenso sei die nördlich des Weges befindliche Waldfläche des Grundstückes 618/1 durch ein 50 bis 60-jähriges Fichtenbaumholz mit starkem Strauchunterwuchs bewachsen. Der Zustand dieser Waldflächen beweise, dass die Waldweide seit Jahrzehnten nicht mehr ausgeübt worden sei. Ein relevanter Futterertrag sei aus diesen Waldflächen nicht zu erzielen. Eine Beweidung erscheine daher nicht zweckmäßig und betriebswirtschaftlich kaum sinnvoll, weshalb auch die Agrarbehörde der beantragten Rodung aus agrarrechtlicher Sicht zugestimmt habe.
Bezüglich einer allfälligen Beeinträchtigung der umliegenden Waldflächen habe die Behörde gleichfalls eine forstfachliche Stellungnahme eingeholt. Der Amtssachverständige habe diesbezüglich näher begründend dargelegt, dass durch die Rodung keine unvorbereitet aufgerissenen Bestandesränder entstünden. Lediglich auf die Haltung eines Gehölzstreifens im Osten sollte Bedacht genommen werden, was durch eine entsprechende Nebenbestimmung erfolgt sei. Die Einwendungen des Beschwerdeführers hätten daher nicht zu einer Abweisung des beantragten Rodungsansuchens führen können.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 23. September 2000 als unbegründet abgewiesen.
Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 24. September 2001 wurde auch die gegen den Bescheid des Landeshauptmannes erhobene Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit den §§ 17 ff ForstG als unbegründet abgewiesen.
Nach der Begründung habe der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren Weiderechte auf dem Grundstück der mitbeteiligten Partei behauptet. Diese Weiderechte seien seiner Ansicht nach im Jahre 1970 zu Unrecht gelöscht worden. Weiderechte könnten nämlich nach den gesetzlichen Bestimmungen lediglich durch Entscheidung der Agrarbehörde abgeändert oder abgelöst werden. Das Grundstück der mitbeteiligten Partei sei ohne Bewilligung der Agrarbehörde im Grundbuch lastenfrei abgeschrieben und die Weiderechte des Beschwerdeführers gelöscht worden. Trotz dieser Löschung im Grundbuch seien die Weiderechte jedoch nach dem Stand der Servitutenregulierungsurkunde vom 18. Dezember 1873 nach wie vor aufrecht.
Zu diesem Vorbringen verwies die belangte Behörde auf den von der mitbeteiligten Partei übermittelten Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom 24. April 2001, Zl. 5 Ob 82/01x, dem zu entnehmen sei, dass im gegenständlichen Fall auf Grund der eingetretenen Verjährung eine lastenfreie Abschreibung betreffend das verfahrensgegenständliche Grundstück erfolgt sei; die dingliche Berechtigung des Beschwerdeführers sei daher erloschen. Da sich die Parteistellung des Beschwerdeführers auf die Wahrnehmung jener Interessen beschränke, deren Schutz durch die Einräumung der Parteistellung bezweckt werde, könne er als an der angrenzenden Waldparzelle dinglich Berechtigter nur jene Einwendungen geltend machen, welche die Abwehr der durch die Rodungsbewilligung drohenden Nachteile durch das eingeräumte Recht zum Gegenstand hätten. Hinsichtlich des Vorbringens des Beschwerdeführers, wonach es durch die Verwendung des Grundstückes der mitbeteiligten Partei zu waldfremden Zwecken zu einer Beeinträchtigung der Weideberechtigung auf der umliegenden Liegenschaft kommen würde, habe bereits der forstfachliche Amtssachverständige der BH darauf hingewiesen, dass die Weiderechte schon seit Jahrzehnten nicht mehr ausgeübt würden bzw. geländebedingt nicht mehr möglich seien. Da auch ein relevanter Futterertrag auf diesen Waldflächen nicht zu erzielen sei, habe die Agrarbehörde der beantragten Rodung zugestimmt. Hinsichtlich einer allfälligen Beeinträchtigung der umliegenden Waldflächen habe der forstfachliche Amtssachverständige ausgeführt, dass die im Westen, Süden und Norden an die Rodefläche angrenzenden Waldbestände zur Rodefläche hin einen dichten stabilen Waldtrauf aufwiesen bzw. die Bäume an den Freistand angepasst seien, sodass eine Gefährdung durch Wind oder Schnee auf Grund der beabsichtigten Rodung ausgeschlossen sei. Ein flächiger Windwurf oder Schneebruch würde überdies nicht zu einem Verlust an Weideflächen führen, sondern im Gegenteil auf Grund fehlender Beschirmung die Weidemöglichkeit durch den Beschwerdeführer verbessern.
Sofern der Beschwerdeführer behaupte, durch den Betrieb der Schießstandanlage würden verschiedene Beeinträchtigungen entstehen, sei darauf hinzuweisen, dass im Rodungsverfahren nur die Auswirkungen, die sich aus der Rodung selbst ergeben würden, zu berücksichtigen seien. Gefahren, Nachteile und Einwirkungen (Immissionen) des auf der Rodefläche geplanten Projektes auf den umgebenden Wald seien nicht Gegenstand des Rodungsverfahrens. Auf Grund des vorliegenden Beschlusses des Obersten Gerichtshofes sei auf das Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend der behaupteten Weiderechte auf dem Grundstück Nr. 618/2 nicht mehr weiter einzugehen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Auch die mitbeteiligte Partei hat in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 19 Abs. 5 lit. d ForstG ist als Partei im Rodungsverfahren unter anderem der Eigentümer und der dinglich Berechtigte der an die zur Rodung beantragten Waldfläche angrenzenden Waldflächen anzusehen.
Der Beschwerdeführer leitet seine Parteistellung aus Weiderechten am Grundstück Nr. 618/1 ab.
Die Parteistellung von an der zur Rodung beantragten Waldfläche dinglich Berechtigten ist im Rodungsverfahren darauf beschränkt, aus dem Titel der mit ihren Interessen verbundenen Interessen das öffentliche Interesse an der Walderhaltung geltend zu machen (vgl. dazu etwa die bei Jäger, Forstrecht3, wiedergegebene Rechtsprechung zu § 19 Abs. 4, insbes. E 19). Der Verwaltungsgerichtshof hat beispielsweise zum Fall von Einforstungsrechten bereits ausgesprochen, dass deren Ausübung insoweit als die Regelungen im Wald- und Weideservituten-Grundsatzgesetz reichen, dem öffentlichen Recht zuzuordnen ist (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 31. Jänner 1992, Zl. 91/10/0024). Für den Fall von Weiderechten folgt somit, dass das Interesse an der Walderhaltung vom Weideberechtigten geltend gemacht werden kann, soweit die Walderhaltung dem Schutz des Weiderechtes zu dienen geeignet ist.
Der Beschwerdeführer behauptet eine Beeinträchtigung seiner Weiderechte auf dem an die Rodefläche angrenzenden Grundstück, da es im Grenzbereich zur Liegenschaft Nr. 618/2 nach den Ausführungen des forsttechnischen Sachverständigen zur Ausbildung eines "Waldrandes mit verstärktem Bewuchs" kommen würde. Das Ausmaß dieser Beeinträchtigung wäre von einem agrartechnischen Sachverständigen zu beurteilen gewesen.
Zur Frage der Beeinträchtigung der Weiderechte des Beschwerdeführers hat bereits der von der Behörde erster Instanz beigezogene forstfachliche Amtssachverständige dargelegt, dass eine Waldweide teilweise geländebedingt gar nicht möglich bzw. daraus ein relevanter Futterertrag nicht zu erzielen sei. Eine Beweidung sei daher weder zweckmäßig noch betriebswirtschaftlich kaum sinnvoll. Der Beschwerdeführer ist diesen - nicht als unschlüssig zu erkennenden - Ausführungen des Sachverständigen weder konkret noch auf gleicher fachlicher Ebene entgegen getreten. Es kann daher nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde der behaupteten Beeinträchtigung der Rechte des Beschwerdeführers bei der Abwägung mit dem öffentlichen Interesse am Rodungszweck keine entscheidende Bedeutung beigemessen hat.
Der Beschwerdeführer rügt ferner, es sei unzulässig, allein aus der Widmung des Grundstückes als "Sonderfläche Schießstand" ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche abzuleiten. Die bereits in den 70iger Jahren erfolgte Widmung sei jedenfalls im Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde nicht mehr gesetzeskonform und mangels Ausführung des Bauvorhabens aufzuheben gewesen.
Auch dieses Vorbringen ist nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun. Der Beschwerdeführer ist im Rahmen seines Mitsprachrechtes nämlich nicht berechtigt, geltend zu machen, die Behörde habe das öffentliche Interesse an der Rodung bzw. dessen Ausmaß falsch beurteilt, zumal er nicht aufzeigt, dass ihm seine Weiderechte ein konkretes Interesse an der Walderhaltung vermitteln.
Im Rodungsverfahren sind nur die Auswirkungen, die sich aus der Rodung selbst ergeben, zu berücksichtigen; die Gefahren, Nachteile und Einwirkungen (Immissionen) des auf der Rodungsfläche geplanten Projekts auf den umgebenden Wald sind nicht Gegenstand des Rodungsverfahrens (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 4. September 2000, Zl. 2000/10/0086).
Die Ausführungen des Beschwerdeführers bezüglich der mit der Benützung des zu errichtenden Schießstandes zu erwartenden Lärmbelästigung bzw. etwaiger damit verbundener Gefahren waren daher von der belangten Behörde nicht zu berücksichtigen.
In der Beschwerde wird schließlich darauf hingewiesen, dass im erwähnten Lageplan lediglich eine rot gekennzeichnete Fläche (im Ausmaß von ca.1.000 m2) als "Rodefläche" beschriftet sei. Wo die übrige Fläche im Ausmaß von 3.800 m2 läge, die ebenfalls gerodet werden solle, sei aus dem Plan nicht ersichtlich.
Auf dieses Vorbringen ist zu erwidern, dass mit dem im Instanzenzug bestätigten Spruch des Bescheides der BH für eine Teilfläche des Grundstückes 618/2 der KG W. eine Rodungsbewilligung im Ausmaß von 4.800 m2 erteilt worden ist. Aus der Begründung dieses Bescheides ergibt sich, dass der (ursprüngliche) Rodungsantrag bei der mündlichen Verhandlung am 11. Mai 1999 von der mitbeteiligten Partei abgeändert worden ist. Es wurde nicht mehr um die Rodung der Gesamtfläche der Grundparzelle 618/2 (im Ausmaß von 5. 508 m2) angesucht, sondern um die im Lageplan rot (1.000 m2) und weiß (3.800 m2) eingezeichnete Teilfläche (somit um insgesamt 4.800 m2). Der im Lageplan grün eingezeichnete südliche Teil solle hingegen weiter bestockt bleiben. Bereits aus dem Spruch des Bescheides der BH in Verbindung mit dessen Begründung ist somit eine ausreichende Beschreibung der Rodefläche gegeben, auch wenn im Lageplan nur die rot eingezeichnete Teilfläche den schriftlichen Zusatz "Rodefl.
ca. 1.000 m2" enthält.
Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb
sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG, abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die
§§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Kostenersatzverordnung 2003.
Wien, am 22. November 2004
Schlagworte
Fischerei ForstrechtSpruch und BegründungBesondere Rechtsgebiete DiversesIndividuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1Umfang der Abänderungsbefugnis Allgemein bei Einschränkung der Berufungsgründe beschränkte ParteistellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2001100225.X00Im RIS seit
19.01.2005Zuletzt aktualisiert am
09.07.2009