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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
ApG 1907 §10;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde der Mag. pharm. UL in R, vertreten durch Hopmeier Sauerzopf & Partner, Rechtsanwälte in 1010 Wien Rathausstraße 15, gegen den Bescheid des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen vom 19. Juli 2002, Zl. 262.405/0-VI/C/15/02, betreffend Abweisung eines Devolutionsantrages in einer Apothekenangelegenheit, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin suchte am 28. September 1998 beim Landeshauptmann von Burgenland um Erteilung der Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer öffentlichen Apotheke mit einem näher umschriebenen Standort in E an. Am 19. September 2001 beantragte sie den Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung gemäß § 73 Abs. 2 AVG auf die belangte Behörde.
Diesen Antrag wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid ab. Begründend wurde nach Hinweisen auf die Rechtslage dargelegt, die Dauer des Ermittlungsverfahrens sei durch mehrere Problempunkte gerechtfertigt. Zunächst seien Einreichunterlagen erst nach Einlangen des Ansuchens vorgelegt worden. Von zentraler Bedeutung sei auch, dass auf Anregung der Ärztekammer für Burgenland und auch der Österreichischen Apothekerkammer, Landesgeschäftsstelle Burgenland, die persönliche Eignung der Beschwerdeführerin im Hinblick auf EU-Konformität zu prüfen gewesen sei. Hiezu sei ein eigenes Gutachten der Österreichischen Apothekenkammer erforderlich gewesen. Die Beschwerdeführerin habe ein Gutachten der Universität Passau vorgelegt. Zwei einspruchswerbende Nachbarapotheken hätten die Befolgung des genauen Wortlautes des § 3 Abs. 4 ApG eingemahnt. Aus all dem sei ersichtlich, dass es sich um einen Präzedenzfall handle, der in der Tat einer sorgfältigen Prüfung bedürfe und für eine gesetzmäßige Entscheidung nicht allein die Geschwindigkeit des Verfahrensablaufes maßgeblich sein könne. Hinzu käme, dass einer der einspruchswerbenden Nachbarapotheker sich in seiner gleichzeitigen Eigenschaft als Präsident der Österreichischen Apotherkammer, Landesgeschäftsstelle Burgenland, für befangen erklärt habe und im gegenständlichen Fall nicht der normale Ablauf der Gutachtenerstellung durch die zuständige Landesgeschäftsstelle haben erfolgen können. Im Übrigen beinhalte das von der Österreichischen Apothekerkammer in Wien erstellte Gutachten ein negatives Ergebnis, welches nicht bloß durch eine Gutachtensergänzung, wie dies die Beschwerdeführerin am 6. November 2000 beantragt habe, umkehrbar wäre, sondern - unvorgreiflich der Entscheidung durch den Landeshauptmann - wenn überhaupt, durch weitreichende umfangreiche zusätzliche Ermittlungsschritte. Zutreffenderweise hätten zwei der einspruchswerbenden Nachbarapotheker auch die zu beachtende (näher genannte) Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zitiert. Anhand der ersehbaren mehrfachen Problemkonstellation im gegenständlichen Fall, die wohl zu Verzögerungen im gesamten Ablauf geführt hätte, und deren Lösung sicherlich noch weitere Ermittlungen bzw. Zeit in Anspruch nehmen werde, sei die belangte Behörde der Ansicht, dass insgesamt die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde erster Instanz zurückzuführen sei. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes könne nicht einmal ein ausschließliches Verschulden der Behörde an der Verzögerung der Entscheidung im Sinne des § 73 Abs. 2 letzter Satz AVG angenommen werden, wenn im Hinblick auf den Abspruchsgegenstand und die damit im Zusammenhang durchzuführenden Erhebungen die Erforderlichkeit eines über die Dauer der Entscheidungsfrist des § 73 Abs. 1 AVG hinausgehenden Ermittlungsverfahrens gegeben sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.
Die belangte Behörde legte die von ihr über den Devolutionsantrag geführten Akten vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Sie brachte vor, der Akt der ersten Instanz könne nicht vorgelegt werden, weil er zur Erledigung des Falles benötigt werde. Eine formlose Anfrage des Berichters am 5. November 2004 ergab, dass das Konzessionsverfahren in erster Instanz noch nicht erledigt ist.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 73 Abs. 1 AVG sind die Behörden verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen.
Wird der Bescheid nicht innerhalb der Entscheidungsfrist erlassen, so geht gemäß § 73 Abs. 2 AVG auf schriftlichen Antrag der Partei die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde (...) über (Devolutionsantrag). Der Devolutionsantrag ist bei der Oberbehörde (...) einzubringen. Er ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.
Die belangte Behörde hat den Devolutionsantrag im Hinblick auf ihre Auffassung abgewiesen, dass die Verzögerung der Entscheidung über den am 28. September 1998 eingebrachten Konzessionsantrag (von etwa zwei ein halb Jahren über den Ablauf der sechsmonatigen Entscheidungsfrist hinaus, bezogen auf den Zeitpunkt des Devolutionsantrages) nicht ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde erster Instanz zurückzuführen sei.
Nach der Rechtslage vor der AVG-Novelle 1998 setzte der Übergang der Entscheidungspflicht ein "ausschließliches Verschulden" der Behörde an der Verzögerung voraus. Der Verwaltungsgerichtshof vertrat in ständiger Rechtsprechung zu § 73 Abs. 2 AVG in der Fassung vor der AVG-Novelle 1998 die Auffassung, dass die Verzögerung der Entscheidung dann ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen ist, wenn sie weder durch das Verschulden der Partei noch durch unüberwindliche Hindernisse verursacht wurde (vgl. zuletzt z.B. das Erkenntnis vom 29. Juni 2000, Zl. 99/07/0161, mwN).
Nach § 73 Abs. 2 AVG in der Fassung der AVG-Novelle 1998, BGBl. I Nr. 158/1998, genügt ein "überwiegendes Verschulden" der Behörde an der Verzögerung; es ist somit - gegebenenfalls - das Verschulden der Partei an der Verzögerung gegen jenes der Behörde abzuwägen.
Die belangte Behörde hat den Devolutionsantrag im Hinblick auf ihre Auffassung abgewiesen, dass die Verzögerung der Entscheidung über den am 28. September 1998 eingebrachten Konzessionsantrag (von etwa zweieinhalb Jahren über den Ablauf der sechsmonatigen Entscheidungsfrist hinaus, bezogen auf den Zeitpunkt des Devolutionsantrages) nicht überwiegend auf ein Verschulden der Behörde erster Instanz zurückzuführen sei.
Im Beschwerdefall sind Umstände, in denen ein Verschulden der Beschwerdeführerin an der Verzögerung gesehen werden könnte, nicht ersichtlich; der angefochtene Bescheid geht auch nicht von einem Verschulden der Beschwerdeführerin aus. Daraus folgt, dass die Abweisung des Devolutionsantrages nur dann dem Gesetz entspräche, wenn die Behörde erster Instanz an der Verzögerung keinerlei Verschulden träfe. Dies wäre dann der Fall, wenn der Entscheidung der Behörde erster Instanz bis zur Einbringung des Devolutionsantrages "unüberwindliche Hindernisse" entgegen gestanden wären (vgl. hiezu z.B. das Erkenntnis vom 17. Oktober 2002, Zl. 2002/07/0102; vgl. weiters die bei Thienel, Verwaltungsverfahrensrecht2, 323, unter Hinweis auf hg. Rechtsprechung genannten Umstände).
Der Begründung des angefochtenen Bescheides kann nicht nachvollziehbar entnommen werden, dass einer Entscheidung der Behörde erster Instanz unüberwindliche Hindernisse entgegengestanden wären, die - trotz zweckentsprechender und zügiger Verfahrensführung - eine Entscheidung vor dem Einlangen des Devolutionsantrages unmöglich machten. Nach den in dieser Hinsicht lediglich ganz allgemeinen Darlegungen des angefochtenen Bescheides sind die Verzögerungen in der Erledigung auf die Notwendigkeit umfangreicher Ermittlungen (offenbar in der Frage der persönlichen Eignung und des Bedarfes an einer neuen öffentlichen Apotheke) zurückzuführen. Der Begründung des angefochtenen Bescheides kann jedoch - schon mangels ins Einzelne gehender Feststellungen betreffend die zeitlichen Abläufe im Verfahren - nicht entnommen werden, welche konkreten Ermittlungsschritte innerhalb von etwa drei Jahren nach Antragstellung infolge "unüberwindlicher Hindernisse" nicht abgeschlossen werden konnten. Es fehlt somit auch eine nachvollziehbare Begründung für die Annahme, dass einer Erledigung des Verfahrens erster Instanz vor dem Einlangen des Devolutionsantrages unüberwindliche Hindernisse entgegengestanden wären.
Der angefochtene Bescheid ist daher rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften; er war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 22. November 2004
Schlagworte
Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel Besondere Rechtsgebiete Diverses Verschulden der Behörde §73 Abs2 letzter Satz AVGEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2002100153.X00Im RIS seit
27.12.2004Zuletzt aktualisiert am
05.11.2008