TE Vfgh Erkenntnis 2001/3/14 B2320/98

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Veröffentlicht am 14.03.2001
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Index

97 Vergabewesen
97/01 Vergabewesen

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art83 Abs2
B-VG Art144 Abs1 / Prüfungsmaßstab
BundesvergabeG §115

Leitsatz

Keine Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und im Gleichheitsrecht durch Zurückweisung eines Antrags auf Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens nach einer öffentlichen Auftragsvergabe mangels Identität des dem abgeführten Wettbewerb zugrundeliegenden Projekts mit dem vertraglich realisierten Projekt; keine Vorlagepflicht der Behörde an den Europäischen Gerichtshof im vorliegenden Fall

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Bundesbaudirektion hat für den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten mit Veröffentlichung im Zentralblatt Nr. 6 vom 7. Februar 1996 eine öffentliche Interessentensuche für einen beschränkten Planungswettbewerb zur Evaluierung der "technisch-wirtschaftlich sinnvollsten Lösung" für eine Biomasse-Heizungsanlage für die Wärmeversorgung verschiedener Objekte am Truppenübungsplatz Allentsteig verlautbart. Der Beschwerdeführer hat sich für die Teilnahme an diesem Planungswettbewerb qualifiziert und wurde in der Folge eingeladen, daran teilzunehmen.

Nach Vorlage seiner Projektstudie wurde dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 3. Juni 1996 mitgeteilt, daß er als Sieger des Wettbewerbs mit einstimmiger Juryentscheidung hervorgegangen sei. Das Juryergebnis wurde veröffentlicht und das Büro des Beschwerdeführers mit der Ausarbeitung eines Vorentwurfs für die projektierte Biomasse-Fernwärmeanlage beauftragt. Nach Fertigstellung des Vorentwurfs und der Freigabe desselben durch alle damit befaßten Stellen wurde mit dem Beschwerdeführer ein Generalplanervertrag ausgehandelt, dessen Unterzeichnung durch den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten sich in der Folge jedoch verzögern sollte.

Am 5. September 1997 wurde dem Beschwerdeführer mittels Schreiben des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten mitgeteilt, daß das Bundesministerium für Landesverteidigung mit einem Elektrizitätsversorgungsunternehmen einen Wärmelieferungsvertrag abgeschlossen habe, welcher auch vom Wirtschaftsminister gefertigt worden sei, weil die Anschlußkosten aus dem Budget jenes Ressorts getragen würden.

Am 25. September 1997 beantragte der Beschwerdeführer beim Bundesvergabeamt (BVA) die Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens gemäß §113 Abs3 Bundesvergabegesetz (BVergG).

Mit Bescheid vom 21. Oktober 1998, Z F-20/97-8, wies das BVA den Antrag "mangels Vorliegen eines rechtlichen und wirtschaftlichen Interesses des Antragstellers am Abschluß des Leistungsvertrages" gemäß §115 Abs1 BVergG zurück und begründete dies damit, daß - wie sich aus den vom Auftraggeber zur Verfügung gestellten Unterlagen ergebe - der Antragsteller (lediglich) einen Planungswettbewerb gewonnen habe, der mit dem Auftragsschreiben betreffend den Vorentwurf und der Überweisung des Honorars abgeschlossen worden sei. Aus der Aktenlage ergebe sich, daß der Auftraggeber in der Folge von dem dem Wettbewerb zugrundeliegenden Projekt keinen Gebrauch gemacht habe, sondern einen gänzlich anderen Auftrag in Form eines Wärmelieferungsvertrages erteilt habe. Zur Erbringung derartiger (Wärmelieferungs-)Leistungen sei der Antragsteller aber weder befähigt noch befugt und könne deshalb auch kein rechtliches oder wirtschaftliches Interesse am Abschluß eines darauf abzielenden Vertrages haben. Die Entscheidung des Auftraggebers, nach einem durchgeführten Wettbewerb das Projekt nicht auszuführen, sei keine Entscheidung, die zu prüfen das BVA befugt sei.

2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen bzw. eines "EU-widrigen" Gesetzes behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides begehrt wird.

Das BVA hat die Verwaltungsakten vorgelegt, unter Hinweis auf die Ausführungen im Bescheid von einer Gegenschrift aber abgesehen, und beantragt, die gegenständliche Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. a) Als Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz wirft der Beschwerdeführer dem BVA zunächst vor, daß dieses die Bestimmungen des Vergabegesetzes willkürlich und sinnwidrig angewandt habe bzw. von falschen Voraussetzungen ausgegangen sei. Im wesentlichen wird dabei vorgebracht, daß tatsächlich die Errichtung einer Wärmelieferungsanlage ausgeschrieben war, die durch das Bundesheer selbst gebaut und betrieben werden sollte. Die Auffassung des BVA, daß keine Anlage errichtet worden sei, sondern das schließlich mit der Wärmelieferung beauftragte Elektrizitätsversorgungsunternehmen in bereits bestehenden Anlagen produzierte Wärme an das Bundesheer verkaufe, sei verfehlt: Auch das beauftragte Unternehmen hätte eine Neuanlage gebaut. Das BVA sei zudem von unrichtigen Voraussetzungen betreffend seine fachliche Befugnis ausgegangen: In Wahrheit sei der Beschwerdeführer befugt, alle maschinenbautechnischen Anlagen, insbesondere energietechnische Anlagen zu planen. Neben dem Gewerbeschein für Handel für Waren aller Art und Großhandel, besitze der Beschwerdeführer auch die Gewerbeberechtigung für Heizungsinstallation der Oberstufe (inklusive Dampfanlagen).

b) Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10.413/1985, 11.682/1988) verletzt der Bescheid einer Verwaltungsbehörde das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz dann, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

c) Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des §115 Abs1 BVergG wurden in der Beschwerde weder vorgebracht, noch sind solche beim Verfassungsgerichtshof aus Anlaß dieses Verfahrens entstanden. Mit den - oben unter a) dargelegten - Vorwürfen werden keine in die Verfassungssphäre reichenden Fehler geltend gemacht; eine verfassungswidrige Gesetzesanwendung kann dem BVA nicht vorgeworfen werden: Die Behörde hat ihre Entscheidung begründet und diese - wie die Verwaltungsakten erweisen - weder leichtfertig getroffen noch sonst Willkür geübt. Ob das BVA die fachlichen Befugnisse des Beschwerdeführers richtig beurteilt hat, hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen; und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall - gegen einen Bescheid des BVA - einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG - richtet, der beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. VfSlg. 10.565/1985, 10.659/1985, 12.697/1993). Der Beschwerdeführer scheint zudem zu verkennen, daß für die Entscheidung der Behörde primär die mangelnde Identität des tatsächlich realisierten (Lieferung von Wärme aus externen Wärmekraftwerken) mit dem dem Wettbewerb zugrundeliegenden Projekt (Planung einer örtlichen Biomasse-Heizungsanlage), für das der Beschwerdeführer ohnehin den Zuschlag und die Auslobungsprämie erhalten hat, entscheidungsbegründend ist und in der Folge die fachliche Befugnis des Beschwerdeführers deshalb im Hinblick auf das tatsächlich realisierte - nicht aber auf das ursprünglich geplante - Projekt zu beurteilen war.

2. a) Zu prüfen bleibt dem Verfassungsgerichtshof schließlich die Frage, ob der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt wurde, was der Fall wäre, wenn das BVA eine ihm gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch genommen bzw. in gesetzwidriger Weise seine Zuständigkeit abgelehnt hätte (zB VfSlg. 9696/1983), etwa indem es zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert hätte (zB VfSlg. 10.374/1985, 11.405/1987, 13.280/1992). Explizit gerügt wird in der Beschwerde die Verletzung dieses Rechts nur im Hinblick auf die Nichtvorlage entscheidungserheblicher Fragen der Auslegung des Gemeinschaftsrechts an den EuGH, womit auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. zB VfSlg. 14.390/1995, 14.889/1997) Bezug genommen wird, wonach der Bescheid einer Verwaltungsbehörde dann das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt, wenn die bescheiderlassende Behörde als Gericht im Sinne des Art234 Abs3 EG eingerichtet ist und es verabsäumt, eine solche (entscheidungsrelevante) Frage dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen.

Der Beschwerdeführer bezweifelt die richtlinienkonforme Ausgestaltung des bundesvergabegesetzlichen Rechtsschutzes und rügt die Nichtvorlage diesbezüglicher Fragen an den EuGH durch das BVA.

b) Dem BVA ist eine Verletzung des Beschwerdeführers im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nicht vorzuwerfen:

Aus den vorgelegten Verwaltungsakten (insbesondere aus dem Schreiben der Bundesbaudirektion Wien an den Beschwerdeführer vom 9. Oktober 1997) ergibt sich, daß die vergebende Stelle vom Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten angewiesen wurde, "die weitere Projektsdurchführung (also jenes Projektes, das Gegenstand des vom Beschwerdeführer gewonnenen Planungswettbewerbes war) im eigenen Wirkungsbereich einzustellen und die Wärme von einer privaten Gesellschaft zuzukaufen". Zum Ausdruck kommt weiters, daß die als vergebende Stelle auftretende Bundesbaudirektion Wien nunmehr nicht mehr als Planer, Bauherr oder Betreiber sondern nur mehr als Bezieher von Fernwärme auftrete und die Wärme "in einer Anlage erzeugt werde, die sich nicht im Besitz der Republik Österreich befinde und nicht auf einem Grundstück stehe, das der Republik Österreich gehört". Angesichts dieser Aktenlage vermag der Verfassungsgerichtshof der Auffassung des BVA nicht entgegenzutreten, wonach der der Ausschreibung zugrundeliegende Planungswettbewerb mit dem Zuschlag an den Beschwerdeführer beendet wurde, es sich bei dem in der Folge abgeschlossenen Wärmelieferungsvertrag sohin um ein aliud handle und der auf die Kontrolle dieser (nicht wettbewerbsgegenständlichen) Vorgangsweise abzielende Nachprüfungsantrag mangels Antragslegitimation des Beschwerdeführeres zurückzuweisen war. Allfällige Ansprüche des Beschwerdeführers aus dem abgeschlossenen Planungsvertrag wären allenfalls nach allgemeinen zivilrechtlichen - nicht aber vergaberechtlichen - Maßstäben zu beurteilen.

Das sekundäre Gemeinschaftsrecht ist per se kein Maßstab für die verfassungsgerichtliche Kontrolle (VfGH vom 15. Juni 2000, B65/00 u. a.). Wie bereits festgestellt, wurde der vorliegende Nachprüfungsantrag im Ergebnis mangels Identität des dem abgeführten Wettbewerb zugrundeliegenden Projektes mit dem schließlich vertraglich realisierten Projekt zurückgewiesen, um dessen Durchführung sich der Beschwerdeführer weder beworben, noch sein diesbezügliches Interesse dargelegt hat. Der Verfassungsgerichtshof vermag nicht zu erkennen, worin eine der Klärung durch den EuGH vorbehaltene Fragestellung der Auslegung des Gemeinschaftsrechts liegen könnte, insbesondere als die vom Beschwerdeführer als gemeinschaftsrechtlich problematisch angesprochenen Aspekte des Vergaberechtsschutzes in der (Zurückweisungs-)Entscheidung des BVA überhaupt nicht zum Tragen kommen.

3. Den vom Beschwerdeführer schließlich aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen §113 Abs3 BVergG, wonach diese Bestimmung gleichheitswidrig sei, "da hier ohne sachlichen Grund der Zugang zu den Zivilgerichten auf Zuerkennung von Schadenersatz abhängig von der Entscheidung des Bundesvergabeamtes eingeschränkt" sei, ist schon deshalb nicht näherzutreten, als die bezogene Norm den ihr vom Beschwerdeführer zugeschriebenen Inhalt nicht hat, sondern ausschließlich die Zuständigkeit des BVA nach erfolgtem Zuschlag oder nach Abschluß des Vergabeverfahrens festlegt (vgl. im übrigen zur Unbedenklichkeit der Zuweisung vergaberechtlicher Kontrollbefugnisse an ordentliche Gerichte oder Tribunale nach der EMRK: VfSlg. 15.106/1998 (insb. S 250)).

4. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden. Da das Verfahren auch nicht ergeben hat, daß der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen in seinen Rechten verletzt wurde, war die Beschwerde abzuweisen.

5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

EU-Recht, Vergabewesen, VfGH / Prüfungsmaßstab

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2001:B2320.1998

Dokumentnummer

JFT_09989686_98B02320_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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