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E000 EU- Recht allgemein;Norm
31997L0033 Telekommunikationsmarkt-RL Art12 Abs7 idF 31998L0061;Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn): 2003/03/0127 E 25. November 2004 2003/03/0129 E 25. November 2004Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Handstanger, Dr. Berger und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde der T Aktiengesellschaft in W, vertreten durch Cerha Hempel & Spiegelfeld Partnerschaft von Rechtsanwälten in 1010 Wien, Parkring 2, gegen den Bescheid der Telekom-Control-Kommission vom 7. März 2000, Zl. Z 28/99-47, betreffend Zusammenschaltungsanordnung (mitbeteiligte Partei: S GmbH in W, vertreten durch Dr. Stefan Köck, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Seilergasse 16), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem angefochtenen Bescheid erließ die belangte Behörde auf Antrag der mitbeteiligten Partei gemäß § 41 Abs. 3 in Verbindung mit § 111 Telekommunikationsgesetz (TKG), BGBl. I Nr. 100/1997 in der Fassung BGBl. I Nr. 188/1999, in Ergänzung zu dem bisher zwischen den Parteien geltenden Zusammenschaltungsvertrag weitere Regelungen für die Zusammenschaltung des öffentlichen Telekommunikationsnetzes der mitbeteiligten Partei mit dem öffentlichen Telekommunikationsnetz der Beschwerdeführerin in einem neuen Anhang 21. Dieser Anhang solle die Durchführung der dauerhaften Verbindungsnetzbetreiberwahl zwischen der Beschwerdeführerin als Teilnehmernetzbetreiber und der mitbeteiligten Partei als Verbindungsnetzbetreiber regeln. Im Punkt 3 des Anhanges wurden grundlegende Bestimmungen betreffend Gesprächstypen und Rufnummernbereiche getroffen. Nach technischen (Detail-) Regelungen zum Ablauf des Bestellungs- und Durchführungsvorganges wurde im Punkt 12 ein vom neuen Verbindungsnetzbetreiber zu tragendes Entgelt von EUR 6,88 (ATS 94,62) exkl. USt. pro Umstellung für die Einrichtung bzw. Änderung einer Verbindungsnetzbetreiber-Vorauswahl festgelegt. Die Zusammenschaltungsanordnung werde mit Rechtskraft (Zustellung an die Parteien) wirksam und gelte bis zum 30. September 2001.
Begründend führte die belangte Behörde - nach einer Darstellung des Verfahrensganges - im Wesentlichen aus, dass beide Verfahrensparteien auf Basis der ihnen erteilten Konzessionen Betreiber eines öffentlichen Sprachtelefondienstes mittels eines selbst betriebenen festen Telekommunikationsnetzes seien. Die Beschwerdeführerin verfüge auf dem Markt für das Erbringen des öffentlichen Sprachtelefondienstes mittels eines festen Telekommunikationsnetzes, auf dem Markt für das Erbringen des öffentlichen Mietleitungsdienstes mittels eines selbst betriebenen festen Telekommunikationsnetzes und auf dem Markt für das Erbringen von Zusammenschaltungsleistungen über eine marktbeherrschende Stellung. Die mitbeteiligte Partei verfüge auf diesen Märkten nicht über eine marktbeherrschende Stellung, sie habe vielmehr auf dem Markt für das Erbringen des öffentlichen Sprachtelefondienstes mittels eines selbst betriebenen festen Telekommunikationsnetzes nur einen Marktanteil von unter 5 %, auf dem Markt für das Erbringen des öffentlichen Mietleitungsdienstes mittels eines selbst betriebenen Telekommunikationsnetzes und auf dem Markt für das Erbringen von Zusammenschaltungsleistungen einen Marktanteil von jeweils unter 10 %.
Das bestehende Zusammenschaltungsverhältnis zwischen den Verfahrensparteien beruhe auf dem Zusammenschaltungsvertrag vom 14. Jänner 1999.
Die mitbeteiligte Partei habe mit Schreiben vom 11. Oktober 1999 die Zusammenschaltung für Zwecke der Verbindungsnetzbetreibervorwahl nachgefragt. Die Beschwerdeführerin habe dazu auf einen bestehenden Arbeitskreis verwiesen, in dem diese Thematik bereits besprochen werde, und ihrerseits - mit Schreiben vom 20. Oktober 1999 - die Nachfrage nach einem Zusammenschaltungsangebot betreffend die Vorauswahl des Netzes der Beschwerdeführerin als Verbindungsnetzbetreiber gestellt. Die Nachfrage der mitbeteiligten Partei habe den Erfordernissen des § 41 Abs. 1 TKG entsprochen. Mangels Stellung eines entsprechenden Anbotes durch die Beschwerdeführerin auf die klar definierte Nachfrage der mitbeteiligten Partei sei die Anrufung der Regulierungsbehörde mit Antrag vom 13. Dezember 1999 zulässig gewesen, die belangte Behörde daher zuständig. Bei den von der mitbeteiligten Partei beantragten Leistungen handle es sich um eine Form der Zusammenschaltung im Sinne des § 41 TKG. Zusammenschaltung als spezielle Art des Netzzuganges liege nämlich immer dann vor, wenn die physische oder logische Verbindung von Telekommunikationsnetzen beantragt werde, und dies notwendig sei, um eine Kommunikation von Nutzern unterschiedlicher Netze miteinander zu ermöglichen oder sie zu verbessern. Das Gesetz unterscheide dabei nicht, um welche Dienste oder um welche Art von Nutzern es sich handle; in jedem Fall sei die Erreichbarkeit aller Nutzer aus allen Netzen das Ziel des § 41 Abs. 1 in Verbindung mit § 3 Z. 16 TKG.
Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin, die für den Fall der Anordnung der beantragten Zusammenschaltung deren reziproke Geltung beantragt habe, komme dies mangels marktbeherrschender Stellung der mitbeteiligten Partei nicht in Frage: Entsprechend § 37 Abs. 1 TKG seien Betreiber eines Telekommunikationsnetzes, die Telekommunikationsdienstleistungen anböten und über eine marktbeherrschende Stellung verfügten, verpflichtet, anderen Nutzern Zugang zu ihren Telekommunikationsnetzen oder zu entbündelten Teilen davon zu ermöglichen. Der Umfang und die Form der Zusammenschaltung ergäben sich aus § 38 Abs. 1 Z. 1 TKG, in welcher Bestimmung die Verpflichtung zur Zusammenschaltung hinsichtlich ihres Umfanges konkretisiert würde. Entsprechend § 38 Abs. 2 TKG seien die näheren Bestimmungen über die Zusammenschaltung durch Verordnung festzulegen, wobei Teil dieses Mindesterfordernisses die Sicherstellung des Zuganges von Nutzern eines marktbeherrschenden Anbieters zum Netz eines neuen Anbieters durch vorprogrammierte Netzauswahl oder Wählen von Auswahlcodes entsprechend dem Nummerierungsplan sei. Dementsprechend werde im § 10 der Nummerierungsverordnung normiert, dass die Betreiber zu gewährleisten hätten, dass der Teilnehmer beim Wählvorgang den Verbindungsnetzbetreiber auswählen bzw. ihn dauerhaft auswählen könne (§ 11 NVO). Letztere Verpflichtung sei ab 1. Jänner 2000 in Kraft getreten. Die Bestimmungen der §§ 10 und 11 NVO seien als Konkretisierung der Verpflichtungen nach den §§ 37 und 38 TKG zu verstehen, woraus sich ergebe, dass diese Verpflichtung nur für Unternehmen mit marktbeherrschender Stellung zutreffe. Diese innerstaatlichen Vorschriften entsprächen den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben des Art. 12 der Richtlinie 97/33/EG in der Fassung der Richtlinie 98/61/EG.
Zur Höhe der Entgelte führte die belangte Behörde aus, dass - auf der Seite 33 des angefochtenen Bescheides im Einzelnen dargestellte - "effiziente Kosten der Teilnehmerumschaltung" entsprechend dem Gutachten der beigezogenen betriebswirtschaftlichen Amtssachverständigen Grundlage des Entgelts für die Teilnehmerumleitung seien. Die Sachverständigen hätten sich dabei von den Kosten leiten lassen, die sich als realistisch "unter weitestgehender Ausklammerung von Ineffizienzen ergeben". Die von den Gutachtern getätigte "aufwändige Gegenüberstellung der Kosten der Verfahrensparteien samt exakter Bewertung der Dauer der einzelnen Verfahrensschritte" habe keinen Zweifel an der Angemessenheit der gerechneten Sätze aufkommen lassen. Für jede Umschaltung zur Einrichtung der Verbindungsnetzbetreiber-Vorauswahl sei deshalb vom aufnehmenden Netzbetreiber ein Betrag von ATS 94,62 exkl. USt. an den Betreiber des Teilnehmernetzes zu bezahlen.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Beschwerdepunkte wurden wie folgt ausgeführt:
"Der bekämpfte Bescheid verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Recht darauf, nur bei rechtlich relevanter Nachfrage samt 6- wöchiger Verhandlungsfrist zur Zusammenschaltung verpflichtet zu werden, sohin in ihrem Recht, nur unter Beachtung einer 6-wöchigen Verhandlungsfrist gerechnet ab Inkrafttreten der rechtlichen Verpflichtung zur Gewährleistung der Verbindungsnetzbetreibervorauswahl zur Bereitstellung der Verbindungsnetzbetreibervorauswahl in einer Anordnung gemäß § 41 Abs. 3 TKG verpflichtet zu werden.
Der bekämpfte Bescheid verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf eine Entscheidung durch die zuständige Behörde. Weiters verletzt der Bescheid die Beschwerdeführerin in ihrem Recht gemäß § 41 TKG auf Zusammenschaltung mit jedem Netzbetreiber, sohin in ihrem Recht darauf, dass ihr gegenüber auf Antrag die mitbeteiligte Partei zur Einrichtung der Verbindungsnetzbetreibervorauswahl verpflichtet wird. Sodann verletzt der bekämpfte Bescheid die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf kostenorientierte Festlegung der Entgelte für die Einrichtung der Verbindungsnetzbetreibervorauswahl."
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung von Gegenschriften durch die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei erwogen:
1. Mit hg. Erkenntnis vom 9. September 2003, Zl. 2003/03/0095, auf welches gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass nach der auch im Beschwerdefall geltenden Rechtslage (TKG idF vor der Novellierung durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 26/2000) gemäß Art. 133 Z. 4 B-VG Angelegenheiten, über die die belangte Behörde entschieden hat, nach österreichischem nationalen Recht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgenommen waren und dass sich die vom EuGH mit Urteil vom 22. Mai 2003 (Rechtssache C- 462/99) aus Art. 5a Abs. 3 der Richtlinie 90/387/EWG idF der Richtlinie 97/51/EG abgeleitete Verpflichtung des Verwaltungsgerichtshofes zur Nachprüfung nur auf den Schutz der dem Einzelnen vom Gemeinschaftsrecht eingeräumten materiellen Rechte, nicht aber auch auf den Schutz bloß im nationalen Recht verankerter individueller Rechte beziehen kann.
Daraus folgt, dass auch im Beschwerdefall auf das eine Verletzung lediglich letzterer Rechte betreffende Beschwerdevorbringen nicht einzugehen ist.
2. Die hier maßgeblichen Bestimmungen der Richtlinie 97/33/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Juni 1997 über die Zusammenschaltung in der Telekommunikation im Hinblick auf die Sicherstellung eines Universaldienstes und der Interoperabilität durch Anwendung der Grundsätze für einen offenen Netzzugang (ONP) in der Fassung der Richtlinie 98/61/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. September 1998 zur Änderung der Richtlinie 97/33/EG hinsichtlich der Übertragbarkeit von Nummern und der Betreibervorauswahl lauten:
"Art. 6. Hinsichtlich der Zusammenschaltung der in Anhang I aufgeführten öffentlichen Telekommunikationsnetze und für die Öffentlichkeit zugänglichen Telekommunikationsdienste, die von Organisationen bereitgestellt werden, die nach Meldung durch die nationalen Regulierungsbehörden beträchtliche Marktmacht besitzen, stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass
a) die betreffenden Organisationen hinsichtlich der Zusammenschaltung, die sie anderen anbieten, den Grundsatz der Nichtdiskriminierung einhalten. Sie wenden gegenüber mit ihnen zusammengeschalteten Organisationen, die gleichartige Dienstleistungen erbringen, unter vergleichbaren Umständen gleichwertige Bedingungen an und stellen Zusammenschaltungsleistungen und Informationen für andere zu denselben Bedingungen und mit derselben Qualität bereit, die sie für ihre eigenen Dienste oder die ihrer Tochtergesellschaften oder Partner bereitstellen; (...)
Art. 7 (1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, das die Absätze 2 bis 6 auf Organisationen angewandt werden, die die in Anhang I Abschnitte 1 und 2 aufgeführten öffentlichen Telekommunikationsnetze und/oder für die Öffentlichkeit zugänglichen Telekommunikationsdienste betreiben und von den nationalen Regulierungsbehörden als Organisationen mit beträchtlicher Marktmacht gemeldet wurden.
(2) Die Zusammenschaltungsentgelte unterliegen den Grundsätzen der Transparenz und Kostenorientierung. Die Beweislast, dass sich Entgelte aus den tatsächlichen Kosten einschließlich einer vertretbaren Investitionsrendite herleiten, liegt bei der Organisation, die die Zusammenschaltung mit ihren Einrichtungen bereitstellt. Die nationalen Regulierungsbehörden können eine Organisation dazu auffordern, ihre Zusammenschaltungsentgelte vollständig zu begründen, und gegebenenfalls eine Anpassung von Entgelten verlangen. Dieser Absatz gilt auch für die in Anhang I Abschnitt 3 aufgeführten Organisationen, die von den nationalen Regulierungsbehörden als Organisationen mit beträchtlicher Marktmacht auf dem nationalen Zusammenschaltungsmarkt gemeldet werden. (...)
Art. 12 (7) Die nationalen Regulierungsbehörden verlangen zumindest von Organisationen, die öffentliche Telekommunikationsnetze im Sinne des Anhangs I Abschnitt 1 betreiben und von den nationalen Regulierungsbehörden als Organisationen mit beträchtlicher Marktmacht gemeldet wurden, dass sie den Teilnehmern, einschliesslich der Nutzer von diensteintegrierenden digitalen Fernmeldenetzen (ISDN), die Möglichkeit des Zugangs zu vermittelten Diensten jedes zusammengeschalteten Anbieters öffentlich zugänglicher Telekommunikationsdienste bieten.
Dafür müssen bis spätestens zum 1. Januar 2000 oder, in denjenigen Ländern, denen eine zusätzliche Übergangsfrist eingeräumt wurde, so bald wie möglich danach, spätestens jedoch zwei Jahre nach einem für die vollständige Liberalisierung der Sprachtelefondienste vereinbarten späteren Zeitpunkt, die Einrichtungen vorhanden sein, die es dem Teilnehmer erlauben, die genannten Dienste im Wege der Vorauswahl zu wählen, wobei die Möglichkeit gegeben sein muss, eine etwaige Vorauswahl bei jedem Anruf durch Wählen einer kurzen Kennzahl aufzuheben.
Die nationalen Regulierungsbehörden sorgen dafür, dass für die Zusammenschaltung im Zusammenhang mit der Erbringung dieser Dienstleistung eine Gebühr festgelegt wird, die den tatsächlichen Kosten entspricht, und dass etwaige direkte Gebühren für die Verbraucher diese nicht davon abhalten, die betreffende Dienstleistung in Anspruch zu nehmen."
Anhang I der RL 97/33/EG:
"SPEZIFISCHE ÖFFENTLICHE TELEKOMMUNIKATIONSNETZE UND FÜR DIE
ÖFFENTLICHKEIT ZUGÄNGLICHE TELEKOMMUNIKATIONSDIENSTE (nach Artikel 3 Absatz 2)
Den nachstehend aufgeführten öffentlichen Telekommunikationsnetzen und für die Öffentlichkeit zugänglichen Telekommunikationsdiensten wird auf europäischer Ebene entscheidende Bedeutung beigemessen. Für Organisationen mit beträchtlicher Marktmacht, die die nachstehenden öffentlichen Telekommunikationsnetze und/oder für die Öffentlichkeit zugänglichen Telekommunikationsdienste anbieten, gelten hinsichtlich Zusammenschaltung und Zugang Sonderverpflichtungen gemäß Artikel 4 Absatz 2, Artikel 6 und Artikel 7. ..."
Erwägungsgrund 10 zur Richtlinie 97/33/EG:
"Die Preisgestaltung für Zusammenschaltung ist ein Schlüsselfaktor für die Bestimmung der Struktur und der Intensität des Wettbewerbs beim Übergang zu einem liberalisierten Markt. Organisationen mit beträchtlicher Marktmacht müssen in der Lage sein nachzuweisen, dass ihre Zusammenschaltungsentgelte auf der Grundlage objektiver Kriterien festgesetzt sind, den Grundsätzen der Transparenz und Kostenorientierung folgen und hinsichtlich der Netz- und Dienstleistungselemente hinreichend aufgegliedert sind. Die Veröffentlichung einer Liste von Zusammenschaltungsdienstleistungen, -entgelten und -bedingungen trägt zur notwendigen Transparenz und Nichtdiskriminierung bei. Die Entgeltgestaltung für den Zusammenschaltungsverkehr sollte flexibel gehandhabt werden und kapazitätsabhängige Entgelte einschließen. Die Höhe der Entgelte sollte die Produktivität und eine effiziente, nachhaltige Markterschließung fördern; sie sollten nicht unterhalb einer Grenze liegen, die anhand langfristiger Grenzkosten und einer Kostenzurechnung aufgrund der tatsächlichen Kostenverursachung berechnet wird, aber auch nicht eine Obergrenze überschreiten, die sich aus den Kosten ergibt, die anfallen würden, wenn die betreffende Zusammenschaltung unabhängig von anderen Leistungen bereitgestellt wird ('stand-alone costs'). Zusammenschaltungsentgelte, die auf einem Preisniveau beruhen, das sich eng an den langfristigen Grenzkosten für die Bereitstellung des Zugangs zur Zusammenschaltung orientiert, sind dazu geeignet, die rasche Entwicklung eines offenen und wettbewerbsfähigen Marktes zu fördern."
Erwägungsgründe zur Richtlinie 98/61/EG:
"Die Kommission hat auf der Grundlage des Grünbuchs über ein Numerierungskonzept für Telekommunikationsdienste in Europa eine breit angelegte öffentliche Anhörung durchgeführt. Die Anhörung hat die Bedeutung - sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht - gleicher Zugangsbedingungen zu den Numerierungsressourcen für alle Marktbeteiligten sowie die grundlegende Bedeutung geeigneter Numerierungsmechanismen aufgezeigt, insbesondere für die Nummernübertragbarkeit und die Betreiberauswahl, durch die die Wahlmöglichkeiten der Verbraucher und ein echter Wettbewerb in einem liberalisierten Telekommunikationsmarkt bedeutend erleichtert werden. Der Rat hat am 22. September 1997 eine Entschließung angenommen, in der er die Kommission auffordert, dem Europäischen Parlament und dem Rat Vorschläge für eine beschleunigte Einführung der Nummernübertragbarkeit und für die Einführung der Betreibervorauswahl vorzulegen. Das Europäische Parlament hat am 17. Juli 1997 eine Entschließung angenommen, in der es die Kommission auffordert, einen Vorschlag zur Änderung einer bestehenden Richtlinie hinsichtlich der Einführung der Betreibervorauswahl und der Nummernübertragbarkeit zu unterbreiten. Im Interesse des Verbrauchers und unter Berücksichtigung der besonderen Marktbedingungen in den einzelnen Mitgliedstaaten können die nationalen Regulierungsbehörden die Verpflichtung zur Bereitstellung einer Betreibervorauswahl mit der Möglichkeit der Aufhebung bei einzelnen Anrufen auf Organisationen ausdehnen, die öffentliche Telekommunikationsnetze betreiben, aber keine beträchtliche Marktmacht innehaben, sofern dies keine unverhältnismäßige Last für diese Organisationen darstellt und kein Hindernis für den Marktzugang neuer Netzbetreiber schafft.
Die Richtlinie 97/33/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Juni 1997 über die Zusammenschaltung in der Telekommunikation im Hinblick auf die Sicherstellung eines Universaldienstes und der Interoperabilität durch Anwendung der Grundsätze für einen offenen Netzzugang (ONP) sollte daher entsprechend geändert werden."
3. Die Beschwerdeführerin argumentiert hinsichtlich des von ihr angenommenen "symmetrischen Zusammenschaltungsregimes" (eine Verpflichtung zur Bereitstellung von Verbindungsnetzbetreibervorauswahl sei, wenn überhaupt, reziprok anzuordnen) mit § 41 Abs. 1 und 2 TKG in Verbindung mit §§ 8, 9 und 11 NVO und meint, Art. 12 der RL 97/33/EG treffe hinsichtlich dieser Frage keine Festlegung; die Richtlinie überlasse es vielmehr ausdrücklich den Mitgliedstaaten, eine alle Zusammenschaltungspartner ungeachtet ihrer marktbeherrschenden Stellung erfassende Verpflichtung zur Gewährleistung der Verbindungsnetzbetreibervorauswahl vorzusehen.
Demgegenüber erfordert Art. 12 Abs. 7 der Richtlinie 97/33/EG idF der RL 98/61/EG, dass "zumindest" Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht den Teilnehmern die Vorauswahl ermöglichen. Eine gemeinschaftsrechtliche Basis dafür, dass unabhängig von seiner Marktmacht jeder Betreiber eines Telekommunikationsdienstes Vorauswahl anbieten müsste, besteht danach nicht. Dies wird ausdrücklich auch durch die Erwägungsgründe zur RL 98/61/EG klargestellt, mit der die erwähnte Bestimmung des Art. 12 Abs. 7 der RL 97/33/EG geschaffen wurde. Darin heißt es, dass die Mitgliedstaaten unter näheren Voraussetzungen die Verpflichtung zur Bereitstellung einer Betreibervorauswahl auf Unternehmen ohne beträchtliche Marktmacht "ausdehnen können". Im Gemeinschaftsrecht begründete Ansprüche für die von der belangten Behörde abgelehnte reziproke Anordnung einer Verpflichtung zur Bereitstellung einer Betreibervorauswahl auch durch die mitbeteiligte Partei sind auf dem Boden des Beschwerdevorbringens also nicht zu sehen.
4. Gemeinschaftsrechtlich relevant ist die Festsetzung des Entgelts für die Kosten der Teilnehmerumschaltung, wofür die belangte Behörde - dem Gutachten der Amtssachverständigen folgend -
ATS 94,62 als "angemessen" erachtet hat.
Die Beschwerdeführerin führt dagegen ins Treffen, dass die belangte Behörde damit von der Regelung des Art. 12 Abs. 7 RL 97/33/EG (idF der RL 98/61/EG), wonach das Entgelt den "tatsächlichen Kosten" zu entsprechen habe, abgewichen sei. Es sei gemeinschaftsrechtlich wie innerstaatlich auf die Kosten des konkreten Unternehmens, hier also der Beschwerdeführerin, abzustellen, während die belangte Behörde sowohl den Arbeitszeitaufwand als auch Stundenkosten zugrunde gelegt habe, die mit den realen Gegebenheiten auf Seiten der Beschwerdeführerin nichts zu tun hätten. Obwohl der von der Beschwerdeführerin genannte Zeitaufwand für die notwendigen Bearbeitungsschritte durch langjährige Erfahrungswerte gestützt werde, habe die belangte Behörde ohne nähere Begründung lediglich eine 16minütige Arbeitszeit angenommen und damit den beträchtlichen Zeitaufwand der Beschwerdeführerin um 78,40 % gekürzt. Damit gestehe die belangte Behörde selbst zu, dass sie das Entgelt nicht im Lichte der tatsächlichen Kosten festgelegt habe. Überdies habe die belangte Behörde, wiederum dem Gutachten der Amtssachverständigen folgend, als Stundensatz nicht den der Beschwerdeführerin, sondern den der mitbeteiligten Partei angesetzt (ATS 242,31 für back office personal und ATS 497,83 für Systemspezialisten). Die Festlegung der Entgelte der Beschwerdeführerin gezielt unter deren tatsächlichen Kosten erweise sich daher als inhaltlich rechtswidrig.
Dieser Auffassung kann nicht beigetreten werden:
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in den Erkenntnissen vom 6. September 2001, Zl. 2000/03/0195, und vom 11. Dezember 2002, Zl. 2000/03/0190, ausgesprochen, dass auf der Grundlage des Art. 7 Abs. 2 (erster Satz) der Richtlinie 97/33/EG und der dazu von der Europäischen Kommission ergangenen Empfehlung vom 8. Jänner 1998 (98/195/EG) abgeleitet werden kann, dass sich die Berechnung der Zusammenschaltungsentgelte auf der Basis der zukunftsorientierten langfristigen durchschnittlichen zusätzlichen Kosten (FL-LRAIC) primär an den tatsächlichen Kosten des die Zusammenschaltung bereitstellenden (marktbeherrschenden) Unternehmens orientiert, und zwar derart, dass die bei einem effizienten Betreiber anfallenden Kosten auf der Basis der Wiederbeschaffungskosten heranzuziehen sind. Dem FL-LRAIC-Ansatz liegt somit ein Effizienzgrundsatz zugrunde, der den alleinigen Bezug auf konkrete historische Kosten oder Gegebenheiten ausschließt.
Dieser Effizienzgrundsatz des FL-LRAIC-Ansatzes gilt auch für die in Art. 12 Abs. 7 der RL 97/33/EG idF der RL 98/61/EG genannten "tatsächlichen Kosten": In dieser die bisherige Richtlinie ergänzenden und ändernden Bestimmung findet sich die gleiche Wortwahl wie in Art. 7 Abs. 2 der "Stammfassung", was nahe legt, dass diese Bestimmung auch den gleichen Inhalt hat, zumal dann, wenn Anhaltspunkte für eine unterschiedliche Auslegung dieser Bestimmungen fehlen. Die Erwägungsgründe zur RL 98/61/EG zeigen die Bedeutung "gleicher Zugangsbedingungen zu den Numerierungsressourcen für alle Marktbeteiligten sowie die grundlegende Bedeutung geeigneter Numerierungsmechanismen ... insbesondere für die Nummernübertragbarkeit und die Betreiberauswahl, durch die die Wahlmöglichkeiten der Verbraucher und ein echter Wettbewerb in einem liberalisierten Telekommunikationsmarkt bedeutend erleichtert werden", auf. Gerade vor dem Hintergrund, dass mit der RL 98/61/EG die Nummernübertragbarkeit und die Betreibervorauswahl geregelt werden sollte, ohne sonstige inhaltliche Änderungen der RL 97/33/EG, verbietet sich eine unterschiedliche Auslegung der "tatsächlichen Kosten". Dazu kommt, dass die Miteinbeziehung von historischen Vollkosten eines ineffizienten Betreibers ein Hindernis für eines der zentralen, auch in den Erwägungsgründen der RL 98/61/EG angesprochenen, Regulierungsziele der Gewährleistung eines chancengleichen und funktionsfähigen Wettbewerbs wäre.
Wenn die belangte Behörde - dem Gutachten der betriebswirtschaftlichen Amtssachverständigen folgend - auch hier Abzüge für Ineffizienzen vorgenommen hat, um "dem Gebot der Effizienz (zu) entsprechen", kann ihr dem Grunde nach also nicht entgegen getreten werden. Eine Abkehr von den tatsächlichen Kosten der Beschwerdeführerin macht den angefochtenen Bescheid also nicht per se rechtswidrig.
Berechtigt ist jedoch das unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften erstattete Vorbringen der Beschwerdeführerin, dass das dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegte Gutachten hinsichtlich der Dauer der notwendigen Verfahrensschritte und damit der Höhe der angenommenen, einem effizienten Betreiber möglichen Kosteneinsparungen ziffernmäßig nicht nachvollziehbar ist. Das Gutachten stellt unter Punkt 4.8 "effiziente Kosten der Teilnehmerumschaltung" (S. 13 bis 16 des Gutachtens) zunächst die Kalkulation der mitbeteiligten Partei dar (Punkt 4.8.1) und in der Folge die Kalkulation der Beschwerdeführerin (Punkt 4.8.2), um dann in einer "Bewertung zu ANB und TA" (Punkt 4.8.2) die "Gesamtkosten der Teilnehmerumschaltung" zu ermitteln. Zwar beschränkt sich die Begründung des Gutachtens entgegen dem Vorwurf in der Beschwerde nicht auf folgenden Passus:
"Bei der Verwendung eines elektronischen Kommunikationssystems und einer leistungsfähigen IT-Umgebung mit einer entsprechend automatisierten Verteilung der Eingabedaten sind
* Bearbeitungsschritte obsolet
* automatisch durchzuführen oder
* in kürzerer Zeit durchzuführen."
Wenn auch diese Punkte nicht "selbsterklärend" (so die belangte Behörde in ihrer Stellungnahme) sind, wird doch durch Gegenüberstellung der jeweiligen "Kalkulationen" für die als notwendig erachteten Arbeitsschritte samt dem angenommenen Zeitaufwand klar, von welchen Positionen der Kalkulation der Beschwerdeführerin die Sachverständigen zeitliche Abstriche vornahmen. Offen bleibt aber, warum einzelne Bearbeitungsschritte in einer wesentlich kürzeren Zeit als von der Beschwerdeführerin vorgebracht möglich seien, welche Einzelleistungen bei einer "effizienten Form der Kommunikation und dem Einsatz moderner EDV-Systeme" entfallen könnten, und inwiefern die Organisation der Beschwerdeführerin vom Effizienzgebot abweicht. Dass die mitbeteiligte Partei die von den Amtssachverständigen zugestandenen 17 Minuten notwendiger Bearbeitungsdauer als "unrealistisch hoch" kritisiert hat, kann kein ausreichendes Argument gegen den Standpunkt der Beschwerdeführerin sein. Das Gutachten lässt damit eine konkrete ziffernmäßig zuordnende und nachvollziehbar begründete Darstellung der vermeinten Effizienzsteigerungen vermissen. Es genügt daher nicht den an ein schlüssiges Gutachten zu stellenden Anforderungen (vgl. das schon erwähnte hg. Erkenntnis vom 6. September 2001, Zl. 2000/03/0195).
Nicht beigepflichtet werden kann dem Beschwerdevorbringen insoweit, als die Unterlassung der Vornahme eines "Vororttermines" bei der Beschwerdeführerin als relevanter Verfahrensmangel gerügt wird. Die Beschwerdeführerin hat im Verwaltungsverfahren vor der belangten Behörde einen derartigen Antrag nicht gestellt, wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffend aufzeigt, vielmehr - in der Stellungnahme vom 24. Februar 2000, Seite 11 - nur vorgebracht, "die Gutachter hätten, wenn sie eine so signifikant abweichende Meinung vertreten, wie sie hier darstellen, durch einen Vororttermin bei der T ähnliche Prozesse betrachten können und sich somit ein realistisches Bild der Lage verschaffen können." Unklar bleibt damit aber, welche "ähnlichen Prozesse" den Anschauungsgegenstand bilden hätten können, wenn die Einrichtung der Betreibervorauswahl nach dem diesbezüglich übereinstimmenden Parteivorbringen im Unternehmen der Beschwerdeführerin neu ist. Ein relevanter Verfahrensmangel wird mit dieser Unterlassung also nicht aufgezeigt.
5. Der oben dargestellte Begründungsmangel hat aber zur Folge, dass der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 25. November 2004
Schlagworte
Anforderung an ein Gutachten Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4 freie BeweiswürdigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2003030126.X00Im RIS seit
22.12.2004