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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AsylG 1997 §32 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher, Dr. Berger und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Trefil, über die Beschwerde des Bundesministers für Inneres gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 8. August 2002, Zl. 230.156/0-XIV/39/02, betreffend § 32 Abs. 2 des Asylgesetzes 1997 (mitbeteiligte Partei: S, geboren 1969, in W), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Begründung
Der Mitbeteiligte, ein Staatsangehöriger Indiens, gelangte am 18. Juli 2002 in das Bundesgebiet und beantragte am gleichen Tag Asyl. Im Rahmen seiner Einvernahme durch das Bundesasylamt am 18. Juli 2002 gab er als Grund für seinen Asylantrag an, seine Familie sei in zwei Gruppen geteilt, die um Land stritten, das seinem Vater gehöre, aber von Verwandten beansprucht werde. Er sei von Angehörigen des gegnerischen "Clan" mit dem Umbringen bedroht worden, weshalb er geflüchtet sei; Schwierigkeiten mit Behörden habe er nicht.
Das Bundesasylamt wies mit Bescheid vom 19. Juli 2002 den Asylantrag gemäß § 6 Z 2 des Asylgesetzes 1997 (AsylG) als offensichtlich unbegründet ab und sprach gemäß § 8 AsylG aus, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Mitbeteiligten nach Indien zulässig sei. Begründend führte es aus, dass die behauptete Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat nicht auf einen der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe zurückzuführen sei, weil der Verfolgungsgrund ausschließlich darin bestehe, dass sich Verwandte widerrechtlich in den Besitz eines Grundstückes bringen wollten. Der Asylantrag entbehre damit eindeutig jeder Grundlage und sei als offensichtlich unbegründet abzuweisen gewesen. Stichhaltige Gründe für die Annahme, der Mitbeteiligte liefe im Fall seiner Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Gefahr, in Indien einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden, bestünden nicht.
Gegen diesen Bescheid erhob der Mitbeteiligte eine selbst verfasste Berufung, in der er - entsprechend der im Akt liegenden Übersetzung - u.a. Folgendes ausführte:
"Weil es ist wegen der Parteien eine Sache, mit denen wir einen Konflikt haben. Die sind Geschäftsleute. Die sind die Leute von der Kongresspartei. Wir sind von der Akali-Partei. Die jetzige Regierung im Punjab ist vom Kongress. Jetzt, wenn ich nach Hause zurück gehe, dann wird es viel mehr Konflikte geben. Die haben mich von der Polizei schlagen lassen, ich weiß nicht, ob die Polizei in deren Händen ist. Erstens, wenn ich von hier jetzt gehe, wird mich die Delhi-Polizei nicht weglassen, die andere Partei wird mich wegen irgend eines Schein-Delikts anzeigen, indem ich das ganze Leben nicht mehr frei kommen werde, die werden mich sehr viel foltern, deshalb bitte ich Sie, geben Sie meiner Berufung statt."
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Mitbeteiligten ohne Durchführung einer Berufungsverhandlung Folge, behob den Erstbescheid und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und zur Erlassung eines Bescheides an die Erstbehörde zurück. Die belangte Behörde begründete dies nach kurzer Darstellung des Verfahrensgangs, des Inhaltes der Berufung und Wiedergabe der §§ 6 und 32 Abs. 2 AsylG damit, dass das Bundesasylamt den Asylantrag ausschließlich nach § 6 Z 2 AsylG als offensichtlich unbegründet abgewiesen habe. Vom offensichtlichen Fehlen eines Konventionsgrundes könne aber im Hinblick auf die schriftlichen Berufungsausführungen, die auf einen möglichen Konflikt auf Grund einer Parteizugehörigkeit hinwiesen, nicht die Rede sein. Da auch eine Subsumtion unter die anderen "Versagungstatbestände" des § 6 AsylG ausscheide, sei der Berufung statt zu geben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verfahrensdurchführung und Erlassung eines Bescheides an die Erstbehörde zurückzuverweisen gewesen.
Über die dagegen erhobene Amtsbeschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten erwogen:
Die Amtsbeschwerde sieht die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides im Wesentlichen darin, dass die belangte Behörde sich nicht mit der Problematik des "gesteigerten Vorbringens" auseinander gesetzt habe. Völlig verfehlt erscheine die Rechtsansicht, wonach der im Widerspruch zum erstinstanzlichen Vorbringen stehende bloße Hinweis in der schriftlichen Berufung auf einen möglichen Konflikt auf Grund einer Parteizugehörigkeit zur Behebung des erstinstanzlichen Bescheides ausreichen solle. Vielmehr hätte die belangte Behörde ein Ermittlungsverfahren durchführen und den dadurch festgestellten Sachverhalt einer rechtlichen Würdigung insbesondere im Hinblick auf § 6 Z 3 AsylG unterziehen müssen. Dabei wäre - in einer Gesamtbetrachtung - auch die Glaubwürdigkeit neu zu beurteilen gewesen, wobei sich ergeben hätte können, dass sich - bezogen auf das gesamte im Laufe des Verfahrens getätigte Vorbringen - das Urteil der Offensichtlichkeit bzw. Eindeutigkeit der Unglaubwürdigkeit aufdränge.
Damit zeigt der Beschwerdeführer die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Richtet sich die Berufung - wie im vorliegenden Fall - gegen einen Bescheid, mit dem ein Asylantrag als "offensichtlich unbegründet" abgewiesen wurde, so ist es Aufgabe der Berufungsbehörde zu beurteilen, ob der Asylantrag insbesondere vor dem Hintergrund des Berufungsvorbringens tatsächlich offensichtlich unbegründet ist. In der Berufung vorgebrachte Neuerungen sind daraufhin zu prüfen, ob der Asylantrag unter Berücksichtigung dieser Neuerungen noch "eindeutig jeder Grundlage entbehrt". Bei dieser Beurteilung ist die Berufungsbehörde nicht an den von der Erstbehörde herangezogenen Tatbestand des § 6 AsylG gebunden. Sache des Berufungsverfahrens nach § 32 AsylG ist vielmehr die offensichtliche Unbegründetheit des Asylantrags (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 2003, Zl. 2001/20/0080, mwN). Der Berufungsbescheid ist auf Grund jener Sachlage zu fällen, die im Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides feststeht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. April 2003, Zl. 2002/01/0449, mwN). Für die Ansicht der belangten Behörde, "eine Subsumtion auch unter die anderen Versagungstatbestände des § 6 AsylG scheide aus", fehlt im angefochtenen Bescheid - insbesondere hinsichtlich der in der Amtsbeschwerde relevierten Z 3 - aber jede Begründung.
Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Wien, am 26. November 2004
Schlagworte
Besondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des Berufungsbescheides Inhalt der BerufungsentscheidungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2002200486.X00Im RIS seit
04.01.2005