TE Vfgh Beschluss 2001/3/14 G68/99

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Veröffentlicht am 14.03.2001
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Index

74 Kirchen, Religionsgemeinschaften
74/01 Gesetzliche Anerkennung, äußere Rechtsverhältnisse

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
AnerkennungsG
BG über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften §11

Leitsatz

Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung von Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften betreffend die Voraussetzungen für die gesetzliche Anerkennung als Religionsgesellschaft mangels Legitimation; Verwaltungsrechtsweg über Antragstellung auf Anerkennung nach dem Anerkennungsgesetz zumutbar

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Mit dem auf Art140 B-VG gestützten (Individual-)Antrag begehrt die Antragstellerin §11 Abs1 Z1 und Z2 des Bundesgesetzes über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften, BGBl. I 19/1998, (im folgenden: BekGG) als verfassungswidrig aufzuheben.

2. §11 des am 10. Jänner 1998 in Kraft getretenen BekGG, welcher unter der Überschrift "Zusätzliche Voraussetzungen für eine Anerkennung nach dem Anerkennungsgesetz" steht, hat folgenden Wortlaut (die mit dem vorliegenden (Individual-)Antrag angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):

"(1) Zusätzliche Voraussetzungen zu den im Gesetz betreffend die gesetzliche Anerkennung von Religionsgesellschaften, RGBl. Nr.68/1874, umschriebenen Voraussetzungen sind:

1. Bestand als Religionsgemeinschaft durch mindestens 20 Jahre, davon mindestens 10 Jahre als religiöse Bekenntnisgemeinschaft mit Rechtspersönlichkeit im Sinne dieses Bundesgesetzes,

2. Anzahl der Angehörigen in der Höhe von mindestens 2 vT der Bevölkerung Österreichs nach der letzten Volkszählung,

3. Verwendung der Einnahmen und des Vermögens für religiöse Zwecke (wozu auch in der religiösen Zielsetzung begründete gemeinnützige und mildtätige Zwecke zählen),

4. positive Grundeinstellung gegenüber Gesellschaft und Staat,

5. keine gesetzwidrige Störung des Verhältnisses zu den bestehenden gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften sowie sonstigen Religionsgemeinschaften.

(2) Dieses Bundesgesetz findet auf laufende Verwaltungsverfahren auf Grund des Gesetzes betreffend die gesetzliche Anerkennung von Religionsgesellschaften Anwendung. Anträge auf Anerkennung als Religionsgesellschaft sind als Anträge gemäß §3 zu werten, wobei der Tag des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes als Tag der Einbringung gilt."

3. a) Zur Begründung des Antrages, insbesondere zur Antragslegitimation, wird von der Einschreiterin - zusammenfassend - dargelegt, daß sie bereits am 21. Dezember 1989 einen Antrag auf Zuerkennung von Rechtspersönlichkeit nach dem Gesetz betreffend die gesetzliche Anerkennung von Religionsgesellschaften, RGBl. 68/1874, (im folgenden: AnerkG) gestellt habe.

b) Die (damalige) Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten wertete den Antrag auf Anerkennung als Religionsgesellschaft gemäß §11 Abs2 BekGG als Antrag nach §3 dieses Gesetzes und stellte mit Bescheid vom 20. Juli 1998 fest, daß die "Kirche der Siebenten - Tags - Adventisten" als religiöse Bekenntnisgemeinschaft gemäß §2 Abs1 BekGG Rechtspersönlichkeit erworben habe.

c) §3 des BekGG hat - auszugsweise - folgenden Wortlaut:

"Antrag der religiösen Bekenntnisgemeinschaft auf Erwerb der

Rechtspersönlichkeit

§3 (1) Der Antrag der religiösen Bekenntnisgemeinschaft auf Erwerb der Rechtspersönlichkeit hat durch die Vertretung der religiösen Bekenntnisgemeinschaft zu erfolgen. Die Vertretungsbefugnis ist glaubhaft zu machen. Ferner ist eine Zustelladresse anzugeben."

d) Die Antragstellerin ist der Auffassung, daß sie bereits im Zeitpunkt der Antragstellung (Dezember 1989) sämtliche vom AnerkG geforderten Voraussetzungen erfüllt habe und einer Anerkennung damals nichts mehr im Wege gestanden wäre. Durch die angefochtenen Bestimmungen des BekGG werde nun aber eine Anerkennung nach dem AnerkG um weitere 10 Jahre verschoben (§11 Abs1 Z1 BekGG) und gleichzeitig - durch die eingeführte Angehörigenuntergrenze von 2 vT der Bevölkerung Österreichs nach der letzten Volkszählung (§11 Abs1 Z2 BekGG) - unmöglich gemacht.

Da diese Konsequenzen - wie die Einschreiterin weiter darlegt - für sie ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung und ohne Erlassung eines Bescheides, allein durch das Inkrafttreten des teilweise angefochtenen Gesetzes wirksam geworden seien, sei sie unmittelbar durch die Verfassungswidrigkeit dieses Gesetzes in ihren Rechten verletzt und daher antragslegitimiert.

4. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie primär die Zurückweisung des Antrags begehrt. Hiezu führt sie insbesondere folgendes aus:

"Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist Voraussetzung der Antragslegitimation nach Art140 Abs1 B-VG einerseits, daß der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz - im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit - in seinen Rechten verletzt zu sein, dann aber auch, daß das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, daß das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt. Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, daß das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffs zur Verfügung steht (vgl. z.B. VfSlg. 14.017/1995)."

Der Individualantrag sei - so die Bundesregierung weiter - nicht zulässig, weil der Antragstellerin ein anderer zumutbarer Weg zur Verfügung stehe, ihre verfassungsrechtlichen Bedenken an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen. Es stünde der Antragstellerin nämlich frei, einen neuerlichen Antrag auf Anerkennung nach dem AnerkG zu stellen, über den die zuständige Behörde - im Fall der Abweisung des Antrages mit Bescheid - zu entscheiden hätte (die Bundesregierung verweist in diesem Zusammenhang auf das hg. Erkenntnis VfSlg. 14.383/1995). Gegen diesen Bescheid könnte die Antragstellerin nach Ansicht der Bundesregierung, da keine außergewöhnlichen Umstände vorlägen, die dazu führten, daß dieser Weg unzumutbar wäre, sodann Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erheben; auf die Erfolgsaussichten käme es hiebei nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht an (VfSlg. 13.754/1994).

II. Der Individualantrag erweist sich jedoch aus folgenden Gründen als unzulässig:

1. Gemäß Art140 Abs1 letzter Satz B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.

Der Verfassungsgerichtshof vertritt seit dem Beschluß VfSlg. 8009/1977 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt, die Antragslegitimation nach Art140 Abs1 B-VG setze voraus, daß durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen und daß der durch Art140 Abs1 B-VG dem einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (z.B. VfSlg. 11.684/1988, 13.871/1994, 14.752/1997).

2. Im gegebenen Zusammenhang steht der Einschreiterin ein ihr zumutbarer Weg zur Geltendmachung der behaupteten Verfassungswidrigkeit der oben näher bezeichneten Gesetzesbestimmungen offen:

Wie in der Äußerung der Bundesregierung zutreffend dargelegt, besteht für die Antragstellerin die Möglichkeit, (neuerlich) einen Antrag auf Anerkennung nach dem AnerkG zu stellen und auf diese Weise einen letztinstanzlichen Bescheid zu erwirken, in dem die Voraussetzungen für die Anerkennung geprüft werden; gegen einen derartigen, ihrem Begehren nicht entsprechenden Bescheid könnte sie in der Folge eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof erheben und darin die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die in Rede stehenden Bestimmungen geltend machen. Sollte dieser Antrag von der zuständigen Behörde nicht erledigt werden, so stünde es der Antragstellerin frei, beim Verwaltungsgerichtshof eine Säumnisbeschwerde einzubringen (vgl. hiezu VwGH 28. April 1997, Zl. 96/10/0049), der, wenn die verfassungsrechtlichen Bedenken der Einschreiterin geteilt werden sollten, beim Verfassungsgerichtshof einen Antrag auf Gesetzesprüfung zu stellen hätte.

Für die Zumutbarkeit dieses Weges kommt es nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes auf die Erfolgsaussichten der Parteien in der Sache nicht an (vgl. VfSlg. 13.226/1992 und 13.754/1994).

3. Daraus ergibt sich, daß der Antragstellerin ein zumutbarer Weg zur Verfügung steht, die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die von ihr angefochtenen Gesetzesbestimmungen anders als im Wege des - bloß als subsidiären Rechtsbehelf ausgestalteten - Individualantrages an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.

Der Gerichtshof sieht sich allerdings veranlaßt auf sein Erkenntnis B1713/98, 66/99 vom 3. März 2001 hinzuweisen, in dem er §11 Abs1 Z1 BekGG als verfassungsrechtlich unbedenklich beurteilt hat.

III. Der Antrag war daher mangels Legitimation gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unzulässig zurückzuweisen.

Schlagworte

Religionsgesellschaften, VfGH / Individualantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2001:G68.1999

Dokumentnummer

JFT_09989686_99G00068_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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