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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §71 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über den Antrag des H, geboren 1980, vertreten durch Dr. Manfred Fuchsbichler, Rechtsanwalt in 4600 Wels, Traungasse 14/I, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Frist zur Behebung von Mängeln der Beschwerde gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 13. Februar 2004, Zl. St 263/03, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbots, den Beschluss gefasst:
Spruch
Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird stattgegeben.
Begründung
1. Mit hg. Beschluss vom 28. September 2004, Zl. 2004/18/0213, wurde das Verfahren über die Beschwerde des Antragstellers gegen den oben bezeichneten Bescheid gemäß § 34 Abs. 2 und § 33 Abs. 1 VwGG eingestellt, weil der Antragsteller dem Mängelbehebungsauftrag vom 28. Juli 2004 insoweit nicht nachgekommen ist, als die abgeforderte weitere Ausfertigung der ursprünglichen, an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde nicht vorgelegt worden ist. Dieser Beschluss wurde dem Antragsteller am 8. Oktober 2004 zugestellt.
2.1. In dem am 20. Oktober 2004 zur Post gegebenen Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird ausgeführt, dass der Rechtsvertreter des Antragstellers den Schriftsatz zur Mängelbehebung am 30. August 2004 dreifach ausgedruckt und zur Kuvertierung bereitgelegt habe. Er habe der bei ihm seit Oktober 2001 fehlerfrei arbeitenden Kanzleikraft U. die Weisung erteilt, eine weitere Ausfertigung der ursprünglichen, an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde vorzubereiten, um diese gemeinsam mit dem Mängelbehebungsschriftsatz an den Verwaltungsgerichtshof zu übersenden. Die Einhaltung dieser Weisung sei vom Rechtsanwalt überwacht worden. Bei der Kuvertierung der vorbereiteten Schriftstücke sei der Kanzleikraft insofern ein Fehler unterlaufen, als sie die weitere Ausfertigung der ursprünglichen Beschwerde übersehen und nicht in das Kuvert gesteckt habe.
2.2. Der diesem Vorbringen entsprechende Sachverhalt wird auf Grund der dem Antrag beigelegten eidesstättigen Erklärungen des Antragstellervertreters und dessen Kanzleikraft U. festgestellt.
3. Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist auch gegen die unvollständige Erfüllung eines verwaltungsgerichtlichen Verbesserungsauftrages zulässig (vgl. den hg. Beschluss eines verstärkten Senates vom 21. Juni 1988, Zl. 87/07/0049).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes trifft das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei. Dabei stellt ein einem Rechtsanwalt widerfahrenes Ereignis einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Rechtsanwalt selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich hiebei höchstens um einen minderen Grad des Versehens handelt. Ein Versehen eines Angestellten eines Rechtsanwaltes ist letzterem (und damit der Partei) nur dann als Verschulden anzulasten, wenn der Rechtsanwalt die gebotene und ihm zumutbare Kontrolle über den Angestellten unterlassen hat. Unterläuft einem sonst immer zuverlässig arbeitenden Angestellten erst nach der Unterfertigung eines fristgebundenen Schriftsatzes und nach der Kontrolle desselben durch den bevollmächtigten Rechtsanwalt im Zug der Kuvertierung oder Postaufgabe ein Fehler, so stellt dies ein unvorhergesehenes Ereignis dar. Die Kontrolle, ob eine erfahrene oder zuverlässige Kanzleikraft diese rein manipulativen Tätigkeiten auch tatsächlich ausführt, ist dem Rechtsanwalt nicht zumutbar, will man nicht seine Sorgfaltspflicht überspannen. Ein Rechtsanwalt kann vielmehr rein technische Vorgänge beim Abfertigen von Schriftstücken ohne nähere Beaufsichtigung einer verlässlichen Kanzleikraft überlassen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. November 2001, Zl. 2001/18/0114).
4. Im vorliegenden Fall ist die nicht rechtzeitig erfolgte vollständige Erfüllung des Mängelbehebungsauftrages nach dem festgestellten Sachverhalt darauf zurückzuführen, dass die bereits seit über zweieinhalb Jahren zuverlässig tätige Kanzleikraft U. die bereits vorbereitete weitere Ausfertigung der ursprünglichen Beschwerde versehentlich nicht in das Kuvert gesteckt hat.
Da es sich beim Kuvertieren von Schriftstücken um eine rein manipulative Tätigkeit handelt, die der Rechtsanwalt einer zuverlässigen Kanzleikraft in Eigenverantwortung übertragen darf, trifft den Rechtsvertreter des Antragstellers kein über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden, weshalb dem Wiedereinsetzungsantrag gemäß § 46 VwGG stattzugeben war.
Wien, am 30. November 2004
Schlagworte
MängelbehebungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2004180333.X00Im RIS seit
22.03.2005