TE Vwgh Erkenntnis 2004/11/30 2004/18/0358

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Veröffentlicht am 30.11.2004
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E2D Assoziierung Türkei;
E2D E02401013;
E2D E05204000;
E2D E11401020;
E3L E05204020;
E6J;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

31964L0221 Koordinierung-RL EWGVArt56 ordre public Art8;
31964L0221 Koordinierung-RL EWGVArt56 ordre public Art9;
61997CJ0340 Ömer Nazli VORAB;
ARB1/80 Art6;
ARB1/80 Art7;
EURallg;
FrG 1997 §10 Abs4;
FrG 1997 §14 Abs2 letzter Satz;
FrG 1997 §14 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des I, geboren 1969, vertreten durch Dr. Christian Margreiter, Rechtsanwalt in 6060 Hall in Tirol, Pfarrplatz 1, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 1. Oktober 2004, Zl. 133.601/4-III/4/04, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 1. Oktober 2004 wurde der am 15. Juli 2002 gestellte Antrag des Beschwerdeführers, eines türkischen Staatsangehörigen, auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "unselbständige Erwerbstätigkeit" gemäß § 14 Abs. 2 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, abgewiesen.

Der Beschwerdeführer habe am 7. Jänner 1992 in Wien eine österreichische Staatsangehörige geheiratet. In der Folge habe er von 8. April 1992 bis 31. Mai 1994 über Wiedereinreise-Sichtvermerke verfügt. Am 4. Juni 1995 sei der Beschwerdeführer in die Türkei zurückgekehrt. Am 31. Jänner 1999 sei die Gattin des Beschwerdeführers in Wien tot aufgefunden worden. Der Beschwerdeführer sei mit einem von 12. Mai 2001 bis 12. Juni 2001 gültigen Visum C neuerlich in das Bundesgebiet eingereist. In der Folge habe er von 24. April 2002 bis 15. Mai 2002 und von 17. Mai 2002 bis 30. Juni 2002 über Aufenthaltserlaubnisse als Saisonarbeitskraft verfügt. Darüber hinaus verfüge der Beschwerdeführer über einen von 1. Juli 2002 bis 30. Juni 2007 gültigen Befreiungsschein. Seit 30. April 2002 sei er in Österreich gemeldet.

Mit Schriftsatz vom 9. September 2002 habe der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers in eventu die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen angeregt.

Nach der geltenden Rechtslage sei der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung als solcher für den Aufenthaltszweck "Schlüsselkraft - unselbständig, § 18 Abs. 1 Z. 1 FrG" zu werten.

Da aus den Aufenthaltserlaubnissen des Beschwerdeführers als Saisonarbeitskraft keine Niederlassung abzuleiten sei, hätte er den gegenständlichen Antrag gemäß § 14 Abs. 2 erster Satz FrG vor der Einreise vom Ausland aus zu stellen gehabt. Eine Inlandsantragstellung wäre nur bei Vorliegen besonders berücksichtigungswürdiger Gründe im Sinn des § 10 Abs. 4 FrG zulässig. Derartige Gründe lägen insbesondere vor, wenn der Fremde einer Gefahr gemäß § 57 FrG ausgesetzt, Opfer eines bewaffneten Konflikts oder Opfer bzw. Zeuge von Menschenhandel wäre. Dies treffe auf den Beschwerdeführer nicht zu. Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer nicht ausgeführt, welche humanitären Aspekte bei ihm vorliegen würden. Die materiellen Voraussetzungen des § 10 Abs. 4 FrG lägen daher nicht vor, weshalb eine Inlandsantragstellung gemäß § 14 Abs. 2 letzter Satz FrG nicht zugelassen werde.

Die Berufung des Beschwerdeführers auf das Assoziationsabkommen sei ebenfalls nicht zielführend, weil dieses Abkommen nur dann Anwendung finde, wenn die Beschäftigung des Betroffenen Arbeitnehmers im Einklang mit den aufenthaltsrechtlichen Vorschriften des Mitgliedstaates stehe. Der Beschwerdeführer habe jedoch bisher nur Arbeitserlaubnisse für Saisonarbeitskräfte erhalten.

Bei Abweisung des Antrages gemäß § 14 Abs. 2 sei nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auf persönliche Interessen des Beschwerdeführers nicht einzugehen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zunächst ist - im Hinblick auf das hg. Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH), das u.a. die Anwendbarkeit der Rechtsschutzgarantien der Art. 8 und 9 der Richtlinie 64/221/EWG auf nach Art. 6 oder Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80 des durch das Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der EWG und der Türkei errichteten Assoziationsrates vom 19. September 1980 (ARB) berechtigte türkische Staatsangehörige zum Inhalt hat - die Frage zu prüfen, ob der Beschwerdeführer die Rechtsstellung nach dem sachverhaltsbezogen allein in Frage kommenden Art. 6 ARB erworben hat.

Der Beschwerdeführer hat am 7. Jänner 1992 in Wien eine - im Jänner 1999 verstorbene - Österreicherin geheiratet und sich in der Folge bis Juni 1995 in Österreich aufgehalten. Sollte er während dieser Zeit eine Berechtigung nach dem ARB erworben haben, so hätte er diese jedenfalls durch seinen unstrittig von Juni 1995 bis Mai 2001, also fast sechs Jahre dauernden Aufenthalt außerhalb Österreichs wieder verloren, kann doch bei diesem Zeitraum nicht mehr von einem angemessenen Zeitraum zur Eingehung eines neuen Arbeitsverhältnisses nach vorübergehender Beschäftigungslosigkeit gesprochen werden (vgl. das Urteil des EuGH vom 10. Februar 2000, C 340/97, in der Rechtssache Nazli).

Der Beschwerdeführer befindet sich nunmehr wieder seit Mai 2001 im Bundesgebiet, wobei sein Aufenthalt jedoch nur von 12. Mai 2001 bis 12. Juni 2001 auf Grund eines Visums C und von 24. April 2002 bis 15. Mai 2002 sowie von 17. Mai 2002 bis 30. Juni 2002 auf Grund von Aufenthaltserlaubnissen für Saisonarbeitskräfte berechtigt war. Auf ein Aufenthaltsrecht nach Art. 6 ARB können sich nur solche türkische Arbeitnehmer berufen, die während der in dieser Bestimmung angeführten Zeiträume von ein, drei oder vier Jahren über eine gesicherte und nicht nur vorläufige Position auf dem Arbeitsmarkt verfügten; während dieser Zeiträume muss sowohl die Beschäftigung des betroffenen türkischen Arbeitnehmers mit den arbeitserlaubnisrechtlichen, als auch sein Aufenthalt im Einklang mit den nicht nur eine vorübergehende Position sichernden aufenthaltsrechtlichen Vorschriften des jeweiligen Mitgliedstaates im Einklang stehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. Februar 2000, Zl. 98/19/0034).

Da der Aufenthalt des Beschwerdeführers seit Mai 2001 nur insgesamt etwa drei Monate auf Grund der genannten Titel berechtigt war, kommt dem Beschwerdeführer keine Berechtigung nach dem ARB zu.

2.1. Die §§ 10 Abs. 4 und 14 Abs. 2 FrG haben folgenden Wortlaut:

"§ 10. ...

(4) Die Behörde kann Fremden trotz Vorliegens eines Versagungsgrundes gemäß Abs. 1 Z 2, 3 und 4 sowie gemäß Abs. 2 Z 1, 2 und 5 in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen aus humanitären Gründen von Amts wegen eine Aufenthaltserlaubnis erteilen. Besonders berücksichtigungswürdige Fälle liegen insbesondere vor, wenn die Fremden einer Gefahr gemäß § 57 Abs. 1 oder 2 ausgesetzt sind. Fremden, die ihre Heimat als Opfer eines bewaffneten Konfliktes verlassen haben, darf eine solche Aufenthaltserlaubnis nur für die voraussichtliche Dauer dieses Konfliktes, höchstens für drei Monate erteilt werden. Im Falle strafbarer Handlungen gemäß § 217 StGB darf Zeugen zur Gewährleistung der Strafverfolgung sowie Opfern von Menschenhandel zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche gegen die Täter eine solche Aufenthaltserlaubnis für die erforderliche Dauer erteilt werden.

§ 14. ...

(2) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels sind vor der Einreise vom Ausland aus zu stellen. Der Antrag kann im Inland gestellt werden, wenn der Antragsteller bereits niedergelassen ist, und entweder bisher für die Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes keinen Aufenthaltstitel benötigte oder bereits über einen Aufenthaltstitel verfügt hat; dies gilt nach Ablauf der Gültigkeit des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels dann nicht, wenn der weitere Aufenthaltstitel eine Erwerbstätigkeit zulassen soll, für die der zuletzt erteilte Aufenthaltstitel nicht erteilt hätte werden können (§ 13 Abs. 3). Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für kurzfristig beschäftigte Fremde (§ 5 AuslBG) kann nach der Einreise gestellt werden, wenn der Fremde an sich zur sichtvermerksfreien Einreise berechtigt ist. Liegen die Voraussetzungen des § 10 Abs. 4 vor, kann der Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung im Inland gestellt werden."

2.2. Da die Aufenthaltserlaubnisse für Saisonarbeitskräfte nicht bewirkten, dass der Beschwerdeführer als "bereits niedergelassen" im Sinn von § 14 Abs. 2 zweiter Satz FrG anzusehen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. April 2004, Zl. 2003/18/0182), käme eine Inlandsantragstellung sachverhaltsbezogen nur gemäß § 14 Abs. 2 letzter Satz FrG bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 10 Abs. 4 leg. cit. in Betracht.

Der Beschwerdeführer macht dazu geltend, dass er den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen im Inland habe, über einen Befreiungsschein verfüge und seit zwei Jahren beim selben Arbeitgeber beschäftigt sei.

§ 10 Abs. 4 FrG stellt jedoch auf mit besonderen Gefährdungen bzw. Notlagen verbundene Lebensumstände eines Fremden ab, die dazu Anlass geben, diesem aus humanitären Gründen eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. März 2004, Zl. 2003/18/0320). Die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Umstände bieten daher keine Grundlage dafür, einen besonders berücksichtigungswürdigen Fall im Sinn dieser Gesetzesstelle anzunehmen.

Da somit keiner der Ausnahmetatbestände des § 14 Abs. 2 FrG vorliegt, hat die belangte Behörde den gegenständlichen Antrag zu Recht nach dem ersten Satz dieser Bestimmung mangels Antragstellung vor der Einreise vom Ausland aus abgewiesen.

3. Da nach dem Gesagten bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

4. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 30. November 2004

Gerichtsentscheidung

EuGH 61997J0340 Ömer Nazli VORAB

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht Auslegung Allgemein EURallg3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2004180358.X00

Im RIS seit

30.12.2004

Zuletzt aktualisiert am

11.11.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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