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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AsylG 1997 §7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Stieger, über die Beschwerde des H (auch F, Ha) in S, geboren 1981, vertreten durch Mag. Dr. Bernhard Rosenkranz, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Plainstraße 23, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 6. Juli 2004, Zl. 250.069/0-V/14/04, betreffend Zurückweisung einer Berufung gemäß § 63 Abs. 5 AVG in einer Asylangelegenheit (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 23. Oktober 2003, mit dem sein Asylantrag gemäß § 7 AsylG abgewiesen worden war, gemäß § 63 Abs. 5 AVG als verspätet zurück. Begründend führte sie aus, der erstinstanzliche Bescheid sei dem Asylwerber am 20. November 2003 ausgehändigt und die persönliche Übernahme von ihm durch eigenhändige Unterschrift bestätigt worden. Die zweiwöchige Rechtsmittelfrist habe daher an diesem Tag zu laufen begonnen und am 4. Dezember 2003 geendet. Die erst am 21. April 2004 gegen die Abweisung des Asylantrages erhobene Berufung des Beschwerdeführers erweise sich daher als verspätet. Die belangte Behörde habe dem Beschwerdeführer mit "Schriftsatz" vom 3. Juni 2004 die Möglichkeit eingeräumt, zur Frage der Verspätung seines Rechtsmittels binnen 14 Tagen Stellung zu nehmen. "Bis dato" sei auf die Stellungnahme jedoch verzichtet worden. Ihre "Feststellungen" ergäben sich daher aus dem Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakten. Das Datum der Zustellung sowie das Datum der eingebrachten Berufung sei unbestritten geblieben.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Die belangte Behörde stellt in der Begründung des angefochtenen Bescheides sowohl das Vorbringen des Beschwerdeführers als auch den bisherigen Verfahrensverlauf in wesentlichen Punkten unrichtig und aktenwidrig dar. Zunächst unterlässt sie es, die den Zustellvorgang des erstinstanzlichen Bescheides betreffenden Ausführungen in der Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bescheid wieder zu geben. In dieser hatte der Beschwerdeführer zusammengefasst vorgebracht, der Bescheid des Bundesasylamtes sei ihm nur "scheinbar am 22.11.2003 persönlich im Amt ausgefolgt" worden. Tatsächlich habe er das Bundesgebiet bereits am 14. November 2003 verlassen und sich in der Folge nachweislich bis 7. April 2004 im Ausland (Holland und Großbritannien) aufgehalten. Bei seiner überstürzten Abreise aus Österreich habe er nicht einmal mehr in sein Zimmer im Lager Traiskirchen gehen und seine Habseligkeiten mitnehmen können. Sämtliche Kleidung, seine Papiere und einige Karten (Bescheinigung über den vorläufigen Aufenthalt, Essenskarten für das Lager, etc.) seien deshalb im Quartier verblieben. Nach seiner Rückkehr am 7. April 2004 habe er von Freunden erfahren, dass ein anderer somalischer Asylwerber sich die zurückgebliebenen Karten des Beschwerdeführers widerrechtlich angeeignet und damit die Leistungen im Lager Traiskirchen konsumiert habe. Dass jemand nach seiner Abreise aus Österreich - nämlich bis zum 14. bzw. 15. Jänner 2004 - seine Karten benutzt und sich für den Beschwerdeführer ausgegeben habe, gehe deutlich aus der Karteikarte des Lagers Traiskirchen vom 8. April 2004 hervor, die er der Berufungsschrift beilege. Bei Durchsicht seines Gepäcks habe der Beschwerdeführer am 7. April 2004 auch den erstinstanzlichen Bescheid vorgefunden, auf dessen letzter Seite vermerkt gewesen sei, dass er dem Beschwerdeführer persönlich am 20. November 2003 ausgefolgt worden sei. Da sich der Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt aber bereits in Holland aufgehalten habe, könne er sich das nur so erklären, dass jener Somalier, der mit der Karte des Beschwerdeführers unter dessen Namen in Traiskirchen gelebt habe, den Bescheid beim Bundesasylamt abgeholt habe, um seine Machenschaften zu verschleiern. Da er davon ausgehe, dass diese Person die Ausfolgung des Bescheides mit seiner Unterschrift quittieren habe müssen, beantrage er einen Unterschriftenvergleich vorzunehmen. Dieser werde erweisen, dass es nicht der Beschwerdeführer gewesen sei, der den Bescheid übernommen habe. Aus diesen Gründe sei am 20. November 2003 keine rechtswirksame Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides an den Beschwerdeführer erfolgt und sei dieser Zustellmangel erst dadurch geheilt worden, dass ihm der Bescheid am 7. April 2004 tatsächlich zugekommen sei. Erst zu diesem Zeitpunkt habe daher die Rechtsmittelfrist zu laufen begonnen, weshalb seine Berufung (vom 21. April 2004) fristgerecht eingebracht worden sei.
Zu Recht macht die Beschwerde geltend, dass sich die belangte Behörde mit diesem (entscheidungsrelevanten) Vorbringen nicht auseinandergesetzt hat. Sie hat daher auch nicht nachvollziehbar begründet, auf Grund welcher Umstände sie davon ausgeht, dass der Bescheid dem Beschwerdeführer - entgegen seinem Vorbringen in seiner Berufung - am 20. November 2003 persönlich ausgehändigt worden sei. Ihr Hinweis darauf, das Datum der Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides sei unbestritten geblieben, erweckt vielmehr den - dem Inhalt der Berufung in keiner Weise Rechnung tragenden und daher unzutreffenden - Anschein, als hätte der Beschwerdeführer den Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides an ihn selbst nicht in Zweifel gezogen.
Aktenwidrig ist überdies die von der belangten Behörde aufgestellte Behauptung, der Beschwerdeführer habe auf eine Stellungnahme zum Vorhalt der Verspätung seines Rechtsmittels "verzichtet." Dem Akt der belangten Behörde ist vielmehr zu entnehmen, dass dieser Vorhalt dem Beschwerdeführer am 7. Juni 2004 unter Setzung einer Frist von 14 Tagen zugestellt wurde und sein Rechtsvertreter der belangten Behörde fristgerecht, nämlich am 18. Juni 2004, per Telefax eine Stellungnahme übermittelte, in der er zunächst auf die Ausführungen in der Berufung verwies und zusätzliche Beweismittel, insbesondere auch den Namen und die Adresse eines Zeugen bekannt gab, der - so sein Vorbringen - beweisen könne, dass der Beschwerdeführer am 14. November 2003 seine Unterkunft verlassen habe. Aus welchen Gründen die belangte Behörde diese Eingabe - die mit ihrer Eingangsstampiglie, datiert mit 18. Juni 2004 versehen ist - bei ihrer Entscheidung nicht berücksichtigte, sondern sie von einem "Verzicht" des Beschwerdeführers auf sein Stellungnahmerecht ausging, bleibt bei dieser Sachlage unverständlich und wird von der belangten Behörde auch in ihrer Gegenschrift nicht aufgeklärt.
Ausgehend davon hat die belangte Behörde ihren Bescheid mit wesentlichen Verfahrensmängeln belastet, die gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. a, b und c VwGG zu dessen Aufhebung führen müssen.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 30. November 2004
Schlagworte
Allgemein Begründung BegründungsmangelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2004010445.X00Im RIS seit
27.12.2004