TE Vwgh Erkenntnis 2004/11/30 2004/01/0049

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Veröffentlicht am 30.11.2004
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Index

L46006 Jugendförderung Jugendschutz Steiermark;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

JSchG Stmk 1998 §16 Abs1 idF 2001/070;
JSchG Stmk 1998 §4 Abs4 idF 2001/070;
JSchG Stmk 1998 §5 Abs1 idF 2001/070;
JSchG Stmk 1998 §5 idF 2001/070;
VStG §22;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2004/01/0051 2004/01/0050

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Pelant als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Stieger, über die Beschwerden der P in Wies, vertreten durch Dr. Ulrich O. Daghofer, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Albrechtgasse 3, gegen die Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark je vom 7. Oktober 2003, Zl. UVS 30.19-40/2003-2 (hg. Zl. 2004/01/0049), Zl. UVS 30.19- 41/2003-2 (hg. Zl. 2004/01/0050) und Zl. UVS 30.19-39/2003-2 (hg. Zl. 2004/01/0051), jeweils betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Steiermärkischen Jugendschutzgesetzes (weitere Partei: Steiermärkische Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 2.973,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin betreibt eine Diskothek. In dieser Eigenschaft wurde sie von der Bezirkshauptmannschaft D mit drei Bescheiden je vom 25. August 2003 zu einer Geldstrafe in der Höhe von je EUR 145,-- (Ersatzfreiheitsstrafe je zwei Tage) verurteilt, weil sie es unterlassen habe,

"im Rahmen ihrer Möglichkeiten durch geeignete Maßnahmen (z.B. Feststellen des Alters bzw. den Zutritt zu den Betriebsräumlichkeiten zu untersagen) dafür zu sorgen, dass die Bestimmungen des Steiermärkischen Jugendschutzgesetzes eingehalten worden sind, da sich die Jugendliche"

- im Folgenden weiter der Bescheid mit der Zl. 15.1 5448/2001 - "J.Sch., geb. 01.09.1986, am 10.08.2001 bis 04.55 Uhr in der Diskothek ... aufgehalten hat, obwohl Jugendlichen vom vollendetem

14. bis zum vollendeten 16. Lebensjahr der Aufenthalt in Gastbetrieben ohne Begleitung einer Aufsichtsperson nur in der Zeit von 05.00 Uhr bis 23.00 Uhr erlaubt ist."

-

im Folgenden weiter der Bescheid mit der Zl. 15.1 5449/2001 -

"P.L., geb. 22.06.1984, am 10.08.2001 bis 04.55 Uhr in der Diskothek ... aufgehalten hat, obwohl Jugendlichen ab dem vollendeten 16. Lebensjahr der Aufenthalt in Gastbetrieben ohne Begleitung einer Aufsichtsperson nur in der Zeit von 05.00 Uhr bis 02.00 Uhr erlaubt ist."

-

im Folgenden weiter der Bescheid mit der Zl. 15.1 7532/2002 -

"S.K., geb. 28.07.1986, in der Zeit von 21.00 Uhr des 29.08.2002 bis ca. 02.40 Uhr des 30.08.2002 in der Diskothek ... aufgehalten hat, obwohl Jugendlichen ab dem vollendeten

              16.              Lebensjahr der Aufenthalt in Gastbetrieben ohne Begleitung einer Aufsichtsperson nur in der Zeit von 05.00 Uhr bis 02.00 Uhr erlaubt ist."

Die Beschwerdeführerin habe durch das dargestellte Fehlverhalten jeweils § 4 Abs. 4 Z 1 des Steiermärkischen Jugendschutzgesetzes verletzt, weshalb sie gemäß § 16 Abs. 1 leg. cit. zu bestrafen gewesen sei.

Gleichlautend wird in den Begründungen der Bescheide vom 25. August 2003 festgestellt, dass die Zeugin (die jeweils im Spruch genannte Jugendliche) ausführlich und plausibel nachvollziehbar beschrieben habe, dass sie nie - auch nicht beim Eintritt in die Diskothek - nach ihrem Alter gefragt worden und dass kein Ausweis kontrolliert worden sei. Es seien auch nicht - so ergänzend im Bescheid mit der Zl. 15.1 5449/2001 - über den Lautsprecher Aussagen getätigt worden, dass Jugendliche, die noch nicht 18 Jahre alt seien, das Lokal zu verlassen hätten. Die Beschwerdeführerin habe daher - insoweit sind alle drei Bescheide wieder textgleich - nicht durch geeignete Maßnahmen im Rahmen ihrer Möglichkeiten dafür gesorgt, dass die Bestimmungen des Steiermärkischen Jugendschutzgesetzes eingehalten worden seien.

Die Beschwerdeführerin erhob gegen die drei Bescheide vom 25. August 2003 Berufung. Mit den nunmehr bekämpften Bescheiden je vom 7. Oktober 2003 wies die belangte Behörde diese Berufungen - unter dahingehender Ergänzung der erstinstanzlichen Sprüche, dass die Ersatzfreiheitsstrafe gemäß "§ 16 VStG" vorgeschrieben werde - ohne Durchführung einer Berufungsverhandlung ab. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, dass die Beschwerdeführerin in ihrem einheitlichen Berufungsschriftsatz nichts vorgebracht habe, was einen konkreten Mangel im erstinstanzlichen Ermittlungsverfahren oder eine Unrichtigkeit der Feststellungen oder der rechtlichen Wertung aufzeige. Auch die belangte Behörde könne keinen Mangel im geführten Ermittlungsverfahren oder in den rechtlichen Erwägungen erkennen.

Über die wegen des persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Beschwerden hat der Verwaltungsgerichtshof - nach Erstattung von Gegenschriften seitens der belangten Behörde - erwogen:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Steiermärkischen Jugendschutzgesetzes - StJSchG, LGBl. Nr. 80/1998 idF LGBl. Nr. 70/2001, haben - auszugsweise - folgenden Wortlaut:

"§ 4

Pflichten der Erwachsenen

...

(4) Gewerbetreibende, hinsichtlich deren Betrieb, und Veranstalter, hinsichtlich deren Veranstaltung Kinder und Jugendliche Beschränkungen bzw. Verboten gemäß den §§ 5, 7, 8, 9 und 11 unterliegen, sind verpflichtet,

1. dafür zu sorgen, dass Kinder und Jugendliche die Bestimmungen dieses Gesetzes beachten. Hiezu haben sie insbesondere nötigenfalls das Alter festzustellen und den Zutritt zu den Betriebsräumlichkeiten bzw. Betriebsgrundstücken und Veranstaltungsorten zu untersagen; sie haben nachzuweisen, dass sie alles unternommen haben, um dieser Verpflichtung nachzukommen;

...

§ 5

Aufenthalt von Kindern und Jugendlichen

(1) Der Aufenthalt an allgemein zugänglichen Orten (z.B. Plätzen, Straßen, Parks, Freiland), in Gastbetrieben und Vereinslokalen sowie der Besuch von öffentlichen Veranstaltungen ist erlaubt

1.

ohne Begleitung einer Aufsichtsperson

 

 

bis zum vollendeten 14. Lebensjahr

5 bis 21 Uhr

 

vom vollendeten 14. bis zum vollendeten 16. Lebensjahr

5 bis 23 Uhr

 

ab dem vollendeten 16. Lebensjahr

5 bis 2 Uhr

Wieweit dieser Zeitrahmen ausgeschöpft werden darf, bestimmen die Erziehungsberechtigten. Diese Zeiten gelten nicht für jenen Bereich, der von der Wohnung der Eltern aus beaufsichtigbar ist;

2. in Begleitung einer Aufsichtsperson ohne zeitliche Begrenzung, sofern dies vom Standpunkt des Jugendschutzes unbedenklich und das Kindeswohl nicht gefährdet ist.

...

§ 16

Strafbestimmungen für Erwachsene

(1) Erwachsene, die gegen die Bestimmungen der §§ 4, 7, 9 Abs. 4, 10 Abs. 2, 11 und 15 verstoßen, begehen, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und sind mit einer Geldstrafe bis zu EUR 2.180,-- und für den Fall der Uneinbringlichkeit mit einer Ersatzfreiheitsstrafe bis zu drei Wochen zu bestrafen.

..."

Der spezifisch die Pflichten von Gewerbetreibenden und Veranstaltern - soweit bezogen auf deren Betrieb bzw. Veranstaltung Kinder und Jugendliche Beschränkungen bzw. Verboten gemäß den §§ 5, 7, 8, 9 und 11 StJSchG unterliegen - regelnde § 4 Abs. 4 StJSchG normiert, dass diese Personen dafür zu sorgen haben, dass Kinder und Jugendliche die Bestimmungen des StJSchG beachten. Die betreffenden Gewerbetreibenden sind demnach verpflichtet, ihr Unternehmen so zu organisieren, dass Kinder und Jugendliche nicht (ua.) gegen die sie treffenden "Aufenthaltsregelungen" des § 5 StJSchG verstoßen. Das gemäß der genannten Bestimmung geschuldete Verhalten besteht somit (ua.) darin, im Betrieb entsprechend wirksame Eintrittskontrollen einzurichten und aufrechtzuerhalten. In Verbindung mit § 16 Abs. 1 leg. cit. begründet die Unterlassung einer entsprechenden Organisation das strafbare Verhalten, wobei es sich einerseits - der Straftatbestand wird solange verwirklicht, solange die Unterlassung andauert - um ein Dauerdelikt und andererseits um ein Ungehorsamsdelikt handelt, es also nicht darauf ankommt, dass tatsächlich Kinder oder Jugendliche gegen die "Aufenthaltsregelungen" verstoßen. Daraus ergibt sich insbesondere, dass das in Frage stehende Delikt nicht jedesmal neu begangen wird, wenn ein Jugendlicher gegen die Regelungen des § 5 Abs. 1 StJSchG verstößt (vgl. zu all dem das hg. Erkenntnis vom 29. Juli 1998, Zl. 96/01/0301 ua., VwSlg. 14.946 A, zum strukturell als Vorgängerbestimmung zur jetzigen Regel zu begreifenden § 16 Abs. 2 zweiter Fall des Steiermärkischen Jugendschutzgesetzes 1968, auf dessen nähere Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird).

Nach dem Gesagten verstößt zunächst - soweit von einem zeitlich ununterbrochenen "Organisationsdefizit" auszugehen wäre; den bekämpften Bescheiden lässt sich nichts Gegenteiliges entnehmen - die hier vorliegende "Mehrfachbestrafung" der Beschwerdeführerin (vgl. zur so genannten Erfassungswirkung bei Dauerdelikten die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2 (2000) zu § 22 VStG unter E 349. ff zitierte hg. Judikatur) gegen das Gesetz. Die behördliche Fehldeutung des § 4 Abs. 4 (iVm § 16 Abs. 1) StJSchG muss allerdings zur Behebung aller bekämpften Bescheide führen, weil es nicht um die in den erstinstanzlichen Bescheiden - die Bescheide der belangten Behörde enthalten insoweit keine eigenständigen Überlegungen und sind so zu deuten, dass sie die diesbezüglichen Ausführungen der Bezirkshauptmannschaft D übernehmen - im Ergebnis allein behandelte Frage geht, ob bzw. warum sich ein bestimmter Jugendlicher über die gesetzlich zulässige Aufenthaltsdauer hinaus in der Diskothek der Beschwerdeführerin aufgehalten hat, sondern darum, welche organisatorischen Maßnahmen zur Hintanhaltung von Verstößen gegen die "Aufenthaltsregelungen" des § 5 Abs. 1 StJSchG seitens der Beschwerdeführerin generell getroffen worden sind. Ohne auf das die Verletzung von Verfahrensvorschriften geltendmachende Beschwerdevorbringen einzugehen, waren die bekämpften Bescheide daher schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 30. November 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2004010049.X00

Im RIS seit

23.12.2004

Zuletzt aktualisiert am

07.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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