Index
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AVG §71 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde
1. des AF und 2. der CF, beide in X, beide vertreten durch Dr. Paul Friedl, Rechtsanwalt in 8552 Eibiswald 20, gegen den Gemeinderat der Gemeinde St. Martin im Sulmtal wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Angelegenheit betreffend Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in einer Baurechtsangelegenheit, zu Recht erkannt:
Spruch
Gemäß § 71 Abs. 1 AVG wird dem Antrag der Beschwerdeführer auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung der Berufung gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde St. Martin im Sulmtal vom 3. August 2000, betreffend Festlegung von Bebauungsgrundlagen, stattgegeben.
Die Gemeinde St. Martin im Sulmtal hat den Beschwerdeführern insgesamt Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde St. Martin im Sulmtal vom 3. August 2000 wurden auf Grund des Antrages der Beschwerdeführer vom 2. Dezember 1999 bestimmte näher ausgeführte Bebauungsgrundlagen für eine Grundstücksfläche im Gemeindegebiet der Gemeinde St. Martin im Sulmtal gemäß § 18 des Steiermärkischen Baugesetzes (Stmk BauG) festgelegt.
Dieser Bescheid wurde den Beschwerdeführern am 4. August 2000 zugestellt.
Am 21. August 2000 brachten die Beschwerdeführer - vertreten durch einen Rechtsbeistand - eine Berufung gegen diesen Bescheid bei der Gemeinde St. Martin im Sulmtal und zugleich einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist ein.
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 20. November 2000 wurde dem Antrag der Beschwerdeführer auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 Abs. 4 AVG nicht stattgegeben.
Dieser Bescheid wurde auf Grund der dagegen von den Beschwerdeführern erhobenen Vorstellung mit Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 26. Jänner 2001 gemäß § 94 Abs. 5 der Steiermärkischen Gemeindeordnung wegen Verletzung von Rechten der Beschwerdeführer behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde verwiesen. In der Begründung dieses Bescheides sprach die Steiermärkische Landesregierung aus, dass der Antrag der Beschwerdeführer auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entgegen der Auffassung der belangten Behörde sowohl zulässig als auch begründet gewesen sei, weil den Vertreter der Beschwerdeführer an der Versäumung der Berufungsfrist kein - den Beschwerdeführern zurechenbares - Verschulden treffe, das über einen minderen Grad des Versehens hinausginge. Die belangte Behörde hätte daher dem Wiedereinsetzungsantrag stattgeben müssen. Dieser Bescheid langte am 2. Februar 2001 bei der belangten Behörde ein.
In der am 8. August 2001 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangten Säumnisbeschwerde erachten sich die Beschwerdeführer in ihrem Recht auf Entscheidung über den von ihnen gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in der 6- Monatsfrist des § 73 AVG verletzt.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und ersuchte den Verwaltungsgerichtshof um Entscheidung in der Sache selbst (betreffend die Festlegung von Bebauungsgrundlagen).
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Gemeinderat ist das oberste, im Verwaltungsweg anrufbare Organ der Gemeinde; die Voraussetzung, dass die oberste im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht anrufbare Behörde angerufen wurde (§ 27 Abs. 1 erster Satz VwGG), ist somit erfüllt. Da der versäumte Bescheid auch bisher nicht nachgeholt wurde, ist der Verwaltungsgerichtshof zuständig, in der Sache über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Berufung gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde St. Martin im Sulmtal vom 3. August 2000 zu entscheiden.
In dieser Entscheidung ist der Verwaltungsgerichtshof an den Spruch und die tragenden Entscheidungsgründe des Bescheides der Steiermärkischen Landesregierung vom 26. Jänner 2001 gebunden (vgl. zu dieser Bindung etwa das hg. Erkenntnis vom 21. Oktober 2004, Zl. 99/06/0016), weshalb wie im Spruch zu entscheiden war.
Hingewiesen wird darauf, dass durch die nunmehr erfolgte Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand der Bescheid der belangten Behörde vom 20. November 2000, mit welchem die Berufung der Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde X vom 3. August 2000 als verspätet zurückgewiesen wurde, außer Kraft tritt (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 23. Oktober 1986, Slg. Nr. 12.275). Es ist daher nunmehr die Aufgabe der belangten Behörde, als Berufungsbehörde einen Bebauungsgrundlagenbescheid zu erlassen. In dem diesbezüglichen Verwaltungsverfahren wird sie sich eines ihr beigegebenen oder zur Verfügung stehenden amtlichen Sachverständigen (Amtssachverständiger) zu bedienen haben, sollte ein solcher (etwa auch nicht im Wege der Amtshilfe gemäß Art. 22 B-VG) nicht zur Verfügung stehen, wird sie ausnahmsweise einen nicht amtlichen Sachverständigen heranzuziehen haben (vgl. § 52 AVG).
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 13. Dezember 2004
Schlagworte
Bindung an die Rechtsanschauung der Vorstellungsbehörde ErsatzbescheidEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2001060111.X00Im RIS seit
05.01.2005