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L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §66 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde der L GesmbH in W, vertreten durch Dr. Alexander Haas, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 19/II, gegen den Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz vom 27. November 2000, Zl. A 17 - C - 19.868/1997 - 9, betreffend Beseitigungsauftrag gemäß § 41 Abs. 3 Stmk BauG, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Landeshauptstadt Graz hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom 23. Mai 2000 wurde der beschwerdeführenden GmbH "gemäß § 50a des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 1974 idF LGBl. Nr. 1995/59" (ROG) die Nutzung eines näher bezeichneten Areals als Parkplatz untersagt.
Die dagegen von der Beschwerdeführerin erhobene Berufung wurde mit dem angefochtenen Bescheid vom 27. November 2000 "gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1991 idgF als unbegründet abgewiesen" und der Spruch des Bescheides der Behörde erster Instanz abgeändert wie folgt: "Gemäß § 41 Abs. 3 Steiermärkisches Baugesetz 1995 idgF ergeht der Auftrag, die auf den Grundstücken Nr ... ohne baubehördliche Bewilligung errichteten KFZ-Abstellplätze ... zu beseitigen."
Der angefochtene Bescheid wurde im Wesentlichen damit begründet, dass § 50a ROG einschränkend auszulegen sei und daher in jenen Fällen nicht anzuwenden sei, in denen es sich um eine nach den baurechtlichen Bestimmungen bewilligungspflichtige Flächennutzung handle. Jedoch handle es sich beim gegenständlichen Parkplatz um eine nach § 19 Stmk BauG bewilligungspflichtige Maßnahme, die - wenn eine Bewilligung nicht vorliege - gemäß § 41 Abs. 3 Stmk BauG zu beseitigen sei. Unter vorschriftswidriger baulicher Anlage gemäß § 41 Abs. 3 Stmk BauG seien alle Vorhaben zu verstehen, die die Bestimmungen des Stmk BauG nicht einhielten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, zunächst an den Verfassungsgerichtshof gerichtete und von diesem mit Beschluss vom 11. Juni 2001, B 47/01-6, abgelehnte und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetretene Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 50a des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 1974, LGBl. Nr. 127 i.d.F. LGBl. Nr. 15/1989, lautet:
"§ 50a
Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes
Wird ein Grundstück ständig oder wiederholt anders als in der im Flächenwidmungsplan festgesetzten Art genutzt, so hat die Gemeinde durch Bescheid das Unterlassen dieser Nutzung vorzuschreiben."
§ 41 Abs. 1 und 3 des Steiermärkischen Baugesetzes
(Stmk BauG), LGBl. Nr. 59/1995, lauten:
"§ 41
Baueinstellung und Beseitigungsauftrag
(1) Die Behörde hat die Baueinstellung zu verfügen, wenn
Vorhaben gegen Bestimmungen dieses Gesetzes verstoßen,
insbesondere wenn
1. bewilligungspflichtige Vorhaben ohne Bewilligung,
2. anzeigepflichtige Vorhaben ohne Genehmigung im
Sinne des § 33 Abs. 6
ausgeführt werden.
...
(3) Die Behörde hat hinsichtlich vorschriftswidriger baulicher Anlagen einen Beseitigungsauftrag zu erlassen. Der Auftrag ist ungeachtet eines Antrages auf nachträgliche Erteilung einer Baubewilligung oder einer Anzeige gemäß § 33 Abs. 1 zu erteilen."
Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, der Auftrag zur Beseitigung einer unbefestigten Abstellfläche, welche lediglich eine grobe Beschotterung aufweise, hätte gemäß § 41 Abs. 3 Stmk BauG nicht ergehen dürfen, weil es sich dabei nicht um eine bauliche Anlage im Sinne des § 41 Abs. 3 Stmk BauG handle, da keinerlei technische Kenntnisse vonnöten seien, um auf eine Grundfläche Schotter aufbringen zu lassen und diesen grob zu verteilen. Lediglich die Untersagung einer bestimmten Nutzung hätte erfolgen können.
Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat - außer in dem in Abs. 2 leg. cit. erwähnten Fall - die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.
"Sache" im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG ist die Angelegenheit, die den Gegenstand des Bescheides der Unterinstanz gebildet hat. Dieser Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens wird durch den Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterinstanz maßgeblich bestimmt (vgl. die in Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I, 2. Auflage 1998, 1264, unter E 109 und E 111 zu § 66 AVG dargestellten hg. Erkenntnisse).
Gegenstand des Spruches der Behörde erster Instanz war im vorliegenden Fall die Untersagung der Nutzung eines näher bezeichneten Areals als Parkplatz gemäß § 50a des Stmk ROG 1974. Im angefochtenen Bescheid wurde demgegenüber die Beseitigung von auf diesen Grundstücken errichteten KFZ-Abstellplätzen gemäß § 41 Abs. 3 Stmk BauG aufgetragen.
Die belangte Behörde hat damit gegen § 66 Abs. 4 AVG verstoßen, in dem sie ihre Entscheidung nicht im Rahmen der durch den erstinstanzlichen Bescheid abgegrenzten "Sache" (Untersagung der Nutzung) gehalten, sondern darüber hinaus Anordnungen (Beseitigung) getroffen hat (vgl. in einem ähnlichen Fall das hg. Erkenntnis vom 26. Mai 2000, Zl. 99/06/0008). Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Für das fortgesetzte Verfahren wird einerseits darauf hingewiesen, dass § 50a ROG mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 25. September 2003, G 9, 10/03-6, wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben wurde (Kundmachung LGBl. Nr. 95/2003), zum anderen auf das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 2002, Zl. 2000/06/0211, hinsichtlich der Anwendung des § 41 Abs. 3 Stmk BauG auf eine relativ große Parkplatzfläche, die eingeebnet und entsprechend bearbeitet werden musste, um ein späteres Einsinken der abgestellten Fahrzeuge zu verhindern.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 13. Dezember 2004
Schlagworte
Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Allgemein BauRallg9/1 Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Auswechslung behördlicher Aufträge und MaßnahmenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2001060117.X00Im RIS seit
05.01.2005