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L37158 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §42 Abs1 idF 1998/I/158;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde des AE in V, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Otmar Pfeifer, Dr. Günther Keckeis, Dr. Martin Fiel OEG in 6800 Feldkirch, Drevesstraße 2, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bludenz vom 17. September 2001, Zl. I - 5/3/Va/01, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Partei:
1. UH in V, I-Straße 3, und 2. Gemeinde V, vertreten durch Dr. Günter Flatz, Rechtsanwalt in 6780 Schruns, Batloggstraße 18), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Vorarlberg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Baueingabe vom 10. März 2001 begehrte die Erstmitbeteiligte die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung eines Wohnhauses bei gleichzeitiger Errichtung einer Begrenzungsmauer auf einem Grundstück im Gemeindegebiet der mitbeteiligten Gemeinde. Mit der dem Beschwerdeführer am 14. März 2001 zugestellten Kundmachung des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 13. März 2001 wurde die mündliche Verhandlung über dieses Ansuchen für den 22. März 2001 anberaumt.
Nach dem Protokoll dieser mündlichen Verhandlung gab der Beschwerdeführer (der Miteigentümer eines Grundstückes ist, welches an das zu bebauende Grundstück angrenzt) - gemeinsam mit seiner Ehefrau - zum Bauvorhaben folgende Stellungnahme ab:
"Gegen das Bauvorhaben selber erheben wir keinen Einwand. Gegen die geplante Begrenzungsmauer, welche zirka 3.50 m über das derzeitige Niveau des Baugeländes zu liegen kommt, und lediglich 2,00 m von unserem Grundstück entfernt ist, erheben wir jedoch Einspruch. Ferner erheben wir Einspruch gegen die geplanten Aufschüttungen, die zirka 0,30 m über unserem Grundstück zu liegen kommen. Unsere Einwendungen betreffen selbstverständlich nur jenen Bereich, welcher sich angrenzend zu unserem Grundstück befindet."
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 18. April 2001 wurde der Erstmitbeteiligten gemäß §§ 31 und 32 des Vorarlberger Baugesetzes (BauG), LGBl. Nr. 39/1972, die beantragte Baubewilligung mit näher angeführten Auflagen erteilt.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 23. Juli 2001, mit welchem der Beschluss der Berufungskommission der mitbeteiligten Gemeinde vom 20. Juni 2001 ausgefertigt wurde, wurde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben und der Bescheid vom 18. April 2001 mit der Maßgabe bestätigt, "dass die ostseitig geplante Begrenzungsmauer zwischen dem Wohnhaus und dem Bürogebäude in irgendeiner Form zu begrünen (Pflanzung von Sträuchern, Bäumen etc. vor der Mauer)" sei.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Vorstellung des Beschwerdeführers wurde mit dem angefochtenen Bescheid vom 17. September 2001 gemäß § 83 Abs. 6 des Vorarlberger Gemeindegesetzes als unzulässig zurückgewiesen.
Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der wesentliche Beschwerdepunkt des Vorstellungswerbers den Umstand betreffe, dass die gegenständliche Begrenzungsmauer aus ortsbildlicher Sicht abzulehnen sei. Ein solcher Einwand sei jedoch nicht spätestens während der mündlichen Bauverhandlung erhoben worden und wäre deshalb nach § 42 Abs. 1 AVG präkludiert gewesen. Es komme noch hinzu, dass dem Nachbarn gemäß § 30 Abs. 1 BauG kein Nachbarrecht im Zusammenhang mit der Ortsbildgestaltung zustehe. Zwar habe der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor der Behörde erster Instanz vorgebracht, dass durch die gegenständliche Begrenzungsmauer Gefährdungen und sonstige Auswirkungen "offensichtlich" wären. Damit habe sich der Beschwerdeführer jedoch nur allgemein gegen die geplante Begrenzungsmauer bzw. die geplanten Aufschüttungen gewendet und der Wortlaut seiner Einwendung biete keine Grundlage dafür, dass diese als Einwendung auf Einhaltung der Abstände zu seinem Grundstück zu verstehen wäre. Damit habe der Beschwerdeführer bereits mit dem Schluss der mündlichen Verhandlung seine Stellung als Partei aufgegeben und die Behörde erster Instanz hätte ihm den dazu ergangenen Bescheid gar nicht als Partei zustellen dürfen; dies gelte auch für die Entscheidung der Berufungsbehörde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Die Erstmitbeteiligte erstattete ebenfalls eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 42 Abs. 1 und 2 AVG, BGBl. Nr. 51/1991 i.d.F. BGBl. I Nr. 158/1998, lautet:
"§ 42. (1) Wurde eine mündliche Verhandlung gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz und in einer in den Verwaltungsvorschriften vorgesehenen besonderen Form kundgemacht, so hat dies zur Folge, dass eine Person ihre Stellung als Partei verliert, soweit sie nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung Einwendungen erhebt. Wenn die Verwaltungsvorschriften über die Form der Kundmachung nichts bestimmen, so tritt die im ersten Satz bezeichnete Rechtsfolge ein, wenn die mündliche Verhandlung gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz und in geeigneter Form kundgemacht wurde. Eine Kundmachungsform ist geeignet, wenn sie sicherstellt, dass ein Beteiligter von der Anberaumung der Verhandlung voraussichtlich Kenntnis erlangt.
(2) Wurde eine mündliche Verhandlung nicht gemäß Abs. 1 kundgemacht, so erstreckt sich die darin bezeichnete Rechtsfolge nur auf jene Beteiligten, die rechtzeitig die Verständigung von der Anberaumung der Verhandlung erhalten haben."
Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Vorarlberger Gesetzes über die Errichtung und Erhaltung von Bauwerken (Baugesetz - BauG), LGBl. Nr. 39/1972, lauten:
"§ 6
Abstandsflächen
...
(8) Bei oberirdischen Bauwerken, ausgenommen Gebäude und Einfriedungen oder sonstige Wände bis zu einer Höhe von 1,80 m über dem Nachbargrundstück, hat der Abstand von der Nachbargrenze mindestens 2 m und bei unterirdischen Bauwerken mindestens 1 m zu betragen, falls nicht der Nachbar einem geringeren Abstand zustimmt und die im Abs. 9 genannten Interessen nicht beeinträchtigt werden.
...
(10) Die Behörde kann auch größere als in den Abs. 2 bis 8 vorgeschriebene Abstandsflächen und Abstände festsetzen, wenn der Verwendungszweck eines Bauwerkes eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung oder eine Gefährdung der Nachbarn erwarten lässt.
...
§ 30
Einwendungen der Parteien, Übereinkommen
(1) Über Einwendungen der Nachbarn, die sich auf Rechte stützen, die durch folgende Vorschriften begründet werden, ist in der Erledigung über den Bauantrag abzusprechen:
...
b) § 6, insoweit er den Schutz der Nachbarn aus Rücksichten des Brandschutzes und der Gesundheit, insbesondere Belichtung, Luft und Lärm, betrifft;"
Nach der hg. Rechtsprechung ist das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. Nr. 10.317/A, uva.). Das gilt auch für den Nachbarn, der i.S. des § 42 AVG i.d.F. BGBl. I Nr. 158/1998, die Parteistellung nicht verloren hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. April 2004, Zl. 2003/06/0114).
Der Verlust der Parteistellung nach § 42 AVG kann dann nicht eintreten, wenn in der Verständigung (Kundmachung) über die Anberaumung der Verhandlung - entgegen § 41 Abs. 2, zweiter Satz AVG - nicht auf diese im § 42 AVG vorgesehenen Rechtsfolgen verwiesen wird, wobei die bloße Anführung von Paragrafenbezeichnungen, hier ua. des § 42 AVG, nicht ausreicht (vgl. zur Rechtslage vor der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 1999, Zl. 98/06/0158, mwN).
Da vorliegendenfalls in der Verständigung über die Anberaumung der mündlichen Bauverhandlung nicht auf die im § 42 AVG (nF) vorgesehenen Rechtsfolgen hinsichtlich des Verlustes der Parteistellung verwiesen wurde (die darin enthaltene Belehrung für die "sonst Beteiligten" lehnt sich vielmehr an die frühere Fassung des § 42 AVG an, ohne dieser aber ganz zu entsprechen), hat der Beschwerdeführer schon deshalb entgegen der Auffassung der belangten Behörde seine Parteistellung im Bauverfahren nicht verloren (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 22. Mai 2001, Zl. 2000/05/0271, und vom 23. Mai 2001, Zl. 2000/06/0056).
Nach dem Gesagten war die belangte Behörde somit nicht berechtigt, die Vorstellung des Beschwerdeführers zurückzuweisen, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Die Abweisung des Mehrbegehrens beruht darauf, dass die Umsatzsteuer in den in der angeführten Verordnung enthaltenen Pauschbeträgen bereits enthalten ist.
Wien, am 13. Dezember 2004
Schlagworte
Baurecht NachbarEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2001060145.X00Im RIS seit
05.01.2005