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L80007 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Tirol;Norm
BauRallg;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde
1. der Mag. ME und 2. der EJ, beide in I, beide vertreten durch Dr. Walter Waizer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 4, gegen den Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Innsbruck vom 25. Juni 2001, Zl. I-2911/2001, betreffend Nachbareinwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1. Mag. MB in A, 2. Mag. CB in I, 3. KK in A, 4. Dr. CV in I, 5. DI WP in M, 6. DI GS in I, 7. Mag. MH in
I und 8. FM in I, alle vertreten durch Offer & Partner Rechtsanwälte KEG in 6020 Innsbruck, Museumstraße 16), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Landeshauptstadt Innsbruck hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Stadtmagistrats Innsbruck vom 16. Oktober 2000 wurde den Mitbeteiligten auf Grund ihres Antrages gemäß § 26 Abs. 7 der Tiroler Bauordnung 1998 - TBO nach Maßgabe der eingereichten Pläne und Projektunterlagen und unter näher angeführten Auflagen die Baubewilligung für die beantragten baulichen Maßnahmen (Umbau, Ausbau Dachgeschoß, Zubau, Tiefgarage) auf einem näher bezeichneten Grundstück der KG I erteilt.
Dagegen erhoben die Beschwerdeführerinnen als Eigentümerinnen des im Westen an das verfahrensgegenständliche Grundstück angrenzenden Grundstücks der KG I, D-Straße 19, Berufung, in der sie im Wesentlichen vorbrachten, dass der mit dem Projekt unmittelbar an der gemeinsamen Grundgrenze geplante Zubau im Ausmaß von 3 m über die im Bebauungsplan enthaltene Planungsgrenze hinausreiche, weshalb sich die Mitbeteiligten nicht auf die darin vorgesehene geschlossene Bebauungsweise berufen könnten. Auch sei entgegen der TBO keine mündliche Verhandlung durchgeführt worden.
Mit dem angefochtene Bescheid der belangten Behörde vom 25. Juni 2001 wurde die Berufung der Beschwerdeführerinnen gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen und die erstinstanzliche Entscheidung vollinhaltlich bestätigt. Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass mit dem vorliegenden Projekt beabsichtigt sei, hofseitig am Objekt der Mitbeteiligten in allen drei Obergeschoßen einen über die gesamte Gebäudebreite reichenden Zubau in einer Tiefe von 3,0 m zu errichten. Die so gewonnenen zusätzlichen Grundrissflächen dienten der Erweiterung der im Hauptgebäude untergebrachten Wohnungen. Im Erdgeschoß werde davon abweichend ein ebenfalls 3,0 m tiefer, jedoch nur 3,65 m breiter Zubau in der Gebäudemitte erstellt. Der für den Bauplatz geltende Bebauungsplan mit der Bezeichnung Nr. 16/e lege für den Bauplatz die geschlossene Bauweise mit einer straßenseitigen Baufluchtlinie und einer 18,0 m hohen Begrenzung der Gebäudehöhe fest, wobei dieser Verordnung hofseitig keine bebauungsplanmäßigen Festlegungen zu entnehmen seien.
Wenn die Beschwerdeführerinnen vorbrächten, der Zubau müsse zur gemeinsamen Grundstücksgrenze jene Abstände einhalten, die in § 6 TBO normiert seien, so sei diesem Argument entgegen zu halten, dass es sich bei der in Nord-Süd-Richtung verlaufenden gemeinsamen Grundstücksgrenze um jene Grundstücksgrenze handle, die an die Baufluchtlinie entlang der D-Straße anstoße und dass sohin an dieser Grundstücksgrenze, von beiden Seiten her gesehen, jeweils in der geschlossene Bauweise zusammenzubauen sei. Mit ihrer Berufung auf § 6 Abs. 6 TBO würden die Beschwerdeführerinnen verkennen, dass sich diese Bestimmung nur auf oberirdische bauliche Anlagen, die ausschließlich dem Schutz von Sachen oder Tieren dienten, beziehe. Dem Nachbarn stehe kein subjektives Recht auf Besonnung und Belichtung zu, sodass das diesbezügliche Vorbringen der Beschwerdeführerinnen als im Bauverfahren unzulässig zurückzuweisen sei. Auch der von den Beschwerdeführerinnen geltend gemachte Verfahrensmangel, dass entgegen dem § 24 Abs. 1 i.V.m. 25 Abs. 2 TBO keine Verhandlung stattgefunden hätte, sei unbegründet, weil beim geplanten nordseitigen Zubau offenkundig ausgeschlossen werden könne, dass dadurch subjektive Nachbarrechte im Sinne dieser Bestimmung berührt würden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Auch die mitbeteiligten Parteien erstatteten eine Gegenschrift. Beiden Gegenschriften replizierten die Beschwerdeführerinnen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die im Beschwerdefall relevanten Bestimmungen der Tiroler
Bauordnung 1998, LGBl. Nr. 15 (TBO), lauten:
"§ 6
Abstände baulicher Anlagen
von den übrigen Grundstücksgrenzen
und von anderen baulichen Anlagen
(1) Sofern nicht auf Grund der in einem Bebauungsplan festgelegten geschlossenen oder besonderen Bauweise oder auf Grund von darin festgelegten Baugrenzlinien zusammenzubauen bzw. ein anderer Abstand einzuhalten ist, muss jeder Punkt auf der Außenhaut von baulichen Anlagen gegenüber den Grenzen des Bauplatzes zu den angrenzenden Grundstücken mindestens einen horizontalen Abstand aufweisen, der
a) im Gewerbe- und Industriegebiet, im Kerngebiet, auf Sonderflächen nach den §§ 43 bis 47, 50 und 51des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1997 und im Freiland das 0,4fache des lotrechten Abstandes zwischen dem betreffenden Punkt und dem Geländeniveau darunter, jedenfalls aber drei Meter, zum übrigen Bauland, zu Sonderflächen nach den §§ 48, 49 und 52 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1997 und zu Vorbehaltsflächen jedoch das 0,6fache dieses Abstandes, jedenfalls aber vier Meter, und
b) im übrigen Bauland, auf Sonderflächen nach den §§ 48, 49 und 52 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1997 und auf Vorbehaltsflächen das 0,6fache des lotrechten Abstandes zwischen dem betreffenden Punkt und dem Geländeniveau darunter, jedenfalls aber vier Meter,
beträgt. Wurde das Geländeniveau durch die Bauführung oder im Hinblick auf eine beabsichtigte Bauführung verändert, so ist bei der Berechnung der Abstände nach lit. a und b vom Geländeniveau vor dieser Veränderung auszugehen. Andernfalls ist vom bestehenden Geländeniveau auszugehen.
...
§ 24
Bauverfahren
(1) Die Behörde hat eine mündliche Verhandlung (Bauverhandlung) durchzuführen, sofern das Bauansuchen nicht nach § 26 Abs. 2 oder 3 zurückzuweisen oder ohne weiteres Verfahren abzuweisen ist, wenn auf Grund der Planunterlagen nicht offenkundig auszuschließen ist, dass Nachbarrechte im Sinne des § 25 Abs. 2 berührt werden.
§ 25
Parteien
(1) Parteien im Bauverfahren sind der Bauwerber und die Nachbarn.
(2) ... Sie sind berechtigt, in Ansehung des jeweiligen Grundstückes die Verletzung der Abstandsbestimmungen nach § 6 geltend zu machen."
Die im Beschwerdefall relevanten Bestimmungen des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1997, LGBl. Nr. 10 i.d.F. LGBl. Nr. 28/1997 und LGBl. Nr. 21/1998, lauten:
"§ 60
...
(2) Bei geschlossener Bauweise sind die Gebäude an den an die Baufluchtlinie anstoßenden Grundstücksgrenzen zusammenzubauen, soweit im ergänzenden Bebauungsplan nicht anderes bestimmt ist. Gegenüber den anderen Grundstücksgrenzen sind die Gebäude frei stehend anzuordnen.
...
§ 113
Verbauungspläne (Wirtschaftspläne)
Im Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens dieses Gesetzes noch bestehende Verbauungspläne (Wirtschaftspläne) bleiben aufrecht, soweit sie den Flächenwidmungsplänen nach diesem Gesetz vergleichbare Festlegungen enthalten. ..."
Mit der belangten Behörde und den Parteien des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof ist davon auszugehen, dass im vorliegenden Fall der vom Gemeinderat der Landeshauptstadt Innsbruck am 26. September 1963 beschlossene Bebauungsplan "Änderungsplan Höherzonung D-Str. zw. J- u. G-Str." Nr. 16/e Bebauungsplan gemäß § 113 erster Satz TROG 1997 aufrecht geblieben und anzuwenden ist (vgl. zur Weitergeltung von Bebauungsplänen nach dieser Bestimmung etwa das hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 1997, Zl. 96/06/0045).
Nach dem angeführten Bebauungsplan ist das verfahrensgegenständliche Grundstück als "Wohnbaufläche, geschlossene Bauweise" gewidmet, und zwar von der Baufluchtlinie entlang der D-Straße in einer Tiefe von 11,75 m. Ab dieser Planungsgrenze - diese stimmt mit dem Altbestand überein - ist für das verfahrensgegenständliche Grundstück keine Festlegung getroffen. Der Bebauungsplan sieht somit in jenem Bereich, in welchem der mit dem gegenständlichen Bauvorhaben projektierte Zubau erfolgen soll, keine geschlossene Bauweise vor. Der Bereich des Zubaus ist vom räumlichen Geltungsbereich des Bebauungsplans nicht erfasst.
Der belangten Behörde kann nicht beigepflichtet werden, wenn sie die Auffassung vertrat, dass diesem Bebauungsplan zufolge auch im Bereich des mit dem Vorhaben projektierten Zubaus entlang der Grundstücksgrenze in der geschlossene Bauweise zusammenzubauen sei. Die aus dem Bebauungsplan klar ersichtliche Planungsgrenze verläuft nämlich entsprechend dem vor Verwirklichung des gegenständlichen Bauvorhabens gegebenen Bestand.
Auch die in § 60 Abs. 2 TROG 1997 normierten Rechtsfolge, dass bei geschlossener Bauweise die Gebäude an den an die Baufluchtlinie anstoßenden Grundstücksgrenzen zusammenzubauen sind, soweit im ergänzenden Bebauungsplan nicht anderes bestimmt ist, kommt nur dort zum Tragen, wo geschlossene Bauweise angeordnet ist, nicht aber auch auf Grundstücken oder - wie im vorliegenden Fall - auf Grundstücksteilen, wo dies nicht der Fall ist.
Auch aus dem von den mitbeteiligten Parteien ins Treffen geführten Bebauungsplan vom 22. Juni 1900 kann - selbst unter der Annahme, dass dieser anzuwenden wäre - kann nicht abgeleitet werden, dass im Bereich des mit dem Projekt vorgesehenen Zubaus die geschlossene Bauweise vorgesehen wäre, weil auch dieser Bebauungsplan solches nicht vorsieht.
Ist sohin im Bereich des mit dem gegenständlichen Vorhaben projektierten Zubaus entlang der mit dem Grundstück der Beschwerdeführerinnen gemeinsamen Grundgrenze keine geschlossene Bauweise vorgesehen, so durfte dort vor dem Hintergrund des § 6 TBO 1998 jedenfalls nicht bis an die Grundstücksgrenze gebaut werden. Dies hat die belangte Behörde verkannt.
Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 13. Dezember 2004
Schlagworte
Planung Widmung BauRallg3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2001060109.X00Im RIS seit
05.01.2005