TE Vwgh Erkenntnis 2004/12/15 2004/18/0353

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Veröffentlicht am 15.12.2004
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
82/02 Gesundheitsrecht allgemein;

Norm

B-VG Art130 Abs2;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
MRK Art8 Abs2;
SMG 1997 §28 Abs6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des M, geboren 1963, vertreten durch Summer - Schertler - Stieger, Rechtsanwälte in 6900 Bregenz, Kirchstraße 4, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 21. September 2004, Zl. III 4033-86/04, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) vom 21. September 2004 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Serbien und Montenegro, gemäß § 36 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 Z. 1 iVm §§ 37, 38 und 39 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer sei am 22. Jänner 2003 wegen des Vergehens der kriminellen Vereinigung nach § 278 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3 StGB zu einer Geldstrafe rechtskräftig verurteilt worden. Dieser Verurteilung liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer gemeinsam mit zwei Mittätern im März 2001 eine kriminelle Vereinigung gegründet und sich an dieser Vereinigung als Mitglied beteiligt habe. Die kriminelle Vereinigung sei darauf ausgerichtet gewesen, dass von einem oder mehreren Mitgliedern nicht nur geringfügige Betrügereien ausgeführt werden sollten. Die Täter hätten einen Tankwart dazu zu veranlassen versucht, mit einem elektronischen Lesegerät die Daten von Kreditkarten abzulesen, um anhand dieser Daten sodann falsche Kreditkarten zu erstellen und mit diesen unter der Vortäuschung, es handle sich um echte Kreditkarten, Einkäufe zu tätigen.

Mit Urteil vom 27. Jänner 2004 sei der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens gemäß § 28 Abs. 2 zweiter, dritter und vierter Fall Suchtmittelgesetz (SMG), bezüglich des Inverkehrsetzens von Suchtmitteln in Form des Versuchs gemäß § 15 StGB und der Vergehen nach § 27 Abs. 1 SMG und nach § 50 Abs. 1 Z. 1 Waffengesetz zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von zweieinhalb Jahren rechtskräftig verurteilt worden. Diesem Urteil liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer den bestehenden Vorschriften zuwider 246,6 Gramm Kokain mit einem Mindestgehalt von 90 Gramm Reinsubstanz, sohin eine große Menge (§ 28 Abs. 6 SMG), aus- und eingeführt sowie in Verkehr zu setzen versucht habe. Er habe Ende November 2003 oder Anfang Dezember 2003 246,6 Gramm Kokain von Deutschland nach Österreich transportiert und dieses Suchtmittel am 13. Dezember 2003 an einen Abnehmer (verdeckten Ermittler) zu übergeben versucht. Weiters habe er im Februar 2003 etwa 2 Gramm Kokain von einem Drogenlieferanten bezogen, davon eine geringe Menge selbst konsumiert und den Rest im November 2003 einem Abnehmer übergeben. Überdies habe er von Juli 1997 bis Dezember 2003, wenn auch nur fahrlässig, unbefugt eine Pistole besessen.

Das Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers zeige deutlich dessen negative Einstellung zur Rechtsordnung. Es entstehe der Eindruck, dass der Beschwerdeführer nicht gewillt sei, sein Verhalten den Gesetzen anzupassen. Sein weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet stelle daher eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit im Sinn von § 36 Abs. 1 Z. 1 FrG dar.

Auf Grund der rechtskräftigen Verurteilungen sei der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt.

Das Aufenthaltsverbot sei mit einem relevanten Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers verbunden. Die sich im Gesamtfehlverhalten manifestierende Neigung des Beschwerdeführers, sich über die Rechtsordnung hinwegzusetzen, mache diese Maßnahme jedoch zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Rechte anderer) dringend geboten und daher im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zulässig.

Die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet wögen schwer, jedoch höchstens gleich schwer wie die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbots, weshalb diese Maßnahme auch im Grund des § 37 Abs. 2 FrG zulässig sei. Der Beschwerdeführer lebe seit 1992 behördlich erlaubt im Bundesgebiet. Seine Gattin lebe seit 1995 in Österreich. 1997 sei dem Ehepaar in Österreich ein gemeinsamer Sohn geboren worden. Der Beschwerdeführer und dessen Familie, mit der er bis zu seiner Verhaftung im Dezember 2003 im gemeinsamen Haushalt gelebt habe, seien im Bundsgebiet dementsprechend gut integriert. Der Beschwerdeführer sei in Österreich als Hilfsarbeiter beschäftigt gewesen; vor seiner Verhaftung habe er jedoch etwa sieben Monate Arbeitslosenunterstützung bezogen. Die soziale Komponente der Integration werde durch die schweren Straftaten erheblich beeinträchtigt. Diesen persönlichen Interessen am Verbleib im Bundesgebiet stehe die aus den schweren Straftaten hervorgehende Gefährlichkeit des Beschwerdeführers für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gegenüber. Das Fehlverhalten des Beschwerdeführers zeige dessen Neigung, schwere Straftaten zu begehen, um zu Geld zu gelangen. Er habe nicht einmal davor zurückgeschreckt, als Mitglied einer kriminellen Vereinigung tätig zu werden und auch nicht davor, aus gewinnsüchtigen Motiven harte Drogen zu verkaufen. Er sei nicht einmal ein Jahr nach der ersten Verurteilung neuerlich straffällig geworden. Die Tatsache, dass der Beschwerdeführer darüber hinaus noch unbefugt eine genehmigungspflichtige Schusswaffe besessen habe, verstärke das Bild einer nicht zu unterschätzenden kriminellen Energie des Beschwerdeführers.

Da der Beschwerdeführer zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren rechtskräftig verurteilt worden sei, sei eine gesonderte Begründung der Ermessensentscheidung gemäß § 36 Abs. 1 FrG entbehrlich.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Auf Grundlage der unstrittig feststehenden rechtskräftigen Verurteilungen des Beschwerdeführers begegnet die Ansicht der belangten Behörde, der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG sei erfüllt, keinen Bedenken.

2. Der Beschwerdeführer hat im März 2001 mit zwei weiteren Personen eine kriminelle Vereinigung gegründet, um Kreditkarten zu fälschen und unter Zuhilfenahme dieser gefälschten Karten in betrügerischer Weise Einkäufe zu tätigen. Deswegen wurde er im Jänner 2003 rechtskräftig verurteilt. Bereits einen Monat nach dieser Verurteilung hat der Beschwerdeführer eine weitere strafbare Handlung, nämlich den Erwerb von Kokain begangen. Ende des Jahres 2003 hat er die gemäß § 28 Abs. 6 SMG u.a. unter Bedachtnahme auf die Eignung, Gewöhnung hervorzurufen und in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen herbeizuführen, festzusetzende "große Menge" von 246,6 Gramm Kokain nach Österreich eingeführt und hier in gewinnbringender Absicht weiter zu veräußern versucht. Überdies hat er von Juli 1997 bis Dezember 2003 unbefugt eine Pistole besessen. Aus diesem gesamten Fehlverhalten hat die belangte Behörde zutreffend den Schluss gezogen, dass vom weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers eine schwerwiegende Gefährdung öffentlicher Interessen ausgehe, besteht doch sowohl an der Verhinderung der Eigentumskriminalität als auch an der Verhinderung von Suchtgiftdelikten ein großes öffentliches Interesse.

Die Ansicht der belangten Behörde, die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme sei gerechtfertigt, kann daher nicht als rechtswidrig erkannt werden.

3. Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG hat die belangte Behörde zu Gunsten des Beschwerdeführers folgende Umstände berücksichtigt:

Den erlaubten Aufenthalt seit 1992, also seit etwa 12 Jahren im Bundesgebiet, die Haushaltsgemeinschaft mit der seit 1995 in Österreich lebenden Gattin und dem 1997 geborenen Kind, die Berufstätigkeit als Hilfsarbeiter bis etwa sieben Monate vor der Verhaftung im Dezember 2003.

Da die Beschwerde keine weiteren, zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechenden Umstände aufzeigt, macht sie mit dem Vorbringen, die belangte Behörde habe sich mit den zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechenden Argumenten nicht auseinandergesetzt, keinen relevanten Verfahrensmangel geltend.

Der Behörde ist beizupflichten, dass die Integration des Beschwerdeführers in ihrer sozialen Komponente auf Grund der schweren Straftaten erheblich beeinträchtigt worden sei.

Den insgesamt dennoch sehr beachtlichen persönlichen Interessen am Verbleib im Bundesgebiet steht die Gefährdung öffentlicher Interessen durch die Straftaten des Beschwerdeführers gegenüber. Auf Grund der dargestellten großen Gefährdung öffentlicher Interessen durch die Gründung einer kriminellen Vereinigung zur Begehung von Kreditkartenbetrügereien und den Handel mit einer großen Suchtmittelmenge begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass das Aufenthaltsverbot zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Gesundheit) dringend geboten sei (§ 37 Abs. 1 FrG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 37 Abs. 2 leg. cit.), keinen Bedenken.

4. Soweit der Beschwerdeführer einen Ermessensfehler der belangten Behörde rügt, ist ihm entgegen zu halten, dass eine Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbots auf Grund des gemäß § 36 Abs. 1 FrG eingeräumten Ermessens offensichtlich nicht im Sinn des Gesetzes (Art. 130 Abs. 2 B-VG) erfolgen würde, wenn der Fremde - wie vorliegend - zu einer unbedingten Freiheitsstrafe im Ausmaß von zweieinhalb Jahren verurteilt worden ist (vgl. insbesondere den von der belangten Behörde zitierten hg. Beschluss vom 24. April 1998, Zl. 96/21/0490).

5. Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, die Behörde habe "möglicherweise die Bestimmung des § 48 Abs. 1 FrG" übersehen, und in diesem Zusammenhang die Richtlinie 64/221/EWG ins Treffen führt, geht sein Vorbringen schon deswegen ins Leere, weil es sich beim Beschwerdeführer nicht um einen Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates der EU oder um einen begünstigten Drittstaatsangehörigen handelt.

6. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 15. Dezember 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2004180353.X00

Im RIS seit

26.01.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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