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60 ArbeitsrechtNorm
B-VG Art18 Abs1Leitsatz
Keine Zulässigkeit eines auf Aufhebung eines nicht mehr in Geltung stehenden Mindestlohntarifs gerichteten Individualantrags mangels rechtlicher Betroffenheit des Antragstellers; Zulässigkeit des auf die Aufhebung des noch in Geltung stehenden Mindestlohntarifs gerichteten Individualantrags; Verordnungscharakter eines Mindestlohntarifs; kein zumutbarer Umweg über die Nichtentrichtung von Entgelten; keine Gesetzwidrigkeit des Mindestlohntarifs für private Bildungseinrichtungen; keine Verpflichtung zur Berücksichtigung von Unterrichtsmethoden im Sprachunterricht bei der Regelung des nach der vorausgesetzten Qualifikation gestuften TarifsSpruch
1. Der Antrag auf Aufhebung eines Teiles des §2 der Verordnung des Bundeseinigungsamtes vom 23. November 1999 betreffend den Mindestlohntarif für in privaten Bildungseinrichtungen beschäftigte Arbeitnehmer/innen, Amtsblatt zur Wiener Zeitung vom 1. Dezember 1999 (V8/00), wird zurückgewiesen.
2. Der Antrag auf Aufhebung eines Teiles des §2 der Verordnung des Bundeseinigungsamtes vom 21. November 2000 betreffend den Mindestlohntarif für in privaten Bildungseinrichtungen beschäftigte Arbeitnehmer/innen, Amtsblatt zur Wiener Zeitung vom 28. November 2000 (V1/01), wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Die Verfahren betreffen die Mindestlohntarife für private Bildungseinrichtungen für die Jahre 2000 und 2001.
1. Mit dem am 2. Februar 2000 (zu V8/00) beim Verfassungsgerichtshof eingegangenen Antrag nach dem letzten Satz des Art139 Abs1 B-VG begehrt die antragstellende Gesellschaft, die eine Sprachschule betreibt, die Aufhebung eines näher bezeichneten Teiles in §2 des vom Bundeseinigungsamt erlassenen Mindestlohntarifes für private Bildungseinrichtungen vom 23. November 1999, Amtsblatt zur Wiener Zeitung vom 1. Dezember 1999 (in eventu die Aufhebung des ganzen §2 oder die gänzliche Aufhebung der Verordnung). Der auf sie anwendbare Mindestlohntarif enthalte in der Beschäftigungsgruppe 1 (Arbeitnehmer mit unterrichtender Tätigkeit) Stundensätze für die Unterrichtszeit, die auch ein erhebliches Maß von Vor- und Nacharbeiten abgelten sollen. Die in ihren Schulen praktizierte Unterrichtsmethode ("Berlitz") käme jedoch ohne spürbare Vor- und Nacharbeiten der Lehrer aus. Da der Mindestlohntarif auf die Besonderheiten solcher Unterrichtsmethoden nicht Rücksicht nehme, sei er gesetzwidrig. Überdies lege er unzulässigerweise Weihnachts- und Urlaubsremunerationen fest.
Das Bundeseinigungsamt tritt dem Antrag entgegen, verweist auf den weiten Begriff des Mindestentgelts in §22 ArbVG und legt dar, daß eine Sonderregelung für eine nicht klar abgrenzbare Unterrichtsmethode nicht geboten sei.
Nach Zustellung dieser Äußerung nahm die antragstellende Gesellschaft eine Replik in Aussicht. Eine solche ist jedoch anscheinend im Hinblick auf die Erlassung eines neuen Mindestlohntarifes vom 21. November 2000 unterblieben. (Aus der Äußerung des Bundeseinigungsamtes ergibt sich, daß der Mindestlohntarif jährlich neu erlassen wird).
2. Am 4. Jänner 2001 langte (zu V1/01) ein Antrag derselben Gesellschaft mit gleichartigen Begehren in bezug auf den im Amtsblatt zur Wiener Zeitung vom 28. November 2000 kundgemachten Mindestlohntarif vom 21. November 2000 ein, der nach seinem §4 mit 1. Jänner 2001 an die Stelle des Mindestlohntarifes vom 23. November 1999 getreten ist. Der neue Mindestlohntarif unterscheidet sich im bekämpften Teil nur durch die (höheren) Stundensätze vom vorhergehenden Tarif. Der Antrag zum Mindestlohntarif für 2001 entspricht wörtlich jenem im vorangegangenen Fall. Die Äußerung des Bundeseinigungsamtes ergänzt dessen frühere Stellungnahme mit dem Hinweis auf die Erhöhung der maßgeblichen Indizes.
II. Der Antrag auf Aufhebung des Mindestlohntarifs für das Jahr 2000 ist unzulässig.
Wie der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung darlegt (vgl. VfSlg. 9868/1983, 11.365/1987, 12.182/1989, 12.413/1990, 12.999/1992, 14.033/1995 und 15.116/1998), entfaltet eine im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichtshofs bereits außer Kraft getretene Norm für die Rechtssphäre des Antragstellers regelmäßig nicht mehr die eine Antragstellung rechtfertigende unmittelbare Wirkung. Das Ziel eines Verfahrens nach dem letzten Satz der ersten Absätze in Art139 und 140 B-VG, die rechtswidrige Norm ohne Verzug mit genereller Wirkung aus dem Rechtsbestand zu entfernen, ist mit ihrem Außerkrafttreten fortgefallen. In Betracht kämen nur bereits verwirklichte Sachverhalte, die aber mangels "Anlaßfallwirkung" eines solchen Verfahrens von der Entscheidung nicht betroffen würden. Auch die Zulässigkeit einer verfassungsgerichtlichen Prüfung würde einen sich allenfalls anbahnenden Rechtsstreit über die entstandene Lage, aus Anlaß dessen die Sache durch ein zur Entscheidung berufenes Gericht an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen wäre, nicht verhindern. Daß ein solcher Rechtsstreit (noch) nicht anhängig geworden ist, bewirkt eine aktuelle Betroffenheit ebensowenig wie allfällige Vereinbarungen zwischen den Betroffenen, den Ausgang des Verfahrens abzuwarten oder bei dessen Erfolg das empfangene Entgelt rückzuerstatten. Ein besonderer Grund, der diese Betroffenheit im vorliegenden Fall ausnahmsweise doch annehmen ließe, ist nicht ersichtlich.
Der Antrag zu V8/00 ist daher als unzulässig zurückzuweisen.
III. Der Antrag auf Aufhebung des Mindestlohntarifes für das Jahr 2001 ist hingegen zulässig. Er ist aber nicht begründet.
1. Daß es sich bei den durch Einigungsämter erlassenen Mindestlohntarifen um Verordnungen im Sinne des Art139 B-VG handelt, steht außer Zweifel (vgl. VfSlg. 5291/1966 und 8652/1979). Es ist auch unstrittig, daß die antragstellende Gesellschaft vom bekämpften Mindestlohntarif erfaßt wird. Angesichts der arbeitsrechtlichen Folgen einer auch nur teilweisen (rechtswidrigen) Nichtentrichtung des Entgelts, der Ungewißheit der Anspruchsverfolgung durch die betroffenen Arbeitnehmer und der fraglichen Wirkung einer Zahlung unter Vorbehalt der Rückforderung (der sich Arbeitnehmer nicht ohne weiteres fügen müssen), erscheint die Provokation eines gerichtlichen Verfahrens kein zumutbarer Weg, die Gesetzwidrigkeit des Mindestlohntarifs an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen (vgl. VfSlg. 13.880/1994 zur vergleichbaren Lage bei der Satzung eines Kollektivvertrages).
Der Mindestlohntarif enthält, nachdem er im §1 seinen Geltungsbereich festgelegt hat, in §2 das Gehaltsschema für sieben Beschäftigungsgruppen, fügt diesem in §3 allgemeine Bestimmungen an und legt in §4 seinen Geltungsbeginn fest. Für die Beschäftigungsgruppe 1 - "Arbeitnehmer mit unterrichtender Tätigkeit" - legt §2 folgendes fest:
"Das Mindestgehalt beträgt pro Unterrichtseinheit von 50 Minuten einschließlich Vor- und Nacharbeiten in folgenden Jahren der Lehrtätigkeit:
a) b) c)
mit unter- mit unter- mit einschlä-
richtender richtender gigem aka-
Tätigkeit Tätigkeit demischen
und betrieb- Abschluss
lich vor- oder staatli-
gesehener cher Lehr-
Qualifi- amtsprü-
zierung fung
S S S
1. bis 5. Berufsjahr 230,50 241,80 253,40
ab dem 6. Berufsjahr 240,80 252,80 265,40
ab dem 11. Berufsjahr 253,40 266,00 278,10
ab dem 16. Berufsjahr 264,20 276,80 290,10
ab dem 21. Berufsjahr 275,70 289,60 302,10
Das Monatsgehalt errechnet sich wie folgt: Mindestgehalt pro Unterrichtseinheit mal vereinbarte monatliche Unterrichtsstunden (Lehrverpflichtung)."
Für andere Beschäftigungsgruppen (technisches Personal, Schreibkräfte, Sachbearbeiter und Buchhalter, bis hin zum Leitungspersonal) sind Monatsbezüge für die Normalarbeitszeit von 40 Wochenstunden vorgesehen.
Nach §3 Z1 erster Satz erhalten alle Arbeitnehmer
"pro Kalenderjahr eine Weihnachts- und eine Urlaubsremuneration je in der Höhe eines Monatsentgeltes, berechnet nach dem durchschnittlichen Verdienst der letzten sechs Monate vor Fälligkeit, mit Ausnahme des Überstundenentgelts".
Im weiteren Verlauf regelt §3 Z1 Fälligkeit und Berechnungsmodalitäten der Sonderzahlungen.
Der vorliegende Antrag begehrt die Aufhebung des oben wiedergegebenen Teiles des §2 Mindestlohntarif samt der Überschrift "Arbeitnehmer mit unterrichtender Tätigkeit:". Da Anhaltspunkte für die Annahme, die antragstellende Gesellschaft beschäftige nicht Arbeitnehmer aller drei im angefochtenen Teil genannten Untergruppen, fehlen, andererseits aber ein untrennbarer Zusammenhang zwischen dem angefochtenen Teil und dem Rest des §2 offenkundig nicht besteht, erweist sich der Antrag - auch wenn im Falle der Aufhebung über die Zweckmäßigkeit der Aufhebung der Überschrift noch zu befinden wäre - als zulässig.
Der Verfassungsgerichtshof hat sich freilich nur mit den für die Aufhebung dieser Stelle ins Treffen geführten Gründen zu befassen.
2. Sie erweisen sich im Ergebnis als nicht stichhältig.
a) Die Anfechtung des Entgeltsschemas wird damit begründet, daß die Übertragung der für den öffentlichen Dienst geltenden Entlohnungsgrundsätze auf private Bildungseinrichtungen jedenfalls dann, wenn diese - wie die antragstellende Gesellschaft - ihren Unterricht gänzlich abweichend gestalten, unsachlich und damit verfassungswidrig sei. Zu diesem Zweck stellt der Antrag zunächst die Regelung im öffentlichen Dienst dar.
"Üblicherweise fallen bei traditioneller unterrichtender Tätigkeit umfangreiche Vor- und Nachbereitungszeiten an. Genannt sein hier das Verbessern von Hausaufgaben und das Korrigieren von Schularbeiten, das Vorbereiten/Erstellen von Tests und Schularbeitstexten. Darüber hinaus hat der Lehrer üblicherweise seine Unterrichtsstunden gesondert vorzubereiten, zB Literaturtexte aufzubereiten, Arbeitsunterlagen in ausreichender Anzahl vorzubereiten, Unterrichtsmaterialien zu organisieren, sich selbst die Methoden der Wissensvermittlung zu überlegen usw. Zwar werden Lehrern die generellen Ziele der Wissensvermittlung vorgegeben ('Lehrplan'), jedoch muß das Ziel für jede einzelne Unterrichtsstunde, und auch Methode und Art der Wissensvermittlung vom Lehrer selbst erarbeitet werden. Mit anderen Worten: Der Lehrer muß sich vor jeder Unterrichtsstunde gesondert überlegen, welches Wissen er vermitteln will ('was sollen die Schüler am Ende der Stunde beherrschen?') und er muß überlegen, wie er dieses Wissen vermitteln will. Entsprechend den Ergebnissen dieser Überlegungen muß er sich gesondert vorbereiten.
Die Arbeitsleistung des Lehrers außerhalb der reinen Unterrichtszeit umfaßt daher sowohl manuelle und zeitaufwendige Tätigkeiten (zB kopieren von Unterlagen) als auch 'geistige' Vorbereitung auf den zu haltenden Unterrichtsstoff.
Aus Praktikabilitätsgründen wurde traditionell im öffentlichen Dienst immer ein Entlohnungsschema bevorzugt, das auf die reine Unterrichtszeit abstellt, und alle im Zusammenhang damit geleisteten Tätigkeit pauschal abgilt.
Folgerichtig beträgt daher zB das Ausmaß der Lehrverpflichtung eines Bundeslehrers gemäß §2 Abs1 Bundeslehrer-Lehrverpflichtungsgesetz 20 Wochenstunden (bei Vollbeschäftigung), wobei die Unterrichtsstunden in den einzelnen Unterrichtsgegenständen in unterschiedlichem Ausmaß (Faktor 0,75 bis 1,167) auf diese Verpflichtung anzurechnen sind. Aus Fairneßgründen wird also in gewissem Umfang berücksichtigt, welche Unterrichtsfächer typischerweise mehr - und welche typischerweise weniger - 'zusätzliche' Arbeit verursachen.
Der Unterricht von kaufmännischem Schriftverkehr in einer lebenden Fremdsprache an Abiturientenlehrgängen an Handelsakademien (einer Tätigkeit, die jener bei Berlitz vergleichbar ist) fällt zB in die Lehrverpflichtungsgruppe II gem leg cit und wird daher mit einer Werteinheit von 1,105 auf die Lehrverpflichtung von 20 Wochenstunden angerechnet; dadurch verringert sich die zu leistende Unterrichtszeit unter 20 Unterrichtsstunden pro Woche."
Anders sei die Sachlage in Unternehmen von der Art der antragstellenden Gesellschaft:
"Seit über 120 Jahren wird von Berlitz Sprachschulen weltweit die sogenannte 'Berlitz-Methode' angewendet; als 'direkte' Sprachunterrichtsmethode geht sie davon aus, daß der Unterricht durch Sprachlehrer erteilt wird, deren Muttersprache die Zielsprache ist. Die Berlitz-Methode als eigenständige Unterrichtsmethode ist weltweit anerkannt und wird auch als solche in deutschsprachigen Lexika beschrieben.
...
In Berlitz-Sprachschulen wird in sogenannten 'geschlossenen Curricula' unterrichtet. Geschlossene Curricula zeichnen sich dadurch aus, daß im ersten Schritt das Lernziel genau definiert wird. Das angestrebte Resultat des Lernprozesses ('was soll der Schüler am Ende des Kurses beherrschen') wird in Form von Lernzielen möglichst genau umschrieben. Die Lernschritte die der Erreichung dieser Lernziele dienen sollen, werden in einer Stufenfolge aufgebaut die von allen Lehrern einzuhalten ist. Für die einzelnen Schritte dieser Stufenfolge werden genaue Unterrichtsanleitungen entworfen, die von den Lehrern zu befolgen sind. Der Unterricht in den einzelnen Stunden eines geschlossenen Curriculums ist durch die Definition der Ziele, die vorgegebene Stufenfolge der Unterrichtsstunden zur Erreichung dieser Ziele, und die für die einzelnen Unterrichtseinheiten bereits im vorhinein erarbeiteten Methoden und Materialien vorgegeben.
Im Idealfall sind geschlossene Curricula so aufgebaut, daß unabhängig von der Lehrerpersönlichkeit immer das gleiche Resultat erzielt wird (s Posch/Larcher/Altrichter in Hierdeis/Hug (Hrsg), Taschenbuch der Pädagogik I4 192-195; Peterßen in Roth (Hrsg), Pädagogik, Handbuch für Studium und Praxis 664).
Während bei einem sogenannten 'offenen Curriculum', das im traditionellen Unterricht die Standardmethode darstellt, die Vorgaben für den Unterricht wesentlich geringer sind und daher Eigeninitiative seitens des Unterrichtenden gefordert ist (welche naturgemäß Vor- und Nachbereitung erfordert) ist dies im geschlossenen Curriculum durch die anfänglich erfolgte Festsetzung von Zielen und Methoden mit denen diese Ziele erreicht werden vorweggenommen. Der Lehrer muß sich nur noch an das bereits einmal erarbeitete halten.
Mit anderen Worten: Jene Leistungen, die in einem offenen Curriculum (wie in Österreich allgemein üblich) durch Vor- und Nacharbeiten des Unterrichtenden erbracht werden müssen, sind in einem geschlossenen Curriculum bereits vorweg durch Dritte erbracht worden. Es ist also nicht so, daß diese Leistungen gänzlich wegfallen, sie werden nur nicht unmittelbar durch den Unterrichtenden erbracht.
Die Berlitz-Methode folgt den Prinzipien des geschlossenen Curriculums strikt. Die Lernziele und die zur Erreichung dieser Lernziele von den Lehrern einzusetzenden Methoden sind im vorhinein definiert und vorbereitet: Am Anfang der unterrichtenden Tätigkeit absolviert jeder Sprachlehrer bei Berlitz ein einwöchiges Methodentraining, in welchem er im wesentlichen mit den Berlitz-Materialien und der Berlitz-Methode vertraut gemacht wird; dies bedeutet, er wird damit vertraut gemacht, welche Lernziele anzustreben sind, und wie diese mittels der Berlitz-Methode erreicht werden können.
Die Unterrichtseinheiten sind anschließend modular aufgebaut. Jede Unterrichtseinheit für eine Sprachgruppe (oder einen einzelnen Sprachschüler) hat die ihr (auch aus den Berlitz-Materialien ersichtlichen) zugewiesenen Inhalte. Jeder Sprachlehrer kann daher durch einen Blick auf die 'pädagogische Karte' der betreffenden Gruppe bzw des betreffenden Schülers feststellen, welche Unterrichtseinheit mit der jeweiligen Schülergruppe/dem jeweiligen Schüler gerade durchzunehmen ist. Anhand der ihm zur Verfügung gestellten detaillierten und umfangreichen Berlitz-Materialien kann er dann ohne weiteres die jeweilige Unterrichtseinheit halten. Eine Vorbereitung auf die Unterrichtsstunde ist nicht erforderlich. Der Lehrer weiß aufgrund eines kurzen Blicks auf das Curriculum, welche 'Berlitz-Stunde' gerade durchzunehmen ist; aufgrund des absolvierten Methodentrainings weiß er wie diese zu halten ist. Den Lehrern und Schülern werden neben umfangreichen Lehr- und Arbeitsbüchern auch Audiokassetten und CDs sowie CD-Rom Lehrprogramme zur Verfügung gestellt.
Die Berlitz-Methode ist getreu den Prinzipien des geschlossenen Curriculums so angelegt, daß jeder Sprachlehrer, der das Methodentraining absolviert hat jede Berlitz-Sprachgruppe jederzeit übernehmen kann.
Die typischen Vorbereitungsaufgaben (Bereitstellung von Material, Vorbereitung und Korrektur von Tests) entfallen bei Unterricht nach der Berlitz-Methode. Da auch keine Hausarbeiten oder regelmäßige schriftliche Tests vorgesehen sind, sind weiters keine Nachbereitungszeiten erforderlich. Soweit doch Tests zur Überprüfung des Lernfortschritts anfallen, handelt es sich dabei um standardisierte Multiple Choice Tests, die ohne Aufwand mittels einer zur Verfügung gestellten Schablone korrigiert werden können.
Zweites wesentliches Merkmal der Berlitz-Methode, neben der Unterrichtsform im geschlossenen Curriculum ist die Tatsache, daß der Unterricht ausschließlich in der Zielsprache stattfindet. Darüber hinaus wird in der Berlitz-Methode nicht die klassische Vermittlungsmethode von Lehrstoff verwendet, vielmehr wird der Schüler durch den Einbezug in eine natürliche Fremdsprachenumgebung und durch die Simulierung von Alltagssituationen dazu angeleitet, die Fremdsprache am natürlichen Wege aufzunehmen und so zu erlernen.
Für den Sprachlehrer bedeutet dies, daß nicht Regeln oder Unterrichtsstoff vorgetragen werden, sondern daß völlig natürlich in der Zielsprache gesprochen, diskutiert, erklärt und kommuniziert wird. Dazu stehen im Bereich des Standardunterrichts (also anders bei Spezialunterricht, dazu noch unten Pkt 4.6) pro Unterrichtsstunde von Berlitz entwickelte, leicht anzuwendende, jedoch aufwendig und ausführlich gestaltete Berlitz-Materialien zur Verfügung.
...
Zusammenfassend: Die Berlitz-Methode ist so angelegt, daß typischerweise und institutioneller Weise ein Sprachlehrer ohne spürbare Vor- und Nacharbeit eine Unterrichtseinheit abhalten kann und auch abhalten soll: Praktische Vorbereitungszeiten (zB Kopienbereitstellung) werden durch die bereitgestellten Berlitz-Materialen überflüssig; Hausübungen und Tests sind nicht vorgesehen; die 'geistige' Vorbereitung wird einmal, und für alle Unterrichtseinheiten durch das Methodentraining sowie durch das detaillierte Lehrerhandbuch abgedeckt.
Spürbare Vor- und Nachbereitungszeiten (im Ausmaß von über fünf Minuten pro Unterrichtseinheit) fallen daher bei Berlitz-Sprachlehrern im Standardunterricht nicht an.
Zum Methodentraining sei der Vollständigkeit halber angemerkt, daß diesen zur Zeit grundsätzlich nicht entlohnt wird. Würde jedoch die Berlitz-Methode als eigenständige Methode innerhalb des Systems des MLT für private Bildungseinrichtungen anerkannt, so wird Berlitz dem jedenfalls in Zukunft Rechnung tragen und das Methodentraining als 'vorweggenommene Vorbereitungszeit' gesondert entlohnen.
Spezialunterricht bei Berlitz
Wie bereits erwähnt, gilt das Vorgesagte für den Bereich des sogenannten Berlitz-Standardunterrichts, also im Bereich des von Berlitz angebotenen gewöhnlichen Erlernens einer Fremdsprache. Anderes gilt im sogenannten Spezialunterricht, bei
dem etwa für spezielle Zielgruppen an speziellen Bedürfnissen orientiert Sprachkenntnisse vermittelt werden (zB Wirtschaftsenglisch für Manager). Dabei nähert sich aufgrund der Ausrichtung an den speziellen Bedürfnissen des Schülers/der Gruppe die Methode in der Praxis den traditionellen Unterrichtsformen, und das in diesem Schriftsatz Gesagte bezieht sich darauf nicht.
In Österreich - und dies entspricht dem internationalen Schnitt - wird ca. 90% des gesamten Unterrichtsvolumens im Standardunterricht erteilt.
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Ausmaß des Wochenunterrichts bei Berlitz-Sprachlehrern/Betriebsvereinbarung
Die oben dargestellten Umstände stellen keine abstrakte Theorie dar, sondern beschreiben die Praxis: Eine Reihe von vollbeschäftigten Berlitz-Sprachlehrern hält regelmäßig erheblich mehr als 40 Berlitz-Unterrichtseinheiten (je 40 Minuten) pro Woche.
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Wäre eine Vor- und Nachbereitungszeit im Ausmaß von 40% pro unmittelbar geleisteter Unterrichtseinheit erforderlich (ein Wert, der den Berechnungen des MLT für private Bildungseinrichtungen zugrunde liegt), so wären die derzeit von Berlitz-Sprachlehrern geleisteten Unterrichtseinheiten nicht möglich (im öffentlichen Schuldienst werden auch nicht 40 Unterrichtseinheiten unterrichtet).
Folgerichtig geht die derzeit bei Berlitz geltende Betriebsvereinbarung, die den Einsatz der Sprachlehrer regelt davon aus, daß Vollbeschäftigung bei Mitarbeitern im Unterrichtsbereich bei 60 Unterrichtseinheiten a 40 Minuten (= 40 Wochenstunden) vorliegt. Fielen tatsächlich auch in der Berlitz-Methode Vor- und Nachbereitungszeiten im Ausmaß von rund 40% an, so würde die derzeit geltende Betriebsvereinbarung dazu führen, daß die wöchentliche Normalarbeitszeit bei Berlitz 56 Wochenstunden beträgt, ein gesetzlich nicht zulässiges Ausmaß. Weder der Betriebsrat von Berlitz noch die mit dem Betriebsrat eng zusammenarbeitende Gewerkschaft würde oder könnte eine solche Regelung tolerieren."
Nach Vorführung des Beispiels über solcherart theoretisch entlohnte Wochenstunden nimmt der Antrag auf seiner Meinung nach verwandte Bereiche bezug:
"Gehaltsvergleiche mit kollektivvertraglich festgesetzten Gehältern zB aus dem Bereich des Handels zeigen, daß durchschnittliche Gehälter bei Angestellten des Handels mit vergleichbarer Ausbildung unter jenen von Berlitz-Sprachlehrern liegen: Geht man davon aus, daß die Tätigkeit eines Sprachlehrers in etwa der Tätigkeit von Angestellten der Beschäftigungsgruppe 4 ('Angestellte mit selbständiger Tätigkeit') entspricht zeigt sich, daß letztere im Gehaltsgebiet A (alle Bundesländer mit Ausnahme von Salzburg und Vorarlberg) im fünften Berufsjahr erst ein kollektivvertragliches Jahresgehalt von ATS 226.212 brutto erzielen (Monatsbruttogehalt von ATS 16.158). Wie bereits oben dargestellt, erzielen hingegen Berlitz-Sprachlehrer bereits zu Beginn ihrer Tätigkeit mindestlohntarifliche Jahresgehälter von über ATS 510.000; Beträge, die über dem Doppelten des kollektivvertraglichen Angestelltengehaltes liegen.
...
Berlitz-Sprachlehrer erzielen nicht nur verglichen mit Personengruppen mit gleicher Ausbildung völlig überhöhte Gehälter, sie verdienen teilweise zB weitaus mehr als die ihnen vorgesetzten Direktoren der jeweiligen Sprachschulen.
...
Wie bereits unter 4.3 dargestellt orientiert sich der MLT für private Bildungseinrichtungen an den Regelungen des öffentlichen Dienstes. Geht man daher vergleichsweise von einem Bundeslehrer mit einer Berufserfahrung von ungefähr 11 Jahren aus, der eine der bei Berlitz üblichen Tätigkeit vergleichbare Unterrichtstätigkeit erbringt, so erzielt dieser bei Vollbeschäftigung ein durchschnittliches Gehalt von ATS 25.709 monatlich. Ein weiterer Vergleich mit dem öffentlichen Dienst zeigt die Absurdität der bestehenden MLT-Regelung in ihrer Auswirkung auf geschlossene Curricula besonders deutlich: Vergleicht man das Gehalt eines Berlitz-Sprachlehrers mit jenem eines Schuldirektors - eines Akademikers mit durchschnittlich mind. 15 - 20 Jahren Berufserfahrung (üblicherweise sogar eher mehr), ein ausgebildeter Pädagoge im öffentlichen Dienst so zeigt sich, daß das Jahresgehalt eines Schuldirektors ungefähr jenem der oben aufgezeigten mindestlohntariflichen Gehälter von Berlitz-Sprachlehrern (ATS 500.000 - 550.000) mit wesentlich geringerer Ausbildung und Berufserfahrung entspricht."
Die daraus folgende Wettbewerbsverzerrung treffe nicht nur die antragstellende Gesellschaft, sondern auch andere Unternehmer mit ähnlichen Methoden (wobei ein weiteres Unternehmen namentlich genannt wird). Daß es sich schon bei den Sprachschulen der antragstellenden Gesellschaft um eine beachtliche Größe handle, zeige der Umstand, daß 1992 die Untergruppe b) eigens für ihre Sprachlehrer geschaffen worden sei.
Die im Antrag näher dargelegte Subsidiarität des Mindestlohntarifs sieht die antragstellende Gesellschaft verletzt, weil er, anstatt Mindestentgelte festzulegen, für private Bildungseinrichtungen Gehaltsniveaus festlege, "die ein Vielfaches über dem österreichischen Durchschnittsverdienst liegen". Solcherart sei das festgelegte Entgelt im Hinblick auf verwandte Wirtschaftszweige nicht angemessen. Es sei die gebotene Interessenabwägung unterblieben und so die nötige Kartellfunktion des Mindestlohntarifs verfehlt worden: Die Kosten der antragstellenden Gesellschaft seien höher als die der Konkurrenten, weil sie "die Kosten der Schulung der Sprachlehrer, der Vorbereitung der Unterrichtsmaterialien und der regelmäßigen Überprüfung der im geschlossenen Curriculum aufgestellten Lernziele" hinzurechnen müsse, die bei anderen Sprachschulen schon durch das Lehrergehalt abgedeckt seien. Deshalb sei die bekämpfte Regelung unsachlich. Ein sachliches Ergebnis könne zum Beispiel durch eine zusätzliche Bestimmung erzielt werden, wenn für den Unterricht
"nach einer vom Arbeitgeber vorgegebenen Unterrichtsmethode ..., die bewirkt, daß die unterrichtende Tätigkeit mit keinen oder nur minimalen Vor- und Nacharbeiten verbunden ist, und bei der der Arbeitgeber auch allein die erforderlichen Lehrmittel und Materialien zur Verfügung stellt, damit die Methode angewendet werden kann (so insbesondere Methoden des direkten Sprachunterrichts im Rahmen eines geschlossenen Curriculums),"
die festgelegten Entgeltsätze pro Unterrichtseinheit sich um 35% verringern würden (wobei Zeiten der Einführung in und des Vertrautmachens mit der betreffenden Methode und den dazu erforderlichen Materialien nach den gleichen Entgeltsätzen zu vergüten wären).
Sollte das Gesetz den Mindestlohntarif decken, sei es selbst unsachlich und verfassungswidrig.
b) Aus den Verordnungsakten ergibt sich, daß die antragstellende Gesellschaft ihr Anliegen auf Schaffung einer weiteren Untergruppe für unterrichtende Tätigkeit mit keinen oder nur minimalen Vor- und Nacharbeiten dem Bundeseinigungsamt bereits im Herbst 1996 vorgetragen hat und darüber sowohl 1997 wie auch 1998 Anhörungen vorgenommen worden waren, an denen neben Vertretern der antragstellenden Gesellschaft solche ihres Betriebsrates, der Gewerkschaft und der Wirtschaftskammer teilgenommen hatten. Nach einem Gesprächsprotokoll vom 23. Juni 1998 hielt die Vorsitzende
"abschließend fest, der eingebrachte Vorschlag soll bei der nächsten Verhandlung zum Mindestlohntarif besprochen werden; ohne ein Präjudiz schaffen zu wollen, ist festzuhalten, daß berücksichtigungswürdige Unterschiede zwischen dem Standardunterricht und dem Spezialunterricht erkennbar sind".
Offenbar vom Bundeseinigungsamt angeregte Gespräche zwischen der antragstellenden Gesellschaft und ihrem Betriebsrat im Beisein der (später im Verordnungserlassungsverfahren für die antragstellende kollektivvertragsfähige Körperschaft einschreitenden) Vertreterin der Gewerkschaft blieben ohne Ergebnis.
In seiner Äußerung zum Verordnungsprüfungsantrag legt das Bundeseinigungsamt dar, daß das Kriterium der Subsidiarität nur der autonomen Rechtssetzung durch die kollektivvertragsfähigen Verbände den Vorrang lasse, aber nichts zur Höhe des Entgelts aussage. Dafür sei die Angemessenheit maßgebliches Kriterium, wobei auf verwandte Wirtschaftszweige zu sehen sei. Dem trage der Mindestlohntarif unter Bedachtnahme auf die Entwicklung des allgemeinen Lohnniveaus Rechnung. Der im Antrag enthaltene Hinweis auf Direktorengehälter vergleiche Fixgehälter mit Stundenentgelten; dabei sei nur eine begrenzte Stundenanzahl garantiert. Der Kollektivvertrag für Handelsangestellte könne nur zur Veranschaulichung der Lohnentwicklung herangezogen werden; schon jener für die Angestellten des Gewerbes enthalte (in der Verwendungsgruppe IV) ähnliche Ansätze. Die verordneten Sätze entsprächen auch der Ausbildung der Sprachlehrer. Von der Notwendigkeit einer Sonderregelung habe sich der Senat nicht überzeugen können. Die Argumentation der antragstellenden Gesellschaft scheine nämlich
"nicht zur Gänze stichhaltig zu sein. Aus den in Beilage 15 enthaltenen Gesprächsprotokollen sowie den übermittelten Akten geht hervor, dass von Mitarbeitern der Antragstellerin immer wieder betont wird, dass jeder seriöse Unterricht Vor- und Nacharbeiten erforderlich mache. Auch seitens einer Universitätsassistentin sei dies bestätigt worden. Auch in geschlossenen Curricula seien Vor- und Nacharbeiten notwendig. Es sei erforderlich, sich ständig mit der eigenen Sprache durch Lektüre, insbesondere dem Studium von Fachartikeln hinsichtlich des Sprachunterrichts für Schüler mit hohem Anspruchsniveau auseinander zu setzen.
Auch Senatsmitglieder bezweifeln, dass allein auf Grund einer gewissen Technik ein erfolgreicher Sprachunterricht vorgenommen werden könne, da auch auf die individuellen Probleme der Gruppe damit nicht eingegangen werden könne.
Verwiesen wird auch auf das Programm der Berlitz-School, in dem auf spezielle Wünsche, Vorstellungen, Sprachkenntnisse und Ziele der Schüler eingegangen werde. Berlitz Sprachschulen hätten ein sehr elitäres Publikum, das einen Unterricht über den Standard hinaus verlange. Dieser Umstand erfordert seitens der Sprachlehrer, sich mit dem Niveau der Gruppe auseinanderzusetzen und den Unterricht dementsprechend zu gestalten. Darüber hinaus ist auch auf spezielle Wünsche und Vorstellungen der Schüler einzugehen. Dies alles erfordert Vorbereitungsarbeit.
Weiters ist aus den sogenannten 'pädagogischen Karten' zum Teil ersichtlich, welche Materialien für den Sprachunterricht für einen bestimmten Schüler verwendet werden. Daraus kann auch auf eventuelle Vorarbeiten geschlossen werden.
Das Argument der Antragstellerin, die Tätigkeit der Sprachlehrer bestünde lediglich darin, auf der pädagogischen Karte nachzusehen, auf welcher Seite des Buches die letzte Stunde des Unterrichts geendet hätte, erscheint auf Grund der vorangegangenen Ausführungen nicht schlüssig."
Die vorgeschlagene Formulierung sei zudem für eine Abgrenzung nicht klar genug:
"Es handelt sich um keine 'offizielle' Definition der Berlitz-Methode, wie sie z.B. in Lexika zu finden wäre. Die Gefahr des Mißbrauches ist dadurch nicht hintangehalten. Durch geringfügige Änderung der Unterrichtsmethode könnte die Regelung des Mindestlohntarifes unterlaufen werden und so der rechtspolitischen Zielsetzung, Vor- und Nacharbeiten durch einen Pauschalbetrag abzugelten, zuwider gehandelt werden. Dieses Problem wurde auch schon früher im Rahmen der Senatsverhandlung vom 18. November 1997 ausführlich diskutiert. In einer Verordnung als genereller Akt der Norm kann jedoch keine individuelle Sonderregelung für eine bestimmte Sprachschule aufgenommen werden, sodass allgemeine Formulierungen erforderlich sind; abzustellen ist dabei auf den Regelfall.
Ergänzend ist zu bemerken, dass sich die Dauer der Vor- und Nacharbeiten für Lehrpersonal mit langjähriger Erfahrung im Durchschnitt auf Grund der erworbenen Praxis unabhängig von der angewandten Lehrmethode ebenfalls verkürzt.
Weiters verstößt eine allfällige Sonderregelung gegen das Gebot, einfache und leicht handbare Regelungen zu schaffen. Aus den Gesprächsunterlagen geht hervor, dass Arbeitnehmer der Antragstellerin sowohl Standard- als auch Spezialunterricht erteilen. Obwohl der Mindestlohntarif Stundensätze vorsieht, ist jedoch davon auszugehen, dass ein Arbeitsverhältnis eine Einheit darstellt und sich die Bezahlung nach der überwiegenden Tätigkeit richtet. Daraus ergäben sich schwerwiegende Abgrenzungsprobleme."
c) Zunächst ist festzuhalten, daß der Antrag sich weder gegen das Ausmaß der Erhöhung noch überhaupt gegen die Höhe der Tarifsätze als solche wendet. Er bekämpft auch die für Lehrer offenbar bewährte Technik einer Entlohnung nach Unterrichtsstunden unter Berücksichtigung durchschnittlicher, weil im konkreten Ausmaß kaum nachprüfbarer, Vor- und Nacharbeit nicht. Er rügt vielmehr nur die mangelnde Differenzierung zwischen einem - wie er es nennt: - "traditionellen Unterrichtsmodell" und besonderen Unterrichtsmethoden von der Art, wie das antragstellende Unternehmen sie pflegt. Die im Antrag angestellten Vergleiche sind nur als Hinweise auf die Auswirkung dieses Umstandes zu verstehen.
Wie das Bundeseinigungsamt hat mithin der Verfassungsgerichtshof unter dem Blickwinkel des vorliegenden Antrages nur zu prüfen, ob die Regelung des Mindestlohntarifs für private Bildungseinrichtungen, die einen pauschalen Tarif für unterrichtende Tätigkeit, dreifach gestuft nach der vorausgesetzten Qualifikation, enthält, aufgrund der gegebenen Verhältnisse im Bereich des Sprachunterrichts nach Unterrichtsmethoden unterscheiden muß.
Nach §23 ArbVG ist bei der Festlegung von Mindestentgelten
"insbesondere auf deren Angemessenheit und die Entgeltbemessung in verwandten Wirtschaftszweigen Bedacht zu nehmen. Liegen Mindestentgelte unter dem Mindestentgeltniveau in verwandten Wirtschaftszweigen, so ist bei der Neufestsetzung von Mindestentgelten überdies auf dieses Entgeltniveau Bedacht zu nehmen".
Gegen diese Vorschrift, die vor dem Hintergrund des Zwecks von Mindestlohntarifen, Lücken im System autonomer Rechtsetzung durch die beteiligten Gruppen zu schließen, gerade noch zureichende Kriterien enthält (vgl. auch §1152 ABGB), sind aus Anlaß des vorliegenden Verordnungsprüfungsverfahrens keine verfassungsrechtlichen Bedenken entstanden. Sie ermächtigt zur Erlassung von Tarifen nach dem Muster und der Zielsetzung anderer autonomer oder - ausnahmsweise auch - staatlicher Regelungen.
Daß zwischen unterrichtenden Tätigkeiten in Ansehung der angemessenen Entlohnung nach mannigfaltigen Umständen unterschieden werden könnte, ist offensichtlich. Daß solche Unterscheidungen in dem wegen Fehlens privatwirtschaftlicher Alternativen als verwandten Wirtschaftszweig im Sinne des Gesetzes praktisch ausschließlich in Betracht kommenden Bereich staatlicher Bildungseinrichtungen im Hinblick auf die angewandte Unterrichtsmethode getroffen würden, behauptet die antragstellende Gesellschaft selbst nicht. Auch die von ihr ins Treffen geführte unterschiedliche Bewertung einzelner Unterrichtsfächer in Ansehung des Ausmaßes der Lehrverpflichtung, die mittelbar auf eine Differenzierung in der Entlohnung für verschiedene Unterrichtstätigkeiten hinausläuft (vgl. zB das Bundeslehrer-LehrverpflichtungsG, BGBl. 244/1965), stellt nicht auf die angewendete Unterrichtsmethode ab. Es sind nur Unterrichtsfächer (nach Schultypen offensichtlich an Lehrpläne anknüpfend) in einer allerdings sehr detaillierten Weise aufgefächert und zu Lehrverpflichtungsgruppen mit unterschiedlichen Anrechnungsfaktoren (Werteinheiten von 1,167 bis 0,75) zusammengefaßt (Anlagen 1-6 zum genannten Gesetz). Dabei mag auch das Ausmaß der fachtypischen durchschnittlichen Vor- und Nacharbeit mit berücksichtigt sein. Innerhalb der einzelnen Fächer spielt die Gestaltung des Unterrichts und die Verfügbarkeit besonderer Unterrichtsbehelfe aber keine Rolle.
Unter diesen Umständen kann die Frage nach der Notwendigkeit einer unterschiedlichen Behandlung des Sprachunterrichts nach der angewendeten Unterrichtsmethode nicht isoliert gestellt werden. Selbst Ausmaß und Gewicht der Vor- und Nachbereitung des Unterrichts dürfte nicht allein für den Sprachunterricht in Erwägung gezogen werden. Gerade dort wird freilich im verwandten Wirtschaftszweig - wie der Antrag selbst darlegt - eigentlich die gegenteilige Richtung eingeschlagen, wenn der kaufmännische Schriftverkehr in einer lebenden Fremdsprache ("eine Tätigkeit, die jener bei Berlitz vergleichbar ist") mit 1,105 auf die Lehrverpflichtung angerechnet wird (und solcherart die Zahl der Unterrichtsstunden verringert). Zudem macht jede Bedachtnahme auf die im Einzelfall zur Anwendung kommende Unterrichtsmethode eine Unterscheidung von Unterrichtstätigkeit innerhalb ein und desselben Arbeitsverhältnisses nötig, wobei die jeweils angewandte Methode mehr oder weniger an Vor- oder Nachbereitung im fließenden Übergang erfordern kann, was die Handhabung des Mindestlohntarifs erheblich erschweren würde.
Der bloße Umstand, daß in den Unterrichtsformen für die Entlohnung berücksichtigungswürdige Unterschiede bestehen, verhält die Behörde demgemäß noch nicht, bei Erlassung des Mindestlohntarifs nach Kriterien zu unterscheiden, deren Berücksichtigung verwandten Wirtschaftszweigen fremd ist.
Daher erweist sich der Antrag als unbegründet.
Eine mündliche Verhandlung war entbehrlich (§19 Abs4 erster Satz VerfGG).
Schlagworte
Arbeitsverfassung, Mindestlohntarif, Geltungsbereich (zeitlicher) einer Verordnung, Verordnungsbegriff, VfGH / Individualantrag, DeterminierungsgebotEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2001:V8.2000Dokumentnummer
JFT_09989685_00V00008_00