TE Vwgh Erkenntnis 2004/12/16 2004/11/0161

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Veröffentlicht am 16.12.2004
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E3R E05205000;
E3R E07204020;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
69/02 Arbeitsrecht;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

31985R3820 Harmonisierung best Sozialvorschriften Strassenverkehr Art1 Nr1;
31985R3820 Harmonisierung best Sozialvorschriften Strassenverkehr Art2;
31985R3820 Harmonisierung best Sozialvorschriften Strassenverkehr Art5;
31985R3820 Harmonisierung best Sozialvorschriften Strassenverkehr Art6;
31985R3820 Harmonisierung best Sozialvorschriften Strassenverkehr Art7;
31985R3820 Harmonisierung best Sozialvorschriften Strassenverkehr Art8;
31985R3820 Harmonisierung best Sozialvorschriften Strassenverkehr Art9;
31985R3820 Harmonisierung best Sozialvorschriften Strassenverkehr;
AETR;
AVG §66 Abs4;
AZG §28 Abs3 idF 1994/446;
AZG §28 Abs3;
AZG §28 Abs4;
AZG §28;
EURallg;
KFG 1967 §102 Abs11d;
KFG 1967 §134;
VStG §24;
VStG §44a Z1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn): 2004/11/0168 E 27. Jänner 2005

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Gall und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde des R in B, vertreten durch Dr. Wolfgang Schimek, Rechtsanwalt in 3300 Amstetten, Graben 42, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 29. Juni 2004, Zl. Senat-ME-03-3000, betreffend Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Melk vom 22. Jänner 2003 wurde der Beschwerdeführer wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

"Sie haben folgende Verwaltungsübertretungen begangen:

Tatzeit: Siehe bei den einzelnen Übertretungen.

Tatort: K. Ges.m.b.H., B., R.-Straße 2.

Fahrzeug: Sattel-KFZ, ME-253AD und ME-86WJ (Lenker: A.E.).

Tatbeschreibung:

1.

Sie haben es als das gemäß § 9 Abs. 2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 zur Vertretung nach außen berufene Organ des Arbeitgebers 'K. Ges.m.b.H., B., R.-Straße 2', in der Funktion als handelsrechtlicher Geschäftsführer zu verantworten, dass diese Gesellschaft den Lenker A.E. über die zulässige Tageslenkzeit von 9 bzw. zweimal wöchentlich 10 Stunden zwischen zwei Ruhezeiten hinaus eingesetzt hat, da die gesamte Lenkzeit laut Schaublätter vom 22.8.2002 und mit Daum 22./26.8.2002 im Zeitraum von 02.15 Uhr am 22.8.2002 bis 16.40 Uhr am 23.8.2002 ca. 19 Stunden betragen hat.

2.

Sie haben es als das gemäß § 9 Abs. 2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 zur Vertretung nach außen berufene Organ des Arbeitgebers 'K. Ges.m.b.H., B., R.-Straße 2', in der Funktion als handelsrechtlicher Geschäftsführer zu verantworten, dass diese Gesellschaft dem Lenker A.E. die tägliche Ruhezeit von mindestens 11 Stunden innerhalb eines 24-Stunden-Zeitraumes nicht gewährt hat, da laut Schaublätter vom 22.8.2002 und mit Datum 22./26.8.2002 innerhalb des am 22.8.2002 um 02.15 Uhr beginnenden 24-Stunden-Zeitraumes keine zusammenhängende Ruhezeit von mindestens 9 Stunden eingehalten wurde. Es wurden nur Ruhezeiten von 01:35 Stunden, 02:15 Stunden, 01:40 Stunden und 02:40 Stunden gehalten. Laut Schaublatt mit Datum 27.8.2002 wurde zwischen 20.45 Uhr und 05.15 Uhr nur eine Ruhezeit von 8 Stunden und 30 Minuten gehalten.

3.

Sie haben es als das gemäß § 9 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 zur Vertretung nach außen berufene Organ des Arbeitgebers 'K. Ges.m.b.H., B., R.-Straße 2', in der Funktion als handelsrechtlicher Geschäftsführer zu verantworten, dass diese Gesellschaft dem Lenker A.E. keine Lenkpause nach bzw. innerhalb von 4,5 Stunden Lenkzeit laut Schaublatt vom 22.8.2002 in der Zeit von 11.35 Uhr bis 17.25 Uhr (5 Stunden 50 Minuten) gewährt hat.

Dadurch übertretene Verwaltungsvorschriften, verhängte

Strafen und entstandene Verfahrenskosten:

Zu 1.:

Übertretung gemäß

§ 28 Abs. 1a Z. 4 Arbeitszeitgesetz (AZG) i.V.m. Artikel 6

Abs. 1 EG-VO 3820/85 i.V.m. dem Kollektivvertrag für das Güterbeförderungsgewerbe Österreichs.

Strafnorm und verhängte Geldstrafe:

§ 28 Abs. 1a Z. 4 Arbeitszeitgesetz (AZG)

EUR 500,--

Ersatzfreiheitsstrafe: 3 Tage.

Zu 2.:

Übertretung gemäß

§ 28 Abs. 1a Z. 2 Arbeitszeitgesetz (AZG) i.V.m. Artikel 8

Abs. 1 EG-VO 3820/85 i.V.m. dem Kollektivvertrag für das Güterbeförderungsgewerbe Österreichs.

Strafnorm und verhängte Geldstrafe:

§ 28 Abs. 1a Z. 2 Arbeitszeitgesetz (AZG)

EUR 500,--

Ersatzfreiheitsstrafe: 3 Tage.

Zu 3.:

Übertretung gemäß

§ 28 Abs. 1a Z. 6 Arbeitszeitgesetz (AZG) i.V.m. Artikel 7

Abs. 1 EG-VO 3820/85 i.V.m. dem Kollektivvertrag für das Güterbeförderungsgewerbe Österreichs.

Strafnorm und verhängte Geldstrafe:

§ 28 Abs. 1a Z. 6 Arbeitszeitgesetz (AZG)

EUR 300,--

Ersatzfreiheitsstrafe: 1 Tag."

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen den angefochtenen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Das Hauptgewicht des Beschwerdevorbringens liegt im Einwand, dass das mit dem angefochtenen Bescheid bestätigte Straferkenntnis nicht den Anforderungen des § 44a Z. 1 VStG an die Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat entspreche. Im Spruch des Straferkenntnisses komme nicht zum Ausdruck, ob die zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen im internationalen oder im innerstaatlichen Straßenverkehr begangen worden seien. Dieser Unterscheidung nach der Art des Straßenverkehrs komme aber nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Bedeutung zu, weil nur dadurch die Zuordnung der Tat zur verletzten Rechtsvorschrift ermöglicht werde.

Mit diesem Vorbringen ist die Beschwerde aus den im Erkenntnis vom 20. Februar 2001, Zlen. 2000/11/0294 bis 0300, genannten Gründen, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auch für das gegenständliche Beschwerdeverfahren verwiesen werden kann, im Recht (vgl. im Anschluss an dieses Erkenntnis auch jene vom 20. September 2001, Zl. 2001/11/0171, vom 23. Oktober 2001, Zl. 2000/11/0273, und vom 27. Februar 2004, Zl. 2003/11/0005).

In der Gegenschrift vertritt die belangte Behörde demgegenüber die Auffassung, die angesprochene Unterscheidung nach der Art des Straßenverkehrs sei irrelevant. Sie verweist darauf, dass durch § 102 Abs. 11d des Kraftfahrgesetzes 1967 (KFG 1967) die Vorschriften über Lenk- und Ruhezeiten einerseits bezüglich des innergemeinschaftlichen Straßenverkehrs (Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 des Rates vom 20. Dezember 1985 über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr) und andererseits hinsichtlich des Straßenverkehrs von und/oder nach Drittländern (Europäisches Übereinkommen über die Arbeit des im internationalen Straßenverkehr beschäftigten Fahrpersonals; kurz: AETR) "vollkommen angeglichen" worden seien.

Dazu ist zunächst festzuhalten, dass § 102 Abs. 11d KFG 1967 schon nach seiner Überschrift die Pflichten des Kraftfahrzeuglenkers regelt, wohingegen die gegenständlich zur Last gelegten Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes den Arbeitgeber des Kraftfahrzeuglenkers betreffen. Schon von daher ist - ohne die Besonderheiten der Regelungen in den beiden Gesetzen zu berücksichtigen - ein direkter Vergleich dieser Vorschriften nicht zulässig. Die Anforderungen, die an die Tatumschreibung bei Verstößen des Kraftfahrzeuglenkers gegen § 134 KFG 1967 iVm Art. 5 bis 9 der genannten Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 gestellt werden (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 28. März 2003, Zl. 2002/02/0140), sind daher nicht ohne weiteres auf die Tatumschreibung von Übertretungen des Arbeitgebers gemäß § 28 AZG iVm den einschlägigen Bestimmungen der genannten Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 zu übertragen. Anders als das KFG 1967 nehmen die Bestimmungen des § 28 Abs. 3 und Abs. 4 AZG nämlich bei den dort genannten Verstößen im Straßenverkehr, wie im eingangs zitierten Erkenntnis, Zlen. 2000/11/0294 bis 0300, dargelegt wurde, eine Unterscheidung nach der Art des Straßenverkehrs vor. Daher muss bei diesen Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes im Spruch des Bescheides die Art des Straßenverkehrs zum Ausdruck kommen, um den Beschuldigten in die Lage zu versetzen, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise zu seiner Widerlegung anzubieten.

Die Gegenschrift wendet gegen das Erfordernis, die Art des Straßenverkehrs im Spruch des Straferkenntnisses anzugeben, weiters ein, dass die Feststellung, ob die Übertretung im Einzelfall im nationalen oder internationalen Straßenverkehr begangen wurde, oft mit Schwierigkeiten verbunden sei. Dem ist das bereits zitierte Erkenntnis, Zl. 2000/11/0273, entgegen zu halten, in dem der Verwaltungsgerichtshof darauf hingewiesen hat, dass die Behörde im Rahmen ihrer Ermittlungspflicht erforderlichenfalls Beweise über die Art des der Verwaltungsübertretung zugrunde gelegenen Straßenverkehrs aufzunehmen hat. Für den gegenständlichen Fall hat die belangte Behörde in der Gegenschrift im Übrigen ohnehin die Auffassung vertreten, dass auf Grund der im Akt befindlichen Kopien der Tachographenscheiben von Übertretungen im internationalen Güterverkehr (Fahrt nach Tschechien) auszugehen sei.

Schließlich geht auch der Einwand in der Gegenschrift, der Beschwerdeführer habe im Verwaltungsverfahren die im Spruch des Straferkenntnisses nicht zum Ausdruck gebrachte "Fahrtroute" nicht bekämpft, ins Leere. Zum Einen wird nämlich auch nach der zitierten Rechtsprechung (vgl. insbesondere das bereits wiederholt genannte Erkenntnis Zl. 2000/11/0273) nicht gefordert, im Spruch des Straferkenntnisses eine konkrete Fahrtstrecke zu benennen. Zum Anderen war der Beschwerdeführer nicht verpflichtet, auf die im Straferkenntnis fehlende Bezeichnung der Art des Straßenverkehrs hinzuweisen, weil die Behörde schon gemäß § 44a VStG verpflichtet ist, dem Beschuldigten die als erwiesen angenommene Tat richtig und vollständig vorzuhalten (vgl. die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2 (2000), unter E 21 zu § 44a VStG wiedergegebene Judikatur).

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 16. Dezember 2004

Schlagworte

"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatbild Beschreibung (siehe auch Umfang der Konkretisierung) Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Berufungsverfahren Befugnisse der Berufungsbehörde hinsichtlich Tatbestand und Subsumtion Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Verwaltungsstrafrecht Besondere Rechtsgebiete Gemeinschaftsrecht Verordnung EURallg5 Gemeinschaftsrecht Verordnung Strafverfahren EURallg5/2 Mängel im Spruch

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2004110161.X00

Im RIS seit

25.01.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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