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L0 Verfassungs- und OrganisationsrechtNorm
B-VG Art141 Abs1 litaLeitsatz
Stattgabe einer Wahlanfechtung betreffend die Gemeinderatswahl der Gemeinde Mühlen v 19.03.00; Rechtswidrigkeit der Ergebnisse der Landeswahlbehörde in Folge einer nicht einer Gesamtschau entsprechenden, uneinheitlichen Bewertung von durch zwei wahlwerbende Gruppen eingebrachten Einsprüchen betreffend Stimmzettel; Auswirkung auf das Wahlergebnis; kein KostenzuspruchSpruch
I. Der Wahlanfechtung wird stattgegeben.
Das Verfahren zur Wahl des Gemeinderates der Gemeinde Mühlen am 19.3.2000 wird beginnend mit der Beschlussfassung der Landeswahlbehörde vom 8.5.2000 über die administrativen Wahlanfechtungen aufgehoben.
II. Kosten werden nicht zugesprochen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1. Am 19.3.2000 fand ua. die mit Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung vom 20.12.1999, LGBl. 1999/107, ausgeschriebene Wahl der Mitglieder des Gemeinderates der Gemeinde Mühlen (Bezirk Murau) statt.
1.2. Dieser Wahl lagen von der Sozialdemokratischen Partei Österreichs - SPÖ, der Freiheitlichen Partei Österreichs - FPÖ und der Wählergruppe "Roman Scheuerer Heimatliste Zukunft für Mühlen - ROMAN" eingebrachte und von der Gemeindewahlbehörde der Gemeinde Mühlen gemäß §48 Steiermärkische Gemeindewahlordnung - GWO, LGBl. 1960/6 (WV), idF LGBl. 1999/82, abgeschlossene und veröffentlichte Wahlvorschläge zu Grunde.
1.3. Laut Niederschrift der Gemeindewahlbehörde vom 19.3.2000 entfielen von den 713 abgegebenen und als gültig gewerteten Stimmen - 8 Stimmzettel wurden als ungültig erachtet - auf:
SPÖ ................... 338 Stimmen (8 Mandate)
FPÖ ................... 81 Stimmen (1 Mandat)
ROMAN ................. 294 Stimmen (6 Mandate).
1.4. Mit Eingaben jeweils vom 22.3.2000 erhoben sowohl die SPÖ als auch die Liste ROMAN gemäß §81 GWO Einspruch an die Landeswahlbehörde beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung wegen behaupteter Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens.
1.4.1. Dem Einspruch der SPÖ lag ein Stimmzettel zu Grunde, der ursprünglich von der Wahlbehörde des Wahlsprengels II als für die FPÖ gültig abgegebene Stimme gewertet worden war. In ihrem den genannten Einspruch der SPÖ erledigenden Bescheid vom 11.5.2000 gelangte die Landeswahlbehörde - mit näherer Begründung - zum Ergebnis, dass der in Rede stehende Stimmzettel von der Sprengelwahlbehörde II fälschlicher Weise als gültige Stimme für die FPÖ gewertet worden sei; vielmehr müsse jener als gültige Stimme für die wahlwerbende Partei ROMAN gewertet werden. Gehe man aber von diesem Ergebnis aus, könne - unter Bedachtnahme auf das in der GWO normierte Erfordernis des Einflusses der erwiesenen Rechtswidrigkeit auf das Wahlergebnis - dem Einspruch nicht stattgegeben werden: Bei Berücksichtigung des Umstandes, dass ein fälschlicher Weise der FPÖ zugerechneter Stimmzettel als gültige Stimme für die Liste ROMAN zu werten sei, errechne sich die Wahlzahl nämlich abermals mit 42,25 und die Mandatsverteilung (SPÖ: 8 Mandate; FPÖ: 1 Mandat; ROMAN:
6 Mandate) bleibe gleich. Dem Einspruch der SPÖ wurde somit keine Folge gegeben.
1.4.2. Im Einspruch der Liste ROMAN ging es um drei Stimmzettel, die von der zuständigen Sprengelwahlbehörde als für die SPÖ gültig abgegeben gewertet worden waren. In ihrem diesen Einspruch erledigenden Bescheid vom 11.5.2000 gelangte die Landeswahlbehörde jedoch zu dem Ergebnis, dass zwei der drei in Rede stehenden Stimmzettel von der Sprengelwahlbehörde zu Unrecht als gültige Stimmen für die SPÖ gewertet worden seien; diese Stimmen seien vielmehr als für die FPÖ gültig abgegeben anzusehen. Der dritte Stimmzettel hingegen sei von der Sprengelwahlbehörde zu Recht als gültige Stimme für die SPÖ gewertet worden.
Zur Frage des Einflusses der festgestellten Rechtswidrigkeiten des Wahlverfahrens auf das Wahlergebnis finden sich im Bescheid die folgenden Ausführungen:
"Die Gemeindewahlbehörde hat am Wahltag bei 15 zu vergebenden Mandaten folgendes Ergebnis festgestellt:
SPÖ 338 Stimmen 8 Mandate
FPÖ 81 Stimmen 1 Mandat
ROMAN 294 Stimmen 6 Mandate
Die Wahlzahl nach dem D'Hondtschen Wahlverfahren wurde mit 42,250 berechnet.
Geht man nunmehr davon aus, dass zwei fälschlicherweise der SPÖ zugerechnete Stimmzettel als gültig für die FPÖ zu werten sind, so beträgt die Wahlzahl 42,000 und ergibt sich folgende Mandatsverteilung.
SPÖ 336 Stimmen (bisher 338) 8 Mandate (bisher 8)
FPÖ 83 Stimmen (bisher 81) 1 Mandat (bisher 1)
ROMAN 294 Stimmen (bisher 294) 7 Mandate (bisher 6)
Daraus ergibt sich, dass das 15. Mandat durch eine Losentscheidung zwischen der SPÖ und der Liste ROMAN vergeben werden muss."
Dem Einspruch der Liste ROMAN wurde sohin Folge gegeben und das Wahlverfahren insoweit aufgehoben, "als die Verteilung der Mandate durch die Gemeindewahlbehörde erfolgte." Im Spruch der genannten Entscheidung wurde der Gemeindewahlbehörde aufgetragen, "die Mandate auf der Grundlage des korrigierten Ergebnisses nach §76 GWO" innerhalb einer bestimmten Frist "neu zu vergeben."
Eine Ausfertigung dieses Bescheides wurde dem zustellungsbevollmächtigten Vertreter der Liste ROMAN am 15.5.2000 zugestellt.
1.5. Am 21.5.2000 fand neuerlich eine Sitzung der Gemeindewahlbehörde der Gemeinde Mühlen statt, und zwar mit dem Tagesordnungspunkt 2.: "Losentscheid gemäß §76 Abs4 GWO".
Nachdem der Gemeindewahlleiter die "maßgebenden Ausführungen des Bescheides der Landeswahlbehörde" (vom 11.5.2000 über den Einspruch der Liste ROMAN) verlesen hatte, wurde laut Sitzungsniederschrift wie folgt verfahren:
"In der Marktgemeinde Mühlen sind 15 Gemeinderatssitze zu vergeben. Damit ist die fünfzehnt größte Zahl die Wahlzahl. Dies ist die Zahl 42,00.
Die Wahlzahl ist in der Partei: SPÖ 8-mal
ROMAN 7-mal
FPÖ 1-mal
Summe 16
enthalten. Jede wahlwerbende Partei erhält so viele Gemeinderatssitze, als die Wahlzahl in ihrer Parteisumme enthalten ist. Da nach dieser Berechnung zwei wahlwerbende Parteien auf einen Gemeinderatssitz den gleichen Anspruch haben, hat die Vergabe dieses Gemeinderatssitzes durch Losentscheid zu erfolgen.
Das an Jahren jüngste Mitglied der Gemeindewahlbehörde gemäß §76 Abs5 GWO hat das Los zu ziehen. Dies ist GR Gottfried Eichhöbl jun.
Diejenige wahlwerbende Partei, deren Parteibezeichnung sich in dem gezogenen Kuvert befindet, erhält den Gemeinderatssitz zugesprochen.
Es wurde mittels Losentscheid festgestellt, dass dieser Gemeinderatssitz der SPÖ zufällt.
Es entfallen daher auf die
Wahlwerbende Partei: SPÖ 8 Gemeinderatssitze
Wahlwerbende Partei: ROMAN 6 Gemeinderatssitze
Wahlwerbende Partei: FPÖ 1 Gemeinderatssitz
Summe 15 Gemeinderatssitze".
1.6.1. Mit ihrer am 13.6.2000 zur Post gegebenen und auf Art141 B-VG gestützten Eingabe focht die Liste ROMAN die Wahl zum Gemeinderat der Gemeinde Mühlen beim Verfassungsgerichtshof an und begehrt, der Verfassungsgerichtshof wolle das Verfahren zu dieser Wahl vom Ermittlungsverfahren der Gemeindewahlbehörde an, in eventu aber zur Gänze für nichtig erklären und als rechtswidrig aufheben.
1.6.2. Die im verfassungsgerichtlichen Verfahren zur Erstattung einer Gegenschrift aufgeforderte Landeswahlbehörde legte die Wahlakten vor, gab jedoch keine Stellungnahme ab; sie beantragte, der Anfechtungswerberin die Prozesskosten aufzuerlegen.
2. Über die Wahlanfechtung wurde erwogen:
2.1.1. Gemäß Art141 Abs1 lita B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof ua. über die Anfechtung von Wahlen zu den allgemeinen Vertretungskörpern, so auch über die Anfechtung einer Gemeinderatswahl (zB VfSlg. 14.847/1997).
2.1.2.1. Nach §68 Abs1 VerfGG muss die Wahlanfechtung binnen vier Wochen nach Beendigung des Wahlverfahrens, wenn aber in dem anzuwendenden Wahlgesetz ein Instanzenzug vorgesehen ist, binnen vier Wochen nach Zustellung des in letzter Instanz ergangenen Bescheides eingebracht werden.
2.1.2.2. Ein derartiger, die unmittelbare Anfechtung der Wahl zum Gemeinderat der Gemeinde Mühlen beim Verfassungsgerichtshof ausschließender Instanzenzug ist gemäß der Bestimmung des §81 Abs1 GWO vorgesehen: danach kann eine Wahl ua. wegen behaupteter Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens binnen zwei Wochen - vom Ablauf des ersten Kundmachungstages (des Wahlergebnisses) an gerechnet - vom zustellungsbevollmächtigten Vertreter jeder wahlwerbenden Partei schriftlich mit Einspruch bekämpft werden.
Über den bei der Gemeindewahlbehörde schriftlich zu erhebenden Einspruch entscheidet in erster und letzter Instanz die Landeswahlbehörde (§81 Abs4 und 6 GWO).
2.1.2.3. Wie sich aus den Ausführungen zu Punkt 1.4.2. ergibt, wurde der vom zustellungsbevollmächtigten Vertreter der Liste ROMAN am 22.3.2000 gemäß §81 GWO wegen Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens ergriffene Einspruch mit Bescheid der Landeswahlbehörde vom 11.5.2000 erledigt.
Maßgebender Zeitpunkt für den Beginn des Laufes der vierwöchigen Frist zur Anfechtung der in Rede stehenden Gemeinderatswahl vor dem Verfassungsgerichtshof ist somit der 15.5.2000, das ist der Tag der Zustellung des Bescheides der Landeswahlbehörde an den zustellungsbevollmächtigten Vertreter der Liste ROMAN (sh. schon Pkt. 1.4.2.).
2.1.2.4. Der letzte Tag der Anfechtungsfrist wäre demgemäß der 12.6.2000 gewesen. Da dieser Tag aber ein Feiertag (Pfingstmontag) war, ist der nächste Werktag als letzter Tag der Frist anzusehen (§126 Abs2 ZPO iVm §35 Abs1 VerfGG), weshalb die am 13.6.2000 zur Post gegebene Wahlanfechtung (sh. Pkt. 1.6.1.) rechtzeitig eingebracht wurde.
2.1.3. Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen zutreffen, ist die Wahlanfechtung zulässig.
2.2.1. Nach Art141 Abs1 zweiter Satz B-VG kann die Anfechtung einer Gemeinderatswahl auf die behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens gegründet werden.
Die einschreitende Liste ROMAN führt dies in ihrer Anfechtungsschrift wörtlich wie folgt aus:
"Bei der Gemeinderatswahl vom 19. März 2000 hat ... die Wahlbehörde eine Reihe von Stimmzetteln unrichtig ausgewertet, diese Stimmzettel also entgegen dem dokumentierten Wählerwillen einer anderen wahlwerbenden Partei zugerechnet bzw. nicht für ungültig erklärt, obwohl sich der Wählerwille nicht eindeutig erkennen ließ. Dies führte dazu, dass die Anfechtungswerberin wegen insgesamt drei Stimmzetteln, die wahlwerbende Partei Sozialdemokratische Partei Österreichs (SPÖ) wegen einem Stimmzettel einen Einspruch an die Landeswahlbehörde beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung einbrachten. Anfechtungsgrund ist für die Anfechtungswerberin derjenige Stimmzettel (in den weiteren Ausführungen Stimmzettel 1), der Grundlage für den Einspruch der wahlwerbenden Partei Sozialdemokratische Partei Österreichs (SPÖ) an die Landeswahlbehörde beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung war, und die damit im Zusammenhang stehende Vorgangsweise der Landeswahlbehörde beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung.
Dieser Stimmzettel 1 wurde von der Wahlbehörde als gültiger Stimmzettel für die FPÖ gewertet. Die Landeswahlbehörde beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung hat in Behandlung des Einspruches der SPÖ diesen Stimmzettel aber letztendlich als gültige Stimme für die wahlwerbende Partei ROMAN gewertet. Hievon erlangte die Anfechtungswerberin erstmals nach dem 11.5.2000, dem Datum der Bescheiderlassung durch die Landeswahlbehörde beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung, Kenntnis. Die Zurechnung dieses Stimmzettels 1 zur wahlwerbenden Partei ROMAN ist nach dem Standpunkt der Anfechtungswerberin deshalb relevant, weil die Landeswahlbehörde beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung zeitgleich über Einspruch des zustellungsbevollmächtigten Vertreters der wahlwerbenden Partei 'Roman Scheuerer, Heimatliste Zukunft für Mühlen (ROMAN)' zwei von drei anderen Stimmzetteln (also nicht Stimmzettel 1, sondern Stimmzettel 2, Stimmzettel 3 und Stimmzettel 4) entgegen der Entscheidung der Wahlbehörde nicht der SPÖ, sondern stattdessen der FPÖ zuordnete. In der getrennten Verwertung der Ergebnisse der Einsprüche der wahlwerbenden Partei Sozialdemokratische Partei Österreichs (SPÖ) und der wahlwerbenden Partei Roman Scheuerer Heimatliste Zukunft für Mühlen (ROMAN) liegt nach dem Standpunkt der Anfechtungswerberin die Beschwer für die Anfechtung der Wahl beim Verfassungsgerichtshof. Hätte nämlich die Landeswahlbehörde beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung die Einspruchsergebnisse insgesamt - im Sinne einer Gesamtschau - betrachtet, dann wäre es nicht zu einem Losentscheid über das 15. Gemeinderatsmandat gekommen, dasselbe wäre dann ex lege der wahlwerbenden Partei Roman Scheuerer Heimatliste Zukunft für Mühlen (ROMAN) zugefallen.
...
Zusammengefasst erblickt die Anfechtungswerberin die Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens darin, dass es nicht zu einer Gesamtschau, also zu einer einheitlichen Verwertung der Einspruchsergebnisse durch die Landeswahlbehörde beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung bei der Mandatszuweisung kam. Eine solche Gesamtschau hätte nämlich auf das Wahlergebnis insoferne Einfluss gehabt, als es dann nicht zu einer Losentscheidung über die Zuweisung des 15. Mandates gekommen wäre. Die Gesamtschau war tatsächlich auch möglich, über beide Einsprüche wurde von der Landeswahlbehörde beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung nämlich zeitgleich am selben Tag (8.5.2000) entschieden. Schließlich hat die Landeswahlbehörde im Verteiler des in Beschwerde gezogenen Bescheides dem Gemeindewahlleiter aufgetragen, die Mandatsverteilung auf Grund des berichtigten Ergebnisses neu vorzunehmen. Das berichtigte Ergebnis ist aber jenes im Sinne der Gesamtschau.
Dass diese Rechtswidrigkeit für das Wahlergebnis von Einfluss war, steht damit fest.
Es ist daher auch dem vom Verfassungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung entwickelten Grundsatz entsprochen, wonach eine behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens auch auf das Wahlergebnis von Einfluss gewesen sein muss ... ."
2.2.2. Die anfechtende Wählergruppe ist mit der in ihrer Eingabe vertretenen Rechtsauffassung über die Beurteilung von Wahlanfechtungen auf administrativer Ebene im Ergebnis im Recht:
Gemäß §81 Abs4 GWO hat die Landeswahlbehörde - vorausgesetzt, es wurde fristgerecht ein hinlänglich begründeter Einspruch wegen behaupteter Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens eingebracht - dem Einspruch stattzugeben, wenn die behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens erwiesen wurde und auf das Wahlergebnis von Einfluss war. In der dem Einspruch stattgebenden Entscheidung hat die Landeswahlbehörde entweder das ganze Wahlverfahren oder von ihr genau zu bezeichnende Teile desselben aufzuheben. Eine Entscheidung gemäß dieser Bestimmung kann die Landeswahlbehörde aber auch von Amts wegen treffen (§81 Abs5 GWO).
Werden nun von zwei oder mehreren Seiten (Einspruchs)Verfahren angestrengt, so sind von der Landeswahlbehörde zunächst die Einspruchsgründe zu würdigen. In der Frage einer gänzlichen oder teilweisen Aufhebung des Wahlverfahrens bei von der Einspruchsbehörde festgestellten Rechtswidrigkeiten des Wahlverfahrens hat die Behörde ihre (Rechtswidrigkeits)Feststellungen unter dem Aspekt deren Einflusses auf das Wahlergebnis zusammenschauend und insgesamt zu betrachten. Eine unter diesem Blickwinkel für jedes (Einspruchs)Verfahren vorgenommene isolierte Betrachtung der jeweils von den Einspruchswerbern aufgestellten Rechtsverletzungsbehauptungen würde der Bedeutung des Einspruchsrechtes als einer Rechtsschutzeinrichtung letztlich zur Gewährleistung eines richtigen, d.h. von Rechtswidrigkeiten freien Endergebnisses eines Wahlverfahrens nicht gerecht werden, uU die genannte administrative Einspruchsmöglichkeit ihres Sinnes und Zweckes überhaupt berauben (in diese Richtung weisen letztlich auch schon die Erk. VfSlg. 10.804/1986 Pkt. 2.2.1. sowie 11.257/1987 Pkt. 2.2.2.1.).
Es ist darum der Landeswahlbehörde als Rechtswidrigkeit anzulasten, dass sie die Ergebnisse der (administrativen) Einspruchsverfahren - unter dem Aspekt des Einflusses der geltend gemachten und von ihr (zum Teil) als erwiesen angenommenen Rechtswidrigkeiten - nicht einer zusammenschauenden einheitlichen Bewertung unterzog.
2.3. Nun ist einer Wahlanfechtung - wie der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung darlegte (VfSlg. 11.732/1988, 13.017/1992) - nicht schon dann stattzugeben, wenn die behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens erwiesen wurde; sie muss darüber hinaus auch auf das Wahlergebnis von Einfluss gewesen sein (Art141 Abs1 vorletzter Satz B-VG, §70 Abs1 erster Satz VerfGG).
Dies trifft hier zu, weil die festgestellte, der Landeswahlbehörde anzulastende Rechtswidrigkeit zur Folge hatte, dass die Wählergruppe ROMAN bei der Vergabe der Gemeinderatsmandate (im fortgesetzten Verfahren vor der Gemeindewahlbehörde) unzulässig benachteiligt wurde, wie die nachstehenden Ausführungen zeigen:
Der Gemeinderat der Gemeinde Mühlen besteht aus 15 Mitgliedern. Auf der Basis der in der Niederschrift vom 19.3.2000 fest gehaltenen Parteisummen berechnete die Gemeindewahlbehörde die Wahlzahl gemäß §76 Abs2 GWO. Als Wahlzahl galt demnach die Zahl 42,25. Demnach entfiel von den 15 zu vergebenden Gemeinderatsmandaten auf die einzelnen Listen die unter Punkt 1.3. wiedergegebene Anzahl an Mandaten.
Legt man der Wahlzahlberechnung jedoch das korrigierte Wahlergebnis zu Grunde, das aus den Feststellungen der Landeswahlbehörde zu den einzelnen Stimmzettelbewertungen sowohl in dem von der SPÖ als auch in dem von der Liste ROMAN angestrengten Einspruchsverfahren (sh. Pkte. 1.4.1. und 1.4.2.) folgt, nämlich (2 Stimmen weniger, ds.) 336 Stimmen für die SPÖ; (eine Stimme mehr, ds.) 295 Stimmen für die Liste ROMAN; (eine Stimme mehr, ds.) 82 Stimmen für die FPÖ, so ergibt sich als Wahlzahl die Zahl 42,142857. Diese Zahl entspricht nun dem 1/7 der Parteisumme der Liste ROMAN, weshalb dieser Liste - ausgehend von den Stimmzettelbewertungen durch die Landeswahlbehörde und anders als nach dem letztlich kundgemachten Wahlergebnis - ein siebtes Mandat zugefallen wäre; zu einer Losentscheidung gemäß §76 Abs4 GWO wäre es gar nicht gekommen.
2.4. Der Wahlanfechtung war daher stattzugeben und das Verfahren zur Wahl des Gemeinderates der Gemeinde Mühlen am 19.3.2000 beginnend mit der Beschlussfassung der Landeswahlbehörde vom 8.5.2000 über die administrativen Wahlanfechtungen der SPÖ und der Liste ROMAN aufzuheben.
3. Das Wahlverfahren tritt in jenes Stadium zurück, in dem es sich vor Erlassung der Bescheide der Landeswahlbehörde jeweils vom 11.5.2000 befunden hatte. Da der Verfassungsgerichtshof seine (Wahl)Prüfungsbefugnis nur in den Grenzen der in der Anfechtungsschrift aufgestellten Behauptungen wahrzunehmen hat (sh. etwa VfSlg. 14.080/1995), war in diesem Verfahren nicht zu erörtern, ob die Frage der Gültigkeit oder Ungültigkeit jener (insgesamt) vier Stimmzettel, die den von der SPÖ und von der Anfechtungswerberin initiierten Einspruchsverfahren zu Grunde lagen, von der Landeswahlbehörde überhaupt rechtsrichtig beantwortet wurde.
4. Kosten konnten nicht zugesprochen werden, weil ein Kostenersatz im Verfahren nach Art141 B-VG nur in §71a Abs5 VerfGG (vgl. dazu auch §27 VerfGG) vorgesehen ist, welche Bestimmung im vorliegenden Fall nicht in Betracht kommt (vgl. etwa VfSlg. 15.357/1998).
5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung ergehen.
Schlagworte
VfGH / Kosten, Wahlen, Ermittlungsverfahren, Wahlanfechtung administrative, WahlergebnisEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2001:WI10.2000Dokumentnummer
JFT_09989685_00W0I010_00