RS OGH 2004/11/23 14Os139/04, 11Os48/06b, 12Os138/06w, 14Os43/09v, 15Os20/11x, 13Os82/11z, 11Os115/1

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 23.11.2004
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Norm

MRK Art5 Abs1 lita III4a
MRK Art5 Abs1 litc III4d1
MRK Art5 Abs3 IV3d
MRK Art6 Abs1 II6
StPO §193 Abs1
StPO §193 Abs2

Rechtssatz

Wenn die Schuld einer Person bereits in einer Hauptverhandlung festgestellt worden ist, die in ihrem Ablauf den Erfordernissen des Art 6 Abs 1 MRK entsprochen hat, finden nach der Rsp des EGMR Verhängung und Fortsetzung der Untersuchungshaft ihre Rechtfertigung in Art 5 Abs 1 lit a MRK. Fänden Verhängung und Fortsetzung der Untersuchungshaft ihre Rechtfertigung auch nach erstinstanzlicher Verurteilung in Art 5 Abs 1 lit c MRK, könnte mit Blick auf den Wortlaut des Art 5 Abs 1 MRK argumentiert werden, dass die aus welchem Grund immer verhängte oder fortgesetzte Untersuchungshaft nach einem erstinstanzlichen Schuldspruch nach Maßgabe der MRK stets aufgehoben werden müsste, weil die StPO eine "Vorführung" des auf freiem Fuß befindlichen Angeklagten im Rechtsmittelverfahren nicht kennt (§§ 286 Abs 1 zweiter Satz, 294 Abs 5 zweiter Satz, 296 Abs 3 zweiter Satz, 344 zweiter Satz, 473 Abs 1, 489 Abs 1 zweiter Satz StPO). Wer sich wegen der Verlängerung seiner Haft über die erstinstanzliche Verurteilung hinaus aufgrund der Verzögerung, die mit der Entscheidung über sein Rechtsmittel verbunden ist, zu beschweren hätte, kann sich nach der Rsp des EGMR nicht auf Art 5 Abs 3 MRK berufen, wohl aber "möglicherweise Nichtbeachtung der in Art 6 Abs 1 MRK vorgesehenen angemessenen Frist geltend machen" (EGMR, 27. 6. 1968, Wemhoff gg Deutschland). Nach der Rsp des Obersten Gerichtshofes setzen § 193 Abs 1 und 2 StPO diese Grundrechtsverheißung auf einfachgesetzlicher Stufe um (richtungweisend: 15 Os 34/04).

Entscheidungstexte

  • 14 Os 139/04
    Entscheidungstext OGH 23.11.2004 14 Os 139/04
  • 11 Os 48/06b
    Entscheidungstext OGH 13.06.2006 11 Os 48/06b
    Auch; Beisatz: Die Anhaltung in Untersuchungshaft widerstreitet nach einem in erster Instanz auf der Grundlage einer in ihrem Ablauf den Erfordernissen des Art 6 Abs 1 MRK entsprechenden Hauptverhandlung ergangenen Schuldausspruch und Strafausspruch keineswegs der Unschuldsvermutung des Art 6 Abs 2 MRK, sondern findet im Gegenteil ihre - nach Maßgabe der nationalen Gesetzeslage zu beurteilende - Rechtfertigung in Art 5 Abs 1 lit a MRK. (T1)
  • 12 Os 138/06w
    Entscheidungstext OGH 21.12.2006 12 Os 138/06w
    Auch; nur: Wenn die Schuld einer Person bereits in einer Hauptverhandlung festgestellt worden ist, die in ihrem Ablauf den Erfordernissen des Art 6 Abs 1 MRK entsprochen hat, finden nach der Rsp des EGMR Verhängung und Fortsetzung der Untersuchungshaft ihre Rechtfertigung in Art 5 Abs 1 lit a MRK. (T2)
    Beisatz: Wenngleich das Urteil angefochten wurde. (T3)
  • 14 Os 43/09v
    Entscheidungstext OGH 29.04.2009 14 Os 43/09v
    Vgl; Beisatz: Der Schutzbereich des Art 5 Abs 3 zweiter Satz EMRK erstreckt sich aber nur auf die Haftgründe des Art 5 Abs 1 lit c EMRK. (T4)
  • 15 Os 20/11x
    Entscheidungstext OGH 16.03.2011 15 Os 20/11x
    Vgl auch; nur T2
  • 13 Os 82/11z
    Entscheidungstext OGH 27.07.2011 13 Os 82/11z
    Auch; nur T2; Beisatz: Art 5 Abs 1 lit a MRK stellt nämlich auf die Haft ab der erstinstanzlichen Verurteilung, nicht erst auf jene ab Rechtskraft des Urteils ab. Deswegen werden auch vom EGMR Beschwerdeführer mit der Behauptung, der Schuldspruch oder die gegen sie verhängte Strafe würden auf einem Tatsachen-oder Rechtsirrtum des Erstgerichts beruhen, nicht gehört. (T5)
  • 11 Os 115/11p
    Entscheidungstext OGH 13.09.2011 11 Os 115/11p
    Vgl auch; Beis ähnlich wie T1
  • 11 Os 66/12h
    Entscheidungstext OGH 19.06.2012 11 Os 66/12h
    Vgl auch; ähnlich nur T2
  • 14 Os 90/16s
    Entscheidungstext OGH 28.09.2016 14 Os 90/16s
    Auch; Beis ähnlich wie T5

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2004:RS0119511

Im RIS seit

23.12.2004

Zuletzt aktualisiert am

24.10.2016
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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