TE Vwgh Erkenntnis 2004/12/17 2000/02/0134

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Veröffentlicht am 17.12.2004
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Index

000;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
21/01 Handelsrecht;
21/07 Sonstiges Handelsrecht;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §12 Abs6 litc idF 1995/297;
AlVG 1977 §12 Abs6 litc;
AlVG 1977 §12 Abs6 lite;
EGG;
HGB §105;
HGB §161;
StruktAnpG 1995;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Beck und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel-Lanz, über die Beschwerde des FH in G, vertreten durch Dr. Andreas Brugger, Rechtsanwalt in Innsbruck, Salurnerstraße 16, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Tirol vom 7. Dezember 1999, Zl. LGSTi/V/1212/3827 30 10 59-709/1999, betreffend Widerruf und Rückersatz von Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführenden Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 7. Dezember 1999 wurde gegenüber dem Beschwerdeführer die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes gemäß § 24 Abs. 2 AlVG für die Zeiträume vom 6. Oktober 1995 bis 19. Dezember 1995, vom 18. April 1996 bis 19. Juni 1996, vom 11. Oktober 1996 bis 19. Dezember 1996, vom 18. April 1997 bis 19. Juni 1997, vom 10. Oktober 1997 bis 19. Dezember 1997, vom 28. April 1998 bis 24. Juni 1998 und vom 15. Oktober 1998 bis 17. Dezember 1998 rückwirkend widerrufen und gemäß § 25 Abs. 1 AlVG ein Betrag in Höhe von S 188.881,-- zum Rückersatz vorgeschrieben. Ferner gab die belangte Behörde dem Antrag, der Berufung aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gemäß § 56 Abs. 2 AlVG keine Folge.

In der Begründung dieses Bescheides wird u.a. ausgeführt, der Beschwerdeführer sei gemeinsam mit seiner Gattin persönlich haftender Gesellschafter der H. und F. H. OEG, an welcher er zu 50 % beteiligt sei. Aus Punkt V des Gesellschaftsvertrages vom 10. September 1992 gehe hervor, dass die Geschäftsführung und Vertretung jedem einzelnen Gesellschafter obliege und der Beschwerdeführer somit als Geschäftsführer der OEG anzusehen sei. Die Ausübung dieser Geschäftsführungsfunktion sei dem Arbeitsmarktservice vom Beschwerdeführer nie bekannt gegeben worden, obwohl der Beschwerdeführer saisonal Arbeitslosengeld bezogen habe. Obwohl der Beschwerdeführer seit 1. Jänner 1993 bei der gewerblichen Sozialversicherung gemeldet sei, habe er auf die Frage auf den jeweiligen Antragsbögen auf Zuerkennung des Arbeitslosengeldes, ob er eine selbständige Tätigkeit ausübe, mit "NEIN" geantwortet. Erst durch einen angeforderten Auszug aus der Datenspeicherung des Hauptverbandes der Österreichischen Sozialversicherungsträger sei das Arbeitsmarktservice davon in Kenntnis gesetzt worden, dass der Beschwerdeführer seit 1. Jänner 1993 als selbständig Erwerbstätiger bei der gewerblichen Sozialversicherung versichert sei.

Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe sich gutgläubig für nicht selbständig erwerbstätig gehalten, sei entgegenzuhalten, dass es bei Ausübung einer geschäftsführenden Gesellschaftertätigkeit gemäß § 12 Abs. 6 lit. e AlVG lediglich darauf ankomme, ob gemäß § 36a leg. cit. das Einkommen oder gemäß § 36b leg. cit. 11,1 % des auf Grund seiner Anteile aliquotierten Umsatzes der Gesellschaft die im ASVG angeführte Geringfügigkeitsgrenze übersteige. Aus den vorgelegten Einkommensteuerbescheiden bzw. Erklärungen gehe hervor, dass die OEG auf Grund der umfangreichen Verluste in den gegenständlichen Zeiträumen kein Einkommen über der Geringfügigkeitsgrenze erzielt habe.

Gemäß § 12 Abs. 6 lit. e AlVG in der jeweiligen Fassung werde die Arbeitslosigkeit des geschäftsführenden Gesellschafters danach beurteilt, ob 11,1 % der aliquoten Anteile am monatlichen Umsatz der Gesellschaft die im § 5 Abs. 2 lit. a bis c ASVG angeführten Beträge übersteige.

Auf Grund des im Wirtschaftsjahr 1995 durch Umsatzsteuerbescheid festgesetzten Jahresumsatzes würden 11,1 % der aliquoten Anteile des Berufungswerbers S 4.863,60 betragen, wobei die monatliche Geringfügigkeitsgrenze 1995 bei S 3.452,-- liege.

Im Wirtschaftsjahr 1996 habe die OEG laut Umsatzsteuerbescheid vom 3. März 1998 einen Umsatz in Höhe von S 1,038.683,83 erzielt. 11,1 % der aliquoten Anteile würden daher S 4.803,92 betragen, wobei die monatliche Geringfügigkeitsgrenze 1996 bei S 3.600,-- liege.

Für das Wirtschaftsjahr 1997 sei von der OEG eine Umsatzsteuererklärung abgegeben worden, wonach der Gesamtbetrag der steuerpflichtigen Lieferungen, sonstigen Leistungen und Eigenverbrauch S 951.471,53 betrage. 11,1 % der aliquoten Anteile des Beschwerdeführers an diesem Jahresumsatz betrage S 4.400,56. 1997 sei die monatliche Geringfügigkeitsgrenze bei S 3.740,-- gelegen.

Gemäß den Angaben des Steuerberaters des Beschwerdeführers belaufe sich der 50 %-Anteil des Beschwerdeführers am Umsatz der OEG im Wirtschaftsjahr 1998 auf S 465.670,--. Der auf den Beschwerdeführer entfallende monatliche Anteil von 11,1 % belaufe sich daher im Wirtschaftsjahr 1998 auf S 4.307,45. Die Geringfügigkeitsgrenze sei 1998 bei S 3.830,-- gelegen.

Da der Beschwerdeführer in den Wirtschaftsjahren 1995, 1996, 1997 und auch 1998 mit 11,1 % seines aliquoten Anteils am Umsatz der Gesellschaft über der jeweils geltenden Geringfügigkeitsgrenze gemäß § 5 Abs. 2 ASVG gelegen sei, sei der Beschwerdeführer ab 1995 nicht als arbeitslos anzusehen, weshalb auch das in diesem Zeitraum von ihm bezogene Arbeitslosengeld nicht zu Recht empfangen worden sei. Insgesamt habe der Beschwerdeführer in den gegenständlichen Zeiträumen S 188.881,-- an Arbeitslosengeld ausbezahlt erhalten. Die Auszahlung des Arbeitslosengeldes sei an den Beschwerdeführer erfolgt, weil dieser die Ausübung seiner geschäftsführenden Gesellschaftertätigkeit dem Arbeitsmarktservice nicht bekannt gegeben habe. Der Beschwerdeführer habe somit diesen Leistungsbezug durch Verschweigung maßgebender Tatsachen, nämlich seiner selbständigen Erwerbstätigkeit als geschäftsführender Gesellschafter der OEG, verschwiegen. Umsatzsteuerrechtlich seien zwar eine Personengesellschaft und deren Gesellschafter verschiedene Rechtssubjekte, nach § 12 Abs. 6 lit. e AlVG komme es jedoch nicht auf diese steuerliche Zurechnung der Umsätze, sondern lediglich darauf an, ob der Beschwerdeführer eine geschäftsführende Gesellschafterfunktion ausübe und in dieser Funktion aliquot zurechenbare Umsätze über der Geringfügigkeitsgrenze nach § 5 Abs. 2 ASVG erzielt würden.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher die Behandlung derselben mit Beschluss vom 6. März 2000, B 156/00, ablehnte und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer wendet u.a. ein, der Verwaltungsgerichtshof habe im Erkenntnis vom 16. Februar 1999, Zl. 97/08/0427, ausgesprochen, dass die Zurechnung von Umsätzen die Identität des Steuersubjekts nach dem Umsatzsteuergesetz und Arbeitslosengeldbezieher voraussetze. In diesem Erkenntnis habe der Verwaltungsgerichtshof das Vorliegen einer solchen Identität zwischen einer OEG und deren geschäftsführender Gesellschafterin verneint, weshalb eine solche Identität auch im vorliegenden Fall nicht anzunehmen sei. Nach diesem Erkenntnis habe sich allerdings die Rechtslage "geringfügig" geändert, weshalb untersucht werden müsse, ob die damalige Rechtsauffassung trotz dieser Änderung aufrecht erhalten werden könne. Der Beschwerdeführer verweist in diesem Zusammenhang auf § 12 Abs. 3 und Abs. 6 lit. c und e AlVG in der Fassung der Novellen BGBl. Nrn. 297/1995 und 201/1996.

Die Umformulierung dieser Bestimmungen - so der Beschwerdeführer weiter - habe zu keiner maßgeblichen Änderung der Rechtslage geführt. Schließlich komme es auch nach dem neuen Text darauf an, ob der geschäftsführende Gesellschafter selbst aus dieser Tätigkeit ein Einkommen oder einen Umsatz erzielt habe. Erst wenn diese Frage zu bejahen sei, sei zur Beantwortung der Frage, ob die maßgeblichen Grenzwerte überschritten worden seien, auf den aliquotierten Umsatz der Gesellschaft abzustellen.

Auf den Beschwerdeführer könne jedoch jener Teil der Bestimmung des § 12 Abs. 6 lit. e AlVG, der auf das Wort "wenn" folge, deshalb nicht angewendet werden, weil "er selbst" aus seiner Tätigkeit als geschäftsführender Gesellschafter unbestrittenermaßen weder ein Einkommen, noch einen Umsatz erzielt habe. Auf die Frage, ob die OEG einen solchen Umsatz erzielt habe, komme es dabei nicht an, weil Steuersubjekt nach dem Umsatzsteuergesetz die OEG gewesen sei und daher die Identität zwischen Steuersubjekt nach dem Umsatzsteuergesetz und dem beschwerdeführenden Arbeitslosengeldbezieher fehle, weshalb nach dem zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Februar 1999 die Umsätze der OEG nicht dem Beschwerdeführer zugerechnet werden könnten.

Nach § 12 Abs. 6 lit. e AlVG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 297/1995 gilt jedoch als arbeitslos, wer als geschäftsführender Gesellschafter ein Einkommen gemäß § 36a oder einen Umsatz gemäß § 36b erzielt, wenn das Einkommen oder 11,1 v.H. des auf Grund seiner Anteile aliquotierten Umsatzes der Gesellschaft die im § 5 Abs. 2 lit. a bis c des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes angeführten Beträge nicht übersteigen.

Nach § 12 Abs. 6 lit. e AlVG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 411/1996 gilt jedoch als arbeitslos, wer als geschäftsführender Gesellschafter aus dieser Tätigkeit ein Einkommen gemäß § 36a oder einen Umsatz gemäß § 36b erzielt, wenn weder das Einkommen zuzüglich Sozialversicherungsbeiträge, die als Werbungskosten geltend gemacht wurden, noch 11,1 v.H. des auf Grund seiner Anteile aliquotierten Umsatzes der Gesellschaft die im § 5 Abs. 2 lit. a bis c ASVG angeführten Beträge übersteigt.

Nach § 12 Abs. 6 lit. e AlVG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 137/1997 gilt jedoch als arbeitslos, wer als geschäftsführender Gesellschafter aus dieser Tätigkeit ein Einkommen gemäß § 36a oder einen Umsatz gemäß § 36b erzielt, wenn weder das Einkommen zuzüglich Sozialversicherungsbeiträge, die als Werbungskosten geltend gemacht wurden, noch 11,1 v.H. des auf Grund seiner Anteile aliquotierten Umsatzes der Gesellschaft die im § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge übersteigt.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in dem vorzitierten Erkenntnis vom 16. Februar 1999, Zl. 97/08/0427, unter Bezugnahme auf Vorjudikatur ausgeführt hat, setzt die Zurechnung von Umsätzen - in Ermangelung einer anders lautenden gesetzlichen Anordnung nach der auf den Karenzurlaubsgeldanspruch der damaligen Beschwerdeführerin anzuwendenden Rechtslage vor der mit 1. Mai 1995 in Kraft getretenen Änderung (vgl. § 12 Abs. 6 lit. d) des Strukturanpassungsgesetzes, BGBl. Nr. 297/1995 - die Identität von Steuersubjekt nach dem Umsatzsteuergesetz und Arbeitslosengeldbezieher voraus.

Diese Judikatur bezieht sich jedoch nicht auf die ab dem 1. Mai 1995 diesbezüglich geänderte Rechtslage. Vielmehr hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 13. April 1999, Zlen. 98/08/0283 und 0354, näher dargelegt, dass er insbesondere wegen der erforderlichen verfassungskonformen Interpretation des neu geregelten § 12 Abs. 6 lit. c AlVG seine bisherige Rechtsprechung insofern aufrecht erhält, als der Umsatz einer Gesellschaft m.b.H. nicht deren Gesellschaftern zuzurechnen ist. Im hg. Erkenntnis vom 29. März 2000, Zl. 97/08/0481, wurde unter Bezugnahme auf das zuletzt zitierte hg. Erkenntnis vom 13. April 1999 zur neuen Rechtslage nach § 12 Abs. 6 lit. c AlVG verdeutlicht, dass sich die Regelung über die "Zuerkennung" (gemeint wohl: Zurechnung) nicht vom Leistungsempfänger selbst erzielter Umsätze nur auf Personengesellschaften beziehe.

Auch die erst ab dem Jahre 1991 nach dem EGG errichteten OEG und KEG sind Personengesellschaften des Handelsrechts, wie der Verwaltungsgerichtshof im Zusammenhang mit den N.Ö. Tourismusgesetz in seinem Erkenntnis vom 11. Dezember 2000, Zl. 99/17/0191, dargelegt hat.

Auf Grund der ab 1. Mai 1995 geänderten Rechtslage und der hiezu ergangenen hg. Judikatur sind daher entgegen der Rechtsmeinung des Beschwerdeführers auf Grund des geänderten § 12 Abs. 6 .lit. c AlVG sehr wohl die Umsätze einer OEG dem geschäftsführenden Gesellschafter einer solchen Personengesellschaft (im Beschwerdefall mit einem aliquoten Anteil) zuzurechnen. Die belangte Behörde zeigte in der Begründung des angefochtenen Bescheides auch im Detail auf, dass die aliquoten Anteile des Umsatzes der in Rede stehenden OEG jeweils die nach § 5 Abs. 2 ASVG festgelegten Grenzwerte (im angefochtenen Bescheid als "monatliche Geringfügigkeitsgrenze" bezeichnet) überstiegen. Diese Ausführungen blieben unbestritten. Somit wurde der Beschwerdeführer mangels Erfüllung einer der Voraussetzungen nach § 12 Abs. 6 lit. c AlVG zu Recht als "nicht arbeitslos" angesehen.

Ferner wendet der Beschwerdeführer unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 28. September 1998, G 59/98 (= VfSlg. Nr. 15.247), sowie das Erkenntnis vom 16. März 1995, VfSlg. 14.095, ein, dieser Gerichtshof habe eine Bestimmung des AlVG (nämlich § 25 Abs. 1 dritter Satz) wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz aufgehoben, die die Verpflichtung zur Rückzahlung von Arbeitslosengeld vorgesehen habe, ohne dass es darauf ankomme, ob die Ungebührlichkeit der Leistung vom Bezieher hätte erkannt werden können. § 25 Abs. 1 (offenbar gemeint: erster Satz) AlVG sei daher verfassungskonform so auszulegen, dass eine Verpflichtung zur Rückzahlung des bereits verbrauchten Arbeitslosengeld nur dann bestehe, wenn der Bezieher nicht gutgläubig gewesen sei. Tatsächlich habe der Beschwerdeführer das Arbeitslosengeld bereits verbraucht und träfen die vom Verfassungsgerichtshof für die Zulässigkeit der Rückforderung aufgestellten Kriterien nicht zu, weil sich der Beschwerdeführer zumindest im guten Glauben als nicht selbständig erwerbstätig betrachtet habe. Dies sei auch sehr gut nachvollziehbar, weil der Beschwerdeführer für die Gesellschaft (OEG) keinerlei Tätigkeit entwickelt habe, sondern lediglich eine Beteiligung an der OEG besitze. Da der Beschwerdeführer aus der OEG auch kein Einkommen bezogen habe, habe er nahe liegenderweise auch keinen Zusammenhang zwischen seiner Beteiligung an der OEG und dem Bezug von Arbeitslosengeld erkennen können. Man könne von einem Laien nicht verlangen, sich als "tätig" zu bezeichnen, wenn er in Wahrheit nichts tue, sondern nur auf Grund einer Jahre zurückliegenden Unterfertigung eines Vertrages an einer Gesellschaft beteiligt sei, die keinerlei Einkommen beziehe. Auf den Umstand, dass dem Beschwerdeführer demzufolge kein Vorwurf aus der Tatsache gemacht werden könne, dass er dem Arbeitsmarktservice seine selbständige Erwerbstätigkeit nicht angegeben habe, sei die Behörde in keiner Weise eingegangen, was eine Verletzung von Verfahrensvorschriften darstelle.

Sollte die Bestimmung des § 25 Abs. 1 AlVG aber - so der Beschwerdeführer - dahingehend auszulegen sein, dass schon der objektive Tatbestand zur Verschweigung unabhängig von der subjektiven Vorwerfbarkeit dieses Verhaltens den Verlust des Arbeitslosengeldes nach sich ziehe, wäre sie aus demselben Grund verfassungswidrig, der schon den zitierten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 28. September 1998 zur Aufhebung eines Teils dieser Bestimmung geführt habe.

Nach § 25 Abs. 1 erster Satz AlVG ist bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer Leistung der Empfänger des Arbeitslosengeldes zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen musste, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte.

§ 50 Abs. 1 erster Satz in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 201/1996 lautete:

"Wer Arbeitslosengeld bezieht, ist verpflichtet, den Eintritt in ein Arbeitsverhältnis, jede andere für das Fortbestehen und das Ausmaß seines Anspruches maßgebende Änderung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse sowie jede Wohnungsänderung der regionalen Geschäftsstelle ohne Verzug, spätestens jedoch binnen einer Woche seit dem Eintritt des Ereignisses anzuzeigen."

§ 50 Abs. 1 erster und zweiter Satz AlVG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 201/1996 lauten:

"Wer Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bezieht, ist verpflichtet, die Aufnahme einer Tätigkeit gemäß § 12 Abs. 3 unverzüglich der zuständigen regionalen Geschäftsstelle anzuzeigen. Darüber hinaus ist jede andere für das Fortbestehen und das Ausmaß des Anspruches maßgebende Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitslosen sowie jede Wohnungsänderung der regionalen Geschäftsstelle ohne Verzug, spätestens jedoch binnen einer Woche seit dem Eintritt des Ereignisses anzuzeigen."

Die belangte Behörde stützte den angefochtenen Bescheid auf den zweiten Tatbestand des § 25 Abs. 1 erster Satz AlVG (Verschweigung maßgebender Tatsachen).

Die ersten beiden Tatbestände knüpfen an Wissenserklärungen (unwahre Angaben) bzw. deren Unterlassung (Verschweigung maßgebender Tatsachen) an. Die Verwendung der Begriffe "unwahr" bzw. "Verschweigung" in § 25 Abs. 1 erster Satz AlVG deutet auf eine subjektive Komponente hin, d.h. dass von jenem Arbeitslosen nichts zurückgefordert werden kann, der zwar objektiv unzutreffende Angaben, jedoch in unverschuldeter Unkenntnis vom wahren Sachverhalt gemacht hat. Der Rückforderungstatbestand des § 25 Abs. 1 erster Satz AlVG ist - anders als dies bei Leistungen mit Unterhaltscharakter in Zivilrecht der Fall ist - nicht danach differenziert, ob ein gutgläubiger Verbrauch der nicht gebührenden Geldleistung erfolgt ist, sondern nur danach, ob die Leistung gutgläubig empfangen wurde, wobei sich aus der Regelung weiters ergibt, dass der gutgläubige Empfang stets anzunehmen ist, wenn nicht entweder einer der ersten beiden im § 25 Abs. 1 erster Satz genannten Tatbestände (unwahre Angaben, Verschweigung maßgebender Tatsachen) für den Leistungsbezug kausal war (arg.: "herbeigeführt hat") oder der Empfänger der Leistung erkennen musste, dass diese nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte (ohne dass es in diesem Fall darauf ankäme, dass den Empfänger der Leistung am Überbezug ein Verschulden trifft). Aus der Gegenüberstellung der einzelnen Tatbestände des § 25 Abs. 1 erster Satz AlVG (unwahre Angaben, Verschweigung maßgebender Tatsachen und erkennen müssen, dass die Leistung nicht oder nicht in voller Höhe gebühre) folgt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass die ersten beiden Tatbestände zumindest mittelbaren Vorsatz - dolus eventualis - voraussetzen, während es für die Anwendung des dritten Tatbestandes genügt, dass Fahrlässigkeit gegeben war (vgl. zum Ganzen das hg Erkenntnis vom 19. Februar 2003, Zl. 2000/08/0126).

Unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer der Behörde das Faktum, dass er zu 50 % an der in Rede stehenden OEG als geschäftsführender Gesellschafter beteiligt ist und diese OEG in den Jahren 1995 bis 1998 entsprechende Umsätze erzielte, die letztlich bei aliquoter Anrechnung die Geringfügigkeitsgrenze nach § 5 Abs. 2 ASVG überstiegen, nicht gemeldet hat. Dass der Beschwerdeführer in Unkenntnis des wahren Sachverhaltes, nämlich der Erzielung eines entsprechenden Umsatzes durch die OEG, an welcher er mit 50 % als geschäftsführender Gesellschafter beteiligt ist, während der einzelnen in Rede stehenden Kalenderjahre gewesen wäre, behauptet er nicht.

Durch das Unterlassen entsprechender Meldungen an die Behörde hat der Beschwerdeführer trotz Kenntnis seiner Beteiligung an der gegenständlichen OEG und trotz entsprechender Anmeldung des Beschwerdeführers bei der gewerblichen Sozialversicherung für seine Tätigkeit bei dieser OEG zumindest in Kauf genommen, dass es - bei allfälligem Überschreiten der Geringfügigkeitsgrenze nach § 5 Abs. 2 ASVG auf Grund entsprechender Umsätze der OEG - auf Grund des § 12 Abs. 6 lit. c i.V.m. § 25 Abs. 1 erster Satz AlVG zu einer Rückforderung des von ihm bezogenen Arbeitslosengeldes kommen könnte. Da es jedoch - wie dargestellt - bei der Verschweigung auf das Vorliegen eines mittelbaren Vorsatzes ankommt und dieser gegeben war, gehen auch die vom Beschwerdeführer geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen eine Rückforderung wegen Verschweigung im Falle der Erfüllung des "objektiven Tatbestandes" ins Leere.

Insoweit der Beschwerdeführer erneut verfassungsrechtliche Bedenken gegen einzelne Wortfolgen des § 12 Abs. 3 lit. c und Abs. 6 lit. e AlVG vorbringt, ist ihm der in dieser Angelegenheit ergangene, oben zitierte Beschluss des Verfassungsgerichtshofs vom 6. März 2000, B 156/00, vorzuhalten, mit dem auf Grund der Ablehnung der Beschwerde hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht wurde, dass die Bedenken des Beschwerdeführers aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht geteilt werden. Auch der Verwaltungsgerichtshof teilt in diesem Zusammenhang nicht die vom Beschwerdeführer erneut vorgebrachten Bedenken gegen diese Bestimmungen, zumal es entgegen den Beschwerdeausführungen nicht zutrifft, dass ein Leistungsbezug ausschließlich deshalb durch diese Bestimmungen ausgeschlossen wird, weil jemand Unternehmer ist. Vielmehr waren die im vom Beschwerdeführer zitierten hg. Erkenntnis vom 13. April 1999, Zlen. 98/08/0283 und 0354, näher dargelegten Überlegungen des Gesetzgebers für die Änderung der Rechtslage ab dem Jahre 1995 maßgeblich, weshalb auf die nähere Begründung dieses Erkenntnisses gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 17. Dezember 2004

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Auslegung Gesetzeskonforme Auslegung von Verordnungen Verfassungskonforme Auslegung von Gesetzen VwRallg3/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2000020134.X00

Im RIS seit

07.02.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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