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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
StVO 1960 §4 Abs1 litc;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel-Lanz, über die Beschwerde des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich, Außenstelle Zwettl, vom 26. März 2002, Zl. Senat-ZT-01-3042, betreffend Einstellung von Strafverfahren wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960 (mitbeteiligte Partei: SS in W, vertreten durch Dr. Andreas Widschwenter, Rechtsanwalt in Wörgl, Salzburger Straße 1),
Spruch
I. den Beschluss gefasst:
Die Behandlung der Beschwerde wird, soweit sie sich gegen die Einstellung des Strafverfahrens gegen den Mitbeteiligten, betreffend Übertretung nach § 4 Abs. 1 lit. c StVO richtet, abgelehnt. Ein Kostenzuspruch findet nicht statt.
II. zu Recht erkannt:
Der angefochtene Bescheid wird, soweit damit das Strafverfahren gegen den Mitbeteiligten wegen Übertretung nach § 4 Abs. 5 StVO eingestellt wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Zwettl vom 21. September 2001 wurde der Mitbeteiligte des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens u.a. wegen Übertretungen gemäß § 4 Abs. 1 lit. c und § 4 Abs. 5 StVO für schuldig befunden. Der dagegen vom Mitbeteiligten erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit Bescheid vom 26. März 2002 Folge, behob insoweit das Straferkenntnis und stellte das (jeweilige) Strafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG ein.
Dagegen richtet sich die vorliegende, auf Art. 131 Abs. 1 Z. 2 B-VG gestützte Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.
Dieser hat erwogen:
I. Zur Einstellung des Strafverfahrens gemäß § 4 Abs. 1
lit. c StVO:
Gemäß § 33a VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof die
Behandlung einer Beschwerde gegen einen Bescheid eines unabhängigen Verwaltungssenates durch Beschluss ablehnen, wenn die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil sie von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird, in Verwaltungsstrafsachen außerdem nur dann, wenn eine Geldstrafe von höchstens EUR 750,-- verhängt wurde.
Die Voraussetzungen für eine Ablehnung der vorliegenden Beschwerde nach dieser Gesetzesstelle sind hier erfüllt. Es wurde in der Sache keine EUR 750,-- übersteigende Geldstrafe verhängt. Die Fällung einer Sachentscheidung über die Beschwerde in diesem Umfang hängt von keiner Rechtsfrage ab, der grundsätzliche Bedeutung zukommt (vgl. zu § 4 Abs. 1 lit. c StVO etwa das hg. Erkenntnis vom 26. März 2004, Zl. 2004/02/0032).
Gemäß § 58 Abs. 1 VwGG hat - da nach §§ 47 - 56 leg. cit. für den Fall der Ablehnung der Behandlung einer Beschwerde gemäß § 33a leg. cit. nicht anderes bestimmt ist - jede Partei den ihr im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erwachsenden Aufwand selbst zu tragen. Ein Kostenzuspruch findet daher - ungeachtet des entsprechenden Antrages der mitbeteiligten Partei in der Gegenschrift - nicht statt.
II. Zur Einstellung des Strafverfahren gemäß § 4 Abs. 5 StVO:
Mit dem erwähnten Straferkenntnis vom 21. September 2001 wurde der Mitbeteiligte für schuldig befunden, er habe am 24. Oktober 2000 um 23.00 Uhr bei einem näher bezeichneten Straßenkilometer der B 119 bei der Zufahrt zu einem örtlich umschriebenen Haus ein den beiden Kennzeichen nach umschriebenes Sattelkraftfahrzeug gelenkt und nicht die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall mit Sachschaden ohne unnötigen Aufschub verständigt, obwohl sein Verhalten am Unfallort mit dem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden und ein gegenseitiger Nachweis von Name und Anschrift nicht erfolgt sei. Der Mitbeteiligte habe dadurch eine Verwaltungsübertretung gemäß § 4 Abs. 5 StVO begangen; es wurde eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.
In der Begründung des vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides, betreffend die Einstellung des diesbezüglichen Strafverfahrens, führte die belangte Behörde - soweit hier wesentlich - aus, nach der Anzeige des Gendarmeriepostens habe der Mitbeteiligte das Sattelkraftfahrzeug von der B 119 in die Zufahrt zum Haus B. gelenkt. Beim "Zurückschieben" sei er rechts von der asphaltierten Zufahrt abgekommen, habe auf der angrenzenden Rasenfläche verschiedene Sträucher beschädigt und zwei Steintröge mit Blumen verschoben. Der Mitbeteiligte habe gegenüber den (später) einschreitenden Gendarmeriebeamten angegeben, dass er sich "verfahren" hätte und auf der Zufahrt hätte wenden wollen. Dabei sei er "hängen geblieben". Ein Mann hätte aus einem Fenster geschrieen. Der Mitbeteiligte sei der Meinung gewesen, dass dies wegen der Lärmerregung gewesen sei; er sei weiter gefahren, weil er geglaubt habe, dass nichts passiert sei. Unbestritten sei somit, dass der Mitbeteiligte zum Vorfallszeitpunkt das Sattelkraftfahrzeug beim Haus B. gewendet, dabei Ziersträucher im Vorgarten des B. beschädigt und tiefe Reifenfurchen hinterlassen habe.
Nach den Bestimmungen der StVO - so die belangte Behörde weiter - gälten als Straßen mit öffentlichem Verkehr solche Straßen, die von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden könnten. Bei der Bewertung einer Straße mit öffentlichem Verkehr komme es nicht auf die Eigentumsverhältnisse am Straßengrund an, sondern darauf, dass die Verkehrsfläche von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden könne. Ein Vorgarten, der sich im Eigentum einer Privatperson befinde, sei jedoch weder für den Fußgängerverkehr noch für den Fahrzeugverkehr als öffentlich zugänglich zu betrachten, sodass der Berufung insoweit Folge gegeben gewesen zu sei.
Damit verkennt die belangte Behörde - so wie der Mitbeteiligte in seiner Gegenschrift - die Rechtslage:
Auszugehen ist zunächst davon, dass es sich nach dem im Akt erliegenden Lichtbild bei der in Rede stehenden "Zufahrt" (so wie bei der B 119) zweifellos um eine Straße mit öffentlichem Verkehr im Sinne des § 1 Abs. 1 StVO gehandelt hat.
Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 27. April 1983, Zl. 83/03/0043, einen insoweit vergleichbaren Fall behandelt: Dort ging es darum, dass der Verlust der Herrschaft über den PKW durch den damaligen Beschwerdeführer den "Verkehrsunfall", nämlich das plötzliche, mit dem Straßenverkehr ursächlich zusammenhängende Ereignis, welches sich auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr zutrug, darstellte; dies hatte das Abkommen von der Fahrbahn und hierauf die Beschädigung eines Zaunes zur Folge. Dabei stellte der Gerichtshof klar, es sei nicht Tatbestandsvoraussetzung des § 4 Abs. 5 StVO, dass der Schaden auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr eintrete.
Bezogen auf den vorliegenden Beschwerdefall stellte somit der Umstand, dass der Mitbeteiligte beim "Zurückschieben" von der - als Straße mit öffentlichem Verkehr anzusehenden - Zufahrt abkam, den "Verkehrsunfall" im Sinne der soeben zitierten hg. Rechtsprechung dar; es war daher für die Tatbestandsvoraussetzungen nach § 4 Abs. 5 StVO auch nicht von Bedeutung dass die Folge - der Sachschaden - nicht (mehr) auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr eintrat.
Der angefochtene Bescheid war daher in diesem Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Wien, am 17. Dezember 2004
Schlagworte
Allgemein Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2002020133.X00Im RIS seit
07.02.2005