TE Vwgh Erkenntnis 2004/12/17 2000/03/0276

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Veröffentlicht am 17.12.2004
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
91/01 Fernmeldewesen;

Norm

TKG 1997 §3 Z14;
TKG 1997 §3 Z8;
TKG 1997 §37;
TKG 1997 §40;
TKG ZusammenschaltungsV 1998 §2 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde der Telekom Austria AG in Wien, vertreten durch Cerha, Hempel & Spiegelfeld Partnerschaft von Rechtsanwälten in 1010 Wien, Parkring 2, gegen den Bescheid der Telekom-Control-Kommission vom 14. Juli 2000, Zl. Z 3/2000-23, betreffend Erlassung einer Entbündelungsanordnung (mitbeteiligte Partei: S AG, vertreten durch Freimüller/Noll/Obereder/Pilz, Rechtsanwälte in 1080 Wien, Alser Straße 21), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit dem angefochtenen Bescheid ordnete die belangte Behörde gemäß § 2 Abs. 4 der Zusammenschaltungsverordnung, BGBl. II Nr. 14/1998, iVm §§ 37, 40 und 41 Abs. 3 des Telekommunikationsgesetzes - TKG, BGBl. I Nr. 100/1997 idF BGBl. I Nr. 26/2000, den entbündelten Netzzugang der mitbeteiligten Partei zu den Teilnehmeranschlussleitungen des öffentlichen Telekommunikationsnetzes der Beschwerdeführerin zu näher normierten Bedingungen an.

1.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung jeweils einer Gegenschrift seitens der belangten Behörde und seitens der mitbeteiligten Partei sowie nach einer Replik der Beschwerdeführerin in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

2.1. Die Beschwerde bringt - u.a. - vor, dass die mitbeteiligte Partei nicht dazu legitimiert gewesen sei, die Erlassung der vorliegenden Entbündelungsanordnung zu beantragen.

Die Nachfrage der mitbeteiligten Partei sei auf eine Form des besonderen Netzzugangs gerichtet. Nach § 2 Abs. 2 ZVO hätten marktbeherrschende Betreiber von öffentlichen Telekommunikationsnetzen auf Anfrage nach § 37 Abs. 2 TKG einen besonderen Netzzugang gemäß § 40 TKG anzubieten, der Nutzern den Zugang zu ihrem Telekommunikationsnetz oder zu entbündelten Teilen desselben ermögliche, soferne diese Nutzer diese Leistung als Anbieter von Telekommunikationsdiensten oder Betreiber von Telekommunikationsnetzen nachfragten, um Telekommunikationsdienste anzubieten.

Zunächst sei fraglich, ob die mitbeteiligte Partei überhaupt "Nutzer" des entbündelten Netzzugangs sei. Die belangte Behörde habe diesbezüglich damit argumentiert, dass die mitbeteiligte Partei Telekommunikationsdienstleistungen nachfragen würde, nämlich entbündelten Netzzugang, und dass sie auf Grund ihrer Konzession gemäß § 14 TKG "als Betreiber von Telekommunikationsnetzen" anzusehen wäre. Nach der Definition des Begriffs "Nutzer" in § 3 Z. 8 TKG komme es aber darauf an, ob ein Dienstanbieter Dienstleistungen bei anderen Dienstanbietern nachfrage. Ob die mitbeteiligte Partei tatsächlich Dienstanbieter im Sinne dieser Definition sei, sei von der belangten Behörde weder erhoben noch angenommen worden. Die belangte Behörde habe diese Frage mit dem Hinweis abgetan, dass die mitbeteiligte Partei als Betreiber von Telekommunikationsnetzen anzusehen sei.

Ferner erfülle die mitbeteiligte Partei die weitere Voraussetzung nach § 2 Abs. 2 ZVO nicht, dass sie den entbündelten Netzzugang nur deshalb nachfrage, "um Telekommunikationsdienste anzubieten". Die mitbeteiligte Partei habe im Verwaltungsverfahren mehrfach vorgebracht, dass nicht sie die Internetzugangsdienste erbringen würde, sondern ihre Tochtergesellschaft, die Internet Service Provider Salzburg.at. Im von der Behörde eingeholten Sachverständigengutachten werde zutreffend ausgeführt, dass die Dienste der Internet Service Provider Salzburg.at über die Infrastruktur der mitbeteiligten Partei erbracht würden. Die mitbeteiligte Partei nutze den entbündelten Netzzugang nicht, um selbst Telekommunikationsdienste anzubieten, sondern die mitbeteiligte Partei frage den entbündelten Netzzugang nach, damit ihre Tochtergesellschaft diese Telekommunikationsdienste anbieten könne. Damit frage aber vorliegend nicht "ein Betreiber von Telekommunikationsdiensten" den entbündelten Netzzugang nach, um Telekommunikationsdienste anzubieten, sondern ein "Betreiber von Telekommunikationsnetzen", damit ein anderer, eine davon unterschiedliche juristische Person, Telekommunikationsdienste - nämlich Internetzugangsdienste - anbieten könne.

2.2.1. a) § 3 Z. 8 und 14, § 37 und § 40 TKG lauten:

"§ 3. Im Sinne dieses Bundesgesetzes bedeutet

...

8. 'Nutzer' Nachfrager nach Telekommunikationsdienstleistungen, einschließlich Endbenutzer (Konsumenten) und Diensteanbieter als Nachfrager von Dienstleistungen bei anderen Diensteanbietern;

...

14. 'Telekommunikationsdienst' eine gewerbliche Dienstleistung, die in der Übertragung und/oder Weiterleitung von Signalen auf Telekommunikationsnetzen besteht, einschließlich des Angebotes von Mietleitungen; nicht darunter fällt insbesondere der bloße Wiederverkauf (Handel mit) von Telekommunikationsdienstleistungen sowie die Übertragung von Rundfunk und Fernsehrundfunk durch Inhaber von Gemeinschaftsantennenanlagen (Kabelnetzbetreiber);" "Gewährung von Netzzugang und Zusammenschaltung

§ 37. (1) Der Betreiber eines Telekommunikationsnetzes, der Telekommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit anbietet und über eine marktbeherrschende Stellung verfügt, hat anderen Nutzern Zugang zu seinem Telekommunikationsnetz oder zu entbündelten Teilen desselben zu ermöglichen. Die Verpflichtung zur Entbündelung besteht insoweit nicht, als der Betreiber Tatsachen nachweist, auf Grund derer diese Verpflichtung im Einzelfall sachlich nicht gerechtfertigt ist. Die Regulierungsbehörde hat binnen sechs Wochen über die sachliche Rechtfertigung und darüber zu entscheiden, ob ein technischer oder ökonomischer Mehraufwand für Teilleistungen aus wettbewerbsrechtlicher Sicht zumutbar und abzugelten ist. Ein solcher Betreiber hat insbesondere eine Zusammenschaltung seines Telekommunikationsnetzes mit öffentlichen Telekommunikationsnetzen anderer Betreiber zu ermöglichen.

(2) Der Zugang ist über Anschlüsse, die allgemein am Markt nachgefragt werden (allgemeiner Netzzugang), zu gewähren. Er kann auch über besondere Anschlüsse (besonderer Netzzugang) gewährt werden, wenn dies der Nutzer begehrt.

(3) Vereinbarungen über Netzzugänge und Zusammenschaltung müssen auf objektiven Maßstäben beruhen, nachvollziehbar sein und einen gleichwertigen nichtdiskriminierenden entbündelten Zugang zu den Telekommunikationsnetzen eines Betreibers nach Abs. 1 Satz 1 gewähren."

"Besonderer Netzzugang

§ 40. (1) Begehrt ein Nutzer die Bereitstellung eines besonderen Netzzugangs, so ist ein solcher zu gewähren, wenn es technisch realisierbar ist und der Nutzer die Kosten dafür trägt.

(2) Die Regulierungsbehörde regelt, in welcher Weise ein besonderer Netzzugang, insbesondere für die Zusammenschaltung, zu ermöglichen ist. Die Richtlinien der Europäischen Gemeinschaften, die nach Art. 6 der Richtlinie 90/387/EWG des Rates vom 28. Juni 1990 zur Verwirklichung des Binnenmarktes für Telekommunikationsdienste durch Einführung eines offenen Netzzugangs (Open Network Provision - ONP) (ABl. Nr. L 192 vom 24. 7. 1990, S 1) vom Europäischen Parlament und vom Rat erlassen werden, sind zu beachten."

b) § 2 der Zusammenschaltungsverordnung, BGBl. II Nr. 14/1998, lautet:

"Besonderer Netzzugang

§ 2. (1) Besonderer Netzzugang ist der Zugang zu einem Telekommunikationsnetz über eine nicht allgemein am Markt nachgefragte Schnittstelle im Sinne des Artikels 10 der Richtlinie 95/62/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 1995 zur Einführung des offenen Netzzugangs (ONP) beim Sprachtelefondienst (95/62/EG, ABl. Nr. L 321/6, 30. 12. 1995).

(2) Marktbeherrschende Betreiber von öffentlichen Telekommunikationsnetzen haben auf Anfrage nach § 37 Abs. 2 TKG einen besonderen Netzzugang gemäß § 40 TKG anzubieten, der Nutzern den Zugang zu ihrem Telekommunikationsnetz oder zu entbündelten Teilen desselben ermöglicht, sofern die Nutzer diese Leistungen als Anbieter von Telekommunikationsdiensten oder Betreiber von Telekommunikationsnetzen nachfragen, um Telekommunikationsdienste anzubieten.

(3) Vereinbarungen über eine besonderen Netzzugang müssen schriftlich erfolgen. Die beteiligten Parteien haben der Regulierungsbehörde unverzüglich nach Vertragsabschluß eine vollständige Ausfertigung der Vereinbarung zu übermitteln.

(4) Bei Streitigkeiten im Rahmen von Verhandlungen über Vereinbarungen über besondere Netzzugänge kann jede der beteiligten Parteien bei Nichteinigung die Regulierungsbehörde anrufen. Die Regulierungsbehörde hat unter sinngemäßer Anwendung des § 41 Abs. 3 TKG zu entscheiden und dabei die beiderseitigen Interessen sowie die Ziele des § 1 TKG zu berücksichtigen."

2.2.2. Die belangte Behörde führte in der Begründung des angefochtenen Bescheides insbesondere Folgendes aus: Die mitbeteiligte Partei sei konzessionierter Erbringer eines auf das Bundesland Salzburg und das Gebiet des Innviertels beschränkten öffentlichen Mietleitungsdienstes mittels eines selbstbetriebenen festen Telekommunikationsnetzes (Konzessionsbescheid vom 20. Juli 1998). Die Antragslegitimation der mitbeteiligten Partei als "Mietleitungsbetreiber" sei gegeben. Dies ergebe sich aus § 2 Abs. 4 iVm § 2 Abs. 2 ZVO iVm § 3 Z. 8 TKG, wonach eine Anrufung der Regulierungsbehörde durch jede der beteiligten Parteien erfolgen könne, also zum einen durch marktbeherrschende Betreiber öffentlicher Telekommunikationsdienste, zum anderen durch Nutzer, die den Zugang zum Telekommunikationsnetz des marktbeherrschenden Betreibers oder zu entbündelten Teilen desselben als Anbieter von Telekommunikationsdiensten oder Betreiber von Telekommunikationsnetzen nachgefragt hätten. Nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 2 ZVO sei der besondere Netzzugang auf Anfrage nach § 37 Abs. 2 TKG anzubieten. § 37 Abs. 2 TKG enthalte keine weiteren Voraussetzungen für eine Anfrage auf besonderen Netzzugang. Auch aus der in § 2 Abs. 4 ZVO verankerten Verpflichtung der Regulierungsbehörde, bei Streitigkeiten in sinngemäßer Anwendung des § 41 Abs. 3 TKG zu entscheiden, ergebe sich nur, dass die dort angeführten Verfahrensvorgaben (Fristen, Beachtung der dort genannten Richtlinien) von der Regulierungsbehörde einzuhalten seien.

2.2.3. § 3 Z. 8 TKG definiert "Nutzer" als Nachfrager von Telekommunikationsdienstleistungen, wobei im zweiten, mit dem Wort "einschließlich" beginnenden Halbsatz dieser Bestimmung - offenbar um die Reichweite der Definition sicherzustellen - einige Nutzer ausdrücklich angeführt werden. Wenn dieser zweite Halbsatz auf "Nachfrager bei Dienstleistungen bei anderen Diensteanbietern" abstellt, bedeutet dies somit nicht, dass diese Qualifikation zur Erfüllung des Begriffs "Nutzer" generell vorausgesetzt wird. Ferner ergibt sich aus der Definition des Begriffes "Telekommunikationsdienst" in § 3 Z. 14 TKG, dass unter "Telekommunikationsdienstleistung" in § 3 Z. 8 TKG auch eine gewerbliche Dienstleistung zu verstehen ist, die in der Übertragung und/oder Weiterleitung von Signalen auf Telekommunikationsnetzen besteht, einschließlich des Angebots von Mietleitungen. Da die mitbeteiligte Partei (unstrittig) den genannten Mietleitungsdienst mittels eines selbstbetriebenen festen Telekommunikatikonsnetzes betreibt, hat sie die in Rede stehende Entbündelung als Betreiber eines Telekommunikationsnetzes nachgefragt, um einen Telekommunikationsdienst anzubieten. Sie entspricht damit dem Begriff des Nutzers nach § 3 Z. 8 iVm Z. 14 TKG und erfüllt (anders als die Beschwerde meint) die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 ZVO. Somit hat es der mitbeteiligten Partei entgegen der Beschwerde an der Antragslegitimation nicht gemangelt.

2.3. Im Übrigen gleicht der vorliegende Beschwerdefall sowohl hinsichtlich des maßgeblichen Sachverhalts als auch in Ansehung der anzuwendenden Rechtslage jenem Fall, der dem hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2000/03/0201, zu Grunde liegt. Aus den in diesem Erkenntnis angestellten Erwägungen hat die belangte Behörde auch im vorliegend bekämpften Bescheid die Rechtslage verkannt.

2.4. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

2.5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 17. Dezember 2004

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2000030276.X00

Im RIS seit

27.01.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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