Index
E3R E07204030;Norm
31994R3298 VerfahrensV Ökopunkte Art14 idF 32000R0609;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Riedinger, Dr. Handstanger und Dr. Berger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des AW in H, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. Klaus Herke, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Anichstraße 33, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 15. Jänner 2004, Zl. uvs-2002/19/175-5, in der Fassung des Berichtigungsbescheides vom 24. März 2004, Zl. uvs-2002/19/175-6, betreffend Übertretung des Güterbeförderungsgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 30. September 2002 wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe als Lenker des auf die Firma H. C., mit Sitz in A. (Deutschland), zugelassenen, nach dem Kennzeichen bestimmten Sattelzugfahrzeugs "von Kiefersfelden kommend" am 3. Juli 2002 eine ökopunktepflichtige Transitfahrt durch das Gebiet der Republik Österreich nach Italien durchgeführt und dabei kein ordnungsgemäß ausgefülltes Einheitsformular oder eine auf die gegenständliche Fahrt Bezug habende österreichische Bestätigung der Entrichtung von Ökopunkten für die betreffende Fahrt mitgeführt. Durch das nach der angeführten Nummer bestimmte Ecotag sei bei der Einreise in Kiefersfelden am 3. Juli 2002 keine Abbuchung von Ökopunkten erfolgt, weil der im Lastkraftwagen angebrachte Umweltdatenträger für die Durchreise durch Österreich unberechtigterweise auf ökopunktebefreite Fahrt gestellt gewesen sei. Dies sei anlässlich einer Kontrolle durch Bedienstete der Zollwacheabteilung Brenner/MÜG vom 3. Juli 2002 um 05.40 Uhr auf der A 13 Brennerautobahn bei km 10,8 im Gemeindegebiet Schönberg im Stubaital in Fahrtrichtung Italien festgestellt worden.
Hiedurch habe der Beschwerdeführer § 23 Abs. 2 Güterbeförderungsgesetz (GütbefG), BGBl. Nr. 593/1995 i. d.F. BGBl. I Nr. 106/2001, i.V.m. Art. 1 Abs. 1 lit. a und lit. b sowie Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 3298/94 i. d.F. der Verordnungen (EG) Nr. 1524/96, Nr. 609/2000 und Nr. 2012/2000 verletzt, weswegen über ihn gemäß § 23 Abs. 2 GütbefG i.d.F. BGBl. I Nr. 106/2001 eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 180,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 3 Tage) verhängt wurde.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung des Beschwerdeführers wurde mit dem angefochtenen Bescheid mit der Maßgabe abgewiesen, als die Wortfolge "von Kiefersfelden kommend" durch die Wortfolge "von Schaftenau kommend" ersetzt werde und "das Zitat des Güterbeförderungsgesetzes in der verletzten Rechtsvorschrift sowie in der Strafsanktionsnorm ... Güterbeförderungsgesetz 1995, BGBl. I 1998/17, zuletzt geändert durch das Gesetz BGBl. I 2002/32" zu lauten habe.
Die Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Beschwerdeführer unbestritten das im Spruch angeführte Fahrzeug vom Parkplatz Schaftenau in Fahrtrichtung Italien gelenkt und dabei zwei Frachtbriefe von der Firma H. Transporte mitgeführt habe, welchen zu entnehmen sei, dass als Absender ein näher genanntes Unternehmen in Deutschland H-Milch an ein näher bezeichnetes Unternehmen in Italien zu liefern gehabt habe. Folge man der Argumentation des Beschwerdeführers (er habe das Transportgut lediglich von Schaftenau nach Italien transportiert, sodass eine bilaterale Fahrt vorliege; ein anderer Lenker der Firma H. habe zuvor die Ware mit einem anderen LKW-Gespann von Deutschland nach Schaftenau verbracht), so müsse man Art. 14 der Verordnung (EG) Nr. 609/2000 eine gleichheitswidrige Behandlung der Transportunternehmer im EU-Raum unterstellen; derjenige, der mit ein und demselben Lastkraftfahrzeug eine Ladung durch Österreich transportiere, wäre ökopunktepflichtig, wer hingegen die Ladung mit zwei unterschiedlichen Fahrzeugen durch Österreich transportiere, wäre von der Entrichtung von Ökopunkten befreit. Diese Absicht könne man dem Verordnungsgeber nicht unterstellen; im Hinblick darauf erweise sich eine Zwischenlagerung in Österreich und die Fortsetzung einer Transitfahrt mit einem anderen Fahrzeug nicht als "Absetzen" einer vollständigen Ladung in Österreich, weshalb die Erstbehörde zu Recht von einer ökopunktepflichtigen Transitfahrt ausgegangen sei, sodass die Deklaration einer bilateralen Fahrt nicht zu Recht erfolgt sei. Auf Grund des der dem gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahrens zu Grunde liegenden Anzeige der Zollwacheabteilung Brenner/MÜG vom 4. Juli 2002 angeschlossenen Kontrollzertifikats mit Ausgabedatum 3. Juli 2002 um 05.31 Uhr stehe fest, dass der Beschwerdeführer eine bilaterale Fahrt deklariert habe.
Die Behandlung der gegen diesen Bescheid zunächst beim Verfassungsgerichtshof eingebrachten Beschwerde wurde mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 10. März 2004, B 269/04- 3, gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG abgelehnt und die Beschwerde unter Einem dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
In der Folge legte die belangte Behörde den Bescheid vom 24. März 2004 vor, mit dem das im Einleitungssatz des angefochtenen Bescheides angeführte Datum des bekämpften erstinstanzlichen Bescheides von "30.09.200" in "30.09.2000" berichtigt wurde.
In der nach Aufforderung ergänzten Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß Art. 1 lit. c, d, e und g des dem EU-Beitrittsakt beigefügten Protokolles Nr. 9 über den Straßen- und Schienenverkehr sowie den kombinierten Verkehr in Österreich (BGBl. Nr. 45/1995) gelten im Sinne des Protokolles als:
"c) 'Transitverkehr durch Österreich' jeder Verkehr durch österreichisches Hoheitsgebiet, bei dem der Ausgangs- und Zielpunkt außerhalb Österreichs liegen,
d) 'Lastkraftwagen' jedes zur Beförderung von Gütern oder zum Ziehen von Anhängern in einem Mitgliedstaat zugelassene Kraftfahrzeug mit einem höchstzulässigen Gesamtgewicht von über 7,5 Tonnen, einschließlich Sattelzugfahrzeuge, sowie Anhänger mit einem höchstzulässigen Gesamtgewicht von über 7,5 Tonnen, die von einem in einem Mitgliedstaat zugelassenen Kraftfahrzeug mit einem höchstzulässigen Gesamtgewicht von 7,5 Tonnen oder weniger gezogen werden;
e) 'Straßengütertransitverkehr durch Österreich' jeder Transitverkehr durch Österreich, der mit Lastkraftwagen durchgeführt wird, unbeschadet ob diese Lastkraftwagen beladen oder unbeladen sind;
f)
...
g)
'bilateraler Verkehr' alle grenzüberschreitenden Fahrten eines Fahrzeugs, bei denen sich der Ausgangs- bzw. Zielpunkt in Österreich und der Ziel- bzw. Ausgangspunkt in einem anderen Mitgliedstaat befindet sowie Leerfahrten in Verbindung mit solchen Fahrten."
Gemäß Art. 1 Abs. 1 erster Satz der Verordnung (EG) Nr. 3298/94, in der Fassung der Verordnungen (EG) Nr. 1524/96, Nr. 609/2000 und Nr. 2012/2000 (Ökopunkteverordnung), hat der Fahrer eines Lastkraftwagens im Hoheitsgebiet Österreichs
"die nachstehend aufgeführten Unterlagen mitzuführen und diese auf Verlangen den Aufsichtsbehörden zur Prüfung vorzulegen, entweder:
a) ein ordnungsgemäß ausgefülltes Einheitsformular oder eine österreichische Bestätigung der Entrichtung von Ökopunkten für die betreffende Fahrt; ein Muster dieser als 'Ökokarte' bezeichneten Bestätigung ist in Anhang A enthalten; oder
b) ein im Kraftfahrzeug eingebautes elektronisches Gerät, das eine automatische Entwertung der Ökopunkte ermöglicht und als 'Umweltdatenträger' ('ecotag') bezeichnet wird; oder
c) die in Artikel 13 aufgeführten geeigneten Unterlagen zum Nachweis darüber, dass es sich um eine Fahrt gemäß Anhang C handelt, für die keine Ökopunkte benötigt werden; oder
d) geeignete Unterlagen, aus denen hervorgeht, dass es sich nicht um eine Transitfahrt handelt und, wenn das Fahrzeug mit einem Umweltdatenträger ausgestattet ist, dass dieser für diesen Zweck eingestellt ist."
Art. 14 Ökopunkteverordnung lautet:
"Eine Fahrt, bei der das Fahrzeug entweder eine vollständige Ladung in Österreich absetzt oder aufnimmt und im Fahrzeug geeignete Nachweisunterlagen mitgeführt werden, ist ungeachtet der Strecke, über die die Einreise des Fahrzeugs nach Österreich oder die Ausreise erfolgt, von der Entrichtung der Ökopunkte befreit."
Zunächst ist festzustellen, dass nach der hg. Judikatur (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. März 1993, Zl. 92/06/0226) eine Bescheidberichtigung gemäß § 62 Abs. 4 AVG jederzeit, d.h. auch noch im Beschwerdeverfahren, möglich ist und der berichtigende Bescheid - soweit sein Inhalt reicht - an die Stelle des berichtigten Bescheides, der damit rückwirkend geändert wird, tritt. Die Bescheidberichtigung vom 24. März 2004 war daher bei der Anführung des Gegenstandes der vorliegenden Beschwerde entsprechend zu berücksichtigen.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die von der Behörde vertretene Ansicht, dass jeder Transport eines Gutes von Deutschland nach Italien durch Österreich eine Transitfahrt darstelle, unabhängig davon, in wie vielen Teilabschnitten dieser Transport durchgeführt werde, wie lange die Fahrt insgesamt dauere und ob ein oder mehrere Fahrzeuge, Personen oder Unternehmen diesen Transport durchführen würden. Die belangte Behörde ignoriere damit Art. 14 Ökopunkteverordnung, wonach eine Transitfahrt bereits dann nicht vorliege, wenn Waren in Österreich entweder umgeladen oder Wechselbrücken oder Container umgesetzt würden. Nichts anderes habe der Beschwerdeführer hier getan.
Schon dieses Vorbringen verhilft der Beschwerde zum Erfolg.
Nach dem Wortlaut des Art. 14 Ökopunkteverordnung sind Fahrten durch Österreich immer dann von der Verpflichtung zur Entrichtung von Ökopunkten befreit, wenn das Fahrzeug entweder eine vollständige Ladung in Österreich absetzt oder aufnimmt und wenn darüber hinaus im Fahrzeug auch geeignete Nachweisunterlagen mitgeführt werden.
Die Voraussetzungen für eine Befreiung nach dieser Bestimmung sind im vorliegenden Fall gegeben. Aus den Darlegungen des Beschwerdeführers und des Meldungslegers sowie den bei der Kontrolle vorgelegten Frachtbriefen ergibt sich, dass die gegenständliche Ladung am 2. Juli 2002 von Deutschland kommend in Schaftenau von einem anderen Lastkraftwagen vollständig abgesetzt und erst am nächsten Tag mit dem verfahrensgegenständlichen Lastkraftwagen, den der Beschwerdeführer lenkte, in Richtung Italien weiter transportiert wurde. Von diesem Sachverhalt ist auch die belangte Behörde ausgegangen. Dass die bei der Kontrolle vorgelegten Frachtbriefe geeignete Nachweisunterlagen im Sinne des Art. 14 Ökopunkteverordnung für die vollständige Entladung bzw. Beladung der verfahrensgegenständlichen Transportgüter jeweils in Schaftenau sind, hat die belangte Behörde nicht bezweifelt. Der Ansicht der belangten Behörde, eine Zwischenlagerung in Österreich und die Fortsetzung der Beförderung mit einem anderen Lastkraftwagen stelle kein "Absetzen" im Sinne des Art. 14 Ökopunkteverordnung dar, kann nicht gefolgt werden. Weder der Wortlaut der Bestimmung noch die der Verordnung (EG) Nr. 609/2000 (mit dem Art. 14 Ökopunkteverordnung eingeführt wurde) vorangestellten Erwägungsgründe ergeben Anhaltspunkte für eine solche den Wortlaut der Bestimmung einschränkende Auslegung. Die vom Verwaltungsgerichtshof zum Begriff der Transitfahrt vertretene Auffassung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. September 2000, Zl. 2000/03/0224), dass auch im Falle einer kurzfristigen Unterbrechung der Fahrt in Österreich, bei der in Österreich eine vollständige Beladung stattgefunden hat, eine Transitfahrt, vorliegt, bezog sich auf die Rechtslage vor Einführung des Art. 14 Ökopunkteverordnung am 11. April 2000.
War aber Art. 14 Ökopunkteverordnung anzuwenden, bestand für den Beschwerdeführer auf der vorliegenden Fahrt keine Verpflichtung zur Entrichtung von Ökopunkten. Es lagen somit die Voraussetzungen für eine Bestrafung des Beschwerdeführers wegen Nichterfüllung dieser Verpflichtung gemäß § 23 Abs. 2 GütbefG i. V.m. der Ökopunkteverordnung nicht vor, weshalb der angefochtene Bescheid schon aus diesem Grund wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Bei diesem Ergebnis erübrigte sich somit ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 17. Dezember 2004
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1 Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2004030032.X00Im RIS seit
27.01.2005