TE Vwgh Erkenntnis 2004/12/17 2000/02/0271

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Veröffentlicht am 17.12.2004
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §12 Abs3 litb;
AlVG 1977 §12 Abs6 litb idF 1998/I/148;
AlVG 1977 §36 Abs3 litA idF 1998/I/006;
ASVG §5 Abs2;
NotstandshilfeV §5 Abs2 idF 1996/240;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Beck und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel-Lanz, über die Beschwerde des FR in P, vertreten durch Dr. Reinhard Tögl, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Schmiedgasse 31, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom 8. September 2000, Zl. LGS600/ALV/1218/2000-He/Kö, betreffend Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 8. September 2000 stellte die belangte Behörde auf Grund des Antrages des Beschwerdeführers vom 8. August 2000 fest, dass diesem gemäß §§ 33 Abs. 1 bis 4, § 36 Abs. 3 lit. A und § 36a Abs. 4 bis 5 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG) und § 1 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 bis 2 Notstandshilfeverordnung (NH-VO) Notstandshilfe in der Höhe von täglich S 320,50 gebühre.

Dazu führte die belangte Behörde begründend aus, dass der Beschwerdeführer seit 20. Juli 1998 Notstandshilfe beziehe und einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb besitze. Dessen Einheitswert sei mit S 37.000,-- festgesetzt worden, wobei der Beschwerdeführer einen mit S 29.751,-- bewerteten Teil des Betriebes zu einem Pachtschilling von jährlich S 1.000,-- verpachtet habe und lediglich einen mit S 8.123,-- bewerteten Teil selbst bewirtschafte. Sein aus der Verpachtung erzieltes Einkommen sowie 4 % des Einheitswertes des von ihm selbst bewirtschafteten Teiles des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes seien auf die Notstandshilfe anzurechnen. Sein Anspruch auf Notstandshilfe sei daher von S 333,90 um S 13,40 auf S 320,50 zu reduzieren. Jedes Einkommen, das ein Arbeitsloser innerhalb eines Monats erziele, sei auf die Notstandshilfe, die im Folgemonat gebühre, anzurechnen. Nur Einkommen aus einer Beschäftigung unter der Geringfügigkeitsgrenze sei nicht auf die Notstandshilfe anzurechnen (Hervorhebung im Original). Es sei daher bei Einkünften aus einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb eine Anrechnung zulässig, weil diese kein Einkommen aus einer Beschäftigung im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen darstellten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist der geltend gemachte Anspruch auf Notstandshilfe zeitraumbezogen zu beurteilen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. Juli 2002, Zl. 2000/08/0196).

§ 36 Abs. 3 lit. A Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG), BGBl. Nr. 609/1977 idF BGBl. I Nr. 6/1998, lautet:

A. Berücksichtigung des Einkommens des Arbeitslosen:

Das in einem Kalendermonat erzielte und ohne Auswirkung auf den Leistungsanspruch in diesem Kalendermonat gebliebene Einkommen des Arbeitslosen ist im Folgemonat nach Abzug des zur Erzielung des Einkommens notwendigen Aufwandes auf die Notstandshilfe anzurechnen. Ausgenommen ist ein Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit, das den der Geringfügigkeitsgrenze gemäß § 5 Abs. 2 ASVG für den Kalendermonat entsprechenden Betrag nicht übersteigt.

§ 36a AlVG, idF BGBl. I Nr. 87/1999 lautet:

(1) Bei der Feststellung des Einkommens für die Beurteilung des Vorliegens von Arbeitslosigkeit (§ 12 Abs. 6 lit. a bis e), des Anspruchs auf Familienzuschlag (§ 20 Abs. 2 und 5), und für die Anrechnung auf die Notstandshilfe ist nach den folgenden Absätzen vorzugehen.

(2) Einkommen im Sinne dieses Bundesgesetzes ist das Einkommen gemäß § 2 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes 1988 (EStG 1988), BGBl. Nr. 400, in der jeweils geltenden Fassung, zuzüglich den Hinzurechnungen gemäß Abs. 3 und dem Pauschalierungsausgleich gemäß Abs. 4. Einkommensteile, die mit dem festen Satz des § 67 des Einkommenssteuergesetzes 1988 zu versteuern sind, bleiben außer Betracht. Die Winterfeiertagsvergütung gemäß § 13j Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, BGBl. Nr. 414/1972, in der jeweils geltenden Fassung, bleibt außer Betracht.

(3) Dem Einkommen nach § 2 Abs. 2 EStG 1988 sind die folgenden Beträge hinzuzurechnen:

1. Steuerfreie Bezüge gemäß § 3 Abs. 1 Z 3 lit. b bis e, Z 4 lit. a, lit. c zur Hälfte und lit. e, Z 5 lit. a bis d, Z 8 bis 12, Z 15 lit. a, Z 15 lit. b, Z 22 bis 24, sowie § 29 Z 1 zweiter Satz und § 112 Z 1 EStG 1988;

2. die Beträge nach den §§ 10, 10a, 12, 18 Abs. 1 Z 4 sowie Abs. 6 und 7, 24 Abs. 4, 27 Abs. 3, 31 Abs. 3, 36, 41 Abs. 3 sowie 112 Z 5, Z 7 und Z 8 EStG 1988, soweit sie bei der Ermittlung des Einkommens abgezogen wurden;

3. Sonderunterstützungen nach dem Sonderunterstützungsgesetz, BGBl. Nr. 642/1973, und die besondere Schulbeihilfe nach dem Schülerbeihilfengesetz 1983, BGBl. Nr. 455.

(4) Bei der Ermittlung des Einkommens aus einem land(forst)wirtschaftlichen Betrieb gelten 4 vH des Einheitswertes als monatliches Einkommen. Werden bei Einkünften aus einer anderen selbständigen Erwerbstätigkeit Gewinne nicht nach Führung ordnungsgemäßer Bücher oder Aufzeichnungen, sondern nach Durchschnittssätzen (§ 17 EStG 1988) ermittelt, sind diese Einkünfte um 10 vH zu erhöhen.

Nach § 5 Abs. 2 der Notstandshilfeverordnung (NH-VO), BGBl. Nr. 352/1973 in der Fassung BGBl. Nr. 240/1996, ist ein Einkommen, das den im § 5 Abs. 2 lit. c ASVG angeführten Betrag nicht übersteigt, auf die Notstandshilfe nicht anzurechnen.

Der Beschwerdeführer macht unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides geltend, dass das von ihm aus land- und forstwirtschaftlicher Tätigkeit erzielte Einkommen keinesfalls auf die Notstandshilfe anzurechnen sei, weil es weit unter dem Grenzbetrag des § 5 Abs. 2 lit. c ASVG liege, und bringt vor, dass der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 17. November 1999, Zl. 97/08/0153, (zu § 36 Abs. 3 lit. A AlVG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 411/1996 sowie zu § 5 Abs. 2 der Notstandshilfeverordnung in der Fassung BGBl. Nr. 240/1996) ausgeführt habe, dass der Ausschluss geringfügiger Einkommen von der Anrechnung auf die Notstandshilfe nach dem klaren Wortlaut der angeführten Bestimmungen nicht nur für Einkommen gelte, die aus einer Beschäftigung erzielt würden.

Dem erwidert die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift, dass sich der Beschwerdeführer nicht auf das hg. Erkenntnis vom 17. November 1999 beziehen könne, weil diese Entscheidung auf einer im Beschwerdefall nicht mehr anzuwendenden Rechtslage beruhe, und Einkünfte aus einem land(forst)wirtschaftlichen Betrieb kein Einkommen "aus einer Beschäftigung" darstellten.

Im Gegensatz zur Rechtslage, die dem mehrfach zitierten Erkenntnis vom 17. November 1999 zu Grunde lag, stellt das AlVG hinsichtlich der zu beachtenden Geringfügigkeitsgrenze in § 36 Abs. 3 lit. A AlVG in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 6/1998 nicht - wie die belangte Behörde meint - auf ein Einkommen aus einer Beschäftigung, sondern auf ein aus einer Erwerbstätigkeit erzieltes Einkommen ab (Hervorhebung durch den Verwaltungsgerichtshof; vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 21. November 2003, Zl. 2000/02/0002).

Das AlVG verwendet den Begriff "erwerbstätig" u.a. auch in § 12 Abs. 3 lit. b, wonach nicht als arbeitslos gilt, wer selbständig erwerbstätig ist, wovon gemäß § 12 Abs. 6 lit. b AlVG in der hier anzuwendenden Fassung aber ausgenommen ist, wer "einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb auf eigene Rechnung und Gefahr führt", dessen Einheitswert einen bestimmten Betrag nicht übersteigt.

Schon aus dem Regelungszusammenhang besteht daher kein Zweifel, dass eine land- und forstwirtschaftliche Tätigkeit als Erwerbstätigkeit im Sinne des § 36 Abs. 3 lit. A AlVG zu sehen ist (vgl. auch die zu § 12 AlVG ergangenen hg. Erkenntnisse vom 22. Dezember 1999, Zl. 97/08/0565, vom 8. September 1998, Zl. 95/08/0307, sowie vom 21. April 1998, Zl. 97/08/0541), sodass die Anrechnung des vom Beschwerdeführer aus seinem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb und aus der Verpachtung erzielten Einkommens (§ 5 Abs. 2 NH-VO), das nach den Feststellungen des angefochtenen Bescheides die Geringfügigkeitsgrenze des § 5 Abs. 2 ASVG nicht überstiegen hat, auf seinen Anspruch auf Notstandshilfe rechtswidrig und der angefochtene Bescheid schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 17. Dezember 2004

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2000020271.X00

Im RIS seit

28.01.2005

Zuletzt aktualisiert am

04.08.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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