TE Vwgh Erkenntnis 2004/12/20 2002/12/0101

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Veröffentlicht am 20.12.2004
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
63/02 Gehaltsgesetz;

Norm

AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §73 Abs2 idF 1998/I/158;
GehG 1956 §19a;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn): 2002/12/0106 E 20. Dezember 2004 2002/12/0105 E 20. Dezember 2004 2002/12/0104 E 20. Dezember 2004 2002/12/0103 E 20. Dezember 2004 2002/12/0102 E 20. Dezember 2004

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Schick, Dr. Hinterwirth und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lamprecht, über die Beschwerde des H in H, vertreten durch Dr. Walter, Riedl, Dr. Peter Ringhofer, Dr. Martin Riedl und Dr. Georg Riedl, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. November 2001, Zl. 18.110/576-II/A/2/01, betreffend Erschwerniszulage nach § 19a des Gehaltsgesetzes 1956 (GehG), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Bezirksinspektor des Kriminaldienstes der Bundespolizeidirektion Wien, (laut angefochtenem Bescheid) dienstzugeteilt der belangten Behörde - Gruppe C -, in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Er ist damit befasst, Fingerabdruckspuren mit Hilfe eines - österreichweit allein bei der belangten Behörde betriebenen - automationsunterstützten Fingeridentifikationssystems (kurz: AFIS) auszuwerten. Nach einem gezielten Auswahlverfahren durch den Computer stehen ihm via Monitor 50 für die Täterschaft in Frage kommende Kandidaten für jede eingegebene Fingerabdruckspur zur Verfügung. Die Verifizierung einer Übereinstimmung obliegt dann allein der Kontrolle durch das menschliche Auge.

Bereits im Jänner 1997 bemühte sich der zuständige Dienststellenausschuss um eine Untersuchung der gesundheitlichen Belastungen der mit dieser Tätigkeit befassten Beamten durch einen von der Dienstbehörde zu bestellenden Sachverständigen. Im Oktober 1997 forderte der Dienststellenausschuss überdies die Zuerkennung der "großen" Erschwerniszulage für die in diesem Bereich Tätigen.

Während der laufenden Ermittlungen stellte der Beschwerdeführer (ebenso wie andere mit dieser Tätigkeit befasste Beamten) einen Antrag auf Zuerkennung und Bemessung einer Erschwerniszulage nach § 19a GehG. Er berief sich auf eine Visitation des Arbeitsinspektorates vom 28. Juni 1999 und dessen Bericht vom 21. September 1999. Sein Bildschirmarbeitsplatz sei besonders belastend für die Augen und erfordere besonders hohe Konzentration. Dazu kämen eine ergonomisch nicht richtige Gestaltung sowie Belastungen durch Zugluft einer im Umluftbetrieb befindlichen Klimaanlage und aus dem Fehlen von Schallschutzfenstern.

Im Zuge der Erhebungen hielt die BPD am 13. Dezember 1999 fest, dass "im November 1999 die Räumlichkeiten auf Grund der Erhebungen des Arbeitsinspektorates neu und ergonomisch richtig gestaltet wurden".

Am 3. Februar 2000 fand eine arbeitsmedizinische Begehung durch Dr. P. und Dr. K. statt. Diese hielten in ihrem Bericht Folgendes fest:

"Es handelt sich bei der Tätigkeit der Bediensteten in der Abteilung AFIS um Bildschirmarbeit, die höchste Konzentration erfordert und daraus folgend zu einer besonderen Augenbelastung führt.

Je nach Art der vorhandenen Fingerabdrücke erfordert die Spurensuche verschieden lange Bearbeitungszeiten.

Die beiden Bildschirmarbeitsplätze, an denen vorwiegend mit diesem System gearbeitet wird, wurden kürzlich mit neuen Bildschirmgeräten und neuen Arbeitstischen ausgestattet und entsprechen weitgehend dem § 67 und § 68 des B-BSG.

Durch Gespräche mit Bediensteten des AFIS konnte festgestellt werden, dass jederzeit die Möglichkeit besteht, Bildschirmpausen einzuhalten. Die Bediensteten unterbrechen ihre Arbeit außerdem durch andere Tätigkeiten und verringern damit die Augenbelastung.

Die Blickrichtung zu den Monitoren ist annähernd parallel zur Fensterfront.

Lärmquellen im Büro sind weitgehend ausgeschaltet (keine Telefone).

Der vorhandene Blendschutz wäre für 'normale' Bildschirmtätigkeit ausreichend, ist es für o.g. Tätigkeit jedoch nicht. Um die Augenbelastung so gering wie möglich zu halten, empfehlen wir, die Montage von Außenjalousien zu überlegen, was zusätzlich den Vorteil einer Temperatursenkung in den Sommermonaten nach sich ziehen würde (das Büro befindet sich im obersten Stockwerk).

Abschließend muss noch betont werden, dass das Büro für EKF arbeitsmedizinisch von Dr. P. betreut wird und somit für ausreichende ergonomische Beratung der Bediensteten gesorgt ist. Weiters ist in nächster Zukunft eine Sehtestuntersuchung der Bediensteten des EKF geplant."

Da eine Entscheidung in der Sache unterblieb, führte der Beschwerdeführer - nach ähnlichem Vorbringen in einem Schriftsatz vom 7. Dezember 2000 - in einer an die belangte Behörde gerichteten Eingabe vom 11. Dezember 2000, in der er zu einer ihm vorgelegten Statistik Stellung nahm, u.a. Folgendes aus:

"Ich beantrage unumgänglich die bescheidmäßige Zuerkennung einer Erschwerniszulage nach § 19a GG 1956 bis zum 15.02.2001, widrigenfalls ich hiermit ausdrücklich nach § 73 Abs. 2 AVG idgF, den Übergang der Entscheidung an das BmfI fordere."

Das Anbringen ist am 15. Dezember 2000 bei der belangten Behörde eingelangt.

Mit Schreiben vom 31. Jänner 2001 teilte die belangte Behörde der BPD mit, dass dem Antrag des Beschwerdeführers keine Zustimmung erteilt werde. Auf den Devolutionsantrag wurde nicht Bezug genommen.

Mit Bescheid vom 12. April 2001 (dem Beschwerdeführer ausgefolgt am 8. Mai 2001) wies die BPD den Antrag vom 22. Oktober 1999 ab. Sie verneinte nach ausführlicher Darstellung der Aufgaben des Beschwerdeführers inhaltlich das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Erschwerniszulage.

Am 11. Mai 2001 erhob der Beschwerdeführer dagegen Berufung, in der er auf seinen Antrag nach § 73 Abs. 2 AVG verwies, den er für den Fall gestellt habe, dass seine Sache nicht bis zum 15. Februar 2001 erstinstanzlich entschieden sein sollte. Die BPD sei somit bei Erlassung ihres Bescheides nicht mehr zuständig gewesen. Mit einer Heilung des Mangels sei er nicht einverstanden; er sehe einer Entscheidung der belangten Behörde entgegen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung in der Sache (mit ausführlicher Begründung) als unbegründet ab.

Zur Zuständigkeitsfrage führte sie in der Begründung des angefochtenen Bescheides aus, ein Devolutionsantrag gemäß § 73 Abs. 2 AVG sei zulässig, wenn eine Behörde einen Antrag nicht innerhalb von sechs Monaten erledige. Dieser Antrag sei unmittelbar bei der Oberbehörde einzubringen. Erst mit Einlangen des Devolutionsantrages bei der Oberbehörde gehe die Entscheidungspflicht auf diese über. Ein verfrüht - vor Ablauf der sechsmonatigen Entscheidungsfrist des § 73 Abs. 1 AVG - eingebrachter Devolutionsantrag bewirke keinen Zuständigkeitsübergang und wäre zurückzuweisen. Im Beschwerdefall sei jedoch kein Devolutionsantrag an die Oberbehörde gestellt worden, weshalb die Zuständigkeit auch nicht auf diese übergegangen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes bzw. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens (schon auf Grund des Hinweises auf bereits archivierte und daher nicht angeschlossene Beilagen) unvollständig vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer macht u.a. geltend, sein Devolutionsantrag sei bezogen auf seinen verfahrenseinleitenden Antrag vom 22. Oktober 1999 keineswegs verfrüht (also vor Ablauf von sechs Monaten) gestellt worden. Weiters sei unstrittig, dass die Verwaltungsakten und damit auch der Devolutionsantrag der belangten Behörde in der zweiten Hälfte des Jahres 2000 sowie im Jahr 2001, also vor Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides, vorgelegen seien und die BPD damit im Zeitpunkt der Bescheiderlassung nicht mehr zuständig gewesen sei. Der angefochtene Berufungsbescheid hätte daher keine Bestätigung des erstinstanzlichen Bescheides, sondern seine Aufhebung wegen Unzuständigkeit der BPD aussprechen müssen.

§ 73 AVG, das gemäß § 1 Abs. 1 DVG u.a. auf das Verfahren in Angelegenheiten des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses zum Bund mit hier nicht in Betracht kommenden Abweichungen anzuwenden ist, lautete in der im Beschwerdefall maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 158/1998:

"4. Abschnitt: Entscheidungspflicht

§ 73. (1) Die Behörden sind verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen.

(2) Wird der Bescheid nicht innerhalb der Entscheidungsfrist erlassen, so geht auf schriftlichen Antrag der Partei die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde, wenn aber gegen den Bescheid Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat erhoben werden könnte, auf diesen über (Devolutionsantrag). Der Devolutionsantrag ist bei der Oberbehörde (beim unabhängigen Verwaltungssenat) einzubringen. Er ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

(3) Für die Oberbehörde (den unabhängigen Verwaltungssenat) beginnt die Entscheidungsfrist mit dem Tag des Einlangens des Devolutionsantrages zu laufen."

Dem Beschwerdeführer ist darin beizupflichten, dass er seinen Devolutionsantrag erst mehr als sechs Monate nach der diese Frist auslösenden Antragstellung im Oktober 1999, also nicht verfrüht gestellt hat und dass dieser vor der Entscheidung durch die BPD bei der belangten Behörde als zuständiger Oberbehörde eingelangt ist. Die dem Begehren auf Übergang der Entscheidungspflicht auf die belangte Behörde beigesetzte Bedingung (des Unterbleibens einer Entscheidung durch die BPD bis zum 15. Februar 2001) hindert den Eintritt dieser in § 73 Abs. 2 Satz 1 AVG angeordneten Rechtsfolge nicht. Für die Annahme der Unzulässigkeit einer derart bedingten Prozesshandlung ist nämlich dort kein Raum, wo diese - wie im Beschwerdefall - von einem bestimmten im Verfahrensverlauf eintretenden Ereignis abhängig gemacht wird, ohne dass hiedurch also ein dem Verfahren abträglicher Schwebezustand herbeigeführt wird (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 17. August 1998, Zl. 97/17/0401, und vom 13. September 2004, Zl. 2002/17/0141). Gleichfalls wurde es als zulässig erachtet, einen Antrag auf einen bestimmten Zeitraum ausdrücklich zu beschränken (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Februar 1989, Zl. 88/18/0294) oder ihn eventual, also unter der aufschiebenden Bedingung zu stellen, dass ein primär erhobener Antrag erfolglos bleibe (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. September 2004, Zl. 2004/12/0016, mit weiteren Nachweisen). Der Beschwerdeführer hat somit durch die Setzung einer innerprozessualen und daher zulässigen Bedingung lediglich von der ihm in § 73 AVG eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht, ob und zu welchem Zeitpunkt er einen Devolutionsantrag stellen wolle. Dabei liegt auch ein freiwilliges Zuwarten (auf eine Entscheidung durch die BPD als Erstbehörde bis zum 15. Februar 2001) im Rahmen der jedem Antragsteller durch die genannte Bestimmung eingeräumten Gestaltungsmöglichkeit.

Im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides am 8. Mai 2001 war somit auf Grund des bei der belangten Behörde anhängigen zulässigen Devolutionsantrages die Zuständigkeit gemäß § 73 Abs. 2 Satz 1 AVG bereits auf die belangte Behörde übergegangen. Die hieraus folgende Unzuständigkeit der Behörde erster Instanz wäre, zumal dies auch ausdrücklich in der Berufung gerügt wurde, von der belangten Behörde aufzugreifen gewesen, die durch diese Unterlassung ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet hat (vgl. die in Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6, bei E 86 zu § 73 AVG wiedergegebene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes).

In der Sache ist anzumerken, dass eine Dienstverrichtung unter besonders erschwerten Umständen im Sinn des § 19a GehG dann nicht vorliegt, wenn die Belastung eines Beamten auf den inneren Schwierigkeitsgrad der Arbeit, nicht aber auf äußere, die Arbeitsverrichtung beeinflussende Umstände zurückzuführen ist oder wenn die besonders erschwerenden Umstände, unter denen der Dienst ausgeübt wird, nicht in dessen Eigenart, sondern in den Verhältnissen des Beamten (etwa fehlende Fachausbildung oder Lebensalter) gelegen sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Mai 1994, Zl. 90/12/0009).

Ob dies der Fall ist oder nicht, kann nur anhand einer auf Grund eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens getroffenen Tatsachenfeststellung darüber beurteilt werden, worin die dienstlichen Verrichtungen des Beamten konkret bestehen, welche äußeren seine Arbeitsverrichtung beeinflussenden Faktoren gegeben sind (auf Grund einer objektiven auf den Arbeitsplatz bezogenen Betrachtung ohne Berücksichtigung der spezifisch subjektiven Verfassung des Bediensteten) und ob diese geeignet sind, als besondere Erschwernis (im Sinne der beiden alternativen Anspruchsvoraussetzungen nach § 19a GehG) gewertet zu werden. Letzteres ist auf Grundlage des Gutachtens eines arbeitsmedizinischen oder arbeitspsychologischen Sachverständigen (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 24. September 1997, Zl. 95/12/0199, und vom 22. Juli 1999, Zl. 98/12/0178, mit weiteren Nachweisen) festzustellen, der jedoch - was im bisherigen Verfahren unterblieben ist - mit dem regelmäßigen (oder in Ermangelung eines solchen mit dem typischen) konkreten Dienstablauf des betroffenen Beamten zu konfrontieren ist und hiezu eine begründete Stellungnahme abzugeben hat.

Da die belangte Behörde, wie eingangs dargestellt, infolge unrichtiger Beurteilung des § 73 Abs. 2 AVG ihre Zuständigkeit zur Entscheidung in der Sache über die ihr vorgelegte Berufung bejaht hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der gemäß ihrem § 3 Abs. 2 anzuwendenden VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 20. Dezember 2004

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2002120101.X00

Im RIS seit

27.01.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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