TE Vwgh Erkenntnis 2004/12/20 2002/10/0144

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Veröffentlicht am 20.12.2004
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
82/04 Apotheken Arzneimittel;

Norm

ApG 1907 §19 Abs2;
AVG §38;
Gehaltskassengesetz Pharmazeuten 2002 §6 Abs1;
Gehaltskassengesetz Pharmazeuten 2002 §6 Abs2;
Gehaltskassengesetz Pharmazeuten 2002 §6 Abs3;
Gehaltskassengesetz Pharmazeuten 2002 §6 Abs5;
Gehaltskassengesetz Pharmazeuten 2002 §6 Abs6;
Gehaltskassengesetz Pharmazeuten 2002 §6 Abs7;
Gehaltskassengesetz Pharmazeuten 2002 §8 Abs1;
Gehaltskassengesetz Pharmazeuten 2002 §8 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde des Mag. pharm. BT in N, vertreten durch Dr. Susanne Steiner, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Stelzhamerstraße 5a, gegen den Bescheid des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen vom 5. Juli 2002, Zl. 262.085/1-VI/C/15/2002, betreffend Aussetzung eines Verfahrens betreffend Mitgliedsbeiträge nach dem Gehaltskassengesetz 2002, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Pharmazeutischen Gehaltskasse für Österreich vom 18. März 2002 wurde der Antrag des Beschwerdeführers, es mögen ihm in Hinkunft keine Mitgliedsbeiträge von seinem Gehalt abgezogen und die ihm seit 13. Oktober 2000 abgezogenen Mitgliedsbeiträge refundiert werden, abgewiesen. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, der Beschwerdeführer sei seit vielen Jahren Leiter der Anstaltsapotheke im Krankenhaus S in B und er werde als solcher gemäß § 1 Abs. 2 Z. 1 Gehaltskassengesetz 2002 durch die Pharmazeutische Gehaltskasse besoldet. Seit dem 13. Oktober 2000 betreibe er auf Grund der ihm erteilten Konzession die "N-Apotheke" in E, Salzburg, als Konzessionär, wobei die Leitung dieser Apotheke auf Grund einer behördlichen Genehmigung von einer angestellten Apothekerin wahrgenommen werde. Von den Gehaltskassen-Bezügen des Beschwerdeführers als angestellter Apotheker würden Mitgliedsbeiträge gemäß § 8 Abs. 3 Z. 1 Gehaltskassengesetz 2002 in Höhe von derzeit 4,6 % einbehalten. Seit dem 13. Oktober 2000 würden dem Beschwerdeführer als Konzessionär der "N-Apotheke" Mitgliedsbeiträge gemäß § 8 Abs. 3 Z. 3 Gehaltskassengesetz 2002 bzw. bis 31. Dezember 2001 gemäß § 6 Abs. 2 lit. c Gehaltskassengesetz 1959 vorgeschrieben und von ihm auch entrichtet. Das Gehaltskassengesetz 2002 enthalte keine Bestimmungen zur Frage, in welcher der beiden Abteilungen der Gehaltskasse Mitgliedsbeiträge zu entrichten seien, wenn bei einer Person die Voraussetzungen für die Mitgliedschaft in beiden Abteilungen vorlägen. § 6 Abs. 5 Gehaltskassengesetz 2002 treffe lediglich jene Abgrenzung zwischen der Abteilungszugehörigkeit, die auf Grund der streng paritätischen Konstruktion der Pharmazeutischen Gehaltskasse notwendig sei. Im Übrigen gehe das Gehaltskassengesetz 2002 aber eindeutig davon aus, dass alle von der Gehaltskasse besoldeten Mitglieder von ihren Gehaltskassen-Bezügen Mitgliedsbeiträge zu entrichten hätten. Schließlich stehe die Kombination der Funktion des Konzessionärs einer öffentlichen Apotheke mit der Funktion des Leiters einer Anstaltsapotheke in Widerspruch zu den Bestimmungen des Apothekengesetzes. Es sei aber nicht zulässig, aus einem solchen rechtswidrigen Zustand Ansprüche abzuleiten bzw. "Formulierungen des Gehaltskassengesetzes in einer strikt wörtlichen Auslegung auf Sachverhalte anzuwenden, die rechtmäßigerweise nicht vorliegen dürften".

Der Beschwerdeführer erhob Berufung, in der er darlegte, es sei ihm unerfindlich, wie die Erstbehörde zur Auffassung gelangen könne, er übe rechtswidrigerweise eine bestimmte Tätigkeit aus; die Gehaltskasse überschreite mit diesen Darlegungen auch ihren Aufgabenkreis. In der Sache werde auf die Regelung des § 6 Abs. 5 Gehaltskassengesetz 2002 verwiesen, wo klar geregelt sei, wie vorzugehen sei, wenn jemand die Voraussetzungen für die Zugehörigkeit zu beiden Abteilungen der Gehaltskasse erfülle.

Mit Bescheid des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen vom 5. Juli 2002 wurde das Verfahren über die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 38 AVG ausgesetzt. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer habe bekräftigt, dass er beide Funktionen, jene als Konzessionär einer öffentlichen Apotheke einerseits und jene als Anstaltsapothekenleiter andererseits inne habe. Rechtmäßig könne er zufolge des Kumulierungsverbotes gemäß § 2 ApG nur eine der beiden Funktionen ausüben. Da somit ein fortdauernder rechtswidriger Zustand bestehe, sehe sich der Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen veranlasst, die Einleitung eines Konzessionsentziehungsverfahrens anzuweisen. Die rechtskräftige Erledigung der Rechtsfrage, ob der Beschwerdeführer nur Leiter der Anstaltsapotheke oder nur Konzessionär der öffentlichen Apotheke sei, bilde die Voraussetzung für die Beurteilung, welche Mitgliedsbeiträge der Beschwerdeführer zu leisten habe. Das Berufungsverfahren sei daher auszusetzen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 38 AVG ist die Behörde, sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach den über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauungen zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zu Grunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Behörde bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.

Der Beschwerdeführer bestreitet die Annahme der belangten Behörde, es liege in der rechtskräftigen Entscheidung betreffend die Entziehung seiner Apothekenkonzession eine Vorfrage für die Entscheidung im anhängigen Berufungsverfahren betreffend Einhebung von Mitgliedsbeiträgen in der Abteilung Dienstnehmer der Pharmazeutischen Gehaltskasse. Er ist mit dieser Auffassung im Recht.

Bei einer Vorfrage handelt es sich nämlich um eine Rechtsfrage, deren Beantwortung als Hauptfrage in die Zuständigkeit anderer Verwaltungsbehörden oder der Gerichte (oder aber in die Zuständigkeit derselben Verwaltungsbehörde, jedoch in einem anderen Verfahren) fällt, für die Entscheidung der Behörde eine notwendige Grundlage bildet und in einer diese bindenden Weise geregelt wird (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), Seite 504 f, dargestellte Judikatur).

Gemäß § 6 Abs. 1 Gehaltskassengesetz 2002 gliedert sich die Gehaltskasse in die Abteilung der Dienstnehmer und in die Abteilung der Dienstgeber.

Mitglieder in der Abteilung der Dienstnehmer sind gemäß § 6 Abs. 2

1. in einer öffentlichen Apotheke oder Anstaltsapotheke tätige Apotheker und Aspiranten,

2. Apotheker, die auf Grund eines Dienstvertrages zu einer öffentlichen Apotheke oder zum Rechtsträger einer Anstaltsapotheke im Auftrag dieser Apotheke in einer Krankenanstalt oder in einer vergleichbaren Pflegeeinrichtung als Apotheker tätig sind,

3. stellenlos gewordene Apotheker und Aspiranten, welche bei der Stellenvermittlung der Gehaltskassen als stellensuchend gemeldet sowie bereit und in der Lage sind, eine zumutbare Stelle anzunehmen,

4. Apotheker, die durch eine Funktion in einer gesetzlichen Berufsvertretung der Apotheker oder auf Grund eines öffentlichen Mandates an der Ausübung des Apothekerberufes verhindert sind.

Mitglieder in der Abteilung der Dienstgeber sind gemäß § 6 Abs. 3 Gehaltskassengesetz 2002

1. alle physischen und juristischen Personen, die nach den Bestimmungen des Apothekengesetzes, RGBl. Nr. 5/1907, die Berechtigung zum Betrieb einer öffentlichen Apotheke oder einer Anstaltsapotheke besitzen und diese Berechtigung auch ausüben,

2. die Miteigentümer von öffentlichen Apotheken, sofern diese in ihrer Apotheke als Aspirant oder Apotheker tätig sind,

3. im Falle der Verpachtung einer öffentlichen Apotheke an Stelle der Betriebsrechtsinhaber und Miteigentümer jedoch die Pächter.

Eine Person kann gemäß § 6 Abs. 5 Gehaltskassengesetz 2002 nur Mitglied einer Abteilung sein. Liegen bei einer Person gleichzeitig die Voraussetzungen für die Mitgliedschaft in beiden Abteilungen vor, so ist die Person Mitglied in der Abteilung der Dienstgeber.

Die Mitgliedschaft beginnt für die Mitglieder der Abteilung der Dienstnehmer gemäß § 6 Abs. 6 Gehaltskassengesetz 2002 mit dem Tag des Beginns des Dienstverhältnisses oder mit der Meldung als stellensuchend bei der Stellenvermittlung der Gehaltskasse. Die Mitgliedschaft endet für die Mitglieder in der Abteilung der Dienstnehmer mit dem Tage der Beendigung des Dienstverhältnisses oder mit dem Ende des Zeitraumes, für den die Mitglieder bei der Stellenvermittlung der Gehaltskasse als stellensuchend gemeldet sind.

Die Mitgliedschaft beginnt für die Mitglieder in der Abteilung der Dienstgeber gemäß § 6 Abs. 7 Gehaltskassengesetz 2002 mit dem Tag, mit dem die Voraussetzungen des Abs. 3 vorliegen. Die Mitgliedschaft endet für die Mitglieder in der Abteilung der Dienstgeber mit dem Tag der Verpachtung, der Übergabe oder der Einstellung des Betriebes.

Für die Dauer ihrer Mitgliedschaft haben die Mitglieder der Gehaltskasse gemäß § 8 Abs. 1 Gehaltskassengesetz 2002 Mitgliedsbeiträge zu entrichten, deren Höhe vom Vorstand nach Maßgabe näherer Bestimmungen - je nach Abteilung - unterschiedlich festzusetzen ist (vgl. näher § 8 Abs. 3 Gehaltskassengesetz 2002).

Nach diesen Bestimmungen ist die Mitgliedschaft zur Gehaltskasse und zwar entweder zur Abteilung der Dienstnehmer oder zur Abteilung der Dienstgeber Voraussetzung für die Verpflichtung zur Entrichtung des entsprechenden Mitgliedsbeitrages. Erfüllt eine Person die Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft in beiden Abteilungen, greift die Regelung des § 6 Abs. 5 zweiter Satz Gehaltskassengesetz 2002. Danach ist diese Person (ausschließlich) Mitglied in der Abteilung der Dienstgeber.

Ein auf die Frage der Mitgliedschaft zur einen oder anderen Abteilung eingeschränktes Verfahren, sieht das Gesetz nicht vor. Vielmehr ist diese Frage in einem Verfahren betreffend die Verpflichtung zur Entrichtung des entsprechenden Mitgliedsbeitrages zu beantworten; sie ist hier keine Vorfrage.

Davon abgesehen würde mit einer Entscheidung im Konzessionsentziehungsverfahren kein Abspruch über die Mitgliedschaft zu einer der beiden Abteilungen der Gehaltskasse getroffen; (allenfalls) würden die Sachverhaltsgrundlagen geschaffen, denen zufolge in Hinkunft eine Mitgliedschaft zur Abeilung der Dienstgeber nicht (mehr) besteht.

Die belangte Behörde hat daher zu Unrecht das Vorliegen einer Vorfrage und weiters ihre Ermächtigung, das Berufungsverfahren gemäß § 38 AVG auszusetzen angenommen. Sie hat dadurch den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, was gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zu seiner Aufhebung zu führen hatte.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 20. Dezember 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2002100144.X00

Im RIS seit

27.01.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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