Norm
MRK Art5 Abs2 IV1Rechtssatz
Der für die Einschränkung der persönlichen Freiheit aus grundrechtlicher Sicht maßgebliche Art 5 Abs 2 MRK (vgl auch Art 4 Abs 3 PersFrSchG) sieht ein Informationsrecht des Verhafteten innerhalb kurzer Zeit nach Festnahme vor. Dieses Informationsrecht erstreckt sich auch auf eine richterliche Prüfung der Fortdauer der Haft im Sinn des Art 5 Abs 4 MRK beziehungsweise Art 6 PersFrSchG als Ausfluss des in diesem Verfahren zu gewährenden rechtlichen Gehörs. Erachtet das Gericht, dass sich die Haftgründe ändern, so ist dies dem Festgenommenen mitzuteilen, damit er seine Verteidigung auf die neue Sachlage einstellen kann. Dies entspricht im Wesentlichen der (insoweit aus Art 6 Abs 1 MRK abgeleiteten) Pflicht des erkennenden Gerichts, dem Angeklagten eine im Vergleich zur von der Staatsanwaltschaft in der Anklage eingenommenen rechtlichen Position in Erwägung gezogene andere rechtliche Beurteilung des angeklagten Sachverhalts im Verfahren offen zu legen (§ 262 StPO), um mit Blick auf die Fairness des Verfahrens der Verteidigung entsprechende Reaktionen darauf zu ermöglichen. § 180 Abs 1 StPO legt daher in Umsetzung dieser grundrechtlichen Vorgaben fest, dass der Beschuldigte vor der Beschlussfassung zu den Voraussetzungen der Untersuchungshaft und damit auch über die in Aussicht genommenen beziehungsweise von der Staatsanwaltschaft vorgebrachten Haftgründe zu befragen ist. Ungeachtet des Umstands, dass Art 5 MRK eine Überprüfung der Haftentscheidung durch eine Rechtsmittelinstanz nicht vorschreibt, sind die im Art 5 Abs 4 MRK vorgegebenen Grundsätze auch im Beschwerdeverfahren zu beachten, wenn - wie in Österreich - ein Instanzenzug vorgesehen ist. Dies auch, wenn das Beschwerdegericht lediglich eine Variante des Haftgrundes der Tatbegehungsgefahr durch eine andere zu ersetzen beabsichtigt.
Entscheidungstexte
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2005:RS0120050Im RIS seit
28.08.2005Zuletzt aktualisiert am
14.07.2020