Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §58 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, über die Beschwerde der K, vertreten durch Dr. Gottfried Waibel, Rechtsanwalt in 6850 Dornbirn, Schulgasse 7, gegen den Bescheid der österreichischen Botschaft in Skopje vom 18. Dezember 2003, Zl. PE 390/5-03, betreffend Erteilung eines Visums, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die 1948 geborene Beschwerdeführerin, eine mazedonische Staatsangehörige, stellte mit dem durch ihren rechtsanwaltlichen Vertreter bei der österreichischen Botschaft in Skopje eingebrachten Schriftsatz vom 11. September 2003 den Antrag, "drei D-Visas (Aufenthaltsvisum) mit einer Dauer von jeweils sechs Monaten für die Jahre 2003/2004, 2004/2005 und 2005/2006 auszustellen". Zur Begründung brachte die Beschwerdeführerin unter Vorlage entsprechender Urkunden vor, sie sei seit 1967 mit dem in Österreich aufenthaltsberechtigten und beschäftigten Kadrija K. verheiratet. Dieser habe am 5. April 1995 eine "unbefristete Aufenthaltsbewilligung" erhalten. Die Beschwerdeführerin wolle ihren Mann "längerfristig wiederholt besuchen", sich bei ihm "längerfristig aufhalten"; ein solcher "längerfristiger Kontakt" sei auch gemäß Art. 8 EMRK gerechtfertigt. Eine Niederlassungsbewilligung habe sie nicht beantragt, sie strebe eine solche auch nicht an. Die Beschwerdeführerin verwies schließlich noch auf das Bestehen einer entsprechenden Unterkunft (bei ihrem erwachsenem Sohn), auf das laufende Einkommen ihres Ehemannes und darauf, dass sie bei einer Visumserteilung und einem Aufenthalt in Österreich bei ihrem Mann "mitversichert" sei.
Nach einer vorausgegangenen Korrespondenz teilte die österreichische Botschaft in Skopje (dem Vertreter) der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 30. Oktober 2003 zu diesem Visumsantrag mit, "seitens der Botschaft werden keine weiteren Dokument mehr benötigt." Eine erste Prüfung habe aber ergeben, dass dem Antrag nicht stattgegeben werden könne, weil Grund zu der Annahme bestehe, dass der Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte (§ 10 Abs. 2 Z 2 FrG) und dass die Beschwerdeführerin das Bundesgebiet nach Ablauf der Gültigkeit des Visums nicht unaufgefordert verlassen werde (§ 10 Abs. 2 Z 5 FrG). Sie habe nämlich "nicht überzeugend nachweisen" können, dass sie "feste familiäre, soziale oder wirtschaftliche Bindungen an Ihren derzeitigen Wohnsitz" habe. Die Botschaft räumte der Beschwerdeführerin die Möglichkeit zur abschließenden Stellungnahme, "gegebenenfalls" unter Anschluss entsprechender Unterlagen, binnen zwei Wochen ein und verband dies noch mit dem Hinweis, dass lediglich ein Antrag auf Erteilung eines "Schengen Visums" eingebracht worden sei. Sofern die Beschwerdeführerin den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen nach Österreich verlegen wolle, "sollte der ggst. Visumantrag zurückgezogen und (unter persönlicher Vorsprache) ein entsprechender Erstantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck Familiengemeinschaft" gestellt werden.
Dem trat die Beschwerdeführerin in ihrer Stellungnahme vom 25. November 2003 entgegen und wies (neuerlich) darauf hin, dass sie keine Familiengemeinschaft in Österreich anstrebe, den Lebensmittelpunkt nicht nach Österreich verlegen wolle und daher auch keine Niederlassungsbewilligung beantragt habe. Die Annahme der Botschaft, sie werde nach Ablauf der jeweiligen Gültigkeit des Visums Österreich nicht unaufgefordert verlassen, sei völlig unbegründet. Sie sei familiär, sozial und wirtschaftlich völlig in Skopje verwurzelt. Sie habe deshalb auch keine Absicht, sich dauernd in Österreich bei ihrem Mann niederzulassen. Sie werde selbstverständlich unaufgefordert ausreisen und weder ein Verwaltungsstrafverfahren noch ein Aufenthaltsverbot samt zwangsweiser Abschiebung riskieren. Schließlich hielt die Beschwerdeführerin der Auffassung, ihr Aufenthalt in Österreich könnte zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen, vor allem entgegen, ihr Mann und ihr Sohn würden für alle Aufwendungen während ihres Aufenthaltes aufkommen.
Mit der vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Erledigung der österreichischen Botschaft in Skopje (der belangten Behörde) vom 18. Dezember 2003 wurde der eingangs erwähnte Antrag der Beschwerdeführerin auf Visumserteilung (zur Gänze) abgewiesen.
Zur Begründung führte die belangte Behörde nur aus:
"Eine Prüfung hat ergeben, dass Ihr Antrag gem. der folgenden Bestimmung(en) des Österreichischen Fremdengesetzes (FrG 1997) abgelehnt werden muss:
Es besteht Grund zur Annahme, dass Sie das Bundesgebiet nach Ablauf der Gültigkeit des Visums nicht unaufgefordert verlassen werden (§ 10 Abs. 2 Zi. 5 FrG 1997), da Sie nicht überzeugend nachweisen konnten, dass sie feste familiäre, soziale oder wirtschaftliche Bindungen an Ihren derzeitigen Wohnsitz haben."
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshofes nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Vorweg ist klarzustellen, dass keine Bedenken gegen die Bescheidqualität der in Beschwerde gezogenen Erledigung der österreichischen Botschaft bestehen (vgl. zu ähnlichen Botschaftsschreiben etwa das hg. Erkenntnis vom 30. Mai 2001, Zl. 97/21/0102, und das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 24. November 2003, B 1701/02, mit weiteren Nachweisen). Im Übrigen geht auch die Beschwerde ausdrücklich von der wirksamen Erlassung eines Bescheides aus und in der Gegenschrift wird dem nicht entgegengetreten.
Mit dem gegenständlichen Antrag begehrte die Beschwerdeführerin die (mehrmalige) Erteilung eines Aufenthaltsvisums (Visum für den längerfristigen Aufenthalt, Visum D) im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 4 FrG. Aufenthaltsvisa berechtigen zu einem drei Monate, nicht jedoch sechs Monate übersteigenden Aufenthalt in Österreich (§ 6 Abs. 5 letzter Satz iVm Abs. 3 erster Satz FrG). Die belangte Behörde begründete die Antragsabweisung nur mit dem - ihrer Ansicht nach gegebenen - Vorliegen des Versagungsgrundes nach § 10 Abs. 2 Z 5 FrG. Danach kann die Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels wegen Gefährdung öffentlicher Interessen (§ 8 Abs. 3 Z 2 FrG) versagt werden, "wenn Grund zur Annahme besteht, der Fremde werde nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des Titels das Bundesgebiet nicht unaufgefordert verlassen."
Eine schlüssige und nachvollziehbare Begründung für diese vom Gesetz geforderte "Annahme" ist aber weder dem angefochtenen Bescheid noch dem Akteninhalt zu entnehmen (zum Umfang der Begründungspflicht im Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden nach § 93 Abs. 2 FrG vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. November 2003, Zl. 2001/21/0001, sowie das schon erwähnte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 24. November 2003, jeweils mit Bezugnahme auf eigene Vorjudikatur). Die belangte Behörde stützte sich in der schriftlichen Erledigung in diesem Zusammenhang lediglich darauf, die Beschwerdeführerin habe "nicht überzeugend" nachweisen können, dass sie "feste familiäre, soziale oder wirtschaftliche Bindungen an ihren derzeitigen Wohnsitz" habe. Der Verwaltungsgerichtshof ist allerdings der Auffassung, dass selbst bei einem Fehlen derartiger "fester" Bindungen, die von der belangten Behörde weder im Schreiben vom 30. Oktober 2003 noch im Bescheid näher umschrieben und konkretisiert wurden, für sich allein noch keine begründeten Anhaltspunkte dafür bestehen, die Beschwerdeführerin werde sich im Falle der Erteilung des beantragten Visums nicht rechtskonform verhalten und ihrer Ausreiseverpflichtung nach Ablauf der Gültigkeitsdauer nicht entsprechen. Es kann nicht ohne weiteres unterstellt werden, dass Fremde - auch wenn deren Familienangehörige sich schon länger in Österreich aufhalten und hier integriert sind - unter Missachtung der fremdenrechtlichen Vorschriften im Anschluss an die Gültigkeitsdauer eines Visums schon deshalb in Österreich unrechtmäßig aufhältig bleiben werden, weil die Bindungen zum Heimatland nicht (mehr) "fest" sind. Dabei wird nicht verkannt, dass derartige Fälle in der Praxis durchaus vorkommen. Doch kann ein Grund zu der im § 10 Abs. 2 Z 5 FrG umschriebenen Annahme nur dann bestehen, wenn bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung der Behörde konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Fremde die Absicht hat, seinen Aufenthalt auf illegale Weise zu verlängern (Muzak in Muzak/Taucher/Pinter/Loibner, Fremdenrecht (Juni 2003) 65, Anm. 3.10. zu § 10 FrG). In diesem Sinne hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19. November 2003, Zl. 2003/21/0025, die Ansicht vertreten, dass auch die (im Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zum Ausdruck gebrachte) Absicht eines "längerfristigen Aufenthaltes" für sich genommen eine solche Schlussfolgerung nicht rechtfertige (vgl. auch den dort zitierten hg. Beschluss vom 13. Dezember 2002, Zl. 99/21/0042, mwN, betreffend die nicht ausreichend begründete Annahme einer Umgehungsabsicht hinsichtlich der Quotenregelung).
Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin nicht nur eine Niederlassungsabsicht mehrfach in Abrede gestellt, sondern nach der Aktenlage auch keinen Antrag auf Niederlassungsbewilligung gestellt. Die belangte Behörde hat auch nicht unterstellt, die Beschwerdeführerin habe überhaupt keine Bindungen mehr zu ihrem Heimatland. Dafür bestehen nach der Aktenlage auch keine Hinweise. Vielmehr liegt dem angefochtenen Bescheid erkennbar die Annahme zugrunde, die Beschwerdeführerin habe ihren "derzeitigen Wohnsitz" an der im Antrag angegebenen Adresse in Skopje. Unter diesen Umständen sind somit keine konkreten Anhaltspunkte - ein diesbezüglich relevantes (fremdenrechtliches) Fehlverhalten der Beschwerdeführerin in der Vergangenheit hat die belangte Behörde nicht angenommen - ersichtlich, welche die von der belangten Behörde getroffene Schlussfolgerung rechtfertigen könnten.
Andere, mit dem zur Antragsabweisung allein herangezogenen Versagungsgrund nicht im Zusammenhang stehende Umstände, die in der Gegenschrift auch erwähnt werden, sind nicht geeignet, die nur auf § 10 Abs. 2 Z 5 FrG gestützte Abweisung zu tragen. Darauf war daher nicht weiter einzugehen.
Der angefochtene Bescheid war somit wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Von der Durchführung der in der Beschwerde beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG Abstand genommen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 21. Dezember 2004
Schlagworte
Begründung Begründungsmangel Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2004210029.X00Im RIS seit
27.01.2005Zuletzt aktualisiert am
07.10.2008