TE Vwgh Erkenntnis 2004/12/21 2000/04/0216

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Veröffentlicht am 21.12.2004
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Index

60/02 Arbeitnehmerschutz;

Norm

AAV §8;
ASchG 1994 §106 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer sowie Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde der B Parfumerien Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. Peter Kunz, Dr. Georg Schima, Dr. Eberhard Wallentin und Dr. Thomas Wallentin, Rechtsanwälte in 1090 Wien, Porzellangasse 4, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 14. November 2000, Zl. WST1-BA-9817, betreffend Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 10. Dezember 1997 wies die Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf das Ansuchen der beschwerdeführenden Partei um Erteilung der Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer gewerblichen Betriebsanlage für das Handelsgewerbe am näher bezeichneten Standort gemäß § 27 Abs. 2 Arbeitnehmerschutzgesetz ab; weiters wurde das Ansuchen der beschwerdeführenden Partei um Zulassung einer Ausnahme von den Bestimmungen des § 8 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung (AAV) über die erforderliche Belichtung von Arbeitsräumen gemäß § 126 Abs. 2 des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes (ASchG) abgewiesen.

Dieser Abspruch wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die gemäß § 8 AAV erforderlichen Belichtungsflächen nicht vorhanden seien und der Erteilung einer Ausnahme von dieser Bestimmung die Stellungnahmen des zuständigen Arbeitsinspektorates entgegen stünden.

Die beschwerdeführende Partei erhob dagegen Berufung, in der sie u.a. geltend macht, die gegenständliche Betriebsanlage sei bereits mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf vom 5. Juni 1975 als Betriebsanlage für den Kleinhandel mit Waren aller Art genehmigt worden. Auf Grund der Übergangsbestimmung des § 106 ASchG gelange § 8 AAV nicht zur Anwendung.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, "dass die Rechtsgrundlage für die Sachentscheidung § 93 Abs. 2 des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes statt § 27 Abs. 2 des Arbeitnehmerschutzgesetzes zu lauten hat".

Nach der Begründung dieses Bescheides seien nach Auffassung der belangten Behörde die Voraussetzungen für die Anwendung der Übergangsbestimmung des § 106 Abs. 4 ASchG nicht gegeben, weil die erforderliche Identität der beiden Betriebsanlagen nicht vorliege. Mit dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf vom 5. Juni 1975 sei die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Betriebsanlage für den Kleinhandel mit Waren aller Art im Hinblick auf die maschinelle Einrichtung erteilt worden. Die genehmigte maschinelle Einrichtung werde im zu genehmigenden Betrieb (jedoch) nicht mehr verwendet. Vor allem aber sei der damalige Verkaufsraum ein L-förmiger Raum mit Innenhof gewesen und sei diesem Raum nunmehr u.a. der Innenhof als Verkaufsfläche zugeschlagen und in zwei Verkaufsräume geteilt worden, wobei der schlauchförmige Teil den Verkaufsraum der gegenständlichen Betriebsanlage darstelle.

In weiterer Folge wird in der Begründung näher dargelegt, warum die Voraussetzungen für eine Erteilung der angestrebten Ausnahmegenehmigung von den Bestimmungen des § 8 AAV nicht gegeben seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerde macht unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend, dass die belangte Behörde nicht hätte davon ausgehen dürfen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 106 Abs. 4 ASchG nicht gegeben gewesen seien, und die begehrte Genehmigung (wegen Nichterfüllung der Voraussetzungen des § 8 AAV) nicht hätte verweigert werden dürfen.

Die Beschwerde erweist sich schon aus folgendem Grund als berechtigt:

Die Verweigerung der begehrten Genehmigung wurde von der belangten Behörde - durch diesbezügliche Übernahme der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides - auf die Nichterfüllung der Voraussetzungen des § 8 AAV gestützt.

Nach § 48 Abs. 4 Z. 1 Arbeitsstättenverordnung - AStV, BGBl. II Nr. 368/1998, wird gemäß § 125 Abs. 8 ASchG festgestellt, dass mit Inkrafttreten dieser Verordnung - nach § 48 Abs. 6 AStV ist diese am 1. Jänner 1999 in Kraft getreten - eine Reihe von Bestimmungen der AAV, u.a. deren § 8, außer Kraft treten.

Die belangte Behörde hat somit übersehen, dass sie ihre Abweisung des Genehmigungsansuchens nicht auf § 8 AAV hätte stützen dürfen.

Durch das Außerkrafttreten (u.a.) des § 8 AAV war im Übrigen (zumindest diesbezüglich) ein Anwendungsbereich für die Ausnahmebestimmung des § 106 Abs. 4 ASchG nicht mehr gegeben. In diesem Sinne hat auch der Gesetzgeber mit der Novelle BGBl. I Nr. 159/2001 (u.a.) den Abs. 4 des § 106 ASchG aufgehoben und heißt es dazu in den Materialien, die Aufhebung der Abs. 4 bis 7 des § 106 ASchG sei deshalb erfolgt, weil die meisten der bisher in § 106 Abs. 3 Z. 1 bis Z. 8 ASchG genannten Bestimmungen mit Inkrafttreten der AStV obsolet geworden seien (RV 802 BlgNR 21. GP, 27).

Der angefochtene Bescheid war daher schon deshalb wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Die Umrechnung beruht auf § 3 Abs. 2 Z. 2 Eurogesetz, BGBl. Nr. 72/2000.

Wien, am 21. Dezember 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2000040216.X00

Im RIS seit

03.02.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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