TE Vwgh Erkenntnis 2004/12/21 2002/04/0169

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Veröffentlicht am 21.12.2004
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Index

50/01 Gewerbeordnung;

Norm

GewO 1994 §353;
GewO 1994 §74 Abs2;
GewO 1994 §77 Abs1;
GewO 1994 §77;
GewO 1994 §81 Abs1;
GewO 1994 §81;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Bayjones und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde des F in St. G, vertreten durch Mag. Gerhard Moser, Rechtsanwalt in 8850 Murau, Anna-Neumann-Straße 5, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 23. September 2002, GZ. FA14A- 15/545-2002/8, betreffend gewerbliche Betriebsanlage (mitbeteiligte Parteien: B und JM in St. G, St. L 183), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Murau (BH) vom 1. Februar 2002 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 81 Abs. 1 und 77 GewO 1994 i.Z.m. § 93 Abs. 2 und 3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz die Genehmigung zur Änderung der Betriebsanlage des Beschwerdeführers durch die Errichtung und den Betrieb eines Holzlagerplatzes erteilt. Dabei wurden folgende Auflagen vorgeschrieben:

"1. Die Gesamteinsatzdauer der Fahrbewegungen für die Lagerung von Schnittholzwaren auf dem gegenständlichen Lagerplatz darf innerhalb der Betriebszeit eines Tages eine Dauer von 60 Minuten nicht überschreiten. Zur Einhaltung dieser Einsatzzeit ist der jeweilige Zeitraum der Fahrbewegung des Radladers bzw. des Staplers nachweislich in einer Liste zu erfassen und ist diese Liste auf Verlangen der Behörde vorzulegen.

2. Zur Verminderung von Emissionen vom Lagerplatz selbst sind an der südlichen Seite der Fläche in einer gesamten Länge und einer Höhe von max. 4 m Schnittholzwaren zu lagern, die eine Lagerzeit von zumindest 2 Monaten erfordern. Die Stapel sind doppelreihig aufzustellen. Ein Nachweis über diese Lagerzeit ist ebenfalls auf Verlangen der Behörde vorzulegen."

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 23. September 2002 wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen diesen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1991 i.V.m. § 81 und 74 Abs. 2 GewO 1994 als unbegründet abgewiesen und der Bescheid der BH zur Gänze bestätigt.

Begründend führte die belangte Behörde nach Anführung der angewendeten Rechtsgrundlagen im Wesentlichen aus, die Behörde sei verpflichtet, von Amts wegen zu prüfen, ob Genehmigungshindernisse durch Vorschreibung von (zulässigen) Auflagen beseitigt werden können. Im vorliegenden Verfahren habe der lärmtechnische Amtssachverständige aufbauend auf einem Geräuschmessbericht des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung ausgeführt, der energieäquivalente Dauerschallpegel während der Fahrbewegungen zwischen dem Sägewerksbetrieb und dem gegenständlichen Lagerplatz betrage Werte von LA,eq 59,1 bis 59,4 dB und es träten Lärmspitzen von 66 bis 71 dB auf. Aus diesen Messwerten errechne sich für die Fahrbewegungen ein Beurteilungspegel von 49,4 dB; dies unter der Voraussetzung, dass die Fahrbewegung nicht länger und öfter als 12,5 % innerhalb eines Beurteilungszeitraumes von 8 Stunden betrage, was eine ununterbrochene Fahrbewegung von einer Stunde bedeute. Diese Voraussetzung sei durch die Vorschreibung der ersten Auflage sichergestellt. Als Gesamtbeurteilungspegel errechne sich ein Wert von 54,3 dB; dieser würde sich bei einer Verdoppelung des Einsatzgrades des Radladers auf 25 %, was eine ununterbrochene Fahrbewegung von zwei Stunden bedeute, auf rund 56 dB erhöhen. Der Richtwert für zumutbare Immissionen im Allgemeinen Wohngebiet liege gemäß ÖNORM S 5021 bei 55 dB zur Tagzeit (6 Uhr bis 22 Uhr), der Grenzwert für Schallpegelspitzen bei 75 dB zur Tagzeit. Daraus ergebe sich, dass bei Einhaltung der vorgeschriebenen Auflagen 1. und 2. eine Gefährdung der Gesundheit und des Lebens der mitbeteiligten Parteien auszuschließen und Beeinträchtigungen und Belästigungen etc. auf ein zumutbares Maß beschränkt seien. Die Ausführungen der Sachverständigen seien in sich schlüssig und nachvollziehbar, eine Entgegnung auf gleicher fachlicher Ebene sei durch den Beschwerdeführer nicht erfolgt, sodass sich der angefochtene Bescheid im vollen Umfang auf die eingeholten Sachverständigengutachten stützen könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf Vorschreibung von zulässigen Auflagen verletzt. Er bringt hiezu im Wesentlichen vor, der angefochtene Bescheid lasse eine Begründung vermissen, warum die Auflagen 1. und 2. vorgeschrieben worden seien bzw. aus welchen Gründen keine anderen Maßnahmen vorgeschrieben worden seien. Auch bei einer Fahrbewegung von 20 % liege der Gesamtbeurteilungspegel noch wesentlich unter dem von der belangten Behörde genannten Richtwert von 55 dB zur Tagzeit; die belangte Behörde habe nicht dargelegt, warum nur bei einer Fahrbewegung von 12,5 % Gefährdungen ausgeschlossen und Belästigungen auf ein zumutbares Maß reduziert seien. Die belangte Behörde habe sich auch nicht mit dem Gutachten des ärztlichen Sachverständigen auseinander gesetzt, welcher zum Schluss komme, dass bei Einhaltung der Richtwerte von 55 dB für den Dauerschallpegel und 70 dB für Schallspitzen eine Gesundheitsgefährdung der Mitbeteiligten auszuschließen sei. Die belangte Behörde habe aber nicht begründet, ab welcher Lärmgrenze mit Gesundheitsgefährdungen zu rechnen sei.

Die vorgeschriebenen Auflagen seien nicht erforderlich, da die Einsatzdauer des Radladers die in der Auflage 1. vorgeschriebene Zeit nicht überschreite. Auch werde die Errichtung der in Auflage 2. vorgeschriebenen "Lärmschutzwand aus Schnittholzwaren" selbst "am meisten Lärmentwicklung zur Folge haben". Die Errichtung der "Lärmschutzwand" sei technisch unmöglich, da der Beschwerdeführer je nach Angebot und Nachfrage unterschiedlich viel Schnittholz mit unterschiedlichen Längen lagere. Auch sei ihm durch die Auflage 2. untersagt, selbst bei großer Nachfrage Teile dieser "Lärmschutzwand" zu verkaufen.

Durch die vorgeschriebenen Auflagen würde die Betriebsanlage ihrem Wesen nach verändert, weil die Einhaltung der Auflagen einem Verbot des "Schnittholzhandels" gleichkomme. Auch würde das Erscheinungsbild der Betriebsanlage durch die gegenständlichen Auflagen jedenfalls verändert werden.

Der Auflagenvorschreibung stehe zudem die Rechtskraft des Bescheides des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 28. Februar 1989 entgegen, in welchem über Lärmgrenzwerte abgesprochen worden sei.

Schließlich seien die Fahrbewegungen zwischen dem Sägewerksbetrieb und dem verfahrensgegenständlichen Lagerplatz nicht mehr der Betriebsanlage zuzurechnen, sodass die Auflage 1. schon aus diesem Grund unzulässig sei.

Gemäß § 77 Abs. 1 GewO 1994 ist die Betriebsanlage zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, dass überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden.

Nach § 81 Abs. 1 GewO 1994 bedarf, wenn es zur Wahrung der in § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen erforderlich ist, auch die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen.

§ 81 Abs. 1 GewO 1994 verlangt zur Wahrung der in § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen die Genehmigung eine Änderung "im Sinne der vorstehenden Bestimmungen". Die Genehmigungsvoraussetzungen nach § 81 GewO 1994 sind daher keine anderen als jene, an die das Gesetz in § 77 leg. cit. die Errichtung einer Anlage knüpft. Auflagen sind nach der letztgenannten Bestimmung (u.a.) nur zulässig, wenn sie im Hinblick auf die nach dieser Bestimmung i. V.m. § 74 Abs. 2 zu schützenden Interessen erforderlich sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 2004, Zl. 2002/04/0024, m. w.N.). Ausgehend von dem in § 77 Abs. 1 GewO 1994 gebrauchten Wort "erforderlichenfalls" hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargelegt, dass dem Betriebsinhaber nicht strengere (ihn stärker belastende) Maßnahmen vorgeschrieben werden dürfen, als zur Wahrung der in § 77 Abs. 1 und 2 GewO 1994 angeführten Schutzzwecke notwendig ist (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 22. April 1997, Zl. 96/04/0217, m.w.N.).

Das Verfahren zur Genehmigung ist ein Projektsverfahren, in dem der Beurteilung die im § 353 GewO 1994 genannten Einreichunterlagen zu Grunde zu legen sind (vgl. die bei Grabler/Stolzlechner/Wendl, Gewerbeordnung2 (2003), 555, Rz 4, referierte hg. Rechtsprechung). Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer in seinem Antrag angegeben, auf dem Lagerplatz sei "mit Transportmaschinenverkehr (be- und entladen, Errichtung von Stapeln)" zu rechnen; eine nähere Eingrenzung der Fahrbewegungen erfolgte nicht. Wenn die belangte Behörde einerseits feststellte, der für die Zumutbarkeit der Lärmbelästigungen maßgebliche Richtwert betrage 55 dB, bei einer Gesamteinsatzdauer der Fahrbewegungen von 1 Stunde liege der Beurteilungspegel bei 49,4 dB und bei einer Gesamteinsatzdauer von 2 Stunden bei 56 dB, hat sie es unterlassen festzustellen, welche Gesamteinsatzdauer zwischen 1 und 2 Stunden nach dem von ihr herangezogenen Richtwert (noch) zumutbar ist. Indem die belangte Behörde bei der Vorschreibung der Auflage 1. alleine die Gesamteinsatzdauer von 60 Minuten zu Grunde legte, hat sie dem Beschwerdeführer eine strengere (ihn stärker belastende) Maßnahme vorgeschrieben, als zur Wahrung der in § 77 Abs. 2 GewO 1994 angeführten Schutzzwecke notwendig ist.

Auflage 2. verpflichtet den Beschwerdeführer, zur Verminderung von Emissionen Schnittholzwaren in einer Länge und Höhe von max. 4 m zu lagern. Diese Auflage lässt dem Beschwerdeführer zwar nach Maßgabe der betrieblichen Verhältnisse die Möglichkeit der Errichtung dieser Lärmschutzwand aus Verkaufswaren offen, lässt jedoch eine Begründung aus lärmschutztechnischer Sicht vermissen, warum die Lärmschutzwand in jedem Fall (und somit auch in dem vom Beschwerdeführer aufgezeigten Fall, dass eine Verkauf der als Lärmschutzhindernis gelagerten Waren unmöglich sei) aus Schnittholzwaren zu errichten sei oder ob eine andere Ausführung des Lärmhindernisses zulässig ist.

Da der angefochtene Bescheid sohin sowohl im Hinblick auf die Auflage 1. als auch die Auflage 2. entsprechende Feststellungen vermissen lässt, hat die belangte Behörde diesen mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b VwGG aufzuheben war.

Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde im Hinblick auf die über eine öffentliche Gemeindestraße führenden Fahrbewegungen zwischen dem Sägewerksbetrieb und dem Lagerplatz auch zu berücksichtigen haben, dass die Grenze zwischen einer projektierten Betriebsanlage und ihrer Umwelt dort zu ziehen ist, wo die Betriebsanlage - entsprechend dem Projekt - in ihrem räumlichen Umfang endet und dementsprechend das Umfeld der Betriebsanlage beginnt. Eine Straße mit öffentlichem Verkehr gehört in diesem Sinne nicht zur Betriebsanlage (vgl. die bei Grabler/Stolzlechner/Wendl, a.a.O., 521, angeführte hg. Rechtsprechung).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 21. Dezember 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2002040169.X00

Im RIS seit

08.03.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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