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10 VerfassungsrechtNorm
VfGG §85 Abs2 / Post- und FernmelderechtLeitsatz
Folge - Interessenabwägung Auftrag gemäß §83 Abs3 TelekommunikationsG zur Übermittlung näher bezeichneter Daten (betriebswirtschaftliche Daten, wie Bilanzen, Gewinn- u Verlustrechnungen, Mitarbeiter, sowie Daten über Umsätze, Dienstequalität, Verkehrswerte, Infrastruktur und öffentliche Sprechstellen) in elektronischer Form an die belangte Telecom-Control GmbH. Ein qualifiziertes öffentliches Interesse am sofortigen Vollzug der bekämpften aufsichtsbehördlichen Anordnungen vermag der Verfassungsgerichtshof im vorliegenden Fall weder dem angefochtenen Bescheid noch der Stellungnahme der belangten Behörde zu entnehmen. Die sofortige Bekanntgabe der abverlangten Daten würde ein Faktum schaffen, das nicht mehr rückgängig gemacht werden könnte. Das Interesse der beschwerdeführenden Gesellschaft an der (vorläufigen) Geheimhaltung von Wirtschaftsdaten - ein Interesse, das nicht nur in der Nichtweitergabe erhobener Daten besteht, sondern auch darin, geschützte Daten nicht offenlegen zu müssen - ist daher höher zu veranschlagen als die Möglichkeit, potentielle Verwaltungsverfahren allenfalls leichter, zügiger und effizienter abführen zu können, zumal es der Behörde nicht verwehrt ist, in tatsächlich eingeleiteten Verfahren Auskünfte über Geschäftsdaten zu verlangen. Auch ist es der beschwerdeführenden Gesellschaft nicht zuzumuten, sich durch (bloße) Nichtbefolgung des angefochtenen Bescheides während der Dauer des verfassungsgerichtlichen Verfahrens strafbar zu machen.Spruch
Dem in der Beschwerdesache der C Gesellschaft für Telekommunikation mbH, gegen den Bescheid der Telekom-Control Österreichische Gesellschaft für Telekommunikationsregulierung mbH vom 31. Oktober 2000 gestellten Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wird gemäß §85 Abs2 und 4 VerfGG 1953 F o l g e gegeben.
Begründung
Begründung:
1. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der beschwerdeführenden Gesellschaft gemäß §83 Abs3 TKG aufgetragen, der belangten Behörde bis zum 20. November 2000 näher bezeichnete Daten in ebenfalls näher bezeichneter Granularität in elektronischer Form (unter Verwendung des dem Bescheid auf Diskette beigefügten elektronischen Fragebogens im Format MS Excel) zu übermitteln. Bei den abverlangten Daten handelt es sich beispielsweise um betriebswirtschaftliche Daten (Bilanzen, Gewinn- und Verlustrechnungen, Mitarbeiter), Daten über Umsätze, Dienstequalität, Verkehrswerte, Infrastruktur und Nachfrage sowie öffentliche Sprechstellen.
2. Die beschwerdeführende Partei bringt vor, daß der angefochtene Bescheid einem Vollzug im Sinne des §85 Abs2 VerfGG zugänglich sei, ihre Verpflichtung zur Datenübermittlung allenfalls gemäß §1 Abs1 Z2 lita VVG vom Magistrat der Stadt Wien durch Zwangsstrafen (Geldsstrafen bis zu S 10.000,-- oder Haft bis zur Dauer von vier Wochen gemäß §5 VVG) zu vollstrecken sei, und die Nichtbefolgung des angefochtenen Bescheides zudem eine Verwaltungsübertretung gemäß §104 Abs3 Z19 TKG darstelle, die mit Geldstrafe bis zu S 500.000,-- zu ahnden sei.
Bei den abverlangten Daten handle es sich auch um Wirtschaftsdaten, an deren Geheimhaltung die beschwerdeführende Gesellschaft größtes Interesse habe. Der für sie unverhältnismäßige Nachteil liege insbesondere darin, daß eine vollständige Rückgängigmachung einer einmal erfolgten Datenübermittlung im Falle der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht möglich sei. Selbst bei Rückgabe des zu übermittelnden Datenmaterials und bei Löschung der Daten bei der belangten Behörde würde diese durch die Befolgung des angefochtenen Bescheides in Kenntnis der Daten versetzt, welche jedenfalls nicht rückgängig gemacht werden könnte. Hinzu komme, daß die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid davon ausgehe, daß diese Daten nicht (nur) in ihrem Interesse, sondern im Auftrag der Telekom-Control-Kommission sowie für Verfahren, die vom Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie zu führen sein werden, abgefragt werden. Dies bedeute, daß die übermittelten Daten einem mehr oder weniger überschaubaren Personenkreis zugänglich gemacht werden würden und diese "Inkenntnissetzung" nicht rückführbar sei. Daß die genannten Behörden über derartige Daten Bescheid wissen, bevor sie überhaupt ein Verfahren eingeleitet haben, in welchem sie diese Daten verwerten wollen, stelle kein zwingendes öffentliches Interesse dar.
3. Die belangte Behörde brachte in ihrer Stellungnahme zum vorliegenden Antrag vor, daß der von der beschwerdeführenden Gesellschaft als unverhältnismäßig empfundene Nachteil lediglich im Fall der Nichtbeachtung des angefochtenen Bescheides drohe, sohin bei rechtswidrigem Verhalten der antragstellenden Gesellschaft. Nicht der Vollzug des angefochtenen Bescheides führe zu etwaigen Zwangsmaßnahmen, sondern die Nichtbeachtung des Bescheides. Abgesehen davon würden - bei Nichtübermittlung der Daten - allfällige Zwangs- und Verwaltungsstrafen erst nach Durchführung eines weiteren Verfahrens zum Tragen kommen; ein in diesem Verfahren erlassener Bescheid sei seinerseits bekämpfbar; hinzu komme, daß dieser unverhältnismäßige Nachteil, wenn überhaupt, nicht die Gesellschaft, sondern den Geschäftsführer träfe.
Die zu übermittelnden Daten seien unabdingbar dafür, daß die Regulierungsbehörde ihrem gesetzlichen Auftrag (insbesondere die Sicherstellung eines chancengleichen und funktionsfähigen Wettbewerbs, die Förderung neuer Anbieter und die Einhaltung der Grundsätze eines offenen Netzzugangs) nachkommen könne. Sie sei in ihrer täglichen Arbeit auf hinreichend bestimmte marktspezifische Daten angewiesen, die nur durch Mitwirkung der Betreiber erfaßt werden könnten. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung würde die Tätigkeit der Regulierungsbehörde in erheblichem Ausmaß behindern und damit dem gesetzlichen Auftrag nicht gerecht werden. Zudem handle es sich mehrheitlich keineswegs um Daten, die Betriebsgeheimnisse darstellten, und die Befürchtung der Verletzung der Amtsverschwiegenheit durch jenen ohnedies sehr eingeschränkten Kreis von Mitarbeitern der belangten Behörde, der auf die Daten zugreifen könne, sei völlig unbegründet, zumal sich diese Mitarbeiter im Falle der Weitergabe der Daten einer gerichtlich strafbaren Handlung schuldig machen würden.
4. Gemäß §85 VerfGG hat der Verfassungsgerichtshof der Beschwerde auf Antrag des Beschwerdeführers mit Beschluß aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
Von zwingenden öffentlichen Interessen im Sinne des §85 Abs2 VerfGG kann nur gesprochen werden, wenn die konkrete Interessenlage öffentliche Rücksichten berührt, die einen umgehenden Vollzug des angefochtenen Bescheides gebieten. Der Umstand, daß öffentliche Interessen am Vollzug einer behördlichen Maßnahme bestehen, berechtigt nicht ohne weiteres zur Annahme, daß eben diese Interessen zwingend auch eine sofortige Verwirklichung der getroffenen Maßnahmen gebieten. Dem Aufschub entgegenstehende zwingende öffentliche Interessen wurden in der Rechtsprechung im wesentlichen stets dann angenommen, wenn mit dem Aufschub eine Gefahr für die Gesundheit und das Leben von Menschen (und zum Teil auch deren Eigentum) verbunden wäre; daneben lassen sich als relevante Gesichtspunkte die Gefährdung der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruches und des Abgabenanspruches als solchen sowie die Gefährdung der Versorgungslage breiterer Bevölkerungsteile (mit Wasser und Energie) erkennen (vgl. die Rechtsprechungsbeispiele bei Puck, Die aufschiebende Wirkung bei Beschwerden vor den Gerichtshöfen des vffentlichen Rechts, ZfV 1982, 35, 465, und bei Schwartz, Das Provisorialverfahren auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung vor dem Verwaltungsgerichtshof, AnwBl 1994, 241, 245). Ein solches qualifiziertes öffentliches Interesse am sofortigen Vollzug der bekämpften aufsichtsbehördlichen Anordnungen vermag der Verfassungsgerichtshof im vorliegenden Fall allerdings weder aus dem angefochtenen Bescheid noch aus der Stellungnahme der belangten Behörde zum Aufschiebungsantrag der Antragstellerin zu entnehmen.
Bei der vorzunehmenden Abwägung des von der Behörde ins Treffen geführten - vor dem Hintergrund der positivierten Zwecke und Ziele des TKG (vgl. insb. §1) zweifelsohne öffentlichen - Interesses an der Erfüllung ihres gesetzlichen Auftrages und den Interessen der antragstellenden Gesellschaft ist zunächst davon auszugehen, daß das Rechtsinstitut der aufschiebenden Wirkung im Sinne des §85 VerfGG als ein die Funktionsfähigkeit des Rechtsschutzsystems der Verfassungsrechtsordnung stütztendes Element anzusehen ist. Die in der Bescheidprüfung durch den Verfassungsgerichtshof gegebene Rechtsschutzfunktion soll durch einen Vollzug des angefochtenen Bescheides während der Dauer des Beschwerdeverfahrens nicht ausgehöhlt bzw. ausgeschaltet werden. Die Interessenabwägung schlägt daher in der Regel dann zu Gunsten des Beschwerdeführers aus, wenn der ihm durch den Vollzug des angefochtenen Bescheides drohende Nachteil im Falle eines Erfolges der Beschwerde nicht (oder nur schwer) rückgängig gemacht werden könnte, während vom Standpunkt der öffentlichen Interessen (oder etwa auch der Interessen eines Mitbeteiligten) ein Zuwarten mit der Durchsetzung des normativen Gehaltes des Bescheides hingenommen werden kann.
Wenn die Behörde in ihrer Stellungnahme darauf verweist, daß die von ihr abverlangten Daten unabdingbar für die Erfüllung ihres gesetzlichen Auftrages seien und ihre Mitarbeiter der Amtsverschwiegenheit unterlägen, so wird damit nicht dargetan, daß sie - so wie bisher - auch ohne sofortige Kenntnisse dieser Daten ihren Aufgaben keinesfalls nachkommen könnte. Demgegenüber würde die sofortige Bekanntgabe der abverlangten Daten ein Faktum schaffen, das nicht mehr rückgängig gemacht werden könnte. Nach Auffassung der Verfassungsgerichtshofes ist daher das Interesse der beschwerdeführenden Gesellschaft an der (vorläufigen) Geheimhaltung von Wirtschaftsdaten - ein Interesse, das nicht nur in der Nichtweitergabe erhobener Daten besteht, sondern auch darin, geschützte Daten nicht offenlegen zu müssen - höher zu veranschlagen als die Möglichkeit, potentielle Verwaltungsverfahren allenfalls leichter, zügiger und effizienter abführen zu können, zumal es der Behörde nicht verwehrt ist, in tatsächlich eingeleiteten Verfahren Auskünfte über Geschäftsdaten zu verlangen. Auch ist es der beschwerdeführenden Gesellschaft nicht zuzumuten, sich durch (bloße) Nichtbefolgung des angefochtenen Bescheides während der Dauer des verfassungsgerichtlichen Verfahrens strafbar zu machen.
Dem Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, war daher stattzugeben.
Schlagworte
VfGH / Wirkung aufschiebendeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2001:B2271.2000Dokumentnummer
JFT_09989596_00B02271_00