Index
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;Norm
BewG 1955 §62 Abs1 Z3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Reinisch, über die Beschwerde der Z AG & Still in P, vertreten durch die Exinger GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in 1010 Wien, Friedrichstraße 10, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark (Berufungssenat III) vom 17. April 2002, GZ RV 61/1-5/02, betreffend Einheitswert des Betriebsvermögens zum 1. Januar 1988, 1. Januar 1989, 1. Januar 1990, 1. Januar 1991 und 1. Januar 1992 zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Im Zuge einer bei der Beschwerdeführerin durchgeführten Buch- und Betriebsprüfung traf der Prüfer u.a. die Feststellung, die Beschwerdeführerin habe in den Jahren 1984 bis 1990 Umweltschutzgüter errichtet, die im Rahmen des Einheitswertes des Betriebsvermögens nicht als Aktiva anzusetzen seien (§ 62 Abs 1 Z 3 BewG). In Zusammenhang damit stehe der Umstand, dass der Wasserwirtschaftsfonds dem Reinhalteverband R (im Folgenden RV) ein Darlehen gewährt habe, welches RV zu den selben Konditionen der Beschwerdeführerin gewährt habe. Bei Ermittlung des Einheitswertes des Betriebsvermögen für die Beschwerdeführerin zu den Stichtagen 1. Jänner 1988, 1989, 1990, 1991 und 1992 dürfe dieses Darlehen (Jahresstand zwischen ca 38 und 47 Mio S) nicht als Schuldposten berücksichtigt werden, weil es in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit den genannten Umweltschutzgütern stehe (§ 64 Abs 1 BewG).
Das Finanzamt stellte - nach Wiederaufnahme der Verfahren - den Einheitswert des Betriebsvermögens zu den genannten Stichtagen den Feststellungen des Prüfers entsprechend fest.
Gegen die Einheitswertbescheide brachte die Beschwerdeführerin Berufung ein. Sie habe Umweltschutzgüter hergestellt und sodann an RV verkauft. RV habe ihr ein Nutzungsrecht an diesen Umweltschutzgütern eingeräumt, welches gemäß § 62 Abs 1 Z 3 BewG beim Einheitswert nicht als Aktivum anzusetzen sei. Die Verbindlichkeit der Beschwerdeführerin, die aus der Einräumung des Nutzungsrechtes resultiere, sei mit ihrer Kaufpreisforderung kompensiert und somit beglichen worden. Unabhängig davon habe der Wasserwirtschaftsfonds RV ein Darlehen gewährt; RV habe nach Maßgabe der Darlehensauszahlung zeitgleich ihr ein gleichartiges Darlehen gewährt. Strittig sei die Abzugsfähigkeit dieses von RV gewährten Darlehens. Es sei kein Zusammenhang zu den gemäß § 62 Abs 1 Z 3 BewG "befreiten" Vermögenswerten (Nutzungsrechte) gegeben. Es bestehe nicht einmal ein indirekter Zusammenhang, weil sie alle ihre Investitionen aus dem "Innenfinanzierungspotential" abgedeckt habe. Daher sei das Darlehen als Schuld zu berücksichtigen. Außerdem sei es der Zweck des § 62 BewG, nach welcher Bestimmung bestimmte Wirtschaftsgüter nicht zum Betriebsvermögen gehörten, dem Steuerpflichtigen eine vermögensteuerliche Begünstigung zu verschaffen. Zweck des § 62 Abs 1 Z 3 BewG sei es, eine steuerliche Begünstigung bei der Anschaffung von Umweltschutzanlagen zu bewirken. Die Meinung des Finanzamtes hätte im Beschwerdefall das Gegenteil zur Folge, die Umkehr einer Steuerbegünstigung in eine Steuerbelastung. Damit hätte § 62 BewG in höchstem Maße Strafcharakter.
Die belangte Behörde wies die Berufung mit Bescheid vom 26. November 1997 als unbegründet ab.
Die Beschwerdeführerin erhob sodann Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 29. Februar 2000, B 374/98, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
Der Verwaltungsgerichtshof hob den Bescheid mit Erkenntnis vom 18. Dezember 2001, 2000/15/0049, wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde auf.
Im fortgesetzten Verfahren wies die belangte Behörde die Berufung mit dem angefochtenen Bescheid neuerlich als unbegründet ab. Strittig sei, ob das Darlehen, welches RV vom Wasserwirtschaftsfonds (zum Zweck der Errichtung der Umweltschutzgüter) erhalten und in einem Vorgang zu denselben Konditionen an die Beschwerdeführerin weitergegeben habe, als eine mit den steuerbefreiten Wirtschaftsgütern des Umweltschutzes zusammenhängende Verbindlichkeit anzusehen sei. Nach Ansicht der belangten Behörde sei der wirtschaftliche Zusammenhang zwischen den Umweltschutzgütern und dem Darlehen gegeben. Die Beschwerdeführerin hätte das Darlehen des Wasserwirtschaftsfonds nicht erhalten, weshalb es der Zwischenschaltung von RV bedurft habe, "um die aus Eigenmitteln vorfinanzierten Umweltschutzanlagen mittels eines äußerst günstigen langfristigen Darlehens zu finanzieren". RV habe das Darlehen nach Maßgabe des Zufließens der Mittel des Wasserwirtschaftsfonds zu den identen Bedingungen weitergeleitet. Das Darlehen des Wasserwirtschaftsfonds habe den Hauptzweck gehabt, die von der Beschwerdeführerin errichteten Umweltschutzgüter zu fördern. Der Wasserwirtschaftsfonds mache die Gewährung derartiger Darlehen von der Errichtung bestimmter zu fördernder Anlagen abhängig. Der Wasserwirtschaftsfonds habe die widmungsgemäße Verwendung des von RV weiter geleiteten Darlehens unter Berücksichtigung des Baufortschrittes bei der Beschwerdeführerin überprüft. Zudem habe die Beschwerdeführerin die Haftung für das vom Wasserwirtschaftsfonds gewährte Darlehen übernommen. Der Wasserwirtschaftsfonds habe den Schriftverkehr betreffend die geförderten Anlagen entweder an RV und an die Beschwerdeführerin oder nur an die Beschwerdeführerin gerichtet. RV habe keinen Gewinn erwirtschaftet; das bezogene Nutzungsentgelt habe dazu gedient, kostendeckend zu wirtschaften. Bei der wirtschaftlichen Betrachtungsweise liege das Gewicht der Beurteilung eines abgabenrechtlich bedeutsamen Sachverhaltes auf seinem tatsächlichen inneren Gehalt. Diese Betrachtungsweise ermögliche es, jene Sachverhaltselemente zu berücksichtigen, die dem Steuertatbestand entsprächen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:
Gem § 62 Abs 1 Z 3 BewG gehören nicht zum Betriebsvermögen:
"Wirtschaftsgüter und Rechte an Wirtschaftsgütern, soweit sie dazu dienen, Umweltbelastungen zu verhindern, zu beseitigen oder zu verringern, die durch den eigenen Betrieb verursacht werden oder diesen beeinträchtigen, und deren Anschaffung oder Herstellung gesetzlich vorgeschrieben oder im öffentlichen Interesse erforderlich war".
§ 64 Abs 1 BewG lautet:
"Zur Ermittlung des Einheitswertes des gewerblichen Betriebes sind vom Rohvermögen diejenigen Schulden abzuziehen, die mit der Gesamtheit oder mit einzelnen Teilen des gewerblichen Betriebes im wirtschaftlichen Zusammenhang stehen."
Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 9. Dezember 2004, 2002/14/0105, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, zum Ausdruck gebracht hat, ist gemäß § 64 Abs 1 BewG die Abzugsfähigkeit von Schulden beim Einheitswert des Betriebsvermögens nicht gegeben, wenn die Schuld mit Wirtschaftsgütern im Zusammenhang steht, die ( etwa nach § 62 Abs 1 Z 3 BewG ( vom Betriebsvermögen ausgenommen sind. Es bestünden keine Bedenken gegen die Sachlichkeit einer derartigen Regelung, nach welcher, wenn Teile des Aktivvermögens ausgeschieden werden, auch die damit zusammen hängenden Schulden ausgeschieden werden.
In der Beschwerde wird u.a. eingewendet, Verbindlichkeiten seien zuordnungsindifferent, weshalb ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen Wirtschaftsgütern, die nicht dem Betriebsvermögen angehören ("steuerbefreite Wirtschaftsgüter"), und Verbindlichkeiten nicht gefunden werden könne. Diesem Einwand ist die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs entgegen zu halten, wonach zwischen den Verbindlichkeiten, die für die Anschaffung bzw Herstellung eines Wirtschaftsgutes aufgewendet worden sind, und eben diesem Wirtschaftsgut ein enger Zusammenhang besteht. Fremdmittel sind zwingend den aktiven Wirtschaftsgütern zuzuordnen, deren Anschaffungs- bzw Herstellungskosten sie finanziert haben (vgl nochmals das hg Erkenntnis 2002/14/0105).
Mit dem Beschwerdevorbringen betreffend § 77 Abs 2 BewG wird übersehen, dass der angefochtene Bescheid ausschließlich die Feststellung des Einheitswertes des Betriebsvermögens betrifft. Die Einheitsbewertung regelt das BewG im ersten Abschnitt seines zweiten Teiles; die Ermittlung des Einheitswertes des Betriebsvermögens richtet sich nach den §§ 57 bis 68 BewG. Die Regelung des § 77 Abs 2 BewG findet im Rahmen der Ermittlung des - im zweiten Abschnitt des zweiten Teiles des BewG geregelten - Gesamtvermögens (insbesondere für Zwecke der Vermögensteuer) Anwendung, nicht hingegen bei Ermittlung des Einheitswertes des Betriebsvermögens.
Die Beschwerde rügt schließlich, die belangte Behörde gehe im angefochtenen Bescheid davon aus, dass die Beschwerdeführerin die Umweltschutzgüter aus Eigenmitteln finanziert habe und es erst nach der Herstellung dieser Güter zur Darlehensaufnahme gekommen sei. Das Darlehen sei sohin nicht zur Anschaffung bzw Herstellung der "steuerbefreiten" Güter verwendet worden. Die belangte Behörde habe somit einen schlüssigen Nachweis für den wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen dem Darlehen und den steuerbefreiten Wirtschaftsgütern nicht erbracht.
Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerdeführerin in der Tat eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Wie oben ausgeführt ist die Abzugsfähigkeit von Schulden beim Einheitswert des Betriebsvermögens nicht gegeben, wenn die Schuld mit aktiven Wirtschaftsgütern im Zusammenhang steht, die nicht zum Betriebsvermögen gehören. Ein solcher Zusammenhang zwischen einer Verbindlichkeit und einem aktiven Wirtschaftsgut ist aber nur gegeben, wenn die Fremdmittel, deren Aufnahme zur dieser Verbindlichkeit geführt hat, die Anschaffungs- bzw Herstellungskosten des aktiven Wirtschaftsgutes finanziert haben. Der angefochtene Bescheid hält nicht einmal fest, ob bzw zu welchen Bewertungsstichtagen die nach § 62 Abs 1 Z 3 BewG nicht im Einheitswert zu erfassenden Wirtschaftsgüter körperliche Wirtschaftsgüter oder Rechte an solchen körperlichen Wirtschaftsgütern sind und vermag in keiner Weise aufzuzeigen, in welcher Weise die Anschaffungs- bzw Herstellungskosten des jeweiligen aktiven Wirtschaftsgutes finanziert worden sind. Somit enthält der angefochtene Bescheid auch keinen Nachweis dafür, dass das in Rede stehende Darlehen der Finanzierung der Anschaffungsbzw Herstellungskosten von nach § 62 Abs 1 Z 3 BewG nicht zu erfassenden Wirtschaftsgütern gedient hat.
Der angefochtene Bescheid ist somit mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet und war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 3 VwGG abzuweisen.
Von der Durchführung einer Verhandlung konnte aus den Gründen des § 39 Abs 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II 333/2003.
Wien, am 22. Dezember 2004
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2002150093.X00Im RIS seit
08.02.2005