Index
62 Arbeitsmarktverwaltung;Norm
AlVG 1977 §21 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Strohmayer, Dr. Köller und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der M in S, vertreten durch Mag. German Storch und Mag. Rainer Storch, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Bürgerstraße 62, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Oberösterreich vom 17. August 2004, Zl. LGSOÖ/Abt.4/1284/1754/2004-4, betreffend Höhe des Arbeitslosengeldes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin war vom 11. September 2000 bis 27. Oktober 2003 als Lehrling und vom 2. Jänner 2004 bis 30. April 2004 als Arbeiterin beschäftigt. Am 3. Juni 2004 stellte sie (erstmals) den Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld. Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde das Arbeitslosengeld der Beschwerdeführerin ab 3. Juni 2004 in der Höhe von täglich EUR 9,30 festgesetzt.
Strittig ist, ob die belangte Behörde bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes zu Recht die beim Hauptverband gespeicherten Beitragsgrundlagen für das Kalenderjahr 2002 (welche ausschließlich auf Grund des Bezuges von Lehrlingsentschädigung gebildet wurden) herangezogen hat, oder ob sie - unter Außerachtlassung von Beitragsgrundlagen auf Grund der Lehrlingsentschädigung - zeitlich nachfolgende Beitragsgrundlagen des Jahres 2004 heranzuziehen gehabt hätte, die aus dem (höheren) Arbeitsentgelt der Tätigkeit der Beschwerdeführerin als Arbeiterin ab 2. Jänner 2004 resultierten.
Die belangte Behörde vertritt in der Bescheidbegründung unter Berufung auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Juli 2001, Zl. 2000/08/0167, die Auffassung, dass bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes gemäß § 21 Abs. 1 AlVG Zeiten des Bezuges einer Lehrlingsentschädigung nur dann außer Betracht zu lassen seien, wenn im selben Beitragsjahr auch andere (höhere) Beitragsgrundlagen aus anderen Beschäftigungen vorlägen. Lägen hingegen in dem nach § 21 Abs. 1 AlVG heranzuziehenden Beitragsjahr ausschließlich Zeiten des Bezuges einer Lehrlingsentschädigung vor, so seien diese zwingend der Bemessung des Arbeitslosengeldes zu Grunde zu legen, und zwar auch dann, wenn in (davor oder danach liegenden) anderen Kalenderjahren höhere Beitragsgrundlagen vorgemerkt seien.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 21 Abs. 1 und 2 AlVG in der hier anzuwendenden Fassung des Art. 2 der Novelle BGBl. I Nr. 71/2003 lauten:
"(1) Für die Festsetzung des Grundbetrages des Arbeitslosengeldes ist bei Geltendmachung bis 30. Juni das Entgelt des vorletzten Kalenderjahres aus den beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger gespeicherten Jahresbeitragsgrundlagen aus arbeitslosenversicherungspflichtigem Entgelt, mangels solcher aus anderen für Zwecke der Sozialversicherung gespeicherten Jahresbeitragsgrundlagen heranzuziehen. Bei Geltendmachung nach dem 30. Juni ist das Entgelt des letzten Kalenderjahres heranzuziehen. Liegen die nach den vorstehenden Sätzen heranzuziehenden Jahresbeitragsgrundlagen nicht vor, so sind jeweils die letzten vorliegenden Jahresbeitragsgrundlagen eines vorhergehenden Jahres heranzuziehen. Durch Teilung des Entgelts der maßgeblichen Jahresbeitragsgrundlagen durch zwölf ergibt sich das monatliche Bruttoeinkommen. Zeiten, in denen der Arbeitslose infolge Erkrankung (Schwangerschaft) nicht das volle Entgelt oder wegen Beschäftigungslosigkeit kein Entgelt bezogen hat, sowie Zeiten des Bezuges einer Lehrlingsentschädigung, wenn es für den Arbeitslosen günstiger ist, bleiben bei der Heranziehung der Beitragsgrundlagen außer Betracht. In diesem Fall ist das Entgelt durch die Zahl der Versicherungstage zu teilen und mit 30 zu vervielfachen. Jahresbeitragsgrundlagen, die einen Zeitraum enthalten, in dem Karenz-(Urlaubs-)Geld oder Kinderbetreuungsgeld bezogen wurde oder die Normalarbeitszeit zum Zwecke der Sterbebegleitung eines nahen Verwandten oder der Begleitung eines schwersterkrankten Kindes gemäß § 14a oder § 14b AVRAG oder einer gleichartigen Regelung herabgesetzt wurde, bleiben außer Betracht, wenn diese niedriger als die sonst heranzuziehenden Jahresbeitragsgrundlagen sind. Sind die heranzuziehenden Jahresbeitragsgrundlagen zum Zeitpunkt der Geltendmachung älter als vier Jahre, so sind diese mit den Aufwertungsfaktoren gemäß § 108 Abs. 4 ASVG der betreffenden Jahre aufzuwerten. Jahresbeitragsgrundlagen, die Zeiten einer gemäß § 1 Abs. 2 lit. e von der Arbeitslosenversicherungspflicht ausgenommenen krankenversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit enthalten, gelten als Jahresbeitragsgrundlagen aus arbeitslosenversicherungspflichtigem Entgelt.
(2) Liegen noch keine Jahresbeitragsgrundlagen vor, so ist für die Festsetzung des Grundbetrages des Arbeitslosengeldes das Entgelt der letzten sechs Kalendermonate vor der Geltendmachung des Arbeitslosengeldes heranzuziehen. Sonderzahlungen im Sinne der gesetzlichen Sozialversicherung (§ 49 ASVG) sind anteilsmäßig zu berücksichtigen. Durch Teilung des Entgelts der letzten sechs Kalendermonate durch sechs ergibt sich das monatliche Bruttoeinkommen. Abs. 1 fünfter und sechster Satz ist anzuwenden."
Die Beschwerdeführerin wendet sich im Wesentlichen gegen die Auffassung der belangten Behörde, der nach § 21 Abs. 1 fünfter Satz AlVG durchzuführende Günstigkeitsvergleich zwischen Zeiten des Bezuges einer Lehrlingsentschädigung und anderen Beschäftigungszeiten sei nur innerhalb ein und desselben Beitragsjahres durchzuführen, dh. nur dann, wenn in der gemäß § 21 Abs. 1 zweiter und dritter Satz im jeweiligen Einzelfall konkret heranzuziehenden Jahresbeitragsgrundlage auch andere Beschäftigungszeiten als solche des Bezuges einer Lehrlingsentschädigung zu berücksichtigen seien.
Soweit sich die belangte Behörde mit dieser Rechtsauffassung auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Juli 2001, Zl. 2000/08/0167, stützt, ist sie nicht im Recht:
Nach dem dem Vorerkenntnis zu Grunde liegenden Sachverhalt war bei dem damaligen Beschwerdeführer ein Fortbezugsanspruch nach erstmaliger, zeitlich vorangehender Inanspruchnahme des Arbeitslosengeldes strittig. Der damalige Beschwerdeführer hatte nach diesem - den Anspruch nicht erschöpfenden - Bezug zwar höhere Beitragsgrundlagen, allerdings keine neue Anwartschaft erworben. Es war daher der frühere Anspruch fortzugewähren; es konnten daher nur Zeiten der Lehrlingsentschädigung berücksichtigt werden, weil zu dem für die Berechnung dieses Anspruchs maßgeblichen Zeitpunkt andere Beitragsgrundlagen nicht vorlagen. Ein Rechtssatz des Inhalts, dass Lehrlingsentschädigungen nur dann nicht zu berücksichtigen sind, wenn im selben Kalenderjahr auch andere Beschäftigungszeiten liegen, kann diesem Erkenntnis daher nicht entnommen werden.
Der Sachverhalt des vorliegenden Beschwerdefalles unterscheidet sich von dem des Erkenntnisses vom 27. Juli 2001 schon darin, dass die Beschwerdeführerin zu dem für die Anspruchsberechnung maßgeblichen Zeitpunkt neben Beitragsgrundlagen auf Grund einer Lehrlingsentschädigung auch solche auf Grund eines Arbeitsentgelts als Arbeiterin aufzuweisen hat, und zwar im Zeitraum vom 2. Jänner bis 30. April 2004.
Dennoch ist ihre Beschwerde im Ergebnis unbegründet:
§ 21 Abs. 1 AlVG ordnet im Wesentlichen an, dass das Arbeitslosengeld nur unter Heranziehung bereits beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger vorgemerkter Beitragsgrundlagen zu berechnen ist. Nach den Erläuterungen der Regierungsvorlage (72 BlgNR, XX. GP, 235 f) soll das Arbeitslosengeld (im Gegensatz zu der bis dahin in Geltung gestandenen Regelung nicht mehr aus dem Entgelt der letzten 26 Kalenderwochen bzw. sechs Kalendermonate sondern) auf Grundlage der beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger vorliegenden Jahresbeitragsgrundlagen berechnet werden. Als Stichtag sei der 1. Juli gewählt worden, da spätestens zu diesem Zeitpunkt die Jahresbeitragsgrundlagen beim Hauptverband vorlägen, und zwar auch dann, wenn der Dienstgeber die Beiträge nach dem Lohnsummenverfahren abführt. Werde das Arbeitslosengeld im zweiten Halbjahr geltend gemacht, so seien die Jahresbeitragsgrundlagen des Vorjahres heranzuziehen. Läge die Geltendmachung im ersten Halbjahr, so seien die Jahresbeitragsgrundlagen des vorletzten Jahres heranzuziehen, wobei als Beispiel für den Fall der Geltendmachung im Frühjahr 1997 ausdrücklich die Jahresbeitragsgrundlagen 1995 erwähnt werden. Lägen diese Jahresbeitragsgrundlagen nicht vor, so seien die jeweils zuletzt vorliegenden Jahresbeitragsgrundlagen heranzuziehen.
Die Beschwerdeführerin weist nun aber - wie sie in ihrer Beschwerde auch selbst einräumt - günstigere Arbeitsentgelte ausschließlich im Kalenderjahr der Inanspruchnahme des Arbeitslosengeldes (nämlich vom 2. Jänner bis 30. April 2004) auf. Das Arbeitsentgelt der letzten sechs Kalendermonate im Sinne des § 21 Abs. 2 AlVG darf aber nach dem insoweit eindeutigen Gesetzeswortlaut nur dann herangezogen werden, wenn keine vorgemerkten Jahresbeitragsgrundlagen im Sinne des § 21 Abs. 1 erster und zweiter Satz AlVG vorliegen. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 28. Oktober 1997, Zl. 97/08/0474, ausgesprochen hat, geht der Anwendung des § 21 Abs. 2 AlVG bei einer Antragstellung bis 30. Juni in einem Fall, in welchem nur Beitragsgrundlagen aus dem Jahr vor der Antragstellung und aus dem Jahr der Antragstellung vorliegen, die Heranziehung der Beitragsgrundlagen aus dem unmittelbar vor der Antragstellung liegenden Jahr vor, wenn für dieses Jahr Jahresbeitragsgrundlagen beim Hauptverband aufscheinen. Der dem § 21 Abs. 1 AlVG zu Grunde liegende Zweck, die Bemessung des Arbeitslosengeldes zu vereinfachen, führt u.a. auch dazu, dass unter Umständen zeitlich zurückliegende Arbeitsverdienste und nicht die dem Versicherungsfall nächstliegenden (und allenfalls günstigeren) Arbeitsverdienste für die Bemessung des Arbeitslosengeldes herangezogen werden. Ein Günstigkeitsvergleich zB mit Lehrlingsentschädigungen soll nach dem Willen des Gesetzgebers offenkundig in erster Linie nur innerhalb vorgemerkter (und daher leicht feststellbarer) Beitragsgrundlagen stattfinden.
Ein solcher Günstigkeitsvergleich ist auf Grund des letzten Satzes des § 21 Abs. 2 AlVG zwar auch dann vorzunehmen, wenn mangels Vormerkungen beim Hauptverband die Arbeitsverdienste der letzten sechs Monate heranzuziehen sind. Eine Heranziehung (und damit auch eine in jedem Fall erforderliche Prüfung) dieser Arbeitsentgelte ausschließlich aus dem Grunde der Günstigkeit hat der Gesetzgeber aber nicht vorgesehen. Der Wortlaut und der Gesetzeszweck schließen eine Auslegung in diesem Sinne auch aus.
Ungeachtet dessen, dass somit die Rechtsauffassung der belangten Behörde auf einer Fehlinterpretation des Erkenntnisses vom 27. Juli 2001, Zl. 2000/08/0167, beruht, erweist sich die Beschwerde dennoch als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003, jedoch begrenzt mit dem hinter den Pauschalsätzen dieser Verordnung zurückbleibenden, ziffernmäßig konkretisierten Kostenbegehren.
Wien, am 22. Dezember 2004
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2004080216.X00Im RIS seit
28.01.2005