TE Vwgh Erkenntnis 2005/1/18 2004/18/0101

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Veröffentlicht am 18.01.2005
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Index

19/05 Menschenrechte;
24/01 Strafgesetzbuch;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
82/02 Gesundheitsrecht allgemein;

Norm

FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
MRK Art8 Abs2;
SMG 1997 §28 Abs6;
StGB §70;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Trefil, über die Beschwerde des S in R im I, geboren 1955, vertreten durch Dr. Wolfgang Lamprecht, Rechtsanwalt in 5280 Braunau am Inn, Stadtplatz 5, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 19. Jänner 2004, Zl. St 282/03, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 41,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 19. Jänner 2004 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen ägyptischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 iVm §§ 37 und 39 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer sei erstmals am 5. September 1989 nach Österreich eingereist und seither hier niedergelassen. Er habe sich jeweils nur kurzfristig zu Urlaubszwecken in Ägypten aufgehalten. Zunächst habe er als Zeitungskolporteur und Rosenverkäufer gearbeitet; seit 1990 sei er bei einem Metall verarbeitenden Unternehmen als Hilfsarbeiter beschäftigt. Diese Arbeit habe er lediglich im Jahr 2001 für etwa drei bis vier Monate unterbrochen, weil er vorübergehend Probleme mit seinem Chef gehabt habe. Ab März 1990 sei er etwa 20 Monate mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet gewesen. Aus dieser Ehe entstamme eine am 18. Dezember 1990 geborene Tochter. Diese wohne im Haushalt der Mutter in Braunau am Inn. Seit drei Jahren sei der Beschwerdeführer mit einer ägyptischen Staatsangehörigen verheiratet. Diese Frau sei auch die Mutter der (drei) weiteren Kinder des Beschwerdeführers (von denen zwei bereits vor 1989 geboren sind). Diese Angehörigen hielten sich in Ägypten auf. Der Beschwerdeführer sei im Besitz einer bis Dezember 2005 befristeten Niederlassungsbewilligung und eines bis Oktober 2005 befristeten Befreiungsscheines.

Am 7. Februar 1994 sei der Beschwerdeführer angezeigt worden, weil er im Zeitraum von Herbst 1989 bis Sommer 1993 Haschisch angekauft und konsumiert habe. Die Anzeige sei im Juni 1994 unter Bestimmung einer Probezeit von zwei Jahren vorläufig zurückgelegt worden.

Am 6. Juni 2002 sei der Beschwerdeführer wegen der Vergehen der versuchten Nötigung gemäß §§ 15, 105 Abs. 1 StGB und der Körperverletzung gemäß § 83 Abs. 1 leg. cit. zu einer bedingt nachgesehen Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt worden. (Nach der bei den Akten befindlichen Ausfertigung des Urteils des Geschworenengerichts hat der Beschwerdeführer am 26. Juli 2001 versucht, eine andere Person durch Festhalten, Vorhalten einer abgebrochenen Flasche, Beißen und Schlagen zur Herausgabe eines Bargeldbetrages von EUR 218,02 zu nötigen. Weiters hat er eine Person durch Beißen und Versetzen von Schlägen verletzt, wobei diese Person eine Schädel- und Nasenbeinprellung, eine Prellung am rechten Daumen mit Bluterguss, zahlreiche Abschürfungen am Hals, am linken Ohr, an der linken Schulter, am Rücken, am linken Ober- und Unterarm, am rechten Ellbogen mit Bluterguss, am rechten Unterarm, am rechten Knie und am rechten Daumengrundgelenk, einen Bruch eines Schneidezahnes sowie Bisswunden im Bereich der linken Brust und an beiden Oberschenkeln erlitten hat.)

Am 23. April 2003 sei der Beschwerdeführer wegen des Vergehens nach § 27 Abs. 1 erster und zweiter Fall Suchtmittelgesetz (SMG) sowie des zum Teil versuchten und zum Teil gewerbsmäßig begangenen Verbrechens nach § 28 Abs. 2 zweiter Fall und Abs. 3 erster Satz erster Fall SMG iVm §§ 12 und 15 StGB rechtskräftig zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren verurteilt worden. Dieser Verurteilung liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer von September 1998 bis 8. Jänner 2003 Cannabis und seit Beginn 2000 auch Kokain erworben und bis zum Eigenkonsum besessen habe. Im Zeitraum von Februar 2002 bis 20. August 2002 habe er zumindest 23 Mal eine große Menge Suchtmittel, nämlich 31,5 Gramm reines Heroin (brutto 315 Gramm) und zumindest 190 Gramm reines Kokain (brutto 475 Gramm), teils als unmittelbarer Täter und teils als Bestimmungs- und Beitragstäter von den Niederlanden über Deutschland nach Österreich eingeführt, wobei es bezüglich eines Teiles von 25 Gramm Heroin brutto und 15 Gramm Kokain brutto beim Versuch geblieben sei. Bezüglich einer, die "große Menge" um das fünffache übersteigenden Suchtgiftmenge (50 Gramm Heroin brutto und 125 Gramm Kokain brutto) habe der Beschwerdeführer in der Absicht gehandelt, sich durch die wiederkehrende Begehung der Tat eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Der Beschwerdeführer sei selbst süchtig gewesen und habe die Tat begangen, um sich für den eigenen Gebrauch Suchtmittel zu verschaffen.

Im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität sei die Erlassung eines Aufenthaltsverbots auch bei ansonsten voller sozialer Integration zulässig. Ein rigoroses Vorgehen gegen Suchtgiftdelikte sei angesichts der immer größer werdenden Schäden, die der Konsum von Suchtgiften in der Gesellschaft anrichte, dringend geboten. Die Suchtgiftkriminalität weise besorgniserregende Wachstumsraten auf und werde immer mehr zu einem gesellschaftlichen Destabilisierungsfaktor. Im Hinblick auf den Schutz der Gesellschaft, vor allem der Jugend, sei die vorliegende, sicherlich in das Privat- und Familienleben eingreifende Maßnahme dringend erforderlich, sei doch bei Suchtgiftdelikten die Wiederholungsgefahr besonders groß.

Da der Beschwerdeführer seit 1989 in Österreich aufhältig sei, hier verheiratet gewesen sei, eine in Österreich aufhältige Tochter habe, die er regelmäßig sehe, und in Österreich durchgehend berufstätig sei, sei ihm "ein gewisses Maß an Integration" zuzugestehen. Diese Integration werde jedoch in sozialer Hinsicht durch die Suchtmittelkriminalität, insbesondere den Schmuggel von nahezu einer "Übermenge" (§ 28 Abs. 4 Z. 3 SMG) an harten Drogen, in erheblichem Maß gemindert. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, sich einer Drogentherapie unterziehen zu wollen, sei keinesfalls geeignet, die erhebliche Gefährdung öffentlicher Interessen durch den Beschwerdeführer auszuschließen, zumal die Gefahr eines Rückfalls selbst im Fall einer Drogentherapie nicht auszuschließen sei.

Auf Grund der genannten Umstände sei nicht nur die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt, sondern das Aufenthaltsverbot auch im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zulässig. Da unter Abwägung aller genannten Umstände - im Hinblick auf die für den weiteren Inlandsaufenthalt zu stellende negative Verhaltensprognose - die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbots wesentlich schwerer wögen als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers, sei das Aufenthaltsverbots gegen den seit 15 Jahren in Österreich lebenden Beschwerdeführer ungeachtet der geltend gemachten privaten und familiären Umstände im Grund des § 37 Abs. 2 FrG zulässig.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Im Hinblick auf die unbestrittene rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren kann die Ansicht der belangten Behörde, der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG sei erfüllt, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

1.2. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, bereits im Zeitraum von Herbst 1989 bis Sommer 1993 Suchtmittel angekauft und konsumiert zu haben. Entsprechend der Verurteilung vom 23. April 2004 hat er von September 2000 bis Jänner 2003 zunächst Cannabis und dann auch Kokain erworben und bis zum Eigenkonsum besessen. Von Februar bis August 2002 hat er in nicht weniger als 23 Fällen jeweils eine - gemäß § 28 Abs. 6 SMG u.a. unter Bedachtnahme auf die Eignung, Gewöhnung hervorzurufen und in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen herbeizuführen, festzusetzende - "große Menge" der Suchtmittel Heroin bzw. Kokain als unmittelbarer Täter oder als Beitragstäter von den Niederlanden über Deutschland nach Österreich eingeführt. Hinsichtlich eines - die Untergrenze der "großen Menge" um das fünffache übersteigenden - Teiles dieser Suchtmittel hat er in der Absicht gehandelt, sich durch die wiederkehrende Begehung derartiger Straftaten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (gewerbsmäßig gemäß § 70 StGB). Von diesem Verhalten geht eine überaus große Gefährdung des sehr gewichtigen öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität aus.

Der Beschwerdeführer wendet in diesem Zusammenhang insbesondere ein, auf Grund des Entzugs in der Strafhaft nicht mehr suchtmittelabhängig zu sein und für die Zeit nach der am 10. Mai 2004 zu erwartenden Haftentlassung eine Suchtmitteltherapie in die Wege geleitet zu haben.

Diese geltend gemachten Umstände vermögen die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefahr nicht in relevantem Ausmaß zu mindern, hat sich doch bei ihm die bei der Suchtmittelkriminalität erfahrungsgemäß sehr große Wiederholungsgefahr bereits darin manifestiert, dass er - trotz der Zurücklegung einer Anzeige wegen mehrjährigen Suchtgiftkonsums - über einen langen Zeitraum weitere Suchtmitteldelikte in Bezug auf große Mengen an Heroin und Kokain begangen hat, wobei er teilweise sogar gewerbsmäßig vorgegangen ist.

Überdies geht vom Beschwerdeführer auch eine Gefährdung des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Gewaltkriminalität aus, hat er doch am 26. Juli 2001 einen anderen in der oben I.1. dargestellten Weise am Körper verletzt und zur Herausgabe eines Geldbetrages zu nötigen versucht.

Für die gemäß § 36 Abs. 1 FrG zutreffende Prognose war - entgegen der Meinung des Beschwerdeführers - nicht relevant, von welchen Erwägungen das Vollzugsgericht bei der nach dem Beschwerdevorbringen bereits getroffenen Entscheidung über die bedingte Entlassung des Beschwerdeführers aus der Strafhaft am 10. Mai 2004 ausgegangen ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 12. März 2002, Zl. 2002/18/0022).

Aus all diesen Gründen kann die Ansicht der belangten Behörde, die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme sei gerechtfertigt, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

2. Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG hat die belangte Behörde zu Gunsten des Beschwerdeführers neben der langen Dauer des inländischen Aufenthalts seit September 1989 berücksichtigt, dass sich die eheliche Tochter, die vom Beschwerdeführer regelmäßig besucht wird, im Bundesgebiet aufhält und der Beschwerdeführer in Österreich durchgehend beschäftigt ist. Unstrittig lebt die Tochter des Beschwerdeführers nicht in dessen Haushalt. Seine Gattin und die - weiteren - Kinder befinden sich in Ägypten. Zutreffend hat die belangte Behörde auf die Minderung der Integration des Beschwerdeführers in ihrer sozialen Komponente durch die Straftaten hingewiesen.

Den dennoch sehr beachtlichen persönlichen Interessen am Verbleib im Bundesgebiet steht die Gefährdung öffentlicher Interessen durch die Straftaten des Beschwerdeführers gegenüber. Auf Grund der dargestellten großen Gefährdung öffentlicher Interessen durch die Straftaten des Beschwerdeführers begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass das Aufenthaltsverbot zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Gesundheit und der Rechte anderer) dringend geboten sei (§ 37 Abs. 1 FrG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 37 Abs. 2 leg. cit.), keinen Bedenken.

3. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 18. Jänner 2005

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2004180101.X00

Im RIS seit

17.02.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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